Volltext Seite (XML)
hinuntergcrollt. Während die« Baumer überschaute, war die Dame wieder bei ihm angelangt. Der junge Mann setzte ihr kurz auseinander, daß noch alles einen guten Verlauf nehmen könne, sie möchte nur schnell zur Stadt gehen und einen Wagen auf der am Fuße des Berges sich hinziehcnden Landstraße herschickcn, wenn möglich auch einen Arzt mit zur Stelle senden, während er den Versuch machen wolle, von hier aus zu der Verunglückten zu gelangen. Der Weg bis zur Fahrstraße und von dort bis zur Thalsenkung, in welcher das junge Mädchen liegen mußte, war m etwa zwölf Minute» zurückzulegcn. Hingegen konnte er bei vorsichtigem Absteigen in die Tiefe von seinem Stande ab ohngefähr in vier Minuten an denselben Ort gelangen. Es war dies allerdings ein Wagniß, welches ihm das Leben kosten konnte, dagegen war aber anzunehmcn, daß einige Minuten Zeitgewinn der Verunglückten noch das Leben retten konnte; deshalb entschloß er sich rasch und warf sich zur Erde nieder. Auf dem Gesicht liegend bohrte er nun seine Füße fest in den Boden unter sich, dann erfaßte er mit den Händen die zur Seite greifbaren Sträucher oder Büschel Gras, uni, diese festhaltend, sich abwärts gleiten zu lassen bis er für seine Füße wieder den nöthigen Stützpunkt gefunden hatte. Auf diese Weise gelangte er immer tiefer. Nach etwa drei Minuten war er an einen Felsenvorsprung gelangt, wo er aufrecht stehend ruhen konnte. Nachdem er sich eine Minute lang erholt, gewahrte er zu seinem Entsetzen, daß er an einer senkrecht ab fallenden FelSparthie angelangt war, von wo ans er auf die eben vollführte Weise nicht tiefer steigen konnte. Was nun thun? dackte er. In die Höhe konnte er nicht wieder klettern. Er befand sich in einer unbe schreiblich schauervollen Lage. Doch einen Weg gab es noch. Sich etwas vorbeugend, gewahrte er unter sich in etwa zehn Meter Tiefe einen zweiten Vor sprung, der eine ziemlich horizontale Oberfläche bot. Ein Sprung auf diesen war nur mit einer schwindel freien Waghalsigkeit auszuführen. Ihm schauderte.. würde er ihn wagen dürfen . . . doch es galt ja, ein Menschenleben zu retten, und vor dieser Alternative schwanden seine augenblicklichen Bedenken. Rasch entschlossen entledigte er sich seines UeberrockS und warf diesen dann mit einem geschickten Wurf auf den Vorsprung, um so auf denselben springend ein Aus gleiten auf dem schlüpfrigen Boden zu verhindern. Diese Vorsicht sollte ihm denn auch sehr zu statten kommen. Nachdem er festen Blickes in die Tiefe unter sich geschaut, schwang er sich, alle Muskeln sei nes kräftigen elastischen Körpers anspannend, mit einem „Mills Gott!" in die Tiefe . . . Mit einem dumpfen Schall stießen seine Füße auf das mit weichem Moos überwucherte Felsgcstein. Die Erschütterung seines Körpers mußte eine mächtige gewesen sein, denn er fühlte seine Kräfte schwinden. Instinktmäßig erfaßten seine Hände im Sinken noch einen kräftigen Strauch, sonst wäre er durch den heftigen Anprall sicherlich in die Tiefe geschleudert worden. Schnell überwand er indeß diese Schwächenanwandlung, und nun um sich blickend, gewahrte er etwa dreißig Meter unter sich die Verunglückte. Da er jetzt, wenn er sich an dem Vorsprung hinuntergleiten ließ, die ge fährlichen Stellen durch einen kleinen Umweg meiden konnte, so entschloß er sich kurz hierzu. In einer Minute hatte er das junge Mädchen erreicht. . . . Ein seltsames Gefühl ergriff den jungen Mann, als er den durch Blut und herabströmenden Regen bis zur Unkenntlichkeit entstellten Körper vor sich liegen sah. Schnell untersuchte er, aus welchem Theilc des Körpers das Blut strömen konnte, und gewahrte bald, daß cs seinen Weg aus einer tiefen Wunde am Hin terkopfe nahm. Er zog nun sein Taschentuch hervor und verband die Wunde. Dann hob er