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— Dresden, 17. Septbr. Se. Majestät der König, der vorgestern Nachmittag von Chemnitz in der Villa Strehlen wieder eingetroffen ist — Vor mittags war die Rückkehr Ihrer Majestät der Königin daselbst erfolgt —, begab sich heute Vormittag 10 Uhr 20 Minuten vom schlesischen Babnhofe aus über Görlitz nach Striegau, um auf Einladung Kaiser Wilhelms den Manövern des 5. und 6. Armeekorps beizuwohnen. Se. Majestät nimmt bekanntlich auf Schloß Börnchen b. Hohenfriedberg, das bereits Fest schmuck angelegt hat, Wohnung. Die Rückkehr nach Strehlen erfolgt spätestens am 21. d. M. — Chemnitz. Eine Bierpantscherei, welche s. Z. bei uns gerechtes Aufsehen erregte, da sie in einem altrenommirten Restaurant Hierselbst vorkam, gelangte vor einigen Tagen vor der ersten Straf kammer des hiesigen Landgerichts zur Verhandlung. Angeklagt waren der frühere, noch unbestrafte Schank- wirth Karl Friedrich Ernst HanS u. dessen früherer BierauSgeber Friedrich Paul Müller aus Chemnitz. Im Monat Februar d. I. wurde entdeckt, daß HanS an seiner Bierleitung im Keller ein Verbindungsrohr hatte anbringen lassen, so daß aus zwei verschiedenen Fässern durch einen Leitungshahn Bier geleitet wer den konnte. Diese Einrichtung hatte Hans unter Milwissen des Müller getroffen, um das Pilsener Bier zu fälschen. Er steckte zu diesem Zwecke ein Faß echt Pilsener und ein Faß sogenanntes Neu pilsener gleichzeitig an, ließ sie zusammenlaufen und so bekamen die böhmisches Bier trinkenden Gäste ein gefälschtes Gemisch, das sie fortgesetzt mit 2b Pfg. pro ^/,» Literglas bezahlen mußten. Diese ziemlich schamlose Fälschung konnte selbstverständlich nicht sehr lange unentdcckt bleiben und die Folgen sind für Hans sehr schwere gewesen, denn als die Fälsch ung bekannt wurde, verkehrte Niemand mehr bei ihm und nicht lange darauf wurde er insolvent. Neulich aber erhielt er außerdem 3 Wochen und sein Helfers helfer Müller 1 Woche Gefängniß zuerkannt. — Die letzte Hinrichtung durch den Schei terhaufen haben die Leipziger am 12. Mai 1712 gesehen, wo ein Mann aus Sestewitz bei Wachau lebendig verbrannt wurde. Da ein solches Schau spiel seit Menschengedenken nicht stattgefunden hatte, gerieth Alles in Aufregung. Der Zulauf zur Ge- richtSstätte war so enorm, daß in der Stadt weder Miethwagen, noch Pferde mehr zu erlangen und die Landstraßen mit Fußgängern bedeckt waren. Der Delinquent hieß Martin Schindler und war Haus genosse zu Sestewitz, wo er bei seinem Schwieger vater, Hans May, wohnte. Weil ihn de'' Besitzer von Sestewitz, Herr Sulzberger, nicht als Drescher annehmen wollte, steckte er aus Rache mit seiner brennenden Tabakspfeife diesem das Gut an. Die Hinrichtung wurde auf dem Croftewitzer Hofefelde, wo es an Markkleeberger Flur grenzt, vollzogen. Der Stumpf des Brandpfahls, an welchem der Verurtheilte den Feuertod erlitt, war noch nach lan gen Jahren vorhanden. — Schwarzenberg, 15. September. Dem hiesigen Männergesangvercin war es vergönnt, das fünfzigjährige Jubiläum seines Bestehens festlich zu begehen. DaS Ehrenmitglied Bankier Halbenz ließ durch seine Frau die Vereinsfahne mit einem goldenen Kranze schmücken. Nachdem seitens des Vereins festlicher Kirchgang erfolgt war, sang derselbe während des Hauptgottesdienstes die feierliche Hymne für Männerchor mit Orchester, sowie eine Motette von Hauptmann. Am Nachmittag fand der Empfang der