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Man forschte nun eifrig im Amtslokale nach. Zunächst ließ der Postinspektor sich die in Betracht kommenden Bucher vorlegcn. In das am Schalter geführte Annahmebnch war der Brief vorschriftsmäßig eingetragen; dasselbe war der Fall in dem bei der Expedition geführten Abschriftsbuche. Daun durch forschte er den Papierkorb nach Theilen von Tele gramm-Formularen, diese fand er nicht, wohl aber fielen ihm einige Bruchstücke Packpapier von derselben Qualität, wie das in den, Briefe Vorgefundene, in die Hand. Diese boten ihm schon einen Anhalt. Nachdem er das Papier zu de» Akten gelegt, ließ er sich dieselbe Anzahl Scheine gebe», wie sie ursprüng lich von dem Absender in den Brief hincingelegt sein sollten. Er stellte fest, daß das Gewicht der sieben Scheine, des Couverts und der von dein Absender beigegebenen Schriftstücke ein höheres war, nämlich vierundfünfzig Gramm; demnach war der Brief nach der Beraubung um fünf Gramm leichter geworden. Das war schon ein sehr wesentlicher Anhaltspunkt. Bei dieser Wahrnehmung erhellte sich denn auch das ernste Gesicht des Beamten und ein „Ah!" entschlüpfte seinen Lippen. „So, jetzt endlich erhellt sich das Dunkel!" Mit diesen Worten wendete er sich an den Vor steher, der sofort begriff, daß dieses Resultat den In spektor wiederum einen Schritt dem vermeintlichen Thäter, Bäumer, entgegeubrachte. „Wenn Bäumer", so bemerkte'der Direktor ver legen, „den Inhalt des Briefes an sich genommen und diesen durch werthlose Papierstrcifen ergänzt hätte, dann würde er auch genau das ursprüngliche Gewicht wieder hcrgestellt haben." „Bäumer ist eben ein Neuling!" erwiderte der Inspektor. „Wer weiß, mit welcher Aengstlichkeit er bei seinem Thun verfahren ist, und wenn dieses nicht der Fall, dann ist er erst nach dem Wiederverschließen des Briefes auf das Fehlen des Gcwichtsvcrmerks aufmerksam geworden. Da dann ein zweites Oeffnen des Briefes diesen unfehlbar beschädigt haben würde, so stellte er sich — es ist mir ganz begreiflich — durch diese Unvorsichtigkeit selbst eine Falle." Mit den Worten: „Wann ist Ihnen, Herr Zeits, der fragliche Brief übergeben worden?" wandte der Inspektor sich an den anwesenden Assistenten. „Heute Morgen, kurz vor Abgang des Zuges nach S., etwa um neun Uhr", lautete die Antwort desselben. „Wie lange kann der Brief wohl in Ihren Hän den gewesen sein?" „Kaum zehn Minuten. Herr Bäumer schien ihn vergesse» zu haben, denn ich mußte mich sehr beeilen, wollte ich denselben noch mit abgehen lassen." „Diese verspätete Uebergabe ist ganz erklärlich", murmelte der Inspektor. „War, während Sie den Brief unter Händen hatten, Jemand in Ihrer Nähe?" fragte er dann laut. „Jawohl, Herr Inspektor, der Postschaffner Wirths!" „So! . . . Gut!" „Haben Sie", so wandte der Inspektor sich an Wirths, „den Aussagen des Herrn Zeits noch etwas hinzuzufügen?" „Ja, ich habe selbst gesehen, daß Herr Zeits über den Brief quittirte, ihn hierauf in ein Geldbnnd ver schloß und dann dieses in den von mir hingehalt-neu Beutel warf. Eine Veränderung kann mit dem Briefe demnach nicht vorgcnommen sein." „Diese Aussagen werden Sie evcntl. eidlich erhär ten müssen; können Sie das vor Ihrem Gewissen?" „Jawohl, Herr Inspektor, wir können es", ant worteten Beide. Nach Angabe des Zeits hatte Bäumer um neu» Uhr Morgen«, nachdem er den Brief übergeben, das Bureau verlassen. Sein Dienst war beendet. Die ihm gebotene freie Zeit wollte er zu einer Landparthie nach dem zwei Stunden weit von D. gelegenen Badeorte B. verwenden. Der im Nebenzimmer beschäftigte Freund des Bäumer, Obersekretär Linde, wurde ebenfalls befragt, allein dieser konnte gar keine Angaben betreffs des Briefes machen, da er gestern an seinem dienstfreien Tage das Postdienstzimmer nicht