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nehmen, aus Belgien und Portugal, die Kunde von Militäraufständen zu uns dringt. In Bel gien hatte die Militär-Emeute einen verhältnißmäßig noch harmlosen Charakter. Die Reserven, welche zur Verhinderung des von radikaler Seite geplanten Put sche- in der Verfassungsfrage aufgeboten worden wa ren, sehnten sich heim „nach Muttern", und als sich ihre Entlassung verzögerte, glaubten sie ihrer Unzu friedenheit durch einen ihrerseits inscenirtcn Putsch Ausdruck geben zu sollen. Die Sache würde, wie gesagt, sehr harmlos auSsehen, wenn sie nicht auf dem an sich schon furchtbar vulkanischen Boden Bel giens ein ernsteres Gesicht erhielte. Schlimmer steht e« in Portugal. Eine Militärrevolte auf der pyre- näischen Halbinsel gehört eigentlich zu den Alltäglich keiten. Sie wird erst dann von Bedeutung, wenn sie als daö Symptom einer weitgehenden, allgemeinen Mißstimmung zu betrachten ist. Daß diese Beurtheil- ung jetzt aber eintreten muß, dafür ist ein einfacher Hinblick auf die zahlreichen, durch die geglückte Re volution in Brasilien noch gesteigerten Kundgebungen in republikanischem Sinne genügend. ES ist auch eine unbestrittene Thatsache, daß in Portugal eine republikanische Partei besteht, welche selbst in den Kreisen der höheren Offiziere zahlreiche Anhänger be sitzt und mit Spanien u. Brasilien lebhafte Fühlung unterhält. Der unselige Konflikt mit England, die unentschiedene Haltung der Regierung in den afri kanischen Fragen steigerten die üble Stimmung, und als vor Kurzem die Nachricht eintraf, daß die britische südafrikanische Gesellschaft in Manica-Land eingebro chen sei, zwei portugiesische Offiziere fortgeführt und die portugiesische Flagge entfernt habe, da gesellten sich zu den republikanischen Regungen noch die Ge fühle gekränkter nationaler Eigenliebe und die Erbitter ung erfaßte immer größere Kreise. Die soziale Frage spielte natürlich auch hier wieder ihre Rolle; um die in den unteren Klassen herrschenden Gewalten zu bannen, wurden Dekrete erlassen, welche die ArbeitS- noth beenden sollten, die Regierung verhieß Arbeiter schutzgesetze — alle Verheißungen vermochten nicht, die gesunkene Liebe des Volkes zu der Dynastie Braganza neu zu beleben. Der letzte Putsch ist nun vorläufig unterdrückt worden, er flammte in Oporto, der klassischen Stadt der Revolten, empor. Aber damit ist die Gefahr nicht beseitigt; denn die Versuche werden sich erneuern und wenn nicht eine kluge und that- kräftige Politik die Geschichte Portugals in die Hand nimmt, dann bleibt die Gefahr bestehen, daß im Süd westen Europas in absehbarer Zeit die Revolution von Neuem und vielleicht bald mit größerem Erfolge ihr Haupt erhebt. Aus Belgien wird noch weiter gemeldet: Am Mittwoch Vormittag fand in Brüssel eine Kundgebung von neu einzustellenden Rekruten gegen die Aushebung statt, an welcher gegen zweitausend theilnahmen. Die Manifestanten trugen am Hute eine Karte mit der Aufschrift: „Nieder mit der Blutsteuer!" und durch zogen, die Marseillaise singend, die Stadt. — In folge der Vorgänge am Sonntag wurde eine Anzahl Mannschaften des Grenadier-Regiments wegen be gangener Ausschreitungen polizeilich sistirt. Mehrere derselben wurden in Haft genommen und sollen vor das Kriegsgericht gestellt werden. — Eine andere ernste Meldung lautet: Die Währung in der Armee nimmt zu und erstreckt sich auf die Garnisonen in den Provinzen, von wo beunruhigende Nachrichten über allgemeine Unzufriedenheit kommen. 