Volltext Seite (XML)
„Man sagte mir," fuhr Gräfin Eleonora fort, „daß man im Besitze der Ermordeten, in den Schrän ken und Kasten viele werthvolle Schmucksachen gefun den, die jedenfalls von einem Diebstähle herrühren mußten — fehlt Ihnen etwas von Ihrem Schmuck?" „O ja," erwiderte Stella glcichgiltig, „ich habe in letzter Zeit bemerkt, daß die Wagner mich bestohlen hat, ich würde sie deshalb demnächst aus meinem Dienste entlassen haben, sie scheint mir überhaupt ein sehr unregelmäßiges Leben geführt zu haben, ging viel auS, zunial in der Nacht, sie war auch in der ver gangenen Nacht fort — wenigstens wahrscheinlich" — verbesserte sich Stella — „ich schließe das daraus, daß die Wagner, obwohl ich ihr mehrmals telegra- phirt, da ich einen frischen Trunk wünschte, nicht erschien." Gräfin Ringershcini erhob sich: „Ich muß zu Franziska — sie weiß noch nichts von diesem schreck lichen Ereigniß — aber bei Ihrer Bemerkung vorhin ist mir eingefallen, daß Doktor Wilmert mich gebeten hat, ihm bei Ihnen eine kurze Unterredung auszu wirken." — „Der" — unterbrach Stella zusainmenzuckend — „nein — ihn will ich nicht sehen — nicht sprechen." Gräfin ElconoraS Blicke ruhten jetzt forschend auf der Kranken, dann senkten sie sich langsam, die Dame fuhr mit dem feinen Battisttuch, das ihre Hand hielt, über die Stirn, sie trocknete sich den Schweiß damit ab. Mit unsicherer Stimme fuhr sie fort: „Sie werden dies thun müssen, denn Wilmert ist von Gerichtswegen beauftragt, einige Fragen an Sie zu richten, deren Beantwortung für de» Gang der Untersuchung von großer Wichtigkeit sind." „Ich dachte, inan wollte mich heut damit ver schonen," murmelte Stella. „Mau verschont Sic — unter dieser Bedingung," war eine in bestimmtem Töne gegebene Antwort der Gräfin RingcrSheim, dabei that sie einen Schritt zur Thür. Doch sich noch einmal zurückwendend, fügte sie hinzu: „Wilmert ist ein ergebener Freund — fast kann ich sagen, ein Kind des Hanfes — vertrauen Sie ihm!" „Er mag kommen." Mit stummem Gruß verließ Gräfin Eleonora ihre Schwägerin. Sie hatte keine Lüge gesprochen, als sie Stella gesagt, daß sic in Doktor Wilmerts Auftrag komme. Eine Viertelstunde früher hatte Viktor in einer Aufregung wie die mütterliche Freundin sie nie an ihm gesehen, der Gräfin mitgetheilt, daß er die Ba ronin Wildschütz sprechen müsse. Sie hatte ihm ge sagt, daß dies unmöglich sei, daß der Arzt jede neue Erregung verboten habe, sonst könne Gefahr für das Leben oder mindestens für den Verstand der Kranken eintreten. „WaS liegt an dem Leben dieser Frau, wenn die Ehre des Namens, den sie trägt, auf dem Spiele steht," brauste Wilmert auf. „Viktor — sind Sie von Sinnen?" rief Gräfin Ringersheim, sie schwankte, sah den jungen Mann an, blickte zu ihrem Neffen hinüber, der in dumpfer Ver zweiflung in der Fensterbrüstnng lehnte. Doch keiner von Beiden sprach ein Wort, um sie, die Geängstete zu beruhigen und sie hatte von neuem gefragt, um was es sich handelte, und dringend ge beten, ihr alle« zu sagen, sie nicht zu schonen. „Später — wenn ich von — ihr — komme," war Viktors Antwort gewesen und sein Ton hatte etwas Zwingendes gehabt, als er hinzugcfügt: „Verlieren wir um des Himmelswitten keine Zeit — es könnte sonst zu spät werden, um das Aeußerstc abzuwenden. Bringen Sie das Opfer, Frau Gräfin, begeben Sie sich hinab zu der Baronin Wildschütz — Sie allein können mir sagen, nachdem Sie mit ihr gesprochen, ob ihr körperliches Befinden eine Unterredung gestattet — ich bitte aber, die Sache so leicht wie möglich darzustellen, als handele es sich nur um einige Fragen der landesgcrichtlichcn Kom mission." 