betreten hatte. Wei tere, als nur auf den Brief sich beziehende Angaben wünschte der Inspektor nicht von ihm zn hören. Aus die Vernehmung des übrigen Personals — eS waren dies nur Unterbeamte — verzichtete man. Während dieser Untersuchungen im Dienstzimmer war der alte Vorsteher nicht von der Seite des In spektors gewichen. Eine innere Stimme bezeichnete ihm laut die Person des Verbrechers; so viel er sich auch gegen diese verschloß, immer wieder erhob sie sich und forderte ihn zuin Reden auf. Nur mit aller Anstrengung vermochte er sich aufrecht zu erhalten. Bis jetzt hatte man ihn noch nicht über Bäumer's außerdienstliche Aufführung befragt. Was sollte er sagen, wenn dieses geschah? Sollte er Alles, was er über den jungen Mann Nachteiliges in der letzten Zeit gehört hatte, mittheilen? Konnte, ja durfte er etwas verschweigen, was zur Beurtheilung der Sach lage von höchster Wichtigkeit war? Nein, er ver mochte es nicht. Die Gerechtigkeit durfte ja nicht in ihrem Laufe gehemmt werden. Aus diesen Betrachtungen wurde der schwer ge drückte Mann durch die Worte des Inspektors geweckt: „Ich bitte, Herr College, ordnen Sie unverzüglich an, daß Bäumer zur Stelle geschasst wird." Es war jetzt neun Uhr geworden und Bäumer konnte wohl, wenn er überhaupt die Absicht am Mor gen gehabt hatte, zurückzukehren, wieder in D. ein getroffen sein. Der Freund Bäumer's, Linde, der die letzten Worte des Inspektors gehört hatte und empört über dessen Verdacht war, bemerkte etwas erregt, daß er nach jeder Seite hin für den Verdächtigen mit seiner Person eintreten trolle; sein Freund habe ein etwas leichtes Wesen, ein Verbrechen, wie dieses vorliegende, könne er nicht begangen haben. Wenn NachthciligeS — in Betreff seines Rufes — über denselben iin Orte verbreitet sei, dann wollte er dieses durch An gaben, die auf Thatsachen beruhten, entkräften. Den Freund wolle er jetzt selbst in dessen Wohnung auf suchen nnd von dem Ereignisse in Kenntniß setzen. „Bitte bemühen Sie sich nicht", unterbrach ihn der Inspektor mit Schärfe in der Stimme, „es liegt mir daran, daß auch Sie sich noch bis zur Ankunft Ihres College» hier im Dienstziiinncr beschäftigen." Ein Unterbcamter wurde dann nach Bäumer aus gesandt. Linde verbeugte sich steif mit ernstem Ge sicht und ging mit einem Kopfschütteln an seine Ar beitsstelle. Auf einen wohl verstandenen Wink des Inspektors nach dem Vorsteher der Postanstalt hin begaben sich Beide in das anstoßende Zimmer. Hier «»gekommen, verließen den Letzteren die Kräfte: init kaum vernehmbarer Entschuldigung ließ er sich auf einen der nächsten Stühle fallen. Eine tiefe Blässe bedeckte sei» Gesicht. Eine Weile ließ der Inspektor den alten Mann, der ihn dauerte, sich auSruhen, dann begann er: „Wie auch Sie aus unseren gemeinschaftlichen Nachforschungen gesehen haben werden, drängt sich Einem immer mehr nnd mehr die Ueberzeugung auf, daß der Poftsekretar Bäumer der That der Beraubung des Briefes und der sich hieran schließenden Täuschung dringend verdächtig erscheint. Lassen Sie mich den Jndicienbeweis hierfür erbringen: Bäumer hat den Werthbrief angenommen. Später, nachdem er be merkt, daß das Gewicht nicht auf demselben und auch nicht im Post-Quittungsbuche vermerkt stand, den verbrecherischen Entschluß gefaßt, den Inhalt des Briefes an sich zu bringen. Das Motiv wirb, wie es in der Regel der Fall ist, drückende Geldverlegen heit gewesen sei. Um den Raub ausführen zu können, hat er den Werthbrief an der Stelle, wo der schwarze Strich sich befindet, der Länge nach ausgeschnitten. Da er nach dem Schalterschlnß um 8 Uhr Abends noch einige Stunden Nachtdienst verrichten mußte, so hatte er hinreichend Zeit, das unredliche Geschäft in Ruhe vorzunehlncn, umsomehr, da er während dieser Dienststunden größtentheils