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Mittwoch, den 18. Februar 1891, Nachmittags 2 Uhr sollen im hiesigen AmtSgerichtSgebände 2 Fatz Weißwein, 1 Matz Rothwein, 3V Flaschen Champagner, 1v,vvv Stück Cigarren, 1 Kinder schlitten, l Fatz Cognac und 1 Kleiderschrank gegen Baarzahlung versteigert werden. Eibenstock, am l6. Februar 1891. Der Gerichtsvollzieher des Königl. Amtsgerichts. Liekmann. Hagesgeschichle. — Deutschland. Der kommandirende General de» IX. Armeekorps Graf Waldersee hat sich auf direkte Berufung deS Kaisers nach Berlin begebe». Der General wird nach dem an die Truppen auSge- gebenen Tagesbefehl etwa acht Tage in Berlin ver weilen. — Die „Dresdner Nachr." schreiben: Innerhalb derjenigen Parteien, welche recht eigentlich Seele und Mittelpunkt deS Kartells gewesen sind, treten neuer dings Strömungen hervor, denen das alte Ge leise nicht mehr recht behagen will; man fühlt sich hier und da in dem abgclaufenen Parteifahrwasser beengt und unbehaglich, man sehnt sich aus der alten Parteischablone heraus nach neuen Bahnen. Im Schooße derjenigen Fraktionen, welche bisher gegen Centrum, Deutschfreisinn und Sozialdemokratie gleich mäßig Front machten, sind Zeichen eines ZersetzungS- ProzesseS zu Tage getreten, die wegen ihrer sympto matischen Bedeutung nicht unbeachtet bleiben dürfen. Insbesondere scheint der Nationalliberalismus vor einer Krisis zu stehen. In erster Linie ist es das Verlangen nach einer mehr offenen und rückhaltslosen Stellungnahme zu der neuen Regiernngspolitik in wirthschaftlicher und sozialreformatorischer Hinsicht, welche eine Scheidung und Klärung im Lager der ge nannten Parteien als Wünschenswerth erscheinen läßt. Denn gerade in wirthschaftlichen und sozialpolitischen Fragen ist der RegiernngSstandpnnkt bisher zu farblos und schwankend gewesen, um ein festes, bestimmtes Programm erkennen zu lassen, zu. welchem eine zu stimmende oder ablehnende Stellung möglich wäre. Deshalb hat mehr und mehr in den Reihen gemäß igter, bisher durchaus regierungsfreundlicher Kreise das Gefühl verdrießlichen Unmuths und beklemmen der Verstimmung um sich gegriffen, welches noch er höht wird durch das freundliche Entgegenkommen, das die Regierung dem Centrum und auch dem Deutschfreisivn erweist. Wer vermöchte bei den ob waltenden unberechenbaren Verhältnissen angesichts der Unsicherheit und Ungewißheit der innerpolitische" Richtung der Regierung mit Bestimmtheit anzugeben, wohin der Kurs denn eigentlich geht? — Wie ans Rom verlautet, soll Fürst Bis marck den bisherigen italienischen Ministerpräsiden ten Crispi zu einem Besuch in Friedrichsruh ein geladen haben; Crispi werde angeblich Anfang März nach Friedrichsruh abreisen. — Italien. Am Sonnabend verlas in der Deputirtenkammer der Ministerpräsident di Rubini die erwartete ministerielle Erklärung, in welcher es heißt: Die Regierung mache sich den von der Kammer in der Sitzung vom 31. Januar geltend ge machten Standpunkt der Ersparungen zu eigen, unter dieser Fahne werde sie kämpfen und siegen oder fallen: sie werde das Budget-Gleichgewicht ohne neu? Be lastung der Bürger und zwar durch Ersparnisse in allen Budgets, einschließlich derjenigen des Kriegs u. der Marine sowie des Kolonialbudgets, Herstellen. Eine Gesetzvorlage, betreffend die Emissionsbanken, werde der Kammer zugehen, dagegen würden für jetzt politische Vorlagen nicht gemacht werden, da die Re gierung glaube, daß das Land sich vor Allem nach einer wirthschaftlichen Erholung sehne. Was die aus wärtige Politik anlange, so werde die Regierung der bei den letzten Wahlen laut und deutlich zum Aus