40 Grenadiere in Brüssel wurden in das Militärgefängniß abgeführt. Die Bestraften zertrümmerten alles in ihren Kammern und steckten die Strohsäcke in Brand. Mit großer Mühe wurde das Feuer gelöscht und wurden die Ge fangenen gerettet. Fünf Soldaten wurden in das Zellengefängniß abgeführt. Die Brüsseler Garnison soll in die Provinz geschickt werden. — Brasilien. Die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft in Hamburg, sandte ein Circulair an ihre sämmtlichen Agenten, worin gesagt wird, daß die Gesellschaft Freipassagiere deutscher Nationalität nach Brasilien nicht befördert, und durch welches die Agenten angewiesen werden, jedes derartige Gesuch ein für alle Male ohne Weitere- und unbe dingt abzulehnen. Sächsische Nachrichten. — Dresden. Die sächsische Armee wird in diesem Jahre zwei Jubiläen von hervorragender Bedeutung feiern. Das erste betrifft den Kriegs minister, General Grafen von Fabrice, welcher am 2l. Oktober sein hohes Amt 25 Jahre bekleidet, nach dem er am 1. Juli 1884 bereits das Jubiläum seiner fünfzigjährigen Dienstthätigkeit gefeiert hat. Er er hielt das Portefeuille als Kriegsminister nach dem Rücktritt seines Vorgänger«, de« Generals v. Raben horst, am 21. Oktober 1866 zu Karlsbad, wohin er dem König Johann die Vereinbarung wegen de« Friedensschlusses mit Preußen gebracht hatte. Ferner wird da« Kavallerie-Regiment, in dem Graf Fabrice zuerst die Epaulctten al» Offizier trug, da» heutige 2. Husaren-Regiment Nr. 19, die Feier seine« hundert jährigen Bestehens begehen. — Leipzig, 4. Februar. Wegen Unterschlagung von 688 Mk., die für ein auswärtiges Geschäft be stimmt waren, wurden am gestrigen Tage ein 19 Jahre alter Handlungskommis und ein ebenso alter Handlungslehrling von hier, beide in einem Geschäft in der Reichsstraße angestellt, von der Kriminalpolizei verhaftet. Die Veranlassung zu diesen EigenthumS- vergehen ist in dem Umgang der Genannten mit lockerer Gesellschaft, in welche sie gerathen waren, zu suchen. Der Lehrling hatte nämlich eine zarte Be kanntschaft mit einer im hiesigen Krystallpalast auf tretenden Künstlerin der Wiener Damen-Kapelle ge schlossen, die ihm mit der Zeit ziemlich theuer zu stehen kam. Unter Anderem dedicirte der leichtsinnige junge Mann seiner Dnlcinea drei goldene Armbänder im Preise von 285 Mk. und einen Ring für 60 Mk. Hierzu mußten eben die unterschlagenen Gelder mit herhalten. Daß diese aber keineswegs für das. kost spielige Leben des Galant Homme ausreichten, be weist die Thatsache, daß er seinen Eltern in der neueren Zeit noch 1500 Mk. entwendet und sodann verthan hat. — Leipzig. Dienstag Mittag wurde im Gllter- bahnhofe des Eilenburger Bahnhofes ein 23jähriger, in der Riebeck'schen Brauerei bediensteter Geschirr führer aus Otterwisch von einem Pferde (Hengst) gepackt, zu Boden geworfen und mit den Vorder füßen getreten. Der BcdauernSwerthe brach hierbei den rechten Unterschenkel und mußte »ach dem Kran kenhause gebracht werden. — Zwickau, 4. Februar. Gestern Abend 7 Uhr versuchten abermals eine größere Anzahl Glieder der neuen Sekte „Freier Bruder- und Schwestcrbund" in die hiesige Strafanstalt einzudringen und die Frei lassung der Gefangenen zu erbitten. Seit den letzten derartigen Vorgängen ist aber Vorkehrung getroffen, daß Niemand mehr ohne besondere Oeffnung der verschlossen gehaltenen Thüren durch den Einlaßposten in die Vorhöfe der Strafanstalt gelangen kann. Als der Posten durch die angebrachten Gucklöcher die Menschenversammlung bemerkte, erstattete er Meldung; durch Anstaltsbeamte sollte die Menge zerstreut werden. Dieselbe beachtete aber diese Warnung nicht, setzte vielmehr ihre Beschwörungen, Singen rc. fort und wurde schließlich durch Soldaten und Anstaltsaufsehcr festgenommen und nach der Polizeihauptwache gebracht. — Döbeln. Ein Rekrut der vierten Compag nie des hiesigen Regiments, welcher als Ersatzreservist nachträglich zum Militär eingezogcn worden war, brachte sich am Sonnabend Abend in selbstmörder ischer Absicht mittels eines Messers mehrere Schnitte am Halse und Handgelenke bei. Um seinen Tod noch zu beschleunigen, versuchte er oberhalb der Kaserne den Bahndamm zu erklettern und sich von einem an kommenden Güterzuge überfahren zu lassen. Hierbei wurde er aber rechtzeitig von einem Offizier über rascht, der zunächst die Ueberführung des schon halb ermatteten Soldaten nach dem Lazareth veranlaßte. Wie man hört, sollen