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Prag eintrefsen. — Aus Budweis meldet eine amt liche Depesche des Bahnamts, daß die Rosenberger Teiche gerissen sind; der größte Theil SiivböhmenS ist gefährdet. Hagesgeschichle. — Deutschland. Die Flotten- und Feld manöver an der schleswig-holsteinischen Küste sind im vollen Gange. Für das große Landmanöver am Freitag war folgende Gcneralivee ausgegeben: Die Norddivision geht, dem Angriff eines Südkorps aus weichend, von der Eider nach 'Nordschleswig zurück. Das 0. Armeekorps, dessen Süddivision bis zum nörd lichen Rande von Flensburg vorgcdrungen ist, hat den Auftrag, den Feind in östlicher Richtung nach dem Sundewitt abzudrängen. Das Gefecht ent wickelte sich bald nach 8 Uhr Morgens. Auf einer Anhöhe nördlich von Krusau, welche von der Kaiserin als Bcobachtungspunkl auscrsehen war, stellte sich um 9 Uhr auch der Kaiser ein und leitete theilweise die Bewegungen des markirten Feindes. Die Zurück- drängung desselben nach dem Sundewitt gelang nicht. — Wie die „B. P. 'N." versichern, liegen finanzielle Ziele der preußischen Steuerreform völlig fern; sie wird allein von dem auch vom sozialpolitischen Standpunkt richtigen Gesichtspunkte gerechter Ver- theilung der Steuerlast geleitet. — lieber die „eiserne Maske" der Sozial demokraten wird den „M.'N. N." aus Berlin ge schrieben: Die eiserne Maske" soll den Parteihäuptern selber unbekannt sein. Der dichte Sagenkreis, der sich um dies merkwürdige Wesen gebildet hat, stellt die Romantik in der im klebrigen gar nicht roman tischen Sozialdemokratie dar. Die „eiserne Maske" weiß Alles, sieht Alles und kann Alles. Meistens telegraphirt sie. Handschriftliches sollen nur Wenige von ihr zu Gesicht bekommen haben. Dies seltsame Zeug, von dem man nicht weiß, wie viel die Lust am Schauerlichen dabei übertrieben hat, geht in der So zialdemokratie wie eine geheime Legende um, und mit Ueberzeugung wird versichert, daß sich hinter der „eisernen Maske" ein höherer Polizeibeamter verberge, der im Herzen sozialdemokratisch gesinnt sei. Der nüchterne Kern des Geheimnisses ist wohl, daß das räthselhafte Pseudonym nicht eine, sondern mehrere Personen deckt und stets da gewählt wird, wo der Ursprung der zu machenden Mittheilungcn verschleiert werden soll. Gerade darum aber wird die Partei leitung das für sie bequeme Schcingeheinu.iß nicht prcisgebe» wollen. — Hamburg, 4. Septbr. In heiterer Frische körperlich so lebendig wie nur je, hat gestern Fürst Bismarck Kissingen verlassen, um über Schweinfurt, Homburg, Frankfurt a. M. rc. nach Friedrichsruh zurückzukehren. Die Kissinger sind darin einig, daß der Empfang und die dem Fürsten dargebrachten Huldigungen noch nie so innig waren wie diesmal. Sein gesellschaftlicher Verkehr war, nach den „H. 'N.", in Kissingen der denkbar lebhafteste. Täglich ergingen Einladungen, und öfter wurde seinerseits solchen ge folgt. So war der Fürst beim Grafen Henckel von Donnersmarck und dem Herzog von Edinburg zum Diner. Auch bei Letzterem rauchte er rach dem Essen die lange Pfeife, die sich der Herzog zum Andenken erbat. Anch die Einheimischen, die zu dem Aufent halte des Fürsten in irgend einer Beziehung standen, wurden nacheinander mit Einladungen bedacht; so die Geistlichen, der Badepächtcr, dessen Bruder und manche Anderen. Auf seiner Heimreise stattete der Fürst in Begleitung seines Sohnes Herbert auch der Stadt Schweinfurt einen Besuch ab. Die Kampf genossen aus dem Jahre 1870 und anderes Publikum empfingen Len Fürsten am Bahnhofe Oberndorf, worauf er in Begleitung des Dekans Or. Kraussold und des Vorstandes des BürgervercinS Rechtsanwalt Breitung, sowie des bekannten „ReichSkondikors" Lengfeld (derselbe hat seinen Beinamen davon er hallen, daß er alljährlich dem Reichskanzler eine große Torte zum Geburtstag schickt), eine Rundfahrt durch