auswärtigen Vereine u. Deputationen statt, welche sich sammt Jubelverein und hiesigen Vereinen zu einem Festzuge vereinigten, der sich zum Bade Ottenstein bewegte. Der FestaktuS daselbst wurde verschönt durch Orchester- u. Gesangsvoriräge, vor Allem aber durch die schwungvolle und zündende Festrede des ?. Graf. An dieselbe schloß sich die Uebcrgabe der vielen Jubiläumsgeschenke, für welche der Vorstand des Vereins, Stadtkassirer R. Keller, seinen tiefempfundenen Dank aussprack. Der Kom mersabend wurde gewürzt durch Liedervorträge seitens des Jubelvereins unter Leitung seines Dirigenten Musikdirektors Keßler. — Au Stelle des nach Zwickau versetzten Ver messungs-Ingenieur Schulze ist unterm 1. Septbr. d. IS. Hr. Gäbler, bisher in Kamenz, in gleicher Eigenschaft nach Schwarzenberg versetzt worden. — Nur infolge eines heftigen Schrecken« endete in Crimmitschau der Alteisenhändler Görke. Er zog Abends seinen Handwagen durch die Straße und hatte dabei ein entgegenkommendes Kutschgeschirr nicht bemerkt, bis das Pferv ihn berührte. Hierdurch so erschrocken, daß er nach der Seite fiel, mußte man ihn forttragen und bald darauf gab er seinen Geist auf. Er war nicht im Mindesten verletzt und eben nur der Schreck kann ihn getödtet haben. — Nach neuerem Gesetz ist den Gemeindevor ständen, die ihr Amt als Beruf ansehen und das selbe berufsmäßig verwalten, eine Entschädigung in dem Falle zu gewähren, wenn sie nach sechs- bezw. zwölfjähriger Thätigkeit in einer Gemeinde nicht wiedergewählt iverden. In solchen Fällen hat die Gemeinde den bisherigen Vorständen noch auf zwei bezw. vier Jahre nach Ablauf ihrer Thätigkeit die Hälfte des Gehaltes zu zahlen. Die Gemeinderäthe werden sich binnen Kurzem darüber schlüssig zu machen haben, ob sie ihren Vorstand als BerufSge- meiudevorstand ansehen oder nicht; gegen diesen Be schluß ist Beschwerde zulässig, die vom Bezirksaus schuß zu entscheiden sein würde. — Folgende Warnung dürfte wohl Vielen nicht unwillkommen sein: Diejenigen Personen, welche durch Unwohlsein verhindert sind, an einem gerichtlichen Termin, zu welchem sic Vorladung erhalten haben, zu erscheinen, müssen in diesem Falle dem Gericht rechtzeitig ein ärztliches Attest vorlegen. In einer kürzlich in Oschatz abgehalteucn SchöfsengerichtSver- handlung wurde eine Zeugin, welche ihr Ausbleiben wohl entschuldigt, aber kein ärztliches Zeugniß ein gereicht hatte, zu 5 M. Geldstrafe, eventuell einen Tag Haft und zur Tragung der durch das Ausblei ben verursachten Kosten verurtheilt. — Dem Vernehmen nach werden die Disposi tionsurlauber der Infanterie, welche sonst regel mäßig nach Schluß der Manöver entlassen wurden, noch 14 Tage im Dienst behalten, um sie mit der Handhabung der neuen Jnfanteriegewehre, welche in diesen Tagen an die Truppen gelangen werden, be kannt zu machen. Referat über die Sitzungen des GemeinderatheS zu Schönheide vom 10. September 1890. 1) Es wird Kenntnitz genommen von: n. dem Ergebniß der für die Brandcalamitosen vom 29. Juli ds. Js. veranstalteten Sammlung, b. der erfolgte» Bewilligung einer Staatsbeihilfe von 75 Mk. für die Volksbibliothek aus das laufende Jahr, e. einer Einladung des „Turn-Club" zu seinen am 14. d. M. stattfindenden Festlichkeiten, cl. der erfolgten Einzahlung einer der Gemeinde zuge standenen Aaufgeldersorderung zur Gemeindekasse. 