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Wege geben lassen. Und überdies", er umfaßte Julia, „Du weißt besser als icb, wie schrecklich Dir die Bande sind, welche Dich an den alten Narren fesseln. Wer weiß, eb er nicht auch erfährt, daß ich nicht Dein Bruder bin, und dann? Dann stehen wir wieder ohne einen Heller Geld da und können uns wie zuvor kümmerlich durchschlagen. Du liebst mich, Julia, nicht wahr? Haben wir erst das Geld dem verliebten Narren abgenommen, so suchen wir das Weite. Wie lange arbeiten wir schon auf dieses Ziel los und jetzt, wo wir so nahe daran sind, es zu er reichen, wollten wir feige die Hände in den Schooß legen? DaS Mädchen darf nicht ausplaudern, was sie weiß; sie muß unschädlich gemacht werden." .Vergiß nicht", antwortete Julia leise, „daß, wenn das Mädchen uns zu beobachten ins HauS gekommen ist, sie wohl Beschützer hinter sich haben muß. Würde sie vermißt, so würden diese e« wohl nicht auf sich beruhen lassen." „Bis dahin sind wir längst nicht mehr hier. Jetzt gilt eS zu handeln, nicht sich Skrupeln hinzugeben, die sich nicht einmal zu verwirklichen brauchen. Haben wir nicht viel mehr zu fürchten, wenn sie auSplaudert? haben wir nicht alles zu verlieren — oder alles zu gewinnen?" Für einen Augenblick herrschte Todtenstille im Gemach. Dann sagte Julia Harrington mit heiserer Stimme: „Wir müssen gewinnen, wir dürfen so kurz vor dem Ziele nicht scheitern!" Sie erhob sich und stieg die Treppen nach LucieS Mansarde hinauf. Bor der Thür blieb sie stehen und rief dem Mädchen. Sie erhielt keine Antwort. Nach wiederholtem Rufen und nachdem sie sich davon überzeugt, daß die Thür noch immer von außen ver schlossen war, erfaßte Julia Harrington eine solche Angst, daß sie nicht einzutreken wagte und zu Charles zurückkehrte. „Ich erkalte keine Antwort auf mein Rufen," berichtete Julia au den sie ei wartenden Charles. „Wenn ras Mädchen fort ist, sind wir verloren," erwiderte dieser bestürzt. „DaS ist unmöglich, ich schloß sie ein." „So bleibe hier, ich werde nachsehen." Am ganzen Körper zitternd, ließ sich Julia auf einen Stuhl nieder, während sich Charles nach oben begab. Er schloß die Thür auf und betrat LucieS Zimmer. Sie war nicht niehr darin. Marh Golling hatte genügend gehört und ge sehen, um zu wissen, daß ihr Gefahr drohte bei denen, die jetzt um die Gründe ihres Aufenthaltes in Julias Hause wußten. So hatte sie sich über das Dach in die Nebenwohnung begeben, wo sie bis auf weiteres das elegante Zimmer beibehielt, in dem sie sich als Fremde aufhielt. Fassungslos eilte Charles zu Julia. „Wir sind verloren, sie ist fort!" rief er ent setzt aus. „Verlieren wir den Muth nicht! Wir werden nicht eher ruhen, als bis wir sie wiedergefunden haben!" meinte Julia, sich durch diese Worte selbst zu täuschen suchend. „Vorläufig aber sind wir in der gefahrvollsten Lage. Wir müssen alles aufbicten, um sie wiederzu finden und unschädlich zu machen. Lasse sofort Robert son von dem Vorgefallenen Nachricht zukommen." XIX. In der Zwischenzeit war Henry Wildert ver haftet und hinter Schloß und Riegel gebracht worden. Schon am folgenden Tage verbreitete sich in der Stadt die Nachricht von dem sensationellen Diebstahl. Fünf der gestohlenen Obligationen waren ver kauft worden und gelangten schließlich an ein Bank haus, welches sie als einen Theil der gestohlenen Papiere erkannte nach den inzwischen veröffentlichten Nummern. Die Papiere wurden nun von einem Besitzer zum andern zurückverfolgt, bis man auf denjenigen kam, der sie zuerst auf die Börse gebracht hatte. Der Betreffende gab an, sie von einem gewissen Charles Harrington gekauft zu haben. Eine Stunde darauf wurde Charles verhaftet. Er