allein im Bureau war. Es kommt nun oft vor, daß der Verbrecher durch irgend ein Uebersehcn der zur Nichtentdcckung seiner That gehörenden Bedingungen sich selbst eine Falle stellt. Auch hier tritt dieses klar zu Tage. Hätte Bäumer das Feststelleu des Gewichts des Briefes, sowie das Ergänzen des Inhalts desselben durch andere Gegenstänve bis zur Höhe von fünf undfünfzig Gramm beachtet, dann könnte man ihn der That nur schwer oder auch gar nicht überführen. Einen weiteren Beweis seiner Schuld bieten die Fragmente Papier. Wie ich mich heute bei Gelegen heit der Untersuchung beim Kaufmann Adens über zeugte, stammen jene Papiertheilchen nicht aus dessen Geschäft; das dort gebrauchte Packpapier hat eine ganz andere Farbe. Dagegen aber fand ich in dem Papierkorbe bei der Schalterstelle ein ganz gleich farbiges und gleichstarkes Packpapier, wie das von dem Verbrecher benutzte, vor. (Fortsetzung folgt.» Vermischte Nachrichten. — Die Tänze, welche wir in unseren Tagen zu üben pflegen, wie Walzer, Polka, Hochländer rc. reichen in ihren Formen, was Lebendigkeit der Be wegung anbctrifft, lange nicht an die Tänze früherer Jahrhunderte heran. Die Welt ist auch in dieser Beziehung gesitteter geworden. Die in der Jugend zeit Ludwigs XIV. auch in Frankreich allgemein ge tanzte „Sarabande" wurde so feurig getanzt, wie heutzutage wohl kaum noch ein Tanz in irgend einem Lande der civilisirten Welt. Wie Cervantes in sei nem Possenspiele „Die Höhle von Salamanca" be hauptet, ist die „Sarabande" voin Teufel selbst er funden und später als zu anstößig von der spanischen Bühne verbannt worden. Wenn man diesen Tanz, bei dem nur die augenblickliche sinnliche Erregung zum Ausdruck kam, mit unserin Walzer vergleicht, bei welchem das Gemüth selbst halb wchmuthsvoll halb freudig bewegt wird, so kann man sich nicht der Er wägung verschließen, baß wir auch in unserem Tanz harmloser geworden sind, und mag auch hin und wieder über die Verschlechterung der Sitten geklagt werden, so kann die Geschichte des Tanzes den Be weis des GegentheilS am besten liefern. Mit Unrecht wird gerade in den größeren BolkSkreisen der Unter richt des Tanzes vernachlässigt. Um da- Vergnügen zu erlernen, so sagt der Vater, gebe ich kein Geld aus. Und die Mutter giebt wohl oft genug Recht und behauptet, auch sie habe keinen Tanzunterricht genossen und das Tanzen von Freundinnen aus dem Tanzboden gelernt. Das ist indessen eine Vernach lässigung der Erziehung. Auf dem Tanzboden erlernt man allenfalls ,vie Schritte der einzelnen Tänze, nicht aber die graziöse Formengebnng, die nicht nur deu Tanz verschönt, sondern sich auch in den ganzen übri gen Bewegungen eines Menschen ausdrückt. Gerade dadurch, daß wir von jenen volkSthllmlichen Tänzen, die nur der sinnlichen Erregung der Menschen ent sprangen, zur Tanzkunst kamen, zu Tänze», die in regelrechte Kunstformen gebracht waren, gerade dadurch hat der Tanz im allgemeinen andere gesittetere For men angenommen und ist nun ein wesentlicher Faktor der Erziehung geworden, der nicht ohne Einfluß auch auf den Charakter des Menschen bleibt. Mehr noch als beim Mädchen, dem von der Natur viel Genie und Formengebnng meistens verliehen wird, ist der Tanzunttzrricht dem Knaben von nöthe», der sich nur in der Tanzstunde die nöthige, dem weiblichen Ge schlecht gegenüber anzuweudende Zartheit «»eignet. Man kann mit Fug und Recht behaupte», daß ein großer Theil der Rohheiten, die in Familien des niederen Volkes gang und gäbe sind, dem Mangel des Tanzunterrichtcs in den genannten Volksschichten zugeschrieben werden kann. Auch auf die Jedem, auch dem Arbeiter dienliche Geschicklichkeit übt der Tanzunterricht einen guten Einfluß aus, und daher ist der freie Tanzunterricht in der Volksschule ein ins Auge zu fassendes Ziel. Wer aber