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unbewohntes Bauerngut neben der Tippnerschen Brauerei in Asche gelegt worden. — Dresden, 22. August. Heute Nachmittag um 5 Uhr erfolgte vom Georgplatz ab die erste offi zielle Probefahrt mit dem neuen, durch Elektrizi tät getriebenen Straßenbahnwagen unter Leitung des Direktors Paul Clauß und de« Inge nieurs Huber. Auf dem Abfahrtsplatze hatte sich ein zahlreiches Publikum cingesunden, welches den elegant gebauten Wagen betrachtete und der Abfahrt harrte. Zur Probefahrt hatten sich außer den oben genannten Herren eingefunden Amr-Hauptmann Geh. Reg.-Rath v. Thielau, Bürgermeister Bönisch, Stadt- räthe Grabowski, Tcucher und Friedrich, RegierungS- rath Hausmann, vom Verwaltungsrath Konsul Knoop, vr. Wolff und Wiedemann, mehrere Techniker, Ver treter der Presse u. A. Nach kurzer Begrüßung von Seiten des Direktors Clauß und einigen erklärenden Worten über die Einrichtung deS Betriebes und die Art des Systems von Seiten des Ingenieurs Huber bestiegen die Fahrttheilnehmer den Wagen, der sich alsbald in Bewegung setzte. Unter Aufwendung nur der halben Kraft geht er im Zeitmaß der jetzigen Pferdebahnwagen; bei voller Kraft läuft er mindestens noch einmal so schnell. DaS Anhalten, selbst ohne Gebrauch der Bremse, durch einfache Abstellung des elektrischen Motors, geschieht mit größter Schnellig keit, wie überhaupt die ganze Handhabung des Re gulators der elektrischen Kraft überaus sicher und einfach vor sich geht. Nach kurzem Aufentbalt am Böhmischen Bahnhof fuhr der Wagen zurück bis Blasewitz. Während die Tour nach dem Bahnhof vom Erfinder der Accumulatoren, Ingenieur Huber, selbst geleitet wurde, übernahm auf der Rückfahrt Direktor Clauß die Führung. Der elektrisch betriebene Wagen, welcher von morgen ab von der alten Dresd ner Straßenbahngesellschaft in Betrieb gestellt wird, ist ein 20sitziger Decksitzwagen, welcher, einschließlich der Stehplätze auf den Perrons, für 50 Fahrgäste Raum bietet. Die Betriebskraft wird von dem Wagen in einer unter den Bänken aufgestellten Accumulatoren - Batterie mitgeführt. Die in den Accumulatoren, die mitsammt ihrer gesammten Aus rüstung fertig im Dienst 1660 kg wiegen, aufge speicherte, nutzbare Energie entspricht rund 40 Pferde- kräfte-Stundcn, so daß dieselbe, da für den Betrieb deS Wagens durchschnittlich 8 Pferdekräfte erforderlich sind, für 5 Stunden Fahrzeit ausreicht. Der Wagen wiegt mitsammt Accumulatoren 7500 kg und wird durch 4 Stück Glühlichtlampen erleuchtet, die aus den Accumulatoren gespeist werden. Hervorzuheben ist, daß der Wagen äußerst ruhig läuft und nur ein ganz geringes zischendes Geräusch verursacht, das nach wiederholtem Fahren noch mehr gemildert wird. Die Pferde, welche dem fahrenden Wagen begegneten, scheuten nicht im mindesten, was sehr wichtig ist, denn nach und nach sollen mehr elektrische Wagen in Betrieb gesetzt werden, und die ungewöhnliche Er scheinung eines ohne Pferde bespannten, fahrenden Wagens hat oft bei Pferden das Scheuen verursacht. — In der letzten Sitzung des Gemeinderathes zu Plauen bei Dresden berichtete der Vorsitzende über verschiedene unter den Mitgliedern der dortigen „freiwilligen Feuerwehr" stattgefundcne unlieb same Vorkommnisse und mehrfach zu Tage getretene Gesinnungen, welche die Erfüllung der dem CorpS obliegenden Verpflichtungen — sei es im Feuerlösch dienste oder in dem ihm in besonderen Fällen zu übertragenden Sicherheitswachdienste — bedenklich er scheinen lassen, und beantragte: „Der jetzigen „frei willigen Feuerwehr", das Recht bei Bränden als Feuer wehr thätig zu sein, zu entziehen und die der Ge meinde gehörigen Feuerlöschgerathe derselben ab zunehmen", welcher Antrag nach längerer Debatte einstimmige Annahme fand. Ein weiter gestellter Antrag: „Die Frage der Bildung einer neuen Feuer wehr einer fünfgliedrigen Kommission zu übertragen", wurde ebenfalls einstimmig angenommen, auch