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VIII. DaS über Gengenfeld hercingcbrochene Unwetter hatte ziemlich viel Verheerungen im Gefolge gehabt. Einige Häuser waren vom Blitz geschädigt worden, auch hatte der orkanähnliche Sturm zahlreiche Ziegel von den Dächern entführt und niehrere der leichter gebauten Ställe cingerisse». Der Schaden jedoch, welchen der Wolkenbruch herbeigeführt, war bei Weitem der größte, denn er hatte das Thal in weitem Um kreise fußhoch unter Wasser gesetzt, das sich erst all mählich wieder verlief. Umfassende Reparaturen wurden nöthig, und auf Wiesen und Feldern bemühten sich zahlreiche Arbeiter, die von den Wasscrfluthen gerissenen tiefen Löcher wieder auszufüllen. Gerold hatte jetzt viel zu thun, und ziemlich er mattet stieg er heute von dem Wildkopf abwärts, in dessen unmittelbarer Nähe der Schlag lag, welcher durchforstet werden sollte. Der Blitz hatte dort mehr fach selbst die Arbeit besorgt und herrliche Baumriese» gefällt, deren verkohlte Stämme am Boden lagen. Ein solcher Anblick stimmt immer wehmüthig, und so verfolgte denn auch Gerold nachdenklich seinen Weg, hin und wieder stehen bleibend und tief auf seufzend. Der Pfad führte ihn an der Mooshüttc vorüber, in welcher er wenige Minuten rasten wollte. Ohne aufzublicken trat er in den kleinen Raum ein, bis ein leises Räuspern ihn aus seinem Sinnen aufschrccktc. Auf der Bank saß Afra. Sie sah sehr bleich und abgehärmt aus. Es war mit ihr und Gerold eine seltsame Wandlung vorgegangen, denn Beide betrach teten sich so friedlich, als ob nie ein Sturm zwischen ihnen gewüthet hätte. Afras Augen schossen keine Blitze inehr, und Gerold schien das unerwartete Zu sammentreffen sogar erwünscht zu sein. Er verneigte sich höflich und trat an das Mädchen heran. „Ich hätte schon längst Ihrem Herrn Vater meine Aufwartung gemacht," begann er in zuvorkommendem Tone, „aber ich fürchtete, daß Ihnen mein Besuch nicht willkommen sein möchte. Somit gestatten Sic mir, Fräulein Afra, Ihnen hier auf neutralem Ge biet die Grüße und den herzlichen Dank von Ihrer Frau Tante und Ihrem Vetter Joseph zu überbringen." „Wofür?" gab Afra in freundlichem Ernst zurück. „Sic wissen recht gut," sprach Gerold weiter, „daß Ihr Oheim seine Rettung einzig und allein Ihrem guten Vater verdankt. Wäre er mit seinen Leuten nicht rechtzeitig zu Hilfe geeilt, so würde sein Bruder in den Abgrund gestürzt sein und den Tod in dem «»geschwollenen Bach gefunden haben." Afra erwiderte nichts, sondern blickte vor sich nieder. „Es war edel von Ihrem Herrn Vater, daß er sich seines verunglückten Bruders, trotz der bestellenden Feindschaft, so hilfreich annahm, ihn nach dem Bnrean bei den Sägcmühlen verbringen ließ, für trockene Kleider sorgte und den durch den Sturz Betäubten dann in seinem Bernerwägelchen nach Hause schaffte, wo er jetzt in schwerem Fieber liegt." „Wir haben bemerkt, daß der Arzt aus der Stadt ihn täglich besucht," erwiderte Afra nach kurzem Schweigen. „Ist sein Zustand besorgnißcrrcgend?" (Fortsetzung folgt.) Eltern, zanket nicht mit einander vor Euren Kindern. So lange wir uns noch nicht in Engel ver wandeln und deren Eigenschaften besitzen, wird es Vorkommen, daß selbst in den besten und gebildetsten Familien manchmal zwischen den Eltern eine Mein ungsverschiedenheit herrscht, die nicht allzu rasch aus geglichen wird, da der Mann, auf sein Recht als Eheherr pochend, nicht nachgebcn will, während die Frau, gereizt durch den Widerspruch, seine Ueberlegen- heit nicht anerkennt. Deswegen soll nicht gesagt sein, daß der Mann überall und in allen Dingen Recht hat mit seiner Meinung und Ansicht nnd den Nagel stets auf den Kopf trifft. Aber das ist sicher, daß in den meisten Fällen der Ehemann einen weiteren, einsichtsvolleren Blick besitzt, mehr