die Mittel besitzt, seinen Kindern Tanzunterricht geben lassen zu können, mag es nicht versäumen. — Bei einem Kaufmann in Neisse, der keine Concession zum Schnapsausschank hat, erschien dieser Tage ein junger Mann und verlangte einen Nordhauser. Der Kaufmann, der selbst im Laden war, merkte sofort, daß ihm von „guten Freunden" wieder einmal eine Falle gestellt werden solle; ein malitiöses Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht und mit den Worten: „Nordhäuser? Sollen Sie haben," machte er den« Unbekannten butter dem Repositorium einen Schnaps zurecht. Etwas Efsigsprit, Petroleum und Baumöl wurden zu gleichen Theilen zusammen gemischt, so daß der Nordhäuser schön goldgelb aus sah, und in einem ziemlich großen Glase dem Kunden präsentirt. Ohne sich zn besinnen, ergriff dieser das „Labsal" und leerte eS mit einem Zuge. Mit einer Miene zum Gotterbarmen setzte er das Glas ab nird vermochte kaum zu fragen, was der „Nordhäuser" kostete. „Nichts," lautete die Antwort; „wollen Sie vielleicht noch einen haben, Sie Denunciante?" Eine Entgegnung hierauf folgte nicht mehr; wie der Blitz war der junge Mann aus dem Laden hinaus, während der Kaufmann sich vor Lachen die Seiten hielt, froh, endlich einmal seinen „guten Freunden" niit gleicher Münze heimgezahlt zn haben. — In Kopenhagen ist ein geheimnißvoller Selbstmord begangen worden. Eine junge, elegant gekleidete und sehr schöne Dame kam neulich in ein Hotel ersten Ranges und schrieb sich im Fremdenbuch als Frl. Tellenius aus Helsingfors ein. Sie war mit Geld reichlich versehen und erregte durch ihre blendende Schönheit und ihr liebenswürdiges Auf treten allgemeines Aufsehen. Als man sie den ganzen Tag nicht zu sehen bekommen, drang man in ihr Zimmer ein und fand die Dame in einem eleganten Anzuge von weißer Seide, weißen Atlas-Ballschuhen an den Füßen todt auf dem Bette liegen. Neben ihr stand eine kleine, leere Flasche, die Gift enthalten hatte, und unter dem Bette lag ein scchslänfiger Re volver. Wer sie ist und warum sie sich getödiet hat, darüber fehlt bis jetzt jeder Anhaltspunkt. Mur k> Pfennige täglich. kostet die Anwendung der von den hervorragendsten Professoren und Aerzten Europa- empfohlenen Apotheker Ittchar» Brandts Schwei ierpillen, sodaß dieselben allen anderen Mitteln, wie Bitterwässer, Ma- gentropsen, Mixturen, Ricinnsöl ic. rc. entschieden vorzuzichen sind, dabei ist aber auch die angenehme, sichere, dabei absolut unschädliche Wirkung der ächte» Apotheker Aichard Brandt's Schweizerpillen unerreicht! Die auf jeder Schachtel auch quan titativ angegebene» Bestandtheile sind: Silge, MoschnSgarbe, Aloe, Absynth, Bitterklee, Gentian. Sächsische Bieh - Versicherung« - Bank in Dresden. Diese al» die größte und bestsundirte aller deutsche» Vieh-Versicher- unas-Gesellschasten bekannte Anstalt hat im verflossenen 18. Geschäftsjahre wiederum einen glänzenden Erfolg zu verzeichnen. Das allseitige Vertrauen, welche» die Bank genießt, findet durch den bedeutenden Zugang an neuen Versicherungen beredten Ausdruck. Gegen das Vorjahr hat die Prämien-Einnahme, der Reservefonds, sowie die Prämien-Reserve eine beträchtliche Zunahme erfahren. Die berechtigten Schadensorderungen von über 850,000 Mark wurden in voller statutarischer Höhe prompt und coulant am Wohnorte der Beschädigten ausgezahlt. Die Erhebung billiger fester Prämien schließt jeden Nach, oder Zu schuß absolut aus. In Folge der überaus günstigen Finanz lage der Bank gestattet sie die Prämienzahlung in zinsfreien Raten, welche» Verfahren dem Viehbesitzer willkommene Er leichterung verschafft. Hohe Behörden, Großgrundbesitzer und Thierärzte haben dem gemeinnützigen Institut stet» Wohlwollen bewiesen. (Siehe heutige- Agenten :c. -Gesuch.) Druck und «erlag von E. Hannebohn in Eibenstock.