weiter noch bestimmt, daß bis zur Einführung der neuen neuen Feuerwehr die Stadt Dresden gebeten werden soll, bei verkommenden Bränden Hilfe zu leisten. — Riesa. Vom hiesigen Stadtrathe war be schlossen worden, zwei Ueberreste unsere« alten Riesa beseitigen zu lassen, nämlich die alte Schloß mauer, die sich um den früheren Schloßgarten herum zieht und früher das ganze Schloß umgab, und einen alten Wasscrthurm, der sich am sogenannten Po etenweg befindet und ein Pumpwerk enthält, durch welche- das Wasser in die Schloßbrauerei und in den Schloßgarten hinaufgehoben wurde. Möglicherweise hat der Thurm, der sehr alt ist, schon zur Zeit, al« das Kloster hier errichtet war, bestanden und zu Wach- und VertheidigungSzwecken gedient. Wenigsten« will man nachweisen, daß ein Gang von dem Kloster au« nach dem Thurme geführt habe. Nach Einrichtung unserer großen Wasserleitung, der auch die Schloß brauerei ihren Bedarf an Wasser entnimmt, hat der Thurm keinen Zweck mehr, er steht aber auch Nie mandem im Wege. Obwohl nun die Schloßgarten mauer, wie auch der Wasserthurm ziemlich baufällig geworden sind, haben sich die Stadtverordneten doch nicht entschließen können, zu der beabsichtigten Nieder- reißung ihre Zustimmung auszusprechen, haben viel mehr beschlossen, daß beide noch stehen bleiben und, soweit sie baufällig sind, ausgebessert werden sollen. In der Bürgerschaft ist man mit diesem Beschlüsse ganz einverstanden. — Meißen, 22. Aug. Die sächsische Gemüth- lichkeit ist sprüchwörtlich und gemüthlich ging es kürz lich nach einer Hochzeit zu, welche in einem an der Elbe gelegenen Restaurant gefeiert wurde. Vorzüglich hatte man sich amüsirt, Braut u. Bräutigam setzten mit den geladenen Gästen über den Elbstrom und man trat den Nachhauseweg an. Unterwegs nun entstand ein kleines Wortgefecht, welches schließlich so ausartete und an Umfang zunahm, daß an dem Ein gang zum Heim der jungen Eheleute die „gemächlichste Prügelei" entstand. Der neubackene Schwiegervater ließ es sich nicht nehmen, 12 Fensterscheiben entzwei zu schlagen, der Sohn schlug auf den Vater, die Frau auf den Mann los und die Hochzeitsgäste sekundirtcn dazu. Nur mit Hilfe des Gemeindevorstandes wurde es möglich, die Ruhe im Staate Dänemark wieder herzustellen. Noch heute erzählt man sich in Dorfe diese hübsche Hochzeitsgeschichte und freut sich über die 8 M. 60 Pf., welche der Herr Schwiegerpapa dem Glaser bezahlen mußte. — Aus Pirna schreibt man: „Das Fenster meines Schlafzimmers liegt genau nach Osten zu. Auf dem an das Fenster anstoßenden Tische stand unter Anderem eine gefüllte runde Wasserflasche und in unmittelbarer Nähe ein Strauß von getrockneten Gräsern sowie einige Holzschnitzereien. Als ich heute früh erwachte, bemerkte ich in der Richtung nach dem Tische schwache Rauchwölkchen, die sogleich meine Auf merksamkeit auf sich zogen. Dicht hinter der Flasche lag ein wollenes Reisenähzeug. Bei näherer Unter suchung gewahrte ich an dem letzteren einen Brand fleck in der Größe einer kleinen Erbse, von dem der Rauch auSging. Die Flasche hatte also an ihrem Standorte die Eigenschaften eines Brcnnglases er halten rind der Brennpunkt fiel gerade auf das Näh zeug. Wäre ich später erwacht, so war es ganz na türlich, daß durch die Hitze, welche sich durch die zum Brennglas gewordene Flasche allmählich vermehrte, die Brandstelle immer größer und schließlich beim Vorhandensein reichlicher Nahrung gefährlich wurde. ES konnte somit in dem bereits vor zwei Jahren schon einmal niedergebrannten Hause abermals eine Gefahr entstehen, deren Ursache zu ergründen nicht so leicht gewesen wäre. Hieraus schließt man, wie es zur Vermeidung von Unheil nöthig ist, runde Wasserflaschen nicht so zu stellen, daß sie unmittel bar von der Sonne beschienen werden. Bei eckigen Wasserflaschen dürfte die Möglichkeit einer Gefahr der erwähnten Art ausgeschlossen sein. — Rochlitz, 22. August. Nach langen Tagen