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fahren haben, denn sic erwähnte dieses Umstandes und zeigte sich dabei so außerordentlich freundlich, daß ich versucht ward, zu glauben, sie könne noch etwas mehr als Dank für meine Pflichterfüllung haben aussprcchen wollen. Nach einiger Zeit wagte ich, der ich mich bisher nur dann, wenn sie es verlangte, ihr genaht, ihr von tiefster Verehrung für sie zu sprechen. Ich würde dies nicht gethan haben, wenn ich nicht die unzweifelhaften Beweise von Zuneigung für mich aus ihrem Benehmen hätte schöpfen können. Sie reichte mir die Hand und wir wurden ein recht glück liches Paar. Ihre Verwandten haben es mich nicht merken lassen, daß ich nur ein einfacher Handwerker war, und bis auf diese Stunde habe ich mit ihnen den freundschaftlichsten Verkehr unterhalten. Unsere Ehe war mit zwei Kindern gesegnet. Mein Sohn ist als Reserve-Offizier auf dem Felde der Ehre für sein Vaterland gestorben. Das Glück meines nun ein zigen Kindes, meiner Tochter Bertha, lege ich von jetzt an vertrauensvoll in Ihre Hände." Bäumer verneigte sich mit einem bewundernden Blick auf den alten Herrn. „Wie ich schon erwähnte", begann Droop weiter zu erzählen, „war das Haus meiner Eltern durch meinen Rechtsanwalt für mich erworben worden. Als meine Kräfte nicht mehr hinreichtcn, um die inimer größer gewordene Fabrik zu leiten, zog ich mich, nach dem ich diese unter günstigen Bedingungen veräußert hatte, in das Privatleben zurück. Seit drei Jahren wohne ich nun wieder hier im Heimathsorte. Ich ließ das Haus abbrechen und baute dafür ein neues. Leider habe ich seitdem oft bereuen müssen, daß ich meinen Wohnsitz änderte. Jener Mann, der vor dreißig Jahren meinen Vater betrog, hat mir hier schon manchen Kummer verursacht. Er kann dies um so leichter, als er fast ein Dutzend Verwandte hier im Orte hat, unter denen wohl Keiner ist, der mir mein Glück gönnt. ES zeigte sich dieses gleich in der ersten Zeit meines Hierseins, als ich durch einige Bekannte aufgefordert wurde, der Gesellschaft „Eintracht" beizutreten. Ich hatte kaum mein Ge such um Aufnahme dem Vorstand vorgclegt, als mir von anonymer Hand ein Brief zugesandt wurde, wo rin man mir mittheilte, daß ich keine Aussicht hätte, ausgenommen zu werden, da eine gewisse Elique nach theilige Gerüchte, die auch leider von der Mehrzahl der Mitglieder geglaubt wurde», über mich verbreitete. Auch Sie, lieber Freund, haben, seitdem Sie mein Haus betreten, erfahren müssen, daß die Feindschaft gegen mich hier sogar auf Ihre Person ausgedehnt wird; daß meine Erzählung auf Wahrheit beruht, dafür mag mein in harter Arbeit, aber in Ehre» grau gewordenes Haar zeugen. Ich bin zu Ende." (Fortsetzung folgt.» Schneelawinen in den Hoch-Alpen. Von Guido Mäder. Der Schnee, welcher im lustigen Wirbel zur Erde herniederfällt, bildet für unsere großen und kleinen Kinder eine Fülle des Vergnügens. Da werden Schneeballschlachten geschlagen, Schlittenpartien unter nommen, der kleine Handschliltcn unter Jubel und Halloh den steilen Berg hinab und ein Spaziergang durch den verschneiten Wald oder die im unschulds vollen Weiß liegende Landschaft hat seine ganz be sonderen Reize. Da bedauert man denn manchmal, wenn der warme Thauwiud die weiße Decke allgemach verschwinden läßt und die Felder u. Wiesen uns wieder in ihrem trost losen Grau erscheinen. Anders ist es im Hochgebirge. Der Schneefall nimmt hier ganz andere Dimensionen an, als im Flachlande. Die kleinen Berghäuschen und Sennhütten sind da oft total verschneit und die Bewohner derselben müssen sich erst einen Ausgang aus ihren Wohnungen mit dem Grabscheit bahnen, oder sie müssen durch die Bodeuthür