druck gelangten Stimme des Volkes folgen; die Po litik der Regierung werde einfach, offen und ohne Hintergedanken sein, wie eS einem Lande zukommt, das den Frieden wirklich will. Das Programm des neuen KabinetS sei glücklicher Weise allen Hauptstaa ten Europas gemeinsam: um den Wunsch und das Bedllrfniß nach Frieden vereinigten sich die Mächte, welche sich die absolute Sicherheit und Europa dau ernde Ruhe verschaffen wollen. Die Regierung werde den Bündnissen feste und reine Treue halten; sie werde allen durch ihr Verhalten zeigen, daß Italien keine aggressiven Absichten hege. Da alle Zweifel, Verdächtigungen und Ausstreuungen deS Mißtrauens in Italien« Beziehungen zu Frankreich unbegründet seien, so werde die Regierung sich bemühen, jede falsche Auffassung in dieser Hinsicht zu zerstreuen. „Wir sind überzeugt, daß wir durch unser maßvolles, offene« Verhalten das Vertrauen einflößen werden, welches wir zu verdienen glauben." Rudini erklärte zum Schluffe, der Friede sei nothwendig, um Italien aus seinem wirthschaftlichen Mißbehagen aufzurichten, und forderte ein prompte« Vertrauensvotum für die demnächst einzubringendcn Gesetzvorlagen. Eine Berliner Drahtmeldung deS „Popolo Ro mano" meldet, Rudini habe vertraulich in Berlin u. Wien das Festhalten am Dreibunde versichert. — Rußland. Die Regierung hat einen Uka» erlassen, welcher verfügt, daß alle Sardinenbüchsen in den Zollämtern an der Grenze geöffnet werden sollen. ES scheint, daß Massen nihilistischer Flugschriften jüngst aus Frankreich in augenschein lich echten Sardinenbüchscn in Rußland importirt wurden. Locale und sächsische Rachrichten. — Eibenstock, 16. Februar. Die gestern er öffnete und diesmal drei Tage währende Geflügel- Ausstellnng des hiesigen Geflügelzüchter-Vereins erfreut sich eines lebhaften Besuchs und wohlverdien ter Anerkennung, denn reichhaltiger und dekorativ schöner dürste wohl keine der früheren Ausstellungen gewesen sein. Außer einigen fünfzig Stämmen Hüh ner verschiedenster Rassen sind ca. 250 Paare aller bekannten Taubenarten vertreten. Dazu kommt noch eine große Collection ausgestopfter Vögel rc. und eine Anzahl litterarischer Erzeugnisse auf dem Ge biete der Geflügelzucht. Mik der Ausstellung ist gleich zeitig Prämiirung und Verloosnng verbunden und kommen wir darauf in einer späteren Nummer zurück. 1890 3,500,513 370,690 950,454 869,371 1,309,998 — Dresden. Die auf Grund der Kontrollisten ermittelten vorläufigen Ergebnisse der Volkszählung am 1. Dezember 1890 beziffern sich, dem „Dresdner Journal" zufolge, für das Königreich Sachsen und für die vier Kreishauptmannschaften desselben, wie folgt: Königreich Sachsen Kreishanptmannschaft Bautzen „ Dresden „ Leipzig . Zwickau 1885 3,182,003 356,560 860,558 774,036 1,190,849 Die Zunahme der Bevölkerung vom 1. Dezember 1885 bis zum 1. Dezember 1890 beträgt sonach 318,510 Bewohner — 10,»i Prozent. — Leipzig. Am 12. d. M. fand im Saale der 1. Bürgerschule eine von ungefähr 100 Aerzten der Ortskrankenkasse für Leipzig und Umgebung be suchte Versammlung statt, in welcher über einen Vor schlag deS Vorstandes der Ortskrankenkasse bcrathen wurde, welcher die Anstellung von sogenannten Na turheilkundigen neben den Aerzten bezweckte. Die Mehrheit der Generalversammlung der Ortskranken kasse fühlte das lebhafte Bedürfnis, den Mitgliedern der Kasse die Möglichkeit zu bieten, daß sie sich, ent gegen dem Wortlaute des Z 6 des Krankenkassenge setzes, statt von Aerzten auch von Naturheilkundigen behandeln lassen können. Man kam zu folgenden Vorschlägen: Es sollen künftighin vier Kurpfuscher angestellt werden und diese