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Der Schweizer BundeSrath hat den Obersten Künzli als Kommissar nach Bellinzona geschickt, der daselbst mit zwei Bataillonen bereits eingetrofsen ist. Er hat die Instruktion, die provisorische Regierung ab- und die gefangenen Senatoren in Freiheit zu setzen. Eine strafrechtliche Untersuchung gegen die Schuldigen ist gleichfalls angeordnet; im übrigen aber werden die Tessiner durch unbebinderte Wahlen selber zu entscheiden haben, ob sie in Zukunft von der klerikalen oder von der liberalen Partei regiert sein wollen. Einstweilen wird Oberst Künzli als Bundeskommisiar die Staatsgewalt ausüben. Beide Parteien sehen dem bevorstehenden Mahlkampf mit großer Siegeszuversicht entgegen. Hagesgeschichle. — Deutschland. Wie aus London gemeldet wird, verlautet in den dortigen diplomatischen Kreisen, der Bündnißvertrag zwischen Deutschland, Oester reich und Italien, welcher bis zum Jahre 1892 dauert, sei jüngst für weitere fünf Jahre bis 1897 ver längert worden. , — Während für Preußen durch den bekannten Erlaß des Ministers des Innern den Verwaltungs behörden ein einheitliches Verhalten gegen die Sozial demokratie nach dem I. Oktober vorgeschrieben worden ist, dürfte für Bayern ein solcher Erlaß nicht erfolgen. Die „M. N. N." schreiben: Die Behörden werden, wie vor 1878, sich lediglich auf das bestehende bayrische Vereinsgesetz (von 1850) und die Straf gesetze stützen. Man hat in maßgebenden Kreisen Bayerns offenbar die Ansicht, daß die vorhandenen gesetzlichen Handhaben zunächst ausreichen werden, um etwaige Ausschreitungen von sozialdemokratischer Seite einzudämmen. Uebrigens haben wir Anhalts punkte für die Meinung, daß gerade in Bayern sich der Uebergang vom Ausnahmegesetz zum gemeinen Recht sehr ruhig vollziehen wird. — Oldenburg. Nach einer Meldung der ..Olden- burgischen Zeitung" haben 16 Reservisten vom 78. Regiment dem Hauptmann den Gehorsam verweigert, indem sie nicht zum Appell erschienen. Die Schul digen wurden zu mehrjährigen Festungsstrafen ver- urtheilt. — Die militärpflichtigen Bolksschullehrcr scheinen neuerer Anordnung zufolge zu besonderen Volks schullehrer-Kompagnien vereinigt werden zu sollen; wenigstens lauten jetzt die den Lehrern des Erfurter Bezirkes zugegangenen Gestcllungsordres auf Meldungen zur sechswöchigen Uebung bei der be treffenden Volksschullehrer-Kompagnie. — Rathenow. DaS in Rathenow garnisonirende Zieten-Husaren-Regiment ist, wie ein Be richterstatter schreibt, durch das Hochwasser der Elbe am 7. d. MtS. in große Gefahr gekommen. Nach Ztagigen anstrengenden Manöverübungen wurde das Regiment in der Nähe von Torgau einqnartiert. Der Stab und die 1. Eskadron kamen nach dem an der Elbe belegenen Dorfe Amclgostewitz und erfuhren dort, als sie Abends 7 Uhr einrückten, daß der Elb- damm durchzubrechen drohe. Trotzdem legten sich die ermüdeten Mannschaften zum Schlafe nieder. Um 11 Uhr in der Nacht erfolgte indessen ter Dammbruch, und das Wasser ergoß sich mit gewaltigem Brausen ins Dorf. Die Husaren suchten, so schnell es ging, ihre Pferde und ihr Gepäck in Sicherheit zu bringen. Ersteres gelang zum Glück dadurch, daß man noch den Damm mit den Pferden erreichen konnte; der Krämperwagen mit dem Gepäck wurde aber von den Fluthen erfaßt und fortgetragen. Nur fünf größere Gehöfte, an einer etwas höheren Stelle des Dorfes belegen, waren noch frei vom Wasser, und dorthin hatten sich die Einwohner sowie einige Offiziere und Soldaten geflüchtet. Morgens 8 Uhr erfolgte aber ein zweiter Dammbruch, der auch diese Gehöfte in große WasserSnoth brachte. Die Einwohner, Offiziere und Soldaten flüchteten, da das Wasser bis auf 2 Meter stieg, in die oberste Etage eines massiven HauscS, von wo sie nach einer Stunde bangen Har rens durch