Erfahrung gesam melt hat und daher Manches besser beurtheilcn kann, wie die Frau. Eine kluge Frau weiß im richtigen Augenblick zu schweigen, sich scheinbar ihres Gatten Meinung zu unterwerfen und den Moment abzuwarten, da er, beruhigt, einer gütigen, leidenschaftslosen Vorstellung zugänglich ist. Ist ihre Ansicht von der Sache die richtige, wird der Mann sie dann freudig anerkennen, während vorher der Widerspruch ihn reizte und auf stachelte. Als ich meinem Gatten in sein Heim folgte und Abschied nehmend in Mutters Armen lag, da flüsterte sie mir noch zu: „Reize niemals durch Widerspruch, suche Dich jederzeit zu beherrschen und nachzugeben, selbst wenn Du von der Richtigkeit Deiner Ansicht überzeugt bist, die Gelegenheit wird schon kommen, da Du den Beweis derselben liefern kannst." Diese Worte, im Augenblick der Trennung ge- shrochen, hinterließen einen tiefen, nachhaltigen Ein druck auf mein empfängliches Geniüth. Ist eö mir manchmal auch schwer geworden, darnach zu handeln — denn auch ich gehöre nicht zu den Engeln — so elang es mir trotzdem, und noch heute danke ich es meinem längst verstorbenen Mütterchen, daß sie so zu mir gesprochen hat. Heftige Auseinandersetzungen kommen zuweilen in de» meisten Familien vor, manche Frauen behaupten sie würzten das Leben, und das Versöhnen hinterher sei gar so süß. Der Geschmack ist verschieden. Ich sollte meinen, daß solche Momente, wenn sie sich öfters wiederholen, abstumpfen und eine gewisse Gleichgültigkeit Hervor rufen, die nichts mehr bannen kann. Und um das „Süße" der Versöhnung willen ist schon manches wahre Glück in die Brüche gegangen. Doch davon wollte ich nicht reden, sondern von der unseligen Gewohnheit mancher Eltern, ihren Streit, we,m man es so nennen darf, in Gegenwart der Kin der auszufechten. Im Zorne, wenn die feindlichen Elemente mit mehr oder minder Heftigkeit aneinander- gcrathen, denkt keiner der Betheiligten daran, die Kinder hinauszuschicken, ihnen den Anblick zu ersparen, den die uneinigen Eltern ihnen darbieten. Glaubt mir, all' Ihr Väter und Mütter, Ihr thut sehr Unrecht daran, denn Ihr erstickt, erdrückt in den jungen Her zen die schönsten Pflänzchen die Ihr hineingepflanzt: Achtung und Liebe vor Euch. Die jungen, gläubigen und empfänglichen Seelen werden erschrecken vor Euch, denn sic können nicht verstehen, warum Ihr Euch harte Worte sagt, die Ehrfurcht, mit der sie zu Euch empor geblickt, wird allgemach schwinden, in ihrem kleinen Geiste werden sie das Gesehene nnd Gehörte nach ihrer Weise verarbeiten, und werden sich, wenn die Uneinig keit sich wiederholt, von Euch wenden. Darum liebe Eltern, wenn es nicht anders sein kann, als daß Ihr Eurer Erbitterung in herben Worten Luft macht, vermeidet wenigstens, es in Gegenwart der Kinder zu thun, zieht Euch in ein anderes Zimmer zurück, oder, wenn dies nicht thunlich, schickt sie hinaus, und bewahrt Euch dadurch vor dem niederschmettern den, nie wieder zu ersetzenden Verluste ihrer Achtung, ihrer Liebe. Vermischte Nachrichten. — Eheleuten nnd Arbeitgebern ertheilt Jemand folgende guten Rathschläge: Ein älterer Pfarrer pflegte jnngen Ehepaaren als Hochzeitsan- gebinde folgenden Rath zu erthcilen: „Wenn ihr ein mal uneins seid — das kann ja in der besten Ehe vorkommen, dann sage nur eins zum ander»: „Lieber Mann (oder liebe Frau), eins von uns hat heute nicht seinen guten Tag, wir wollen den Streit ver tagen bis übermorgen!" Die den Rath befolgt haben, werden inne geworden sein, daß „übermorgen" der Gegenstand des Streites, wenn er nicht gar schon vergessen war, doch zunächst so kleinlich erschien, daß es nicht mehr lohnte, darum zu streiten. An den klugen, alten Pfarrer wurde ich erinnert, als mir dieser Tage ein Arbeitgeber Mitthcilung über sein Verhalten gegen seine Arbeiter (meist