2) Auf das Gesuch eines Theaterbesitzers um Erlaubnis ertheilung zur Veranstaltung theatralischer Vorstellungen wäh rend des bevorstehenden Winters wird abfällige Entschließung gefaßt. 3s Zur Herstellung eines Friedhofzuganges mit günstigeren Steigungsverhältnissen beabsichtigt der Kirchenvorstand, unter theilwnser Einziehung des jetzigen Weges neben u. hinter dem Rathhause eine neue Straße zu erbauen. Der Gemeinderath nimmt hiervon vorläufige Kenntniß, lehnt aber seinerseits die Ausstellung eines Bebauungsplanes ab. 4) Nachdem der Rcchnungsausschuß die bereits vorher von dem Sparkassenausschusse geprüfte 1889er Sparkassenrechnung mit dem Bemerken zurückgegeben hat, daß er etwas zu erinnern nicht gefunden habe, wird die erwähnte Rechnung richtig ge sprochen. 5) Mehrere Bewohner des Hinteren Webersberges, meist Arbeiter des Eisenhüttenwerks, pflegen, um von ihren Wohn ungen aus möglichst direkt auf den nach der Bahnhofsstraße führenden Weg zu gelangen, über mehrere auf dem Webersberge gelegene Wiesen zu gehen. Neuerdings sind die betreffenden Grundstücksbesitzer gegen das Betreten ihrer Wiesen eingeschrit ten. Hierauf ist von einigen Personen in zwei an die Königliche Amtshauptmannschaft gerichteten Eingaben der über die Wiesen getretene Fußsteig als ein öffentlicher Weg und als nothwendig bezeichnet worden. Der Gemeinderath, zur Auslastung über die Qualität jenes Fußsteiges aufgefordert, beschließt, aus Grund der angestellten Erörterungen anzuzeigen, daß inan den in Frage kommenden Wiesen - Fußsteig als einen öffentlichen Weg nicht anzuerkennen vermöge, eine Nothwendigkeit für dessen Existenz auch nicht vorliege, da für Diejenigen, welche den über den Webersberg führenden Communicationsweg nicht benutzen woll ten, noch ein anderer Fußweg vorhanden sei, der in ziemlich gleicher Richtung wie der bestrittene Steig laufe, mindestens ebenso passirbar und nur 300 Schritte länger als letzterer sei, 6) Nach dem Gesetze voin 30. April 1890 ist den berufs mäßigen Gemeindebeamten auch in den Landgemeinden Pension zu gewähren. Aus die bezügliche Aufforderung der Königlichen Amtshauptmannschaft faßt nun der Gemeinderath in seiner heutigen Sitzung darüber, welche Gemeindebeamte als berufs mäßig u. demnach als pensionsbercchtigt anzusehen sind, Ent schließung, bestimmt, bezüglich des Umfanges der Pension sich den für die Staatsdiener gültigen Bestimmungen anzulehnen und hierüber das vorgeschriebene Ortsstatut aufzustcllen. Einem gleichzeitig vorliegenden Gesuche des Vereins sächs ischer Gemeindebeamten, die Pensionsberechtigung auch auf die Hinterlassenen der Beamten auszudehnen, soll Folge nicht ge geben werden und wird durch diesen Beschluß das Gesuch der Wittwe eines verstorbenen Gemeindebeamten um Gewährung von Pension als erledigt erklärt. 7> Herr Fabrikbesitzer Franz Seidel hat sich erboten, so lange, als die Frage wegen Erbauung einer Gasanstalt bezw. wegen Anschaffung einer genügenden Anzahl Petroleumlaternen für die obere Straße sich noch nicht geklärt hat, -ür die ge dachte Straße von seiner elektrischen Beleuchtungsanlage einige Glühlichtcr gegen eine entsprechende Entschädigung zur Verfüg ung zu stellen. Diese Offerte wird angenommen und der Be leuchtungsausschuß mit den sich erforderlich machenden näheren Verhandlungen beauftragt. 