die Verletzungen desselben nicht so bedeutend sein, daß eine ernste Lebensgefahr vor handen wäre. DaS Motiv der verzweifelten That scheint Schwermuth zu sein. — Pirna. AuS der Zeit, wo unser Königreich Sachsen noch eine zahlreiche wendisch sprechende Bevölkerung aufwies, haben sich viele Ausdrücke in der Volkssprache bei uns erhalten. Wer zieht nicht gern, wenn eS draußen recht kalt ist, ein Paar warme „Latschen" an? Dieses schöne Wort ist aber vom wendischen liiüeieo, Strümpfe, abzuleiten. Ebenso stammt die Bezeichnung der Fußbank, die Mancher als „Hitsche" kennen wird, aus dem Wendischen. Die Arbeit macht man womöglich recht „pomäle" (l>o mal), bequem, auch — pomadig), wobei eS denn freilich Vorkommen kann, daß sie „lätsch" geht. Die Slaven sind auch gesprächig; davon zeugen Ausdrücke, wie „dahlen" für weitläufig (wendisch cisi), in'S Blaue hinein reden, „datschen", undeutlich reden (taeim, im Kreise drehen). Die Kinder „pitzeln", d. h. schneiden mit stumpfem Messer (pielam). Auch „huschen" hängt vielleicht mit liesest, gehen, zusammen. Wenn gleich die Deutschen im Trünke bekanntlich allen andern Völkern „über" sind, verstehen sich doch auch die Wenden darauf, im „Kretscham" zu „pietschen" (pier, trinken). Auch für die HauSthiere hat sich noch zum Theil eine slavische Bezeichnung vererbt, die gern mit der entsprechenden deutschen zusammen gesetzt wird, so z. B. Husche-GanS, Mutsche-Kuh. Der Lockruf für die Enten ist bei un« und wohl auch in andern Landstrichen „diele, diele"; eigentlich be deutet das Wort die „Weißen". — Plauen. Bezüglich der für unsere Stadt geplanten Straßenbahn, deren Bau die Berliner Baufirma Havestadt L Contag in die Hand nehmen will, liegt, wie der „V. A." meldet, die Sache zur Zeit so, daß der zwischen dieser Firma und der Stadt abzuschließende Vertrag dem Stadtgemeinderath in einer der nächsten Sitzungen zur Berathung und bez. Genehmigung vorgelegt werden wird. Die Bahn soll mittels Elektricität betrieben werden, die Firma möchte sich aber bei Ausführung dieses Baue« die Erfahr ungen mit zu Nutze machen, die sie bei Anlegung einer elektrischen Straßenbahn in Halle sammeln wird. Die Halle'sche Bahn wird in diesem Jahre gebaut werden. Wie wir hören, hat jüngst noch eine zweite Gesellschaft dem Stadtrathe gegenüber ihre Geneigt heit zu erkennen gegeben, in Plauen eine elektrische Straßenbahn zu erbaue», und zwar ist dies die Firma Siemen« ck Halske in Berlin. — Plauen. Wie der Handels- und Gewerbe kammer Plauen auf Grund amtlicher 'Notizen von zuständiger Stelle mitgetheilt wird, beabsichtigt man von privater Seite zu London in der Zeit vom 16. bis zum 30. März 1891 eine Internationale Ausstellung der Buch- und Papiergewerbe, sowie verwandter Geschäftszweige zu veranstalten. Die Ausstellungsgüter sollen späiestenS am Morgen de« 16. März 189 l in dem AuSstellungSgebäude (Royal Agricultural Hall) ordnungsmäßig aufgestellt und am Nachmittage des 4. April 1891 aus dem selben wieder entfernt sein. Abgesehen von der knappen Bemessung der Zeit für Aufstellung und Entfernung der Ausstellungsgegenstände erscheinen besonders die weiteren Bestimmungen unvortheilhaft, daß die Unternehmer jeder Verantwortlichkeit enthoben und die Direktoren befugt sein sollen, etwaige Strei tigkeiten endgültig zu entscheiden. Hiernach würden ausländische Firmen kaum in der Lage sein, durch rechtzeitiges Vorgehen sich gegen Benachtheiligungen zu schützen. Zu bemerken ist außerdem, daß die al» Unternehmer bezeichneten GeschästStreibenden vor Kurzem genöthigt gewesen sind, mit ihren Gläubigern einen Vergleich einzugehen, durch welchen die Forder ungen der letzteren erheblich reduzirt wurden. Unter diesen Umständen möchte deutschen Industriellen von einer Betheiligung an dem Ausstellungs-Unternehmen abzurathen sein. — Treuen, i. V. In dem nahen SchreierS- grün ist dem Schneidermeister Hummel ein Theil seines Hauses eingestürzt. Die nichtsahnende Familie saß noch sorglos