'Nach einem letzten Blick auf ihren Neffen war Gräfin Ruwersheim hinabgegangcn, hatte sie sich be müht, die Unruhe zu verbergen, welche sich ihrer nach Viktors räthselhaften Andeutungen bemächtigt. Das Verhältniß, in welchem ihre Schwägerin zu jenem unheimlichen Weibe gestanden, das man in dieser Nacht ermordet, war ihr stets befremdlich, in letzter Zeit sogar peinlich gewesen — jetzt bedrückte sie der Gedanke daran, wie eine Ahnung kommenden Unheils. Herberts Verzweiflung, Viktors tiefe Erregung, sein bestimmtes Auftreten, selbst ihr gegenüber — das alles mußte einen Grund haben. Kaum hatte Gräfin Eleonora dem jungen Rechtsgelehrten die Mittheilung gemacht, daß Stella ihn erwarte, so eilte er auch zur Thür, um sich hinabzubegeben. In diesem Augenblick erhob sich Herbert und rief: „Gestatten Sie mir, daß ich Sie begleite, Viktor!" Wilmert runzelte die Stirn. „Dann dürfte mein Vorhaben scheitern — Sie wird eher sterben, als in Ihrer Gegenwart ein Geständniß ablegen. Ich muß allein mit dieser Frau sprechen." „So lassen Sie mich in der Nähe bleiben — Sie sind schonungslos, Wilmert, Sic tödten die Un glückliche." „Kommen Sie mit," sagte Viktor achselzuckend, und sich tief vor der Gräfin verneigend, schritt er an ihr vorbei zur Thür hinaus. Sie erhob den Arm — wollte eine Frage thun, nur eine einzige, die sie aus der qualvollen Angst erlösen mußte — aber ihre Hand sank schlaff herab — der ruhige, entschlossene junge Mann dort hatte ja vorhin gesagt, daß die Ehre des Namens gefährdet sei, den Stella trug — da mußte vor allem gehandelt werden, sie konnte warten. XV. Irr gläserne Mntoffek. Als Wilmert das Vorzimmer von Stellas Wohnung betrat, hieß er der Dienerin, welche dort weilte, sich entfernen; erst als dies geschehen, winkte er Herbert herbei und verschloß sodann die äußere Thür. Stella hatte den Besucher, den sie nothgedrungen empfangen mußte, in den Salon weisen lassen und wartete gespannt auf das Erscheinen der Dienerin, welche ihr die Meldung von des Doktors Ankunft thun sollte; erschreckt fuhr sie zusammen, als sie auf blickend Viktors schlanke, dunkle Gestalt zwischen den Falten der herabgelassenen Portieren erblickte. Er entschuldigte seinen nnzercmoniösen Eintritt damit, daß Niemand dagewesen sei, der ihn hätte an melden können. Das Mädchen hätte sich also wahr scheinlich entfernt, um etwas Neues über den Mord zu hören. Stella wollte sich erheben, um in den Salon zu gehen, aber der Gast hatte sich schon einen Stuhl genommen und in ihrer Nähe niedergelassen. Nach einigen einleitenden Worten begann Viktor: „Ich habe den Auftrag meines Kollegen sehr gern übernommen, da ich in der Lage bin, Ihnen Frau Baronin, einige gewiß schon schmerzlich vermißte Kleinigkeiten zu übergeben, welche man Ihnen ent wendet hatte." „Hier z. B. dieser Ring, er trägt das mir wohl bekannte Wappen der Freiherren von Siegen-Wild schütz, er gehört ohne Zweifel Ihnen." „Ja," sagte Stella mechanisch, „ich habe ihn be reits vermißt." Viktor legte den Ring auf ein Marmortischchen, welches rechts von ihm stand, dann fuhr er leicht hin fort: „Weniger sicher konnte ich feststellen, ob dieses hier auch Ihr Eigenthum ist, Frau Baronin?" Stella blickte auf, aus ihren müden Augen zuckte ein Blitz der