blieb vollständig ruhig und beharrte auf seiner Unschuld. Er habe die Papiere von einem Buchhalter der Firma Morton und Comp. übernommen, im guten Glauben an die Richtigkeit der Transaktion und im Vertrauen auf den im besten Renommee stehenden Beamten der Firma: Henry Wildert sei sein Name. Man setzte sich mit dem Bankhaus Morton und Eoinp. in Verbindung und infolge der dort einge zogenen Erkundigungen wurde Charles Harrington auf freien Fuß gesetzt und Henry Wildert verhaftet. Die Polizei ward von den Zeitungen in den siebenten Himmel erhoben wegen ihrer scharfsinnigen und schnellen Erledigung der sensationellen Affäre. Die Sachen standen sehr schlimm für Henry Wildert, und selbst sein Anwalt glaubte nur noch auf mildernde Umstände hinwirken zu können nach all dem belastenden Material, welches sich anhäufte und kaum mehr einen Zweifel über de» jungen Manne« Schuld ließ. Einen Tag nach Henry« Verhaftung trat eine ältere Frau zu ihm in die Zelle; sie hatte eine Karte vom Polizeichef vorgewicsen und war ohne Weitere- eingelassen worden. Als sie mit dem Schließer bei Henry eintrat, rief sie mit harter, schnarrender Stimme: „Wahrhaftig, junger Mann, da- hätte ich nicht von Ihnen geglaubt! Die Chefs zu bestehlen!" Henry erkannte die Alte, welche ihm auf der Straße die 2000 Dollar gegeben hatte/ Er wußte, daß er sich seiner Retterin gegenüber befand. Sein Herz klopfte in freudiger Erregung und froher Muth schwellte seine Brust. Kaum war der Gefängnißwärter außer Hörweite, al« die Alte mit weicher, ernster Stimme begann: „So ist also da« Schlimmste gekommen. Aber verzagen Sie nicht, ich bin dem wahren Diebe auf der Spur. Die Schurken haben eS meisterhaft ver standen, den Verdacht von sich abzulenken und Sie al« den Schuldigen erscheinen zu lassen. Ich bin ihnen aber gewachsen: List wider List." „Sic sind den Dieben auf der Spur? Wer weiß aber, ob Sie genügende Beweise aufzubringen im Stande sein werden —" „Verzagen Sie nicht, ich könnte jetzt schon Ihre Freilassung veranlassen. Ich will jedoch, um die Schurken ganz sicher zu machen, den Schein der Schuld noch eine Weile auf Ihnen ruhen lassen. Bauen Sie auf mich. Sie werden nie und nimmer verur- theilt werden." Marh begann nun einige Fragen an Henry über die Einzelheiten seines Verhörs vor dem Untersuch ungsrichter zu stellen, als der Gefängnißwärter einen Herrn in die Zelle führte. Es war Robertson. Ein kaum hörbarer Schrei entfuhr der alten Frau, aber sie faßte sich sofort, und in ihren schnarrenden rauhen Ton verfallend, sagte sie: „Ja, ja, junger Mann, eS tbut mir wahrlich um Ihrer Mutter, meiner Freundin, halber weh, daß Sie der Versuchung unterlegen sind! Ja, ja, Ihre arme Mutter!" Sie war im Begriff die Zelle zu verlassen, als Robertson einen so auffallend prüfenden Blick auf sie warf, daß der Schließer fragte: „Kennen Sie die Frau?" Ohne Antwort und ohne auch nur ein Wort mit Henry Wildert gesprochen zu haben, eilte Robertson an dem ihm verblüfft nachsehenden Gefängnißwärter vorüber, der alten Frau nach. ES war ihm sofort eingefallen, daß er sie mehrmals im Geschäft bei Morton gesehen; dies, ein Zusammenhang mit be stimmten Bewegungen, die "ihm bekannt schienen, brachte ihn auf Vermuthungen, welche der Wahrheit nahe kamen. Er würde einen großen Theil des ge stohlenen Geldes für die Gewißheit gegeben haben, daß die „Französin" nicht mehr lebe; so lange sie aihmete, konnte er keinen Moment der Ruhe finden. Er mußte sie unschädlich machen — wo aber weilte sie? Die alte Frau verließ das Gcfängniß und wandte sich dem Centrum der Stadt zu. Robertson hielt sich dicht hinter ihr. (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Bauernregeln für Januar. Ein