das junge Mädchen sanft auf seine Arme und trug es aus dem Gebüsch nach der ihm bekannten, etwa zehn Minuten entfernten Waldschänke. Mit einigen Worten unter richtete er den Wirth und dessen Frau von dem Un glück, und Alle bemühten sich dann, die Besinnungs lose wieder zum Bewußtsein zu bringen. Nach einer Viertelstunde unausgesetzten Bemühens schlug sic end lich tief aufathmend die Angen auf. Ihr erster Blick fiel auf ihren in stummer Freude neben ihrem Lager stehenden Retter. Ueberrascht starrte sie ihn an. Dann sprach sie mühsam mit mattem Lächeln: „Sie, Herr Sekretär, hier ... bei mir! O, was ist aus mir geworden? Wo bin ich und wo ist meine Mutter?" (Fortsetzung folgt.) Schleier und Stores. Von C. Georges. Wenn man von einem Menschen erzählte, der die ihm zugängige krhstallhcllc Quelle verstopfte oder ab sichtlich trübe machte, um anstatt des schönen, klaren Wassers verdorbenes zu trinken, so würden die Zu hörer ihn entweder für einen Narren erklären, oder solches Thun einfach in das Bereich des Unmöglichen verwerfen. Nun, das Verderben oder Abschließen des frischen Trankes mag auch wirklich für gewöhnlich nicht Vorkommen, wohl aber die Trübung und frei willige Entbehrung eines nicht minder wichtigen Lebens elementes, der frischen Himmclsluft, und zioar wird diese täglich und stündlich vor unseren Augen ver schmäht. Von den Sünden, die hinsichtlich des Lüftens oder vielmehr NichtlüftenS der Wohnräume begangen werden, soll nach so vielen Besprechungen des Ucbel- standes hier nicht die Rede sein. Wer darin fehlt, thut es aus übertriebener Vorsicht, aus Weichlichkeit oder Nachlässigkeit, das Schleier- und Stores-Unwesen aber, das ich im Sinne habe, hat seinen Grund zu meist in der Gefallsucht, in einer gewissen Koketterie, die man auch auf die Häuslichkeit ansdehnt. Wohin wir blicken, verschleierte Gesichter. Es sind gewöhnlich sehr zarte, kaum sichtbare Gewebe, die sich über die obere Gesichtspartie mit Einschluß der Nase spannen, aber sie genügen doch, nm das Athincn durch dieses wichtige Organ unmöglich zu machen, und sie genügen auch, den Zutritt der freien Luft von den bedeckten Thcilen des Gesichts abzu halten. Zunächst leiden also die Respirationsorgane, denn Jedermann weiß, daß das Athmen durch die Nase das allein richtige und zuträgliche ist, die ver schleierte Dame aber ist gezwungen, durch den Mund Luft einzuziehen und auszuathmen. Noch schlimmer wird der Nachtheil bei Winterszeit; wenn die dünnen, kurzen Schleier durch lange, dichtere ersetzt werden. Der Hauch findet durch das Gewebe keinen Ausgang, dasselbe wird feucht und bei größerer Kälte zu EiS; die unglückliche Trägerin athmet also beständig den eigenen Hanch wieder ein, der an dem naßkalten ge frorenen Schleier zurückprallt und statt der freien Luft der Athmenden zugeführt wird. Ein Gang unter solchen Umständen ist nicht nur der Jnbegrifs des Un behagen«, sondern sehr oft von dauernd nachthciligen Folgen, denn frisches, kräftiges, ungehemmtes Äthnien ist fiir die Gesundheit unerläßlich. Ein weiterer Nachtheil der Schleier ist die Verschlechterung des Teints. Auch die Haut braucht, um ihren rosigen Schmelz zn bewahren, der unmittelbaren Berührung der frischen Luft; die Stellen also, die bei jedem Aus gange von einem mehr oder minder dichten Stück Zeug bedeckt sind, müssen nothwendig welk und fahl werden. Die traurigste Folge des Modeschlciers aber ist seine üble Einwirkung auf die Augen. Das beste und gesündeste muß verkümmern, wenn es das liebe Tageslicht stets verhüllt und wie durch einen Nebel sieht; und sind die Schleier gar, wie es oft der Fall, gemustert, mit Punkten gesprenkelt, mit Streublümchen durchwebt und dergl. mehr, so em pfängt die Trägerin ein gebrochenes, unruhiges und dabei trübes Licht, das