Freude, sie streckte die Hand aus nach dem kleinen glänzenden Gegenstände, den Viktor ab sichtlich" so hielt, daß die Sonnenstrahlen sich darin spiegelten. „Es ist ein kleiner gläserner Pantoffel, eine Er innerung an das hübsche Märchen vom Aschenbrödel, das ihn verlor und dann durch selbiges Pantöffelchen entdeckt ward — gehört es Ihnen, gnädigste Fran?" „Ja, es ist mir geraubt worden, mein theures Kleinod," rief Stella lebhaft, „das Vermächtniß meiner Mutter — o geben Sie es mir, es ist ein (Micks- pfand — jetzt wird noch alles gut werden," — hauchte sie leise. „Sie irren, Fran Baronin, dieses wundcrthätige Kleinod ward Ihnen nicht geraubt," sagte Viktor nut seltsamem Lächeln, „Sie haben es verloren." „Ich — verloren — in Lottis Zimmer? — ich betrat dasselbe niemals." (Fortsetzung folgt.) Ueber die Jnvaliditäts und Altersver sicherung herrscht immer noch große Unklarheit. Wir fassen deshalb die wesentlichen Bestimmungen des Ge setzes hier kurz zusammen. Auf Grund der Jnvali- ditätSversichcrung bekommt in Zukunft jeder Arbeiter und jede Arbeiterin, sowie jeder männliche und weib liche Dienstbote, welcher erwerbsunfähig wird, d. h. nicht mehr im Stande ist, ungefähr den dritten Thcil seines bisherigen Lohnes zu verdienen — ohne von einem Betriebsunfall betroffen zu sein, für den er sowieso schon eine Entschädigung oder dauernde Rente aus der Unfallversicherung erhält — eine Invaliden rente, deren Höhe sich nach der Höhe des Lohnes, den der Arbeiter bisher verdient hat, richtet: I. War der Jahresvcrdienst bis zu 350 M., so erhält er 114 M. 70 Pf. jährlich. II. War der Jahresvcrdienst 350—550 M, so erhält er 124 M. 10 Pf. jährlich. III. War der Jahresverdienst 550—850 M., so erhält er 131 M. 15 Pf. jährlich. IV. War der Jahresverdienst über 850 M., so erhält er 140 M. 55 Pf. jährlich. Er kann aber auch mehr erhalten, wenn er längere Zeit seine Beiträge entrichtet hat. Hat er z. B. 50 Jahre Beiträge gezahlt, so erhält er in Lohnkl. I. statt 114 M. 70 Pf. 157 M. - - II. . 124 M. 10 Pf. 251 M. - - III. - 131 - 15 . 321 - 15 Pf. - - IV. . 140 - 55 - 415 - 50 - Die Invalidenrente wird nach dem 1. Januar 1891 gezahlt, wenn der Erwerbsunfähige wenigstens 47 Wochen Beiträge gezahlt hat und nachweist, daß er fünf Kalenderjahre bereits in regelmäßiger Arbeit gestanden hat. Für diesen Nachweis genügt es, wenn der Invalide im Ganzen 235 Wochen gearbeitet hat. Wenn er in dieser Zeit zu militärischen Hebungen eingezogen wurde oder durch unverschuldete Krankheit arbeitsunfähig gewesen ist, oder eine Zeit lang, (aber nicht über 4 Monate) ohne Arbeit war, weil sein Arbeitgeber für ihn vorübergehend keine Beschäftigung hatte, so wird ihm dies gleichwohl als Arbeitszeit angerechnet. Vor Herbst 1891 kann kein Arbeiter Anspruch auf Invalidenrente erheben. Auf Grund der Altersversicherung erhält jeder Arbeiter und jede Arbeiterin u. s. w., gleichviel ob er noch arbeitsfähig ist oder nicht, vom I. Januar 1891 ab, wenn er das 70. Jahr vollendet hat, vom Staate eine Altersrente, deren Höhe sich ebenfalls nach der Höhe des Lohnes, den der Arbeiter bisher verdient hat, richtet. I. War der Jahresvcrdienst bi« zu 350 M., so erhält er 106 M. 40 Pf. jährlich. II. War der Jahresverdienst 350 bis .550 M., so erhält er 134 M. 60 Pf. jährlich. III. War der Jahresverdienst 550 bis 850 M., so erhält er 162 M. 80 Pf. jährlich. IV. War der Jahrcsverdienst über 850 M., so er hält er 191 