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habhaft zu werden und sie ihrer gerechten Strafe zuzuführen. — Die umfangreichen Arbeiterentlassungen im Chemnitzer Bezirk erstrecken sich, wie die „Dr. Nachr." schreiben, nicht nur auf die Textilindustrie, sondern auch auf alle Großgewerbe, die mehr oder minder mit ihr im Zusammenhänge stehen. Die textil industriellen Betriebe babcn vielfach auch nach den Entlassungen für die verbliebenen Arbeiter keineswegs volle Beschäftigung, sondern eS wird bei herabgesetzten Löhnen bäufig mit einer täglich mehrere Stunden be tragenden Beschränkung der Betriebszeit gearbeitet. Aehnlich liegen die Verhältnisse in vielen, auch grö ßeren, Maschinenfabriken. In den Appreturanstaltcn, die bis vor kurzer Zeit mit Hochdruck Tag und Nacht beschäftigt Ware», herrscht jetzt große Stille. Auch diese Betriebe haben wie die Färbereien zahlreiche Arbeiter entlassen und weitere Entlassungen stehen überall, wie wir bereit« meldeten, im Chemnitzer Bezirk noch bevor. Auch seitens der Verwaltung der Staats bahnen sollen Arbeiter gekündigt sein. Große Noth leiden namentlich die ländlichen Hausindustriellcn. — Annaberg, 29. October. In Buchholz fand gestern Abend eine Versammlung des National liberalen Vereins des 2l. sächsischen ReichStagSwahl- kreiseS statt, an welcher auch unser ReichStagSabge- ordneter Herr Eugen Holtzmann Theil nahm. In dem zwanglosen Meinungsaustausche über innere politische TageSfragen war es an erster Stelle die Fleischtheuerung und Fleischnoth, welche erschöpfend in die Diskussion gezogen wurde. Alle Redner wa ren der übereinstimmenden Ansicht, daß den hohen Fleischpreisen nur durch die Aufhebung der Grenz sperre begegnet werden könnte und daß cS daher ge boten erscheine, mit allen Kräften die Frcigebung der Einfuhr fremden, vor Allem österreichischen Viehes zu erstreben. Indem dankend anerkannt wurde, daß die sächsische Regierung bereits in dieser Beziehung die Initiative dem Bundesrathe gegenüber ergriffen habe, wurde einstimmig beschlossen, dem Bundesrathe eine Petition auf baldmögliche Aufhebung des Ein fuhrverbotes ausländischen Viehes zu unterbreiten u. der sächsischen Regierung von diesem Vorgehen des Vereins Kenntniß zu geben. Mit der Abfassung des der Petition, die unverzüglich abgehen soll, wurde der Vorstand des Vereins betraut. — Crimmitschau, 31. Oktober. Am gestrigen Vormittag wurde durch einen Burschen auf einem zum Rittergute des nahen Dorfes Frankcnhausen gehörigen Felde ein mit Siroh beladener Wagen angezündet, wodurch das Stroh sowohl, »ls auch der Wagen vollständig verbrannte. Diese strafbare Handlung war jedoch von in der Nähe arbeitenden Feldbesitzcrn beobachtet worden und verfolgten die selben den die Flucht ergreifenden Brandstifter. Es gelang auch, diesen in der Nähe des Restaurants „zur Säge" in Leitelshain einzuholen. An die Brandstätte zurückgebracht, gestand er seine That ein, führte aber zu seiner Entschuldigung an, er habe seine Pfeife anzünden wollen und hierbei habe das Stroh Feuer gefangen. — Schandau. Bei der Ziehung der hiesigen AusstcllungSlotterie fiel der Hauptgewinn, ein silbernes Kaffee- und Theeservice auf Nr. 29,738 in die Kollektion von Lenk in Schönheide im Erzgeb. — Der Güterverkehr zeigt auf sämmtlichen Eisenbahnen einen nicht unwesentlichen Rückgang ge gen die gleiche vorjährige Zeit. Während im Monat September vorigen Jahres auf den 2b Ucbergangs- stationen der sächsischen StaatSbahncn 65,736 Wagen in beladenem Zustande nach Sachsen übergingen, sind im September 1890 nur 64,045, also 1691 Wagen weniger nach den sächsischen Bahnlinien übergegangen. — Die Rekruten werden nun bald zu ihren Regimentern eingezogen. Wir möchten deshalb nicht unterlassen, auf die Postvorschriften bezüglich der au Soldaten gerichteten