sollen unter der Aufsicht eines approbirten Arztes ihre Behandlung ansführen; der überwachende Arzt soll das Urtheil über Vor handensein und Dauer der Erwerbsunfähigkeit abgeben, die Krankheitsbescheinigungen ausstellcn rc. (Wer eigentlich dabei die Hauptsache, nämlich die sachver ständige Behandlung des Kranken besorgen soll, bleibt unklar!) Die hierüber befragte Versammlung der Kassenärzte faßte demgegenüber theils einstimmig, theils mit erdrückender Mehrheit folgende Beschlüsse: 1) daß die Aerzte jedes Kompromiß ablehnen, welches unter irgend welcher Form die Anstellung von Kur pfuschern seitens der Ortskasse ermöglicht, 2) daß sie es mit der Ehre eines approbirten Arzte« nicht für- vereinbar halten, die Ueberwachung von Kurpfuschern zu übernehmen oder mit Kurpfuschern gemeinsam für die Kasse zu praktiziren. Sie erklären 3) daß sie in Folge dessen gezwungen sind, ihre Aemter als Kassen ärzte niedcrzulegen, sobald die Ortskrankenkasse in Zukunft die Anstellung sogenannter Naturheilkunbiger vornehmen sollte. Hieraus geht hervor, daß, falls die Generalversammlung der Ortskrankenkasse, welche am 26. Februar stattfindet, wirklich die Anstellung von Naturhcilkundigen beschließt, die 60,000 Mit glieder der Ortskasse und ihre Angehörigen nächstens nicht mehr Anspruch auf unentgeltliche Hilfeleistung seitens 150 der besten Professoren, Spezialisten und Aerzte von Leipzig und Umgegend haben, sondern daß sie auf die ersprießliche Thätigkeit einer Anzahl von sogenannten Naturheilkundigen angewiesen sein werden. Die Mitglieder der Ortskasse sollen wählen: Ob sie ihre Gesundheit entweder, wie bisher, ge wissenhaften und geprüften Aerzten anvertrauen, oder Leuten, die im günstigsten Falle eine unklare, Be geisterung für ihre Ansichten, sicher aber keine aus reichende Kenntniß der Heilkunde besitzen. So sprach man sich in der ärztlichen Versammlung aus. Aerzte, welche, entgegen der Ansicht ihrer Standesgenossen, es nicht für unter ihrer Würde halten, mit Kur pfuschern als Kollegen zusammen zu arbeiten, würden sich sicher nicht finden. — Unter den Geflügelzüchtern Leipzig» herrscht zur Zeit die regste Thätigkeit. Gilt es doch, sich zu rüsten zu der in den Tagen vom 14. bis 16. März d. I, im Krhstall Palast stattfindenden 22. allgemeinen Geflügel-Ausstellung, welche der dortige große Geflügelzüchter-Verein in Verbindung mit dem be kannten Klub deutscher und österreichisch-ungarischer Geflügelzüchter veranstaltet. Diese Ausstellung wird unzweifelhaft da« größte derartige Unternehmen sein, was Deutschland je gesehen hat. Denn wie unser engeres Vaterland, was die Geflügelzucht im Allge meinen betrifft, schon seit langer Zeit die erste Stelle unter allen deutschen Staaten einnimmt, so darf sich auch der Leipziger Geflügelzüchter-Verein rühmen, einen Stamm vortrefflicher Züchter zu seinen Mit gliedern zu zählen, die ihren ganzen Stolz darein setzen werden, schöne und edle Rassethiere vorzufllhren. Eine hübsche Erinnerungsgabe für die Besucher der Ausstellung verspricht die offizielle Festzeitung zu wer den, mit deren Herausgabe die Expedition der be kannten „Allgemeinen deutschen Geflügelzeitnng" be traut wurde und welche reich illustrirt an den Fest tagen zur Ausgabe gelangt. — Annaberg. DaS hiesige „Wochenblatt" be richtet über einen Raubanfall, welcher am 8. Febr. auf den Eierhändler Hahn au« Reischdorf in Böhmen verübt worden ist. Hahn war wie gewöhnlich am vergangenen Sonnabend in unserer Stadt anwesend, hatte hier seine Geschäfte erledigt und war in den Nachmittagstunden aus dem „Deutschen Kaiser", wo selbst er zu logiren pflegte, weggegangen, um