8) Von Herrn Restaurateur Martin Möckcl ist um die Concejsionsertheilung zur vollen Gafthofsgerechtigkeit mit Aus spannung und Krippensetzen nachgesucht worden, nachdem er vorher die baupolizeiliche Erlaubniß zum entsprechenden Umbau feines Hauses sowie zur Erbauung eines Stallgebäudes erhal ten hat. Das Concessionsgesuch gründet sich darauf, daß in Folge des Baues der genehmigten Eisenbahn Saupersdorf- Schönheide-Wilzschhaus in der Nähe der Möckel'schen Restau ration, im Fuchswinkel, ein Bahnhof errichtet werde und daß das hierdurch entstehende Bedürfnis nach einem Gasthose schon mit dem Beginn des Baues der Bahn zu Tage treten werde. ' Der Gemeinderath ist zwar überzeugt, daß für den oberen Ortstheil das bereits jetzt bis zu einem gewissen Grade vor handene Bedürsniß nach einem zur Beherbergung von Fremden und zur Ausspannung eingerichteten Gasthofe in Zukunft voll zur Geltung gelangen wird, er ist aber der Ansicht, mit der Bejahung der Bedürsnißfrage noch zu warten bis durch die am I. April 1891 beginnenden speziellen technischen Vorarbei ten — der Bahnbau selbst wird nicht viel eher als im Früh jahr 1892 seinen Anfang nehmen können — über die nähere Lage des Bahnhofes und über die Richtung der nach Befinden zu erbauenden Zugangsstraße mehr Klarheit darüber geschaffen sein wird, welche Stelle für den zu errichtenden Gasthof am geeignetsten ist, zumal es nicht ausgeschlossen erscheine, daß auch von anderer Seite auf die seiner Zeit zu befürwortend« Äasthoss-Concession reflektirt werde. Aus vergangener Zeit — für «nfer« Jett. 18. September. <»a»drun o-rd-nno Unweit des Forts Bicetre, an der äußersten Grenze der Pariser Schußlinie, kam es am 18. Septeniber 1870 wieder zum Gefecht zwischen Theilen des 5. Armeekorps und dem Feinde. Es war allerdings nur eine Plänkelei, allein den Parisern wurde eS nunmehr klar, daß die Situation ernst werde. „Alle Straßen, alle Felder bedecken sich mit Feinden," heißt es in einen: französischen Tagebuch. 19. September. In dem Lustschloss« des Barons Rothschild zu Ferneres hatte am 19. September 1870 König Wilhelm Quartier ge nommen, südöstlich von Paris, während der Kronprinz von Preußen zu Versailles im Südweften und der Kronprinz von Sachsen zu Grand-Tremplay im Nordosten sich sestsetzten. Zum ersten ernstlichen Zusammenstoß kam es am 19. Sep tember zwischen dem Forts Bicetre und Montrouge, südlich von Paris, da wo das vormarschirte 5. Armeekorps stand. Den weiteren Aufmarsch der deutschen Truppen vor Paris suchten Truppen von den französischen Korps Vinoh und Ducrot zu hindern, mindestens zu stören. Der erste Angriff dieser Truppen war bereits abgeschlagen und schon wollten die Belagerungstruppen ihren Marsch nach Versailles fort setzen, als plötzlich der Feind mit großen Streitkräften und mit großer Heftigkeit aufs Neue angriff. Dir Bayern unter Oberst Diel kamen dem 5. Korps zu Hilfe, später die Bayern unter General von Hartmann. Von 12 bis 2 Uhr tobte der Kampf am heftigsten. Die Franzosen, die ihre Befestigungen sehr weit hinaus, bis Moulins, geschoben hatten, stellten um 2-/, Uhr das Geschützfeuer ein und zogen sich, die aufge worfenen Verschanzungen den Deutschen überlastend, durch die Forts auf Paris zurück. Die Verluste deutscherseits waren verhältnißmäßig gering, während 7 Geschütze erobert und 1000 Gefangene gemacht wurden. Bereits ani 19. September Abends war Paris aus allen Seiten umstellt: der Kronprinz von Preußen und der Kronprinz von Sachsen (3. Armee und 4. Armee) reichten sich bereits die Hände. In einem Briefe des Herzogs Ernst von Koburg heißt es: „Nach drei sehr ermüdenden langen