sicher zum Ruin des Auges führen muß. Der Schleier ist als» eine Lungen, Hautfrische und Augen mordende Institution, und genau dasselbe läßl sich von den Stores sagen. Die Fenster unserer Wohnungen spielen dieselbe Rolle, wie die Pforten unserer Sinnesorgane; sie sind es, die wie Nase, Mund und Auge dem Menschen, seinen Zimmern Luft und Licht zugängig machen. Werden sie nun stunden- oft tagelang verhüllt, wie man es gerade in den besseren Wohnungen beobachten kann, so finden jene Lebcnselemente nur einen sehr beschränkte» Ein gang, und ebenso die schädlichen Stoffe der Zimmer luft, sowie die feinen Stanbatome keinen Ausweg. DaS bleibt alles im geschlossenen Raum, und die In sassen desselben athmen, wie die verschleierte Dame im Winter, beständig den eigenen Hauch. Dazu kommt das trübe Dämmerlicht, das die herabgelassenen Stores erzeugen, ein so augenmör derisches, durch die Muster der Vorhänge noch ge brochenes Licht, daß der häufige Aufenthalt in so ver hangenen Zimmern recht wohl zur Erblindung führen kann. Schleier und Stores, beide in einzelnen Fällen, z. B. bei scharfer Luft und empfindlicher Haut, bei zugigen Fenstern und dergl. gestattet und selbst ge boten, sollten doch nur ausnahmsweise und dann von möglichst luftiger Beschaffenheit gebraucht werden. Mag das zarte Gewebe noch so glücklich die Mängel der Haut und Gesichtsfarbe verhehlen, die Züge noch so sehr verschönern und selbst über das Alter der Trägerin täuschen, — mag ein mit Stores verhan genes Zimmer einen so geheimnißvollen, traulichen, vornehmen Charakter haben, — alle diese Vorzüge wiegen jene anderen nicht auf, deren sich die Freun dinnen des Schleiers und der Stores freiwillig be geben. Vermischte Nachrichten. — Durchlöcherte Fensterscheiben. Inder Frage über zweckmäßige Luftermucrung, welche in der Praxis des gewöhnlichen Lebens noch immer nicht genug gewürdigt wird, dürfte ein neue Erfindung be rufen sein, bald zu allgemeiner Einführung zu ge langen, da ihre leicht zu bewerkstelligende und ohne besondere Kosten zu erreichende Anwendung sie Jeder mann, selbst dem einfachsten Haushalt, zugänglich macht. Es sind dies siebartig durchlöcherte Glastafeln, welche, an Stelle der gewöhnlichen Fensterscheiben — je eine oder zwei für ein Zimmer — eingesetzt, in unmerklicher Weise die dauernde Zuführung frischer Luft in den damit versehenen Räumen übernehmen, ohne, wie andere Lufttafeln aus Drahtgaze rc., durch unschöne Wirkung und Beeinträchtigung des Lichtzu- trittes zu stören. Gerade die genannten beiden her vorstehenden Mängel sind cs, welche der Verwendung der bisherigen Luftfenstcr in Wohn- und Arbeits räumen hindernd im Wege stehen und dieselbe ledig lich auf Vorraths- und WirthschaftSräume einschränken. Die durchlochten Glasscheiben stehen in ihrer Durch sichtigkeit selbstredend keiner anderen Fensterscheibe nach, unterscheiden sich nur in geringem Maße von denselben und können daher in dem elegantesten Raume angebracht werden. Diese Tafeln, welche zuerst von der Firma Gebr. Appert in Clichy in den Handel gebracht und bereits patentirt worden sind, werden wie Kathedralglas mit Hülse von Maschinen hcrge- stcllt. Doch bildet die Platte oder der Preßtisch nicht, wie zu ersterem, eine ebene, glatte Fläche, sondern sic ist mit vielen, in regelmäßigen dichten Reihen sich erhebenden Stisten versehen, um welche sich die glühende, weiche Glasmasse, alle Zwischenräume füllend, schließt, um nach der Pressung eine Tafel init ebenso vielen kleinen Oeffnungen darzustellen, als die Anzahl der Erhöhungen auf der Eisenplatte betrug. Durch die stete gleichmäßige Luftcrneuerung mittelst dieser durchlöcherten Scheiben wird dem für Wohn-, Krankcn- und Schulzimmer so lästigen Uebel eines durch Oeffnen der Fensterflügel kalt