einige Boote abgeholt und in Sicherheit gebracht wurden. Um das Loch in dem Damm zu stopfen, arbeiteten sowohl die Einwohner wie die Zietenhusaren mit verzweifelter Anstrengung, selbst die Offiziere trugen schwere Steine herbei, es war aber Alles vergeblich. Bei den Arbeiten wurde von dem hereinbrechenden Wasser ein Husar und der Wallmeister mit fortgerissen. Letzterer ertrank, wäh rend eS dem Husaren gelang, sich zu retten. Der Oberst unv der Major de» Zieten-Husaren-RegimentS konnten nur durch einen Kahn, in welchen sie durch ein Fenster stiegen, aus ihrer mißlichen Lage befreit wer den. Am Morgen wurde sodann da» Regiment in dem kleinen Städtchen Belgern einquartiert. Außer dem Krämperwagen mit dem Gepäck sind auch einige Wagen mit Fourage und Viktualien sowie die Kessel pauken des Regiments von den Fluthen mit fortge rissen. Ueber dem Pauker scheint beim Manövriren eigenthümlicheS Pech zu schweben. Im vorigen Jahre brach ans einem Dorfe, wo derselbe einquartiert, im Stalle Feuer aus, wobei der Paukenschimmel ver brannte; in diesem Jahr scheinen nun gar noch die Pauken verloren zu sein. Da« Regiment hat indessen telegraphisch Anordnung getroffen, um möglicher Weise oberhalb der Elbe die Pauken wieder aufzufischen. — Die Ueberfluthungen der Elbe bei und um Torgau richten in den betroffenen Dörfern ganz kolossale Verwüstungen an. Durch die Damm brüche bei Köttlitz und Seidelwitz, bei Werdau, so dann bei Plotha und Dautzschen waren wohl in nächster Nähe mehr denn 20 Ortschaften unter Wasser gesetzt, deren Bewohner sich vielfach bis unter das Dach flüchten mußten. Oftmals war auch diese Flucht vergebens, wenn da« Haus den heranbrausenden Flnthen nicht Stand hielt und zu sammenstürzte. Nach Nachrichten, die allerdings nur spärlich fließen, sind in Zschackau (Station der Halle- Sorau-Gubener Bahn) 15 Häuser, In Zeckeritz 10, in Zwethau 4 Häuser eingestürzt. Die Gefährdung des Kgl. Gestütes Graditz wurde schon erwähnt; die Pferde sind jedoch sämmtlich meist auf die Böden re. gerettet worden. Auch bei Wittenberg (an der Ber liner Bahn) gleicht die Landschaft einem großen See, ans dem nur hier und da kleine Inseln und Bäume re. hervorragcn. Der Schaden ist ungeheuer. — Minden. Ueber die am 10. d. hier statt gehabte Explosion wixd folgendes gemeldet: Gestern Abend merkte man in den Geschäftsräumen der Firma Gebr. Sehlbrede einen starken Gasgeruch. Herr Harry Sehlbrede ging in Folge dessen mit einer Sicherheitslampe in den Keller, um dem Schaden an der Leitung nachzuforschen. Hierbei ist die Lampe alsbald nach Betreten des Kellers erloschen. Der Lehrling Möhring entzündete sodann ein Streichholz und diese Handlung führte die Explosion der ange sammelten Gase herbei. Das dreistöckige Vorderhaus, in welchem sich unten ein Drogengeschäft befand, stürzte vollständig in sich zusammen und die gegenüber liegen den Häuser wurden in arge Mitleidenschaft gezogen. Auf die Rettung etwa verschütteter Menschen wurde sofort hingearbeitet. Ein undurchdringlicher Rauch und heftiges Feuer erschwerte ein sofortiges Eindringen in den zerstörten Bau. Mehrere Hydranten wurden seitens der städtischen und freiwilligen Feuerwehr in Thätigkcit gesetzt. Zur Unterstützung der Wehren wurde die während des Manövers hiergebliebene Wachtabthcilung des 10. Pionierbataillons, unter dem Kommando des Premier-Lieutenants Hauptmann er beten. Lieutenant Scheunemann rückte sofort mit 12 Mann zur Unglücksstelle, während Premier-Lieutenant Hauptmann mit einem stärkeren Trupp von den eben vom Manöver eingerückten Mannschaften nachkam. Auf der Kellertreppe zwischen Balken und Schutt fand man Harry Sehlbrede, fest eingekeilt, aber bei voller Besinnung. Nach riesiger Arbeit hatte man den Ver unglückten heraus, und cS zeigte sich, daß