im Wohnzimmer, als ein vorübergehender Wanderer einen Riß im Gebäude bemerkte, worauf derselbe die Einwohner aufmerksam machte. Nach dem Verlassen de« Hauses erfolgte der Einsturz. — In Lunzenau brach unter den Zöglingen der dortigen Fabrik-Kleinkinderbewahranstalt Nasen- dipHtheritis aus. Dem Vernehmen nach sollen daselbst am Mittwoch und Donnerstag wieder >4 kleine Kinder daran gestorben und am letztgenannten Tage nur noch 4 der Zöglinge am Leben gewesen sein. — Nach dem Eintritt de» Thauwetters hegte man allgemein ernstliche Befürchtungen betreffs eines schweren Eisganges und gefahrdrohenden Anwach sens der Flüsse; die nachfolgende Witterung hat sich bis jetzt jedoch ganz ausnehmend günstig gestaltet, da durch den zeitweiligen Rückgang der Wärme das Ab- thauen wesentlich verringert wurde. Die Elbe trägt auf ihrem Laufe durch die sächsische Schweiz jetzt ihre Eisdecke noch; von Pirna über Dresden, Meißen, Riesa und Torgau ist sie im Ganzen aber als eisfrei zu betrachten. Dagegen besteht zur Zeit noch die weit ausgedehnte Decke von Prettin über Wittenberg, Roß lau, Schönebeck, Magdeburg, Tangermünde bis unter halb Lauenburg. An den Brücken ist überall aufge- eist worden; ebenso hat man an den Stellen, an denen erfahrungsgemäß bei Eisaufbruch Gefahren ent stehen, schon das Eis aufgelockerk, und da, wo starke Zusammenschiebung der Schollen entstanden sind, be reits Sprengungen mit Dynamit und Pulver vorge nommen. Ebenso arbeitete man von Hamburg über Harburg herauf unausgesetzt an der Zerstörung der Eisdecke, die theilweise zersägt und zersprengt wurde, um den drei Eisbrechdampfern vorzuarbeitcn, die lang sam immer weiter stromaufwärts rücken. So steht denn zu hoffen, daß der noch zu erwartende Eisgang auf der Elbe überall ohne Schaden verlaufen wird. Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. Am 7. Februar 1807^wurde die blutige Schlacht bei Pr. Eylau geschlagen, in welcher 70,000 Russen und Preußen unter Bennigsen und L'eslocy gegen 98,000 Franzosen, die von Napoleon selbst angeführt wurden, kämpften. In diesem Kampfe focht hauptsächlich das preußische Korps mit außer ordentlicher Tapferkeit, indem es durch einen ungestümen An griff das Davoust'sche Korps zurückwarf. Die französische Armee wurde bei Eylau zwar nicht zum Weichen gebracht, konnte aber auch, ungeachtet der größten Anstrengungen und ungeheuren Verluste, nicht den Sieg erringen. Der Kampf blieb unentschieden. Dieses Treffen brachte in Paris, wo man an Napoleons zerschmetternde Schläge gewöhnt war, den Ein druck einer Niederlage hervor. Die Staatspapiere sielen. Auch die in Polen und Deutschland stehenden französischen Truppen wurden Uber den Ausgang dieser Schlacht so bestürzt, daß sie schon ihren Kaiser von dem alle seine Unternehmungen sonst begleitenden Glück verlassen glaubten. 8. Februar. Nachdem am 27. Januar von der CernirungSarmee Bel forts ein vergeblicher Angriff auf die beiden Forts Hautes- Perches und Basse-Perches gemacht worden war, gelang cs, wenngleich unter fast unmenschlichen Anstrengungen, die beiden starken, in Felsen erbauten Forts am 8. Februar 1871 mit Sturm zu nehmen. Die Hineinziehung dieser beiden festen Werke in die Stellungen der Belagerungsbatterien war von unberechenbarem Vortheil, da erst von ihnen aus die Beschieß ung der Citadelle, des eigentlichen Schlüssel« der Festung, so wie de« großen neuen Forts de« Barre«, welche« auf dem rechten Ufer der Saroureuse gelegen ist, vor sich gehen konnte. Der Erfolg diese« Tage« besiegelte da« Schicksal der mit Bra vour und großer Energie vertheidigten Festung. 9. Februar. Vor 3 Jahren, am 9. Februar 1888, war e«, daß ein sehr wichtiger und weittragender Beschluß von der Mehrheit de« deutschen Reichstage» angenommen wurde, ein Beschluß, dessen Tragweite man heute bereit« klarer zu beurtheilen in der Lag« ist, al« damals. An jenem Tag« wurde definitiv di« Ber- längerung der »jährigen Legislaturperioden auf b Jahre ge>