die Stadt machte, überall freudigst begrüßt. Tie Ab reise von Homburg erfolgte Donnerstag Abend. Auf dem Hauptbahnhof von Frankfurt a. M. traf der Fürst um 7 Uhr 23 Min. ein und reiste um 7 Uhr 28 Min. mit der Main-Wescr-Bahn über Gießen- Cassel nach Friedrichsruh weiter. — Aus Sansibar in Hamburg cingegangcne Nachrichten bestätigen, daß der deutsche Postdampfer „Reichstag" im Innern des Hafens Dar-cS-Sa- laam strandete und daß, um demselben Hilfe zu leisten, der Kreuzer „Schwalbe" dorthin abgegangen ist. Hoffentlich gelingt es dem Kreuzer, das Schiff wieder abzubringen. (Das Verhängniß, das dieses erste Schiff der neuen subventionirten Hamburgisch- Ostafrikanischen Postdampferlinie ereilt, erinnert stark an den Untergang des Lloyddampjers „Oder" auf seiner zweiten Rückfahrt von Ostasicn bei Sokotra.) Der Dampfer „Reichstag" machte seine erste Fahrt. Das zweite Schiff der Linie, der Dampfer „Bundes rath", wird am 17. dS. die Reise nach Sansibar an treten. Locale und sächsische Nachrichten. — Schönhciderhammer, 8. Septbr. Da für den Sedantag Hierselbst geplante Schulfest mußte des ungünstigen Wetters wegen verschoben werden und fand daher erst am vergangenen Sonnabend statt. Diesmal war die Witterung dem Feste hold und ver lief dasselbe daher auch in der allerschönsten Weise. Mittags 1 Uhr fand unter Vorantritt der Musik der Hüttenfcuerwehr Umzug durch den Ort statt; hierauf begann im Hendel'schen Garten für die erste Knaben- und Mädchenklasse Vogelschießen mit der Armbrust und dem Stechvogel, während für die kleineren Kna ben und Mädchen Kinderspiele mit Verloosungen arrangirt wurden. Geschenke aller Art kamen reich lich zur Bertheilung und auch den leiblichen Bedürf nissen wurde am Nachmittag durch Kaffee und Kuchen und Abends durch eine halbe Portion warmes Abend brot für jedes Kind in ausgiebigster Weise Rechnung getragen. Die Kosten für das Fest trägt zum Theil die Schulkasse, hauptsächlich aber die GutShcrrschaft von Schönhciderhammer, die Herren Hammerwerks besitzer Edle v. Querfurth. — Dresden, 5. September. Heute in früher Morgenstunde wurde im Hofe des hiesigen Landge- richtsgebäudcs auf der Pillnitzer Straße die Hin richtung des vom hiesigen Königlichen Schwurge richte wegen Mordes zum Tode verurtheilten Mau rers August Otto Beger aus Chemnitz in der vom Gesetze vorgeschricbencn Weise vollzogen. Beger hat bekanntlich am zweiten Osterfeiertage dieses Jahres zu Kötzschcnbroda die Rohproduktenhändlerin Auguste Therese ledige Nollau, bei welcher er zur Untermiethe wohnte, ermordet und beraubt. Nach seiner deshalb erfolgten Vcrurtheilung brachte Beger am 20. Juni in der hiesigen königlichen Gefangenenanstalt den Wachtmeister Rüppel meuchlings um; hierbei war ihm der Uhrmachergehülfe Carl Ludwig Hermann Neubauer aus Alt-Damm bei Stettin behilflich. Letzterer verbüßt die ihm wegen Beihilfe zum Morde zuerkanntc vierzehnjährige Zuchthausstrafe seit dem 23. v. M. in der Strafanstalt zu Waldheim. Durch verschiedene nothwendige Formalitäten hatte sich die Urkheilsvollstreckung an dem am 14. August zum zweiten Male zum Tode verurtheilten Mörder verschoben. — Strehla. Am Mittwoch unternahmen trotz des bereits hohen Wasserstandes der Elbe 2 preuß ische Kavallerieregimenter eine Schwimm Übung durch den Elbstrom bei Kreinitz. Zum Theil wurden 6 Pferde an eine Schaluppe gebunden und über die Elbe geführt, die Manschaften blieben dann in den Pontons, zum Theil wurden die Pferde aber auch auf dem Elbprahm hinllberbefördert. General Rosenberg bctheiligtc sich selbst an den Hebungen. Die Pferde sind zum Theil sehr angegriffen. Das langausgestreckte Kopfhalten über dem Wasser hat die Halsmuskeln angestrengt und macht sie schmerzhaft. Die Schwimmübuugen währten 'Stunde und gingen mit Hilfe unserer Pionnicrc ohne jedweden Unfall von statten. — Eine andere Hebung