eigentlich schwere Verletzungen nicht vorhanden waren. Herr Sehlbrede konnte die Rettungsmannschaften noch unterrichten, daß der Lehrling Möhring sich noch im Keller befände. Man holte nun den zweiten Ver schütteten fast unverletzt aus dem thcilweise einge- stllrzten Keller. Es wird jedoch noch ein Lehrling vermißt; derselbe ist jedenfalls sofort gelödtet worden. Verletzt wurden durch die Explosion noch die Frau eines Oberpostsekretärs und dessen Schwester, eine Diakonissin, erstere leichter, die andere schwerer. — Ueber eine Ueberschreitung der deutsch-fran zösischen Grenze, durch französische Soldaten wird berichtet: Am Montag Nachmittag überschritten 200 französische Soldaten des an der Grenze manövriren- den 148. Regiments die letztere und begaben sich in das 1^ Kilometer entfernte Dorf Anmetz, um Ge tränke und Tabak zu kaufen. Der Aufforderung der Gendarmen und Grenzbeamte», das Dorf zu ver lassen, leisteten sie auch sofort Folge. — Oesterreich. Sehr wenig berichten die Zeitungen von dem in voriger Woche in Wien ver sammelt gewesenen österreichischen Gewerbetage, obwohl derselbe zahlreich von den verschiedensten Kronländern a»S beschickt war. Es handelte sich auf demselben im Wesentlichen um eine Kundgebung des zielbewußten österreichischen Handwerkerthums zu Gunsten des Wiederaufbaues, der Belebung und Kräftigung des Gewerbestandes. Das Hanvwerk Oesterreichs erfreut sich seit 1883 einer Gewerbe ordnung, welche nicht nur obligatorische Genossen schaften für die gleichen nnd verwandten Berufe, sondern auch den Befähigungsnachweis für das Hand werk einführt. Die Hauptsache aber ist die Durch führung dieser Vorschriften. Was nützen aber die besten Gesetze, wenn sie entweder nur auf dem Papiere stehen oder unrichtig auSgeführt werden? Ueber Beides aber beschweren sich die Handwerker und Ge werbetreibenden Oesterreichs. Sie schieben die Schuld auf die Bureaukratie, welche, noch ganz in manchester- lichen Anschauungen befangen, weder Verständniß für die soziale Bedeutung eines kräftigen Mittelstände«, noch ein Herz für die Nothlage des Handwerke« be sitze. Graf Taaffe, dem der Erlaß des trefflichen Gewerbegesetze« zu danken ist, sieht sich in der Durch führung desselben durch seine höheren Staatsbeamten gehemmt. Al« ihm neulich Jemand sagte: Ich komme jetzt eben aus einer Versammlung, in welcher furcht bar über die Regierung raisonnirt wurde, entgegnete er lächelnd: „Da werden gewiß meine Hofräthe am meisten mitgeschimpft haben." ES wäre Zeit, daß er diese Herren, deren Regierungskunst in der Hand habung einer abgegriffenen liberalen Schablone besteht, baldigst „quicscirke." — Rußland. Für die Sicherheit de« Ezaren, welcher gegenwärtig zu den Manöver» in Rowno in Wolhynien weilt, scheint man denn auch lebhafte Befürchtungen zu hegen. Die Polizei von Rowno hat alle Hausbesitzer und Wohnparteien dieses 15,000 Einwohner zählenden Städtchens durch eigene Unter schriften verpflichtet, während der ganzen Zeit der Anwesenheit de« Ezaren in Rowno keiner einzigen Civilperson Wohnung und überhaupt Unterstand, sei e« auch nur für wenige Stunden, zu gewähren und jede Civilperson, welche Unterstand verlangen werde, der Polizei anzuzeigen. Locale und sächsische Nachrichten. Eibenstock. Der Kassen-Kontrolleur und Ge richtsvollzieher bei dem Königl. Amtsgericht Eibenstock Philipp Schönherr ist unter dem 15. dss. MtS. an das Königl. Amtsgericht Reichenbach als Kassen-Kon- trolleur versetzt worden. Die Geschäfte des Kassen- Kontrolleurs nnd Gerichtsvollziehers bei der ersteren Behörde hat unter dem gleichen Tage der zeitherige Hilfsexpedient Heinrich Maxmilian Fischer über tragen erhalten. Endlich ist dem Königl. Amtsgericht Eibenstock unter dem 15. dss. MtS. der zeitherige Kopist bei dem Königl. Amtsgericht