hcraussteigcn, welche für solche Fälle auch eine besondere Treppe nach außen hat. Der Schnee fällt hier oft tagelang ununterbrochen und setzt sich an den steilen u. überhängenden Felsen als eine dicke u. lange Schneemauer an. Die herr schende Kälte läßt die Schnccmassen fest gefrieren. Durch den fortwährenden Schneefall verschneicn die Wege und die Stege in den Alpen und die Haupt straßen kann man nur noch durch hohe Schneeblöcke kennzeichnen. Mit der Zeit verschneien auch diese. Da bietet man denn Schaaren von Menschen auf, welche mit Schaufeln und Hacken eine Bahn für den aufgehaltenen und im Schnee stecken gebliebenen Post wagen schaufeln. Dem einzelnen Menschen ist es unter solchen Umständen überhaupt unmöglich, seinen Weg zu verfolgen. Der eisige Nordsturm heult und das immerwährende Waten durch metertiefen lockeren Schnee würde die Kräfte des Wanderers bald erlah men lassen und derselbe in der weiten Schncewüste dem sicheren Tod anheim fallen. Da weht plötzlich von Afrika der warme Föhn wind herüber, den wir bei uns als Thauwind be zeichnen. Die Bewohner der Alpenthäler sehen dem sehr gefährlichen Gesellen mit Bangen entgegen. Die fest gefrorenen Schnccmassen an den Fels abhängen und auf den Eisfeldern der Hochalpen be ginnen zu schmelzen und dicke Schncelager kommen ins Gleiten und donnern mit unheimlicher Schnellig keit dem Thal zu, auf ihrer Bahn alles verschüttend u. begrabend und keine Spur von Leben zurücklassend. An den steilen Gehängen kommen die weiten dicken Schneelagen ins Rutschen. Erst langsam und dann immer schneller u. schneller brausen sie an den Seiten der Berge hinunter. Starke Bäume werden durch den furchtbaren Anprall wie dünne Strohhalme zer knickt, leichte Sennhütten zerfallen wie Kartenhäuser und die ungeheuren FelSstllcke, welche manchmal eine derartige Grundlawine niit sich führt, zermalmen alles, was sich ihnen in den Weg stellen würde. Glücklicher weise nehmen derartige Lawinen fast jedes Mal die selbe Bahn und der vorsichtige Alpenbcwohner hütet sich wohl, die Stellen, an denen sie zu stürzen pflegen, zur Zeit des T Hauwindes zu betreten. Die Haupt straßen in den Alpen findet man an den Stellen, an welcher öfter Lawinen zu fallen pflegen, aus diesem Grunde überbaut, um sie vor dem Verschüttetwerden zu schützen. Auch die Alpenbewohner errichten an manchen Stellen zum Schutze ihrer Häuschen gegen unvermuthete kleinere Lawinen hohe Steinwälle. Steht der Wanderer von weitem und sieht einer den Berg herabschießenden Lawine zn, so scheint der Schnecstreifcn an der Bergwand herabzngleiten. Hier und da spritzt der weiße Schnee hoch iu die Höhe und die Schneeschichten schieben sich zum Thale hinab, in ähnlicher Weise wie beim Thauwetter eine Schnee schicht von einem steilen Schieferdache herabstürzt. Ein dumpfes Brausen oder Rollen wie der Donner eines in der Ferne niedergehenden starken Gewitters dringt an das Ohr des dem großartigen Natnrschau- spicl aus der Ferne zusehenden Menschen, welcher solchen mächtigen Natnrgewalten gegenüber so recht seine Machtlosigkeit nnd Kleinheit fühlt. Natürlich zeigt sich die Lawine in der Nähe viel furchtbarer, indem das, was sich von der Ferne aus wie langsames Gleiten ausnimmt, hier zur rasenden Schnelligkeit wird. Manches friedliche Heim der harmlosen Berg- wohner ist auf diese Weise schon von Lawinen ver schüttet worden und erst nach Wochen konnte man die Ueberreste der unglücklichen Verschütteten aus irgend einer Felsspalte oder einem Abgrunde an das Tageslicht befördern, um sie dem kühlen Schooße der Mutter Erde übergeben zu können. Der Tourist trifft deshalb auch öfter in den Alpen am Wege Ge denktafeln, die von Unglücksfällen, die