schöner Januar bringt uns ein gutes Jahr — Januar warm, daß Gott erbarm! — Wenn Gras wächst im Januar, wächst cs schlecht das ganze Jahr. — Nebel im Januar macht ein nasses Frühjahr! — Sind die Flüsse klein, giebt es guten Wein. — Am 10. Januar Sonnenschein, bringt viel Korn und Wein. — Wie das Wetter um St. Vincent war, wird es sein das ganze Jahr. — Schönes Wetter bringt Gewinn, merk Dir das in Deinem Sinn. — St. Paul schon mit Sonnenschein, bringt Fruchtbarkeit an Getreide und Wein. — Kinder-Brutkästen sind nicht etwa ein verfrühter Faschingsscherz, sondern von ihrem Autor, dem Pariser Arzt vr. Lion sehr ernst gemeint. Er hat, ausgehend von der Thatsache, daß für schwächliche Säuglinge eine stets gleich bleibende Temperatur von bestimmter Höhe sehr zuträglich ist, eine elektrische Kinder-Brukvorrichtung konstruirt. Es ist dies ein Holzkasten mit einer Glaswand, in welchem das Kind in einem Bette liegt. Um die Wände des Kastens ziehen sich Röhren, welche von der Wärme aus einer unter dem Kasten brennenden Gas- oder Petroleum flamme durchströmt werden. Die Hauptsache ist aber die Temperaturregulirung. Diese bewirken zwei Metall-Thermometer, deren Platte in selbstthätiger Weise die Gashähne etwas schließt, sobald ein ge wisser Grad überschritten wird, bez. weiter öffnet, wenn die Temperatur unter ein gewisse- Mindestmaß sinkt. Im letzteren Falle tönt zugleich eine Klingel, und es erscheint im Wärterinnenraume auf einem Brett die Nummer des Brutapparates. Die« für den Fall, daß die Wärmequelle nicht gut arbeitet. Oeffnungen im Kasten sorgen für die Erneuerung der Luft. Von Zeit zu Zeit werden die Säuglinge be hufs Stillung u. s. w. rasch in einen Nebenraum ge bracht, wo die gleiche Temperatur herrscht, wie in dem Kosten. — In den vierziger Jahren war der witzige Theater-Intendant Nareschkin in Petersburg ein er klärter Liebling des russischen Kaiser«. Aber trotz des GroßmuthS seines Mitten- saß er fortwährend in Geldverlegenheit. Einst hatte er eine Sammlung seiner „Bonmots" drucken lassen, und das Heft seinem hohen Gönner gewidmet. Der Kaiser ließ hierauf ebenfalls ein Buch Herstellen, dessen Blätter au« 1000 Rubel-Banknoten bestanden, und dies 'Nareschkin zusenden. „Nun, wie gefällt Dir mein Werk?" fragte der Czar seinen Günstling, als in den nächsten Tagen an der Tafel von der Witzsammlung des Letzteren die Rede war. „ES interessirt mich so ungemein", war die Antwort, „daß ich den folgenden Theil kaum er warten kann." Der Kaiser lächelte und der Inten dant erhielt den folgenden Morgen abermals ein so kostbares Buch, auf dessen Rückentitel aber die in haltsschweren Worte standen: Zweiter und letzter Band. — Au« der guten alten Zeit. Der vorletzte Graf von Ansbach, Karl Wilhelm Friedrich trug einst der Regierung in Ansbach auf, ihm an einem bestimmten Tage nach Gunzenhausen, wo er sich damals aufhielt, zwölf tüchtige Juristen zu schicken, um aus diesen für die daselbst erledigte Stadtvogteistelle selbst einen auswählen zu können. Am bestimmten Tage erschienen die zwölf Bewerber, alle in stattlichen Perrllcken und wurden im Hofe des OberamtShauseS, welches der Markgraf bewohnte, nach ihrem Dienst alter aufgestellt. Der Markgraf, welcher die Perrücken nicht leiden konnte, erschien, musterte die Vorgeschlagenen und befragte Jeden nach seiner Herkunft, seinem bis herigen Dienstverhältniß u. s. w. Einem der zwölf, Namens B., war jedoch nicht entgangen, daß der Markgraf, bei seinem Erscheinen gegen einen der ihn begleitenden Kavaliere geäußert hatte: „Haben doch die Hundsfötter alle Perrücken auf!" B. zog also, während der Markgraf mit den Andern sprach, in aller Stille die Perrücke vom Kopfe und steckte sie