Hohenstein-Ernst- tahl Max Franz Bachmann zur Besorgung von Expekientengeschäften beigcgeben worden. — Dresden. Bezüglich der Dauerhaftigkeit der alten Dresdner Elbbrücke verlautet amtlich Folgendes: Die Sperrung der Elbbrücke wurde ver fügt, da Oeffnungen von Fugen in dem Mauerwerk bemerkt wurden, welche auf ein Setzen der stromab wärts gelegenen Pfeilerköpfe schließen ließen. Nach dem das Wasser gefallen ist und die Untersuchungen erneut vorgenommen worden sind, hat sich ergeben, daß eine Gefahr für die Brücke aus den ersteren Beobachtungen nicht herzuleiten ist. — Die Handelskammer von Chemnitz hat in Begründung ihres Gutachtens über einige Be stimmungen der neue» Gewcrbegesctzgebung die Vor lage als eine große Beschwerung der Industrie und des Kleingewerbes bezeichnet. Nach ihrer Ueberzeug- ung, so führt sie aus, schießen die modernen An schauungen über die Verbesserung der Lage der Arbeiter weit über das Ziel hinaus. Die Kammer möchte geradezu die bezüglichen Bestrebungen und namentlich die idealistischen Aufschwellungen eines großen Theiles der Presse als „ein krankhaftes Symptom" bezeichnen, welches zwar unter dem Drucke der tatsächlichen Verhältnisse wieder schwin den wird und muß, inzwischen aber so manche wirth- schaftliche Verheerungen anrichten kann. ES sei be reits jetzt vielfach zu beobachten, daß der humanistische Uebereifer Probleme schafft, welche unlösbar sind, und Gegensätze, welche kaum jemals wieder ausge glichen werden können. Die Lage der Betriebs unternehmer werde durch die fast ohne Pause auf einanderfolgenden sozialpolitischen Gesetze beschwert, ohne daß man noch wisse, ob die Industrie wirklich in der Lage ist, alles Dies zu tragen. Die Löhne seien bedeutend gestiegen, und die nun in Aussicht stehenden Beschränkungen der Arbeitszeit, die Auf hebung der Kinderarbeit rc. würden eine weitere Steigerung der Löhne bedingen, wozu noch Belast ungen der Unternehmer durch Schaffung neuer Räume, für Speisung und Aufenthalt der Arbeiter sowie sonstige Anforderungen aller Art treten. Wenn sich in Zukunft zeige, daß diese Leistungen die Kraft der deutschen Industrie übersteigen, so würde es sich nicht nur darum handeln, daß eine Anzahl von Be triebsunternehmern zu Grunde geht, vielmehr würde vor Allem der Arbeiter darunter leiden, der infolge humaner Bestrebungen brodlos, und der Slaak, der den Niedergang der wirthschaftlichen Verhältnisse im Ausfall des Steuerertrages empfinden werde. Zu nächst werde die Concurrenzfähigkeit gegenüber dein Auslande zurückgehen, welches letztere seine Industrie in so empfindlicher Weise noch nicht belastet habe und gewiß auch nicht belasten werde. — Aehnliche Erklärungen sind auch bereits von anderen Handels kammern abgegeben worden. — Furchtbar ist die Schilderung, die über die Lage Wehlens entworfen wird. Nicht nur, daß das fast gänzlich den Fluthen preiSgcgeben gewesene Städt chen an seinen Gebäuden, Straßen u. Gärten außer ordentlich geschädigt worden ist und dermalen der Blick fast überall auf Trümmer blickt; eS kommt auch noch dazu, daß die an und für sich arme Bevölkerung den ganzen Sommer hindurch fast gar keinen Ver dienst hatte und daß der Hopsen, der erst so viel versprechend auSsah, infolge der schlechten Witterung und der durch das Hochwasser unterbrochenen und hinausgeschobenen Ernte an Qualität verliert. Selbst Gottesdienst kann in der Kirche nicht abgehalten wer den, denn eS hat sich in derselben infolge der Ueber- schwemmung der unteren Gewölbe der Fußboden ge senkt und die schöne Täfelei ist gesprungen. Selbst gewaltige starke Sandsteinstufen sind, dem Drucke nicht nachgebend, geborsten. — DaS Verfahren mancher Bäcker, welche alte Backwaaren aufweichen und so aus denselben einen Teig Herstellen, der dann mit anderem frischen