bei Wittenberg ist weniger glücklich verlaufen. Dortsclbst ertranken am 5. d. 6 Ulanen beim Uebersetzen über die Elbe. — Montag den 1. September gab es in Wün sch end orf eine förmliche Schlacht zwischen reni tenten Zigeunern und den dortigen OrtScinwoh- ncrn. Im Bahnhofsrestaurant hatte sich eine Ge sellschaft dieser braunen Bande in der Zahl von 6 Männern, 6 Frauen und ca. 10 Kindern niederge lassen. Dieselben geriethcn erst untereinander in Streit, bei welchem eine Frau einem Manne unter dem Auge einen tiefen Stich versetzte, sodaß das Blut in dickem Strome hervorquoll. Im Augenblicke wur den nun Tische und Stühle und Anderes wüst durch einander geworfen. Der geängstigte Bahnhofsrestau rateur schickte nach Hilfe, und cs hatten sechs hand feste Personen gerade zu thun, die Burschen aus dem Lokale zu entfernen. Nun warfen sie die Fenster ein und suchten mit herzugeholten Säbel» wieder in's Restaurant, wozu man die Thür verrammelt hatte, cinzudringcn. Ehe der Gendarm zur Stelle erschien, war die Sippschaft abgezogen. Mit solchem Gesindel geht das Gesetz denn doch viel zu mild um! — Die öffentliche Versteigerung der in diesem Jahre auszumusternden Dienstpferde der Ka vallerie und Artillerie soll in diesem Monat an den nachgenannten Tagen und Orten von Vormittag 10 Uhr ab stattfinden: Donnerstag, den I I. in Oschatz und Riesa; Sonnabend den 13. in Dresden, Pegau und Rochlitz; Sonnabend, den 20. in Freiberg und Roßwein; Montag, den 22. in Großenhain, Grimma, Dresden und Riesa ; Donnerstag, den 25. in Großen hain und Pirna. Die Pferde der Garnison Lausigk werden in Grimma, diejenigen der Garnison Borna und Pegau und die der Garnison Geithain in Roch litz zur Versteigerung gelangen. — Gößnitz. Eine schaurige Entdeckung machten am Mittag des 4. September zwei Maurer lehrlinge und ein zwölfjähriger Schulknabe. Dieselben hatten sich um diese Zeit in das dem Gutsbesitzer Emil Engel in Waldsachsen gehörige Holz begeben, um Haselnüsse zu pflücken. Während die ersteren Beiden fleißig pflückten, sah der Letztere au« einem frisch aufgeworfenen Erdhaufen eine Kinderhand her- auSragen und machte die beiden Lehrlinge auf seine Entdeckung aufmerksam. Als dieselben nun genauer nachsuchten, fanden sie den Leichnam eine« Kinde« in dem Erdhaufen verscharrt vor, welcher seit einigen Tagen dort verborgen gewesen zu sein scheint. Aus vergangener Jett — für unsere Zeit. u. September. («achdru« v-rdot-n.l Der 9. September 1870 ist selbst in der blutigen Zeit von 1870 ein roth angestrichener Tag; die Franzosen bezeich ne» das Blutbad dieses Tages als eine Setdenthat, während es in Wirklichkeit eine ruchlose Verrätherei darstellt. An die sem Tage hatte die Festung Laon capitulirt und die deutschen Truppen rückten ein. Es war anscheinend alles in Ordnung, die Offiziere waren aus Ehrenwort entlassen, die französischen Truppen hatte» die Waffen niedergelegt. Es handelte sich nur noch um die Uebergabe der Citadelle, in deren Hof, nachdem die Truppen gröhtentheils bereits entfernt waren, eine Com pagnie Jäger stand, sowie ein großer Theil der französischen Offiziere und der französische Commandant. Eben als der letzte Mann der Mobilgarde das Thor der Citadelle passirt hatte, erfolgte eine furchtbare Detonation. Das Pulvermagazin, aus das wahrscheinlich sämmtliche Bomben und Granaten ge bracht waren, sowie alle Patronen und wahrscheinlich noch eine Mine gingen in die Luft. Die Verwüstung war furchtbar. Die Bomben u. umherfliegenden Steine u. Mauerstücke flogen in die Stadt, die Vorstädte und weit darüber hinaus. Unter offiziere der Artillerie des Forts hatten die Pulverkammer des Forts in die Luft gesprengt, ob mit oder ohne des Lomman- danten Wissen ist nicht sestgestellt, wohl aber, daß Alles zum Sprengen vorbereitet war. Herzog Wilhelm von Mecklenburg- Schwerin wurde verwundet, ein Offizier blieb todt, acht Offiziere waren verwundet, 34 Mannschaften todt, 83 verwundet; der Verlust der Mobilgarden und Einwohner der Stadt betrug 7—800 Menschen. Mit solchen Bravouren der Hinterlist suchte man die erlittenen Scharten auszuwetzen. 