Sendungen hiermit hinzu weisen. Postkarten und gewöhnliche Briefe bis zu einem Gewicht bis zu 60 Gramm kosten überhaupt kein Porto. Für die an Soldaten gerichteten Postan weisungen bis zu 15 Mark einschl. beträgt das Porto 10 Pf. ohne Unterschied der Entfernung. Soldaten- packete bis zum Gewicht von 3 Kg. einschl. kosten überallhin nur 20 Pf. Porto. Diese Vergünstig ungen kommen jedoch nur dann zur Geltung, wenn die Postkarten, Briefe, Postanweisungen und Packet- adressen mit dem Vermerk: .Soldatenbrief. Eigene Angelegenheit des Empfängers" versehen sind. Sen dungen, die diesen Vermerk nicht tragen, werden mit dem tarifmäßigen Porto belegt. — In der vor Kurzem abgehaltenen General versammlung des landw. Vereins für Eichicht und Umgegend sprach der Vorsitzende über die Maul- und Klauenseuche, wobei er deren Verbreitung, Beginn, Verlauf und Heilung betrachtete. Festgestellt sei, daß die Seuche nur durch Ansteckung übertragen werde. Die Verschleppung erfolge durch Kleider der Menschen, durch Thiere und Transportmittel. Nur in der möglichst schnellen Durchführung der zur Seuchentilgung geeigneten Maßnahmen beruhe die Bürgschaft einer erfolgreichen Bekämpfung. Pflicht und Aufgabe eines jeden Landwirthcs sei, mitzuhelfen, daß die Anstrengungen der Sanitätsbehörden nicht durch Eigennutz oder Unwissenheit der Besitzer kranker Thiere vereitelt werden. Jede Verheimlichung der Seuche sei eine Gewissenlosigkeit gegenüber den Stan- deSgenossen und lege den Schuldigen große Verant wortlichkeit auf. Das Verbot der Abhaltung der Viehmärkte sei in erster Linie geeignet, die Seuche ganz zu unterdrücken. Zur Verhütung der Krankheit streue man wöchentlich mehrere male Moos oder GypS in die Ställe. Sitzung des Lrnrksausschussks der Lömglichkii Ämtsliaupt- mannschast SchwarMdrrg, am '25. Ortober I8SV. 1) Nach abgesetztem öffentlich-mündlichen Verfahren wird das Gesuch Carl Friedrich Lildebrand's u. Genoffen in Lauter um nachträgliche Genehmigung einer im Dorfbach in Lauter errichteten Stauanlage unter Abweisung bez. Verweisung der dagegen erhobenen Widersprüche aus den Rechtsweg beding ungsweise genehmigt, 2) der Bezirksausschuß genehmigt das Gesuch Hermann Friedrich Günther's in Aue um Erricht ung einer Schlächterei bedingungsweise, 3) erkennt den von Pöhla nach Grünstädtel über die Par zellen No. 338 und 339 des Flurbuches für Grünstädtel führenden Weg als einen öffentlichen an, 4) genehmigt das Statut, die Pensionsberechtigung der Ge meindebeamten in Schönheide betr., vorbehältlich der da gegen gezogenen Erinnerung, während da« in derselben Sache von der Gemeinde Dittersdorf aufgestellte Statut mit den dagegen gezogenen Erinnerungen zur Umarbeitung zurückzugeben beschlossen wird, 5) läßt es hinsichtlich der Pensionsberechtigung der Gemeinde beamten in Niederlößnitz, Muldenhammer, Steinheidel, Tellerhäuser, Neidhardtsthal, Schindlers-Werk, Langenberg, Obersachsenfeld, Jugel, Erla und Schönheiderhammer bei den erstatteten Anzeigen bewenden, 6) fordert wegen der Pensionsberechtigung der Gemeindediener in der Gemeinde Beierfeld und dem selbstständigen Guts bezirke Niederpfannenstiel die Ausstellung je eines Statuts, 7) lehnt die Gesuche a. Carl Heinrich Voigt's in Niederaffalter um Er- laubniß zum Gastwirthschaftsbetriebc und b. Albin Beck's in Bermsgrün um Ertheilung der Erlaubniß zum Ausschank von Bier und Brannt wein an die beim Bau der Grabenanlage der Firma Nestler und Breitfeld in Erla beschäftigten Arbeiter während der Mittags-, Frühstücks- u. Vesperpausen im Mangel örtlichen Bedürfnisses ab, während Wegendes Gesuchs Gustav Albin Bretschneider's in Oberschlema um Erlaubniß zum Bierschank die Ent wickelung derSpeisewirthschaft abgewartet werden soll, 8) ertheilt zu der von Karl Moritz Süß in Pöhla nachge suchten