bei Lawinen fällen vorkamen, berichten. Bei der rasenden Schnelligkeit einer solchen den Berg hinabsauscnden Schneemasse wird selbst der Luftdruck zum Sturmwind, welcher einsame Heustadel umwirft und Bäume entwurzelt und durch die Lüfte führt. In den tiefen Spalten der Felsen, durch welche rauschende Gießbäche sich ihren Weg gebahnt haben, findet man nicht selten im heißesten Sommer noch Unmassen festgefrorencn Schnees. ES sind die Uebcr- rcste von früheren Lawinen, welche hier in der kalten Luft zwischen dem Gestein den Sommer überdauern und jetzt so hart nnd fest geworden sind, daß sic als Brücke dienen könnten. Außer den eben geschilderten Grnndlawinen kommen in den Alpen auch noch die sogenannten Staubla winen vor, welche jedoch ihren Weg ganz willkürlich zu nehmen pflegen. Der Nordsturm heult und rast auf den ungeheuren Schnee- und Eisfeldern der Hoch alpen mit furchtbarer Macht und schleudert ganze Wolken kleine haarscharfe Eiskrystallc in die Thälcr hinab, welche gleich dem Samum in der Sahara, Wege, Stege und Wandrer verschütten. Doch ist die Masse des Schnees hier nicht so groß und derselbe ist auch lockerer wie bei den Grundlawinen. Des halb können von Staublawinen Verschüttete verhält- nißmäßig schneller und leichter dem sicheren Tode entrissen werden. Im heißen Sommer, wenn die Sonne am höch sten steht und die unendlichen Schnccmassen auf den Gletschern zum Schmelzen bringt, lösen sich auch bis weilen von denselben Thcile los und stürzen zu Thal. ES sind die sogenannten Sommer- und Glctscherla- wincn, deren Vorkommen jedoch schon zu den Selten heiten zählt. Wer je unsere herrliche Alpen- und Gletscherwelt in ihrer ganzen Pracht und Majestät geschaut und an den stillen tiefblauen Bergseen inmitten himmel hoher zackiger Felsen weilte, wer je die mit ewigem Schnee bedeckten ehrwürdigen Häupter unserer Berg riesen im goldenen Strahle der nntergehenden Abend sonne erglühen sah, der dachte gewiß nicht daran, welche unendlichen Gefahren dieselben dem Alpenbe wohner durch plötzlich sich von ihren Gipfeln los lösende Schnee- und Eismassen bringen. Deshalb hat auch der stimmungsvolle Gruß der Alpenbewohner seine volle Berechtigung, welche einander zurufen: „Behüt' Dich Gott!" Vermischte Nachrichten. — Parchim. Kürzlich wurden eine große Zahl von Briefen gefunden, die von Unbefugten aus Brief kästen entnommen und in einem hoblen Baum versteckt worden waren. Den Nachforschungen der Polizei ist es gelungen, die Thäter zu ermitteln, Schulknaben, von denen drei in Haft genommen wurden. ES handelt sich wahrscheinlich um eine ganze Bande jugendlicher Missethäter. Nach ihrem Geständ- niß haben die Knaben gegen dreihnndert Briefe aus zwei Briefkästen entwendet. Vom 1. Juli an haben sie ein Verzcichniß geführt, in welches anfänglich die Briefe einzeln eingetragen worden sind, später haben sie nur die jedesmal entwendete Menge angegeben. Die Entwendungen haben in der Regel an Sonntagen zwischen 6—8 Uhr stattgefunden. Der Berrag für die abgenommeuen Briefmarken ist nach dem Buche 28 Mk. Die Briefkästen sind mit einen, Nachschlüssel ge öffnet worden. Die Postverwaltung hat sofort sämmt- liche Briefkästen der Stadt durch neue ersetzt. Die Thäter haben es nicht bei der Entleerung der Brief kästen bewenden lassen, sondern noch eine ganze An zahl anderer Thaten anSgeführt. — Der Werth der Impfung. Prof. vr. Joseph Korösi, Director des Budapester communal- statistischen Bureaus, hat unlängst einen recht inter essanten Aufsatz „Zur Frage des Impfschutzes" ver öffentlicht, der auch für die Jmpfgegner — leider giebt cs ja noch immer solche — recht lesenswerth ist. Korösi berichtet sehr gewissenhaft über die nach