in die Tasche. Trotz der Gegenwart des Markgrafen konnten sich natürlich die Uebrigen des Lachens nicht enthalten. Dieser bemerkte es, folgte ihren Blicken und erkannte in B. sogleich die Ursache ihres Ge lächters. „Was hat Er da gemacht?" fuhr er ihn an. Ohne aus der Fassung zu kommen antwortete B.: „Ew. Durchlaucht, ich habe den Hundsfott ein gesteckt." „Ich gratuliere, Herr Stadtvogt!" versetzte der Markgraf. -2- Oranienburg. In dem Dorfe Fiddichow (Kreis Niederbarnim) kochte im Herbst v. I. eine wohlhabende Bauersfrau für sich und ihre Haus- und Dienstleute einen großen Kessel Pflaumenmus ein. Durch irgend einen Zufall gerieth nun in Abwesen heit der Hausfrau der alte schwarze Hauskater in den kochenden Brei und wurde in demselben bei leben digem Leibe geschmort. Erst als der große Kessel seines Inhalts entleert wurde, endeckte man den unglücklichen Dachhasen. Mit Ausnahme der Bauers frau leisteten nunmehr alle Betheiligten Verzicht auf ihren Theil Pflaumenmus. Die spekulative Bäuerin verkaufte indessen den ganzen Segen in Oranienburg. Jetzt nachdem die Sache ruchbar geworden, empfinden verschiedene Personen, die von dem Mus genossen haben, eine Art Katzenjammer und haben Strafanzeige gegen die Bäuerin erstattet. — Städtisch-unsittlich. Bauer (vor dem Schaufenster eines Möbelgeschäftes zu seiner Frau): „Pfui Deibel, guck' emol, Kätterle, wie die Schtadt- leit so gar kei Schänd nit hawwe. Die lege ihre Schlafstub grad da ehin, wo e Jedder reigucke kann! — Selbst ist der Mann. Tante: Kannst Du mir wohl sagen, Fritzchen, wer Dich geschaffen hat? — Fritzchen (zeigt fußhoch über den Erdboden): So groß hat mich der liebe Gott geschaffen, das Uebrige bin ich allein gewachsen. , I)r. Koch und Freund Hein. 1>r. Koch spricht: Lieber Hein Mußt mir jetzt nicht böse sein. Daß ich Dir jetzt so geschwind Raube manches Menschenkind. Und es spricht darauf Freund Hein: „Koch, was bild'st Du Dir denn ein, Mich pressirt es wirklich nicht Um so einen armen Wicht, Kriegen thu' ich alle noch. Und auch Dich, Herr vr. Koch." Gestörte Verdauung (Verstopfung) kann ernstere Folgen haben, als die meisten damit Behafteten wissen. Erscheinungen und Leiden, wie Blutandrang, Schwindelanfälle, Kopfschmerzen, Herzklopfen, Blähungen, Mangel an Appetit, Müdigkeit der Glieder rc. stellen sich ein, ohne daß man weiß, woher es kommt. Indem man durch Anwendung der in den Apotheken ä Schachtel M. I. — erhältlichen ächte» Apotheker Aichard Brandt'« Schweizerpillen die gestörte Verdauung in Ordnung bringt, beseitigt man die daraus herrührenden Erscheinungen. Man verlange aber stets die Etikette mit dem weißen Kreuz in rothem Felde und dem Namenszug Ai-Hard Brandt. Die auf jeder Schachtel auch quantitativ angegebenen Bestandtheile sind: Silge, Moschusgarbe, Aloe, Abshnth, Bitterklee, Gentian. ÄanLrsaintiiche Nachrichten von Ächönhei-e vom 28. Dezember 1890 bis mit 3. Januar 1891. Geboren: 354) Dem Handelsmann August Friedrich Schü ler hier Nr. 395 I.T. 355) Dem Bürstensabrilarbeiter Alwin Baumann hier Nr. 201 l S. 358) Der unverehel. Bürsten ein,ieherin Milda Rosa «lug hier Nr. 278 I S. . 357) Dem Wollwaarendrucker Robert Fiedler hier Nr, 307 l S, 388) Dem «ürstensabrikarbeiter Carl Richard Flemmig hier Rr. 178 l S. (1891) 1) Dem Oeconom Johann August Mothes hier Nr. 9V 1 r. 2l Dem Bllrstenfabrikarbeiter Franz Louis Seidel hier Rr. 129 I S. 3) Dem Fleischer Adolf Rosen- Hauer in Schönheiderhammer Nr. 33 I S. s) Dem Bürsten macher Heinrich Wilhelm Jordan hier Nr. 154 k 1 T. Gestvrbe». 238) Des Bäckers Carl Heinrich Neubauer hie», Rr. 298 todtgeb. Sohn. 257l De« BllrstensabrikarbeiterS Frie drich August Günnel hier Nr. 111 Sohn, Kurt, 4 M. 18 T.