Märschen haben wir nun Paris umstellt. Leider ging das nicht ab ohne vieles Blutvergießen. Wir schlugen uns den 19. und warfen die Franzosen, die gegen 40,000 Man» stark gegen Versailles einen Vorstoß gemacht hatten, erst gegen Abend zurück. Aus allen Forts wurde auf uns geschossen. Die Luft zitterte von de», furchtbaren Kanonen donner. Abends wurden wir Herr der Höhen. Es war ein heißer, herrlicher Tag und Paris lag in all seiner Pracht vor uns. Wir werden uns nun verschanzen. Kein Mensch ist zu finden. Alles Vieh, aller Vorrath ist fort; es macht einen schauerlichen Eindruck. Die Straßen sind alle aufge brochen, die Brücken, auch die kleinste, sind abgebrochen. Die thörichten Franzosen haben sich inehr Schaden gethan, als uns; auch alle Getreideschober haben sie abgebrannt." Auf Irrwegen. Original-Novelle von Claire Gerhard. (12. Fortsetzung.) Ein Gefühl der Muthlosigkeit und des Lebens überdrusses kam über Walden. Vor sich sah er ein Dasein voll Trauer und Einsamkeit und selbst seine Thätigkeit gewährte ihm nicht mehr Trost und Be friedigung. Da brach plötzlich in den kleinen Gebirgsstädten Schlesiens eine heftige Epidemie aus und Walden war einer der ersten Aerzte, die sich freiwillig auf den Schauplatz des Elends begaben. Unermüdlich eilte er von einem Dorfe znm andern, überall Heilung versuchend. Oft fühlte er sich elend und zum Sterben müde; aber die Krankheit, der auch viele seiner Kolle gen zum Opfer fielen, verschonte ihn. Mit tiefer Bitterkeit stand er häufig am Todtenlager eines Familienvaters, das eine verzweifelte Gattin und schluchzende Kinder umstanden, und wünschte sich an die Stelle des Ruhenden. Ach! um ihn würde keine Thräne geweint werden, er würde keine Lücke hinterlassen! Dank seiner aufopfernden Thätigkeit erlosch die Epidemie endlich in jener Gegend, und begleitet von den Segenswünschen der Armen, denen er nicht allein ein treuer Arzt, sondern oft auch ein Helfer aus drückender Roth gewesen, verließ Walden Schlesien und kehrte nach Berlin zurück. Aber diese letzten Monate hatten merkliche Spuren auf seinem Antlitze hinterlassen. ES schien wie aus Stein gemeißelt und kein Lächeln umspielte mehr jenen ernsten Mund. Die Haltung Waldens war noch ebenso stolz wie früher, doch in das dichte blonde Haar mischte sich manch ergrautes. XII. Nachdem Erich kaum vierzehn Tage sein junges Glück genossen, mußte er Dernburghausen verlassen, um in Berlin die nöthigen Schritte für seinen Be rufswechsel zu thun. Schmerzlich bewegt hielt er seine holde Braut in den Armen; er, der sonst stets Frohgemuthe, dachte mit Schrecken an die Trennung und immer von neuem preßte er die Zitternde an sich und küßte ihr blasses Antlitz. Endlich war er fort und Nora stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Sie wußte dem Ge fühle keinen Namen zu geben, das sie stet» überkam, wenn Erich sie an sein Herz zog. Ach! jedeSmal erschauerte sie dann innerlich, ach! immer trat ihr dabei eine« andern Gestalt vor die Seele, immer hörte sie eine andre Stimme ihr tau send Liebesworte zuflüstern. Sie hatte sich selbst überschätzt und die Stunden des Alleinseins lehrten sie jetzt, wie ihr Herz noch mit allen Fibern an jenem Verlorenen hing und bittre Reue kam über sie, den Bitten Erich» und der Eltern nachgegeben zu haben. Vielleicht hätte sie sich freier gefühlt, wenn sich ihr finsterer Argwohn be stätigt und Walden sich wieder mit Sylvia vereint