sich nach Hause zu begeben. In seinem Besitze befanden sich nach einer Meldung 2700 M., während andererseits behauptet wird, daß er 3800 M. bei sich gehabt habe. Dieses Geld bestand zum größten Theil aus Hundert markscheinen und annähernd 600 M. an Kleingeld, während er 600 M. in Gold in einem Säckchen auf dem bloßen Leibe trug. Nachdem Hahn im Gasthofe zum „Deutschen Haus" in Pleil das letzte Mal Station gemacht hatte, begab er sich am Sonntag Morgen in der vierten Stunde aus den Heimweg, wurde aber im Walde zwischen Pleil und Reischdorf auf der Straße von zwei Unbekannten überfallen, trotz seiner Gegenwehr niedergeschlagen und seines gesumm ten Geldes bis auf die 600 M. in Gold beraubt, welche die Räuber nicht aufgefunden hatten. Hahn wurde am Sonntag Morgen auf der Straße liegend gefunden und in seine Wohnung gebracht. Seine Verletzungen sollen glücklicherweise nicht ernsthafter Natur sein. Von den Räubern, die jedenfalls mit den Gewohnheiten des Beraubten vertraut waren, hat man noch keine Spur. — Netzschkau. DaS hiesige malerische Schloß, welches ehedem mit seinen Wällen, Thürmen und Gräben einen imposanten Anblick gewährte, begeht in diesem Jahre das vicrhundertjährige Jubiläum seiner Erbauung. Es war der letzte Rittersitz in den meißnischen Landen, welcher mit Befestigungen genannter Art angelegt werden durfte, denn die klei nen Dorfsestungen erwiesen sich nur zu oft als Land plagen. AlS Kaspar von Metzsch vom Kurfürsten Friedrich dem Weisen im Jahre 1491 für sein Dorf Netzschkau die Stadtgerechtigkeit erlangt hatte, wollte er daselbst auch ein Schloß erbauen. Nur weil er ein Günstling des Kurfürsten war, durfte er dem Schlosse Burganlage geben, „doch sollte eS hinfüro nicht wieder erlaubt sein, daß ein Edelmann eine neue Festung erbauete." Als solche hat sich das Schloß Netzschkau allerdings nie zu bewähren Ge legenheit gefunden, und so ist ihm nur der Ruhm geblieben, trotz seines vierhundertjährigen Alters die jüngste u. letzte Ritterburg Sachsens geblieben zu sein. — Zu den letzten Reserve- und Landwehr übungen sind im Bereiche deS 12. Sächsischen ArmeecorpS keine oder höchstens ein verschwindend kleiner Theil B o l k s s ch u l le hre r mit eingezogen worden, was in betheiligten Kreisen allgemein Auf sehen erregt hat, da in andern ArmeecorpS eine solche Rücksichtnahme nicht stattgefunden hat. Man geht wohl kaum fehl, wenn man diese Rücksichtnahme auf eine Bitte des Kultusministeriums zurückführt, welche dieses im Königl. Kriegsministerium ausgesprochen hat, da vor Ostern ein gewisser Lehrermangel einzu treten pflegt, der, durch die Einberufung noch ver größert, zu großen Unzuträglichkeiten geführt hätte und den Gemeinden abermals nicht unbeträchtliche Opfer auferlegen mußte. Allgemein herrscht die An sicht, daß die Einberufung im Laufe de« Frühlings oder des Sommers noch nachgeholt werden wird, und daß dann da« Beispiel de» 4. ArmeecorpS Nachahmung finden möchte, die Wehrpflichtigen zu besonderen Leh rerkompagnien zusammenzuziehen, die sich daselbst sehr bewährt haben, weil in denselben Leute von fast gleicher Bildung enthalten sind, mit denen sich etwa« Rechtes erreichen läßt. — Alle kontrolpflichtigen aktiv gedien ten Mannschaften de» Beurlaubtenstandes machen wir darauf aufmerksam, daß bei den diesjährigen FcühjahrS-Kontrolversammlungen, welche voraussicht lich in der ersten Woche de« Monat» April stattfin den werden, der älteste Jahrgang der Reserve, also die der JahrcSklasse 1883 Angehörigen, zur Landwehr 1. Aufgebots und der älteste Jahrgang der Landwehr 1. Aufgebot», also die der Jahre-klaffe 1878 Ange-