Grundstücksabtrennung Genehmigung und 9) erledigt mehrere das Bezirksvermögen und die Bezirks armenanstalt Grünhain betreffende Angelegenheiten. Ms vergangener Zeit — für «nsere Zeit. ' Am 4. November 1847 starb, erst 38 Jabre alt, einer der genialsten Tondichter Deutschlands, Felix Mendelssohn- Bartholdy. Der geniale Schöpfer der Musik zum Sommer nachtstraum, der Oratorien „Elias", „Paulus" und vieler anderer bedeutenden Musikwerke, ist längst als einer der besten im Reiche der Töne anerkannt worden und seine unvergäng lichen Musikwerke gehören zum eisernen Bestand deutscher Musik. Mendelssohn'sche Musik hat außerordentlich viele Verehrer und diese erstehen sowohl aus den breiten Massen der musiklieben den Kreise, als auch aus den Reihen derer, die als Berufs- Musiker oder sonst mit schwerer und ernsterer Musik sympathi- sirend an diese erhöhten Maßstab zu legen gewöhnt sind. S. November. Am 5. November jedes Jahres entwickelt sich in England ein in höhnenden Auszügen und Mummereien bestehender toller Mummenscherz, der zum Theil an den Karneval gemahnt. Diese Mummerei hat aber einen sehr ernsten Hintergrund, sie ist nämlich die Erinnerung an ein sehr wichtiges und folgen schweres Ereigniß in Englands Geschichte, nämlich an die Ent deckung der Pulververschwörung am 5. November 160». König Jakob I. von England hatte den englischen Katholiken, um sie für seine Thronbesteigung günstig zu stimmen, Duldung verheißen. Diese bestand, nachdem er sich fest im Sattel wußte, darin, daß die Katholiken mehr denn je geschröpft und drangsalirt wurden. Druck erzeugt Gegendruck und so kani es denn zu einer Verschwörung, infolge welcher am 5. November 180» bei Gelegenheit der Eröffnung des Reichsrathes der Könitz und alle Mitglieder des Ober- und Unterhauses durch eine im Keller des Parlamentshauses angelegte Mine, in die Luft gesprengt werden sollten. Der Anschlag wurde durch eine Warnung, die einem katholischen Lord zuging, kurz vor seiner Ausführung vereitelt. Die Theilnehmer der Verschwör ung wurden hingerichtet und alle Katholiken hatten lange Zeit an den Folgen dieses Ereignisses schwer zu leiden. Noch heute aber feiert das englische Volk jenen Tag durch absonder liche Aufzüge; gar mancher der Theilnehmer mag kaum etwas von des Tages Bedeutung wissen. Ein weiblicher Geheimpolizist. Original-Erzählung von Walter Onslow. Der Chef der New-Dorker Geheimpolizei, Direktor Äsung, saß noch zu vorgerückter Abendstunde in sei nem Arbeitszimmer und dachte über einen verwickelten Fall nach, der ihm eben übergeben worden war, al« ihn ein leises Klopfen an der Thür aus seinem Brüten -aufschreckte. Der Eingang zu dem Privat- büreau des Chefs war gewöhnlichen Besuchern unzu gänglich, das Klopfen wurde jedoch von einem kleinen Erkennungszeichen begleitet, wa» ihn veranlaßte, „Herein" zu rufen. Die Thüre öffnete sich und eine dicht verschleierte Dame trat ein. „Der Himmel sei gepriesen! Niemand könnte mir gelegener kommen, wie Sie, Fräulein Martz!" „Ich stehe Ihnen zu Diensten, Herr Direktor," gab das Mädchen mit weicher wohllautender Stimme zur Antwort, indem sie den Schleier zurückschlug; ein liebliches Gesicht, von seltener Intelligenz durch leuchtet, kam zum Vorschein. Sie mochte kaum älter als dreiundzwanzig Jahre sein und nichts in den jugendlichen, milden Zügen verrieth, daß sie an Muth, an List, Geduld, Ausdauer und Scharfsinn den tüchtigsten männlichen Mitgliedern der Geheimpolizei gleichstand, ja sie zuweilen noch übertraf. „Haben Sie augenblicklich irgend einen Fall zu erledigen, Fräulein Martz?" „Nein. Ich melde mich eben, um zu erfahren, ob Sie etwa« für mich zu thun haben." „Ja. Im selben Moment, als Sie eintraten, dachte ich an Sie, in Verbindung mit einer 'schwie rigen Sache." „Ein Mord?" „Nein." „Ah, ich bin froh ... ich habe