einströmenden Luftzuges in zweck mäßigster Weise abgeholfen, weshalb die Verwendung derselben, außer für den Privatgebrauch, namentlich überall da zur Aufnahme gelangen dürfte, wo durch das Zusammensein vieler Personen, wie in Fabrik-, Schul- und Krankenhäusern, in hervorragender Weise auf fortwährenden und dabei nicht empfindlich be rührenden Luftwechsel Bedacht genommen werden muß. — Ueber die Grausamkeit der alten Wenden schreibt Haupt in seinem wendischen „Sagen buche": „Die Lausitzer Wenden in der Gegend von Zinnitz — Kreis Calau — hatten außerordentlich strenge Ehcgesctze. Am Markte dieser Stadt befand sich eine Brücke; dort wurde Jeder, der sich an seinem Weibe versündigt hatte, auf eine nicht näher zu be zeichnende Weise angenagelt. Es herrschte bei den Sorbenwenden in der Heidenzeit auch der schändliche Gebrauch, daß man sich der alten Leute, die zu nichts mehr tauglich waren, auf eine grausame Weise ent ledigte. Der eigene Sohn schlug seinen Vater todt, wenn er ihm zu alt wurde; er warf ihn in's Wasser oder stürtzte ihn von einem Felsen; ja, es sind Bei spiele solcher Unmenschlichkeit auch »och in christlicher Zeit vorgckommcn. Dafür die folgende Aufzeichnung eines glaubcnswürdigen Berichterstatters: „Herr Le vin von der Schulenburg, Oberamtshauptmann in der Altmarkt, ist um's Jahr 1580 einmal unter den Wenden gereiset, da etliche einen alten Mann geführt, welche er gefraget: „Wohin mit diesem Alten?" Darauf sie geantwortet — cs war grausig anzuhöreu: „Zu Gott!" — Meineten damit, sie wollten denselben Gott opfern, weil er mit Arheiten seine Nahrung nicht mehr gewinnen könnte. Als der Hauptmann dieses verstanden, hat er den Alten mit Gewalt er lediget, ihn mit sich hcimgcnoinmen nnd zu seinem Thorwächter gemachet, in welchen er noch zwanzig Jahre gelebet haben soll." Ein Chronist älterer Zeit erzählt dasselbe aus dem Jahre 1297 von einer Gräfin von Mansfeld. Sie reiste durch einen von Wenden bewohnten Theil der Lüneburger Haide und traf dort einen Bauer an, der ein Grab grub, in welches er seinen jammernd daneben stehenden Vater cinsenken wollte. — Schildberg. Das hiesige „Kreisblatt" schreibt: „Mitten in dieser rauhen Winterszeit er scheinen bei uns schon Frühlingsboten; zwar sind es weder Schwalben noch Lerchen, sondern Agenten, die für die Feldarbeit auf den großen Gütern Sachsens Arbeiter und Arbeiterinnen suchen. Wenn man diese Werber in den ländlichen Gasthöfen mit Schnaps, Bier nnd Cigarren für ihre Zwecke arbeiten sieht, so hat man ein recht deutliches Bild aus der „Werbezeit" des vorigen Jahrhunderts. Der von Jahr zu Jahr sich mehrende Wegzug junger arbeitS- tüchtiger Leute wird nicht nur in recht unangenehmer Weise von den hiesigen Besitzern empfunden, sondern es ist dabei auch noch in besonderer Weise beklagenS- werth, daß die aus jener Gegend znrückkchrenden jungen Leute sehr oft moralisch gesunken und verdor ben sind." — Ende der 30er Jahre wurde eine Anzahl Studenten von der Berliner Universität verwiesen. Alle Fakultäten waren vertreten. Da zogen sie nach Pichelsdorf, wo eS zwar noch sehr urwüchsig aussah — der Rauch kam zum z. B. noch aus den Häusern unter dem Strohdach hervor —, lind gründeten eine Universität Pichelsdorf mit aller üblichen Forni einer solchen. Vormittags wurden Vorlesungen in verschie denen Häusern jeglicher Art gehalten und an einem schwarzen Brett, das an der Hauptkneipe prangte, förmlich angezeigt. Nachmittags schwärmte die PichelS- dorfcr Studentenschaft in der reizenden Umgegend um her. Gäste von Berlin stellten sich täglich ein, und das Leben ward immer lustiger. Da erschien nach 14 Tagen oder 3 Wochen der Universitätsrichtcr mit einer Schaar Pedelle und löste die neue Universität auf. Druck und Verlag von E. Hanne bohn in Eibenstock.