10. September. Der 10. September 1870 ist in der Kriegsgeschichte des großen Jahres 1870/71 einer der wenigen Tage, an dem nichts Besonderes Passirt ist. Es ist nur zu melden, daß die Festung Toulon an diesem Tage stark beschossen wurde und daß die Ex kaiserin Eugcnie in Ostende ankam, um von da nach England zu gelangen. Es ist auch eine Ironie des Schicksals, daß diese Frau, aus deren Drängen der Krieg mit zurück zu führen ist, bei dem Sturze der Dynastie in Paris bereits so wenig Macht besaß und selbst so wenig bereits galt, daß sie gänzlich unan gefochten aus Paris verschwinden konnte. Auf Irrwegen. Original-Novelle von Claire Gerhard. (9. Fortsetzung.) Da sie noch immer der Ansicht lebte, Nora könne an der Seite des Professors nicht glücklich werden, so hoffte sie auf eine Lösung des Verhältnisses und hielt es nicht für Unrecht, durch gelegentliche, wohl überlegte Bemerkungen Noras Eifersucht zu steigern. Der alte Freiherr merkte nichts von diesen Seelen vorgängen, aber eines Tagcö fiel es ihm doch auf, wie blaß und still sein Töchterchen geworden. Um sie zu zerstreuen, schlug er ihr vor, mit ihr in des Professors Wohnung zu fahren, da man schon lange die Absicht gehabt, dieselbe zu besichtigen. Hastig willigte Nora ein, und da die Freifrau mit Erich gerade einen Besuch machte, so fuhren Vater und Tochter ungehindert nach der Bismarck straße, in der Walkens Haus lag. Der Professor erhob sich erstaunt von seinem Schreibtische, als man ihm den Freiherrn und Nora meldete, und eine unsägliche Freude malte sich bei deren Eintritt auf seinem Antlitz. „Nora, mein Lieb, Du kommst zu mir? Wie soll ich Dir danken?" Sie antwortete nicht, aber sie schlang die Arme um seinen Nacken und küßte ihn lange und innig. Der Freiherr war inzwischen rücksichtsvoll an das Fenster getreten und hatte wohlgefällig den schönen Garten gemustert, der sich hinter dem Hause erstreckte. Nachdem ein Diener auf des Professors Geheiß einen kleinen Imbiß servirt hatte, führte Walren seine lieben Gäste durch alle Zimmer seines geräu migen Heims. Sie waren geschmackvoll, wenn auch ohne Ueberladung eingerichtet, jedes Stück zeigte vom feinsten Geschmack und ter alte Freiherr nickte immer befriedigter. Auch Nora war allmählich lebhafter geworden, eine sanfte Röthe erschien auf ihren Wangen und Walden fühlte sich wieder so glücklich, wie es lange nicht der Fall gewesen. Am Ende der langen Reihe der Gesellschasts- und Speisezimmer zeigte er schließlich einen allerliebsten kleinen Salon und daneben ein reizendes Boudoir. „Hier, mein Liebchen, soll Dein spezielles Reich sein," sagte er zärtlich zu Nora, die einen entzückten AuSruf hören ließ. „Gebe nur Gott, daß ich Dich bald hier haben könnte! Wie wollt' ich Dich hegen und pflegen, mein Vögelchen!" Sie sah ihm dankbar in die Augen und ging an seinem Arme wieder zurück in sein Studirzimmer. Hier zeigte er ihr all seine gelehrten Schätze, daneben die Werke der Klassiker und der modernen Dichter. Ganz in der Ecke des Bücherschrankes stand ein kleines, rothgebundenes Büchlein, welches NoraS Neu gier erregte. Bei ihrer Frage nach seinem Inhalte färbte ein leichtes Roth Waldens gebräunte Wangen. „Das Buch enthält meine eigenen poetischen Jugendsünden." „Wie, Herbert, Du bist auch ein Dichter?" „Mein Lieb, wer ist es nicht einmal in seinem Leben? Die überschäumende Daseinslust und Kraft treibt wohl jeden Jüngling zu poetischen Versuchen, aber ich muß Dir zu meiner Schande gestehen, daß die meinigen gar keinen Werth haben." „Aber für mich haben sie dennoch Werth. Bitte, gieb sie mir!" bat Nora.