vorgestern eine Mordaffäre zu Ende geführt und bin neck von den durchlebten Schrecknissen bis in die tiefste Seele er schüttert." „Ja, Fräulein Martz, ich weiß eS; Sie haben es mir nur zu oft schon eingestanden, daß Ihr Beruf Ihnen zuwider ist und daß Sie gern einmal eine lohnende Sache übernehmen möchten, um ihn aufgeben zu können." „Sie haben recht. Und ist es denn auch nicht traurig, daß ein Mädchen aus guter Familie und — von meiner Sinnesart, in diesen Beruf hinein getrieben wurde, aus Nothwendigkeit um des lieben, täglichen Brodes willen? Aber lassen wir das — zum Geschäftlichen also —" „Wenn Sie Erfolg haben in der vorliegenden Angelegenheit, so ist Ihr Glück gemacht und Sie können sich für immer dem von Ihnen so gehaßten und doch mit so großem Erfolg betriebenen Berufe entziehen." „Ich hoffe Erfolg zu haben!" flüsterte das Mäd chen, während ein Seufzer sich ihren fein geschnitte nen Lippen entrang und ein finsterer Zug das schöne Antlitz verdüsterte. „Eine der größten New-Dorker Bankfirmen ist das Opfer einer kolossalen Unterschlagung geworden. Der gestohlene Betrag beläuft sich auf eine halbe Million Dollar." „Eine halbe Million Dollar?" „Eine halbe Million Dollar in Werthpapieren. Das Eigenthümliche bei der Sache ist, daß die Firma ihren Verlust entdeckte, ohne daß der Schuldige eine Ahnung davon zu haben scheint." „Wozu braucht'- denn da eines Detektivs? Warum läßt man den Dieb nicht verhaften, wenn man ihn kennt?" „Weil man die Obligationen intakt zurückerhalten möchte; sie befanden sich als Depot eines Fremden in der Bank, seit wenig Monaten erst und sollten noch kurze Zeit da bleiben. Das von der Bank ver siegelte Packet wurde von dem älteren Chef der Firma aus der Kasse genommen — er wollte etwas nach sehen — da fanden sich in demselben werthlose Papiere vor; Siegel rc. waren täuschend dem echten Packet nachgemacht. Der Besitzer des Depots ist noch nicht unterrichtet, man hofft eben die Obligationen zurück zuerhalten. Bei einer Verhaftung des Diebes ist eS leicht möglich, daß die Werthobjekte vernichtet werden. Man muß ihnen so auf die Spur kommen; vielleicht wenn der Dieb eS erst einmal wagt, sie zu versilbern." „Warum, oder vielmehr, wieso sollte der Dieb im Stande sein, die Papiere zu vernichten bei einer etwaigen Verhaftung?" „Man nimmt an, daß eine Frau dabei im Spiele ist — und diese muß vor allem gefunden werden. Der Dieb war bisher ein durchaus unbescholtener und mehr als bescheidener junger Mann. Woher sollten ihm plötzlich solche Gelüste kommen, wenn nicht von einem Weibe. ES wird die alte Geschichte sein." Martz Golling versank für ein paar Augenblicke in tiefes Nachdenken, dann sagte sie in leisem, trau rigen Tone: „DaS wird schwer werden." „Sie erhalten zehn Prozent von jedem Dollar, den Sie wiedererlangen. Nur Muth, Martz! Ihnen wird der Erfolg nicht ausbleiben. Nun, wollen Sie?" „Ich stehe zu Diensten und harre Ihrer Befehle." „Schön denn. Ich weiß, wa» Sie übernehmen, wird zu Ende geführt. Ihre erste Sorge muß sein, daß Sie mit Henrtz Wildert bekannt werden." „Ist dieser Henrtz Wilbert der Dieb?" »Ja." „Kennen Sie ihn?" „Nein. Aber ich hübe seine Photographie." Und der Direktor reichte diese seinem weiblichen Beamten hin. Mary betrachtete da» Bild und ein wehmüthiger Ausdruck zeigte sich in ihren großen Augen, als sie murmelte: „Was für ein schöner Mann! Welch' offene» ehrliche» Gesicht! Ich sage Ihnen, Herr Direktor, hier muß ein Jrrthum obwalten, ich habe einen schar fen Blick und viel Menschenkenntniß; das Original diese- Bilde» wird man keine- Verbrechen» zeihen können!" „Sie werden anderer Ansicht werden, wenn Sie sich erst einige Zeit mit der Angelegenheit beschäftigt haben." „Also die Inhaber der Firma glauben in diesem jungen Manne den Schuldigen entdeckt zu haben?"