banger Sorge hat jetzt endlich die Familie des Kan tors sm. Voigt in Mügeln bei Oschatz über das Schicksal des vermißten jüngsten Sohnes desselben, Oskar Voigt, die traurige Gewißheit erhalten. Oskar Voigt, welcher seit Ostern vorigen JahreS in Rochlitz als Lehrer angestellt ist, besuchte während der letzten Ferien seinen Bruder in Ottendorf bei Sebnitz und wollte spätestens am Sonnabend, 9. d. Mts., wieder bei seinen Eltern eintreffen, um von da aus den fol genden Tag nach Rochlitz zu reisen. Leider traf der junge Mann, obwohl er bereit« Donnerstag, 7. d. Mts., Ottendorf verließ, um, wie er seinem ibn bis Sebnitz begleitenden Bruder sagte, entweder direkt nach Dresden und der Heimath zu zu fahren, oder unterwegs noch einen Abstecher nach der Bastei zu machen, weder in Mügeln, noch in Rochlitz ein und erwiesen sich alle Nachforschungen als vergeblich. Die ser Tage hat nun die Elbe in Belgern bei Torgau die Leiche eines Mannes angeschwemmt, dessen Sig nalement ganz mit dem des vermißten Hlllfslehrcrs Voigt übereinstimmt, auch wurde .bei vem Tobten eine Taschenuhr mit dem eingravirten vollen Namen ihres Besitzers „Oskar Voigt" aufgefunden. Wo und auf welche Weise der bedauernswerthe junge Mann seinen Tod gefunden hat, dürste wohl nie ganz klar gestellt werden. — Von einem größeren Schadenfeuer wurde am Donnerstag Mittag Roßwein heimgesucht. Das Feuer war in einem Scheunenkomplex des „Hinter den Scheunen" genannten Stadttheils ausgebrvchen und verbreitete sich mit so rasender Schnelligkeit, daß in etwa einer Viertelstunde vier Scheunen, welche mit Ernteerträgnissen gefüllt waren, eingeäschert wurden. Den brennenden Scheunen konnte sich wegen der Gluth Niemand nähern, so daß sich die Arbeit der Feuerwehr nur darauf beschränken mußte, die benach barten Gebäude möglichst zu sichern. Da« nahe den Scheunen stehende Mühlstädt'sche Haus mußte ein gerissen werden, da e« zu brennen anfing, desgleichen riß die Feuerwehr noch einen Schuppen ein, um ein Weitergreisen des Brande« zu verhindern. Wie da» Feuer entstanden, konnte noch nicht ermittelt werden. — Auf schreckliche Weise ist die Bürgermeister- wittwe Denk in Löbau um'« Leben gekommen. Am Sonntag wollte sie, vom Gottesdienst heimkehrend, sich auf einem Petroleumkocher da« Mittagessen be reiten. Hierbei gericthen ihre Kleider plötzlich in Brand und sie hatte, ehe Hilfe erschien, so viele Brandwunden erlitten, daß sie ohnmächtig zusammen brach und de« Abend« unter sürchterlichen Qualen ihr Leben auShauchtc. — Da« Präsidium der Handels- u. Gewerbe kammer Plauen nimmt wiederholt Veranlassung, die Interessenten de» Bezirk« auf die vortheilhafte Benutzung der „Deutschen Levante-Linie", Hamburg für den Export nach der Levante nicht nur wegen der außerordentlich billigen Tarife dieser Linie, sondern auch wegen der durch die Kombination der Eisenbahn- und Seefracht gebotenen Erleichterung des Verkehrs aufmerksam zu machen. Von den zu dem Bezirke der Kammer gehörigen Stationen sind in die „Deutsche Levante-Linie" bi» jetzt Aue, Schwarzenberg, Crim mitschau, Klingenthal, Markneukirchen, Plauen oberer u. unterer Bahnhof, Reichenbach, Werdau u. Zwickau als Verbandsstationen, von denen aus direkt nach den Levante-Häfen verfrachtet werden kann, ausgenommen und ist seitens des Präsidiums die Aufnahme von Kirchberg beantragt werden. Die Tarife der Linie liegen auf dem Bureau der Kammer zur Einsicht nahme au«. Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. 26. August. l Nachdruck verboten.) Am 2«. August 1870 gelang es den zunächst mit der Maas armee des sächs. Kronprinzen operirenden zwei bayrischen Korps, die Verbindung mit genannter Armee herzustellen und somit war Mac Mahon die Möglichkeit genommen, sich mit allen Streitkräften allein aus die MaaSarmee zu werfen. Am selben Tage marschirte bereits der Kronprinz mit der dritten Armee aus die Ardennen zu, — die Einschließung der französischen