verheirathetc Leute) nnd Arbeiterinnen machte. Stach mehrjährigen Erfahrungen, sagte er, habe ich cs mir zum Gesetz gemacht, nie einem Arbeiter in der Aufregung über ein von ihm begangenes Versehen oder eine Ungehörig keit eine Strafpredigt zu halten oder gar zu kündigen, ebenso wenig eine in der Aufregung ausgesprochene Kündigung anzunehmen. Ich sage in solchen Fällen immer ganz einfach: wir wollen morgen darüber sprechen. Ich habe dann fast immer die Genugthu- nng, daß am nächsten Tage der Arbeiter, wenn ich allein mit ihm spreche, sein Unrecht zugiebt. Sehr oft haben mir die Leute gedankt, daß ich ihnen Zeit zur ruhigen Uebcrlegung gelassen hatte, das sind dann meine zuverlässigsten Arbeiter geworden. — Die Nutz anwendung mag sich Jeder selber machen. — Ueber das Tanzen. Für alle diejenigen, welche eine sitzende Lebensart führen, mehr geistig thätig sind oder Stubenarbcit zu verrichte» haben, ist das Tanzen jedenfalls eine der zweckmäßigsten Leibes übungen, weil es Bewegungen veranlaßt, die der Ge sundheit dienlich sind. Freilich muß das Tanzen maß voll, mit Vorsicht getrieben werden, weil sonst sehr bedenkliche Folgen entstehen können. Diese sind: Athmungsbeschwerdcn, Herzklopfen, Verdauungsstör ungen, Lungenentzündung n. s. w. Die Ursache aller dieser Uebelstäude sind Folgende: Man tanzt gewöhn lich in einem Saale, in welchem die Luft zu warm ist, weil entweder die Lüftung ungenügend oder die Beleuchtung zu stark ist. Solche Luft erweist sich schädlich für die Lungen und die Gesundheit über haupt. Die engen Taillen verhindern das Einathmcn der nothwcndigen Luft. Der Zug, welcher durch das unvorsichtige Oeffnen der Fenster entsteht, wurde schon oft die Ursache der Lungenschwindsucht. Auch vor eiskalten Getränken muß gewarnt werden. Das Tanzen gleich nach dem Essen ist schädlich, man sollte wenigstens eine Stunde warten. Gänzlich zu ver bieten ist der Tanz allen denen, deren Athmungs- organe leidend sind, weil in der erhöhten Temperatur und durch die gewaltsame Bewegung ein Blutsturz die Folge sein kann; ebenso muß allen denen vom Tanzen ubgcrathen werden, die am Herzklopfen leiden. — Die Unglücksfälle durch Erfrieren werden sich bei der jetzt herrschenden strengen Kälte, die trotz aller Versicherungen Falbs und anderer Wetterpropheten vermuthlich noch längere Zeit an dauern wird, wieder mehren, und es ist deshalb am Platz«, auf die einzig richtige Art der Belebungsver suche bei Erfrorenen hinzuweisen. In sehr zahl reichen Fällen ist das in dem starren Körper noch leise glimmende Fünkchen Leben gänzlich ausgelöscht wordeu dadurch, daß man die Erfrorenen plötzlich aus der Kälte in die Wärme brachte. Am besten ist es, einen Erfrorenen zunächst in der Kälte zu lassen, ihn eine kurze Zeit in Schnee zu packen oder mit Schnee oder auch mit Eiswasser auf Gesicht, Brust, Beinen und Armen zu reiben. Wenn dies etwa 10 Minuten geschehen ist, transportire man ihn vorsichtig in ein ganz kaltes Zimmer, bringe ihn womöglich in ein kaltes Bad, reibe ihn in demselben ab oder schlage ihn in ein kalt angefcuchtetes Lein tuch ein, um ihn mit demselben abzureiben. Dann trage man den Verunglückten in ein wärmeres Zim mer, wasche Arme, Beine und Brust mit Brannt wein nnd wickele ihn in ein wollenes Tuch ein. Zeigt sich jetzt Athmung und Pulsschlag, so flöße nian etwas Wein, Branntwein oder Kaffee ein und bringe ihn ins Bett. Diese Wiederbelebungsversuche haben oft noch Erfolg, wenn der Verunglückte längere Zeit als bereits Erfrorener in der Kälte gelegen hat. — Aus der Freiwilligen-Jnstruktion. „Mein Jcist is willig, aber meine Stimmritze scheint von so'nen infamichten Jnfaulenzia - Bazillus infizirt zu sein; ich sehe mir or^o jenöthigt, meinen Vortrag für heute zu inhibiren," krächzte der Herr Instrukteur und