einer ungeheuer großen Zahl von Impfungen beobachtete sehr kleine Zahl von Schäden derselben. So hat sich u. A. herausgestellt, daß das bekannte Schreckgespenst der Jmpfgegner, die angebliche Uebertragung der Sy philis und Tuberkulose durch die Impfung, eben nur ein Schreckgespenst ist. Diese Art der Verbreitung jener Krankheiten gehört zu den seltensten Krankheits fällen, deren verschwindendes Gewicht den, kolossalen Gewichte des Impfschutzes gegenüber gar nicht iu Betracht kommen kann. Eine ziffernmäßige Berech nung des Debets und Credits der Impfung ergab folgende interessante Bilanz: Im vorigen Jahrhundert vor Einführung der Impfung gab cs unter je 100 Personen 8 Pockentodte. Da heute in Preußen jähr lich 750,000 Personen sterben, würde es also unter den Verhältnissen der damaligen Zeit 60,000 Pocken todte jährlich geben. Tatsächlich sterben aber gegen wärtig, nach dem Durchschnitt der letzten sechs Jahre 188 l bis 188'6 berechnet, an Pocken jährlich nur 580, verbleibt also zu Gunsten der Impfung ein Guthaben von 58,420 geretteten Menschenleben. Die sem Crcdit der Impfung wären im schlechtesten Falle folgende Posten als Belastung entgegen zu stellen: 1) Steigerung der Hautkrankheiten bei Kindern um 13 Proccut, macht für Preußen jährlich 35 Todes fälle, 2) desgleichen Steigerung der scrophulösen Er krankungen mit 115 Todesfällen, 3) desgleichen Stei gerung bei Rothlauf mit 33 Todesfällen, zusammen also 183 Todesfälle. Zieht man diese 183 durch die Impfung verlorenen Leben von den durch dieselbe geretteten 58,420 ab, so bleibt einem Staate wie Preußen noch immer zu Gunsten der Impfung ein reiner Nntzen von jährlich geretteten 58,237 Menschen leben. Diese Zahlen reden Worte! — Die Kinder des Südens, die Apfelsinen, werden jetzt in Massen bei uns zu Markte gebracht. Fast könnte man meinen, daß die warmen Tage der letzten Wochen so viele dieser goldgelben Früchte ge zeitigt hätten, wenn man nicht wüßte, Vas dieselben noch einem weit wärmeren Klima entsprossen sind, Die Apfelsinen sind durch die massenhafte Einfuhr der letzten Jahre bei uns so billig geworden, daß sich alle Bevölkerungsklassen au der erfrischenden Frucht erfreuen können. Und in der Thal findet man die selbe ebenso in der silbernen Schale auf der reichbe setzten Tafel des Millionärs, wie in den schmutzigen Körbchen der von Restaurant zu Restaurant wan dernden Hausirer, von welchen am Sonntag auf dem Tanzboden der „Dreijährige" seiner Köchin als be sondere Galanterie eine Apfelsine als Erfrischung kauft — natürlich von dem Gelde, daß sie ihm erst zugesteckt hat. Die Apfelsine stammt aus dem öst lichen Asien und wird in ganz Südcuropa und auf den Mittelmeerinseln, in Nordafrika, auf den Azoren, im Orient, im Kapland, in welch letzterem Lande der Baum am üppigsten gedeiht und die Größe unserer Eichbäume erreicht, und in Südmerika kul- tivirt. Als beste Apfelsinen gelten die Malteser, welche jedoch wenig in den Handel kommen. Unser deutscher Import wird vollständig durch die sicilischen Apfelsinen (Messinaer), sowie die von Nizza, Genua und vom Gardasee gedeckt, doch nimmt dieser Import von Jahr zu Jahr größere Dimensionen an. Uebri- gens wird die Apfelsine bei uns in Deutschland noch keineswegs so auSacnützt, wie anderswo. So bildet zum Beispiel in Frankreich der Saft der Apfelsine, mit Wasser und Zucker vermischt, als „Orangeade" einen Handelsartikel, der als Erfrischungsmittel großen Absatz findet. Auch wird in Italien Punsch aus den Apfelsinen bereitet und aus den Schalen ein sehr schmackhafter Likör. Der Verbrauch der Apfelsinen ist also bei uns noch sehr der Ausdehnung fähig. Druck und Verlag von S. Hannebotzn In Eiben stock.