M. jährlich. Die Altersrente erhält jeder Arbeiter u. s. w., der mit dem 1. Januar 1890 das 70. Lebensjahr bereits vollendet hat, oder bald darauf vollendet, wenn er Nachweisen kann, daß er drei Jahre vorher, also vom 1. Januar 1888 ab, mindestens 141 Wochen hindurch in Arbeit gestanden hat. War er in dieser Zeit ohne eigenes Verschulden längere Zeit krank oder hatte sein Arbeitgeber vorübergehend, d. h. nicht über 4 Monate, keine Arbeit für ihn, so wird dies gerechnet, als ob er gearbeitet hätte. Der am 1. Januar 1890 bereits 70 Jahre alte Arbeiter hat für die Altersrente nichts zu bezahlen. Stirbt ein Ar beiter, der Beiträge gezahlt hat, vor Vollendung des 70. Lebensjahres, so bekommen seine Frau und seine Kinder die Hälfte der gezahlten Beiträge zurück; der Verstorbene muß aber bereits mindestens während fünf Beitragsjahren gezahlt haben. Heirathet eine Arbeiterin, so kann dieselbe verlangen, daß ihr die Hälfte der gezahlten Beiträge zurückgegeben wird. Die Hauptsache für jeden Arbeiter ist nun, daß er sich sofort die geforderten Nachweise verschafft, in dem er sich von allen Arbeitgebern, bei denen er seit dem 26. November 1886 gearbeitet hat, bescheinigen läßt, wie lange er bei ihnen gearbeitet und was er wöchentlich bei ihnen verdient hat. Erhält der Ar beiter diese Bescheinigung ausgefüllt zurück, so sehe er genau nach, ob.nicht trotzdem etwas ausgelassen ist. Ist dies der Fall, so bitte er den Arbeitgeber, daß er ihm das Betreffende noch nachträglich ausfülle. Na mentlich achte man darauf, daß die Bescheinigung von der Polizeiverwaltung des Ortes, wo der Arbeitgeber wohnt, beglaubigt worden ist. Ist der Arbeitgeber gestorben oder verzogen, ohne daß der Arbeiter weiß, wo er jetzt wohnt, oder kann der Arbeiter aus irgend einem anderen Grunde den Arbeitsnachweis von dem Arbeitgeber nicht erhalten,' so wende er sich an die Polizeivcrwaltung des Ortes, in dem er gearbeitet hat. Ist der Arbeiter seit dem Oktober 1886 sieben Tage und darüber krank und daher außer Arbeit ge wesen, so wende er sich an die Krankenkasse, von der er Unterstützung bezogen hat, init der Bitte um Be scheinigung. Für die Zeit, welche der Arbeiter über die Dauer der während seiner Krankheit gewährten Un terstützung hinaus erwerbsunfähig gewesen ist, muß er sich eine Bescheinigung der OrtSbehörde verschaffen. Hat der Arbeiter sich in der Weise, wie es vor stehend angegeben ist, die erforderlichen Bescheinigun gen für die verflossenen letzten 5 Jahre verschafft, so kann er ohne Bcsorgniß der Zukunft entgegen sehen. Seine Rechte sind dann gesichert. Nur sorge er da für, daß er bis zum Inkrafttreten des Gesetzes nicht längere Zeit außer Arbeit ist, und wenn er von jetzt an seine Arbeit bei einem Arbeitgeber anfgiebt, so lasse er sich sogleich bei seinem Fortgänge eine Be scheinigung ausstellen, wie viele Wochen er bei ihm ge arbeitet und was er wöchentlich verdient hat. Ebenso lasse er sich für die Zeit, wo er durch Krankheit vom Arbeiten abgehalten war, sofort, wenn er wieder ge sund geworden ist, eine Bescheinigung ausstellen. Alle Bescheinigungen hebe er sorgfältig auf. Ist der Arbeiter trotzdem noch in irgend einem Punkte im Zweifel, so wende er sich persönlich an seinen Arbeitgeber oder an die Polizeiverwaltung sei nes OrteS, oder an die Amtshauptmannschaft seines Bezirk«, damit er in jeder Weise Vorsorge für seine Zukunft treffe. Druck und »erlag von L -»»»«tos« in Eibenstock.