winkte den ihm zunächst sitzenden Einjährig-Frei willigen zu sich heran. „Hier, bitte, lesen Sie ihren Kammeradcn mal diesen Passus aus'in Reglement vor! — und Sie, meine Herren, ersuche ich, andächtig zu- zuhörcn, denn Sie wissen ja, in einigen Tagen haben wir Vorstellung bei dem Herrn Oberst, wo Sie Ihr lumen in ooixoro leuchten zu lassen haben." — Stach dieser Ansprache befahl der Gestrenge dem hervorgerufenen Einjährigen, mit dem Borlesen zu beginnen. Der etwas kurzsichtige Marssohn be waffnete seine Augen mit einem Kneifer, stellte sich dicht unter die Hängelampe und las; aber es wollte nicht recht gehen. „Da haben wir's!" unterbrach ihn der Gestrenge hohnlachcnd: „Det sind die Früchte von's Humanitätsjimuasium. Sic sind so Einer von die Manner, die, wie unser Kaiser so richtig jcsagt hat, die Welt durch die Brille ankucken, aber mit die eijeucn Oogen nischt sehen. Herr, wenn Sie doch lieber IO Jahre später jeborcn worden wären, denn brauchten Sie sich jetzt nicht nach mehr Licht uff die Fußspitze» zu stellen um mit Ihre Neese det Regle ment zu tanjiren. Aber so is et: Zehn Millionen Vokabeln und Regeln mit tausend Ausnahmen und alle Weltsprachen un nicht eenen cenzigen regelrechten Klimmzug! — Na, det wird nu ja anders werden. Setzen Sie sich wieder auf Ihren Platz, Sie Opfer der Superjelehrsamkeit, Sic!" — Hierauf entriß der Sergeant dein Vorleser unwillig das Buch und las trotz seiner Heiserkeit selbst weiter. — Vorsichtshalber. In einer Provinzial stadt erscheint am Postschalter ein jnngcs Mädchen, schüchtern und erröthend dcni diensthabenden Beamten die Frage vorlegend, ob vielleicht unter Chiffre -L. 8. IO ein Brief postlagernd cingegangen sei. — „Ge schäfts- oder Liebesbrief?" fragte im Scherz der Be amte. — Tief erröthend erfolgt die Antwort: „Ge schäftsbrief!" — Da kein Brief vorznfinden ist, ent fernt sich das Fräulein, kehrt jedoch nach einiger Zeit zurück, klopft zögernd ans Fenster und fragt: „Ach, Herr Expeditor, würden sie wohl die Güte haben, doch auch mal unter den Liebesbriefen nachzusehen?!" Ball-Seidenstoffe von 95 Pfge. bis 14.80 p. Met. — glatt, gestreift und gemustert — Vers, roben- u. stückweise Porto- und zollfrei das Fabrik-Depot <» Ilexixker«: (jk. u. K. Hoflief.) ^Urieki. Muster umgehend. Doppeltes Briefporto nach der Schweiz. Kin gewisses körperliches Wohlbehagen, neue geistige Spannkraft empfindet man nach dem Genuß von 1—2 bereitet von Apotheker Vassmann. Dieselben beseitigen auch sofort alle Müdigkeit unk Schlappheit nach körperlichen (z. Hk. Aergkkettern) und geistigen Anstreng ungen, verhindern das Auherathcmkommen, und befähigen den Menschen, größte Strapazen mit Leichtigkeit zu ertragen. Schachtel 1 Mk. in der Apotheke zu Eibenstock. — Die Postschule zu Lommatzsch, welche untar Auf sicht der städtischen Behörde zu Lommatzsch und der Oberauf sicht des König!. Sächs. Ministeriums des Innern steht, erfreut sich beim Publikum eines stets wachsende» Vertrauens. Sie zählt jetzt 179 Zöglinge, welche von 6 ständigen Lehrern und L Hülsslehrern unterrichtet werden. Da sie ein Internat ist, so ist die erziehliche Einwirkung der Lehrer aus jeden ein zelnen Zögling in erhöhtem Maße möglich; namentlich aber bleiben die jungen Leute in einem kleinen Orte vor den Ge fahren einer Großstadt bewahrt. Die Anstalt nimmt die Zöglinge bereits vom 14. Jahre an auf; alle ihre Einricht ungen zielen daraus ab, dieselben besonders für die Gehlllfcn- prüfung, ihren Beruf im allgemeinen und das Leben mit gründlichen und gediegenen Kenntnissen auSzurüsten. Ein neuer Kursus beginnt am 7. April 1891. Die mittlere Postcarriere empfiehlt sich besonders für junge Leute aus dem Mittelstände, das sie sehr bald zu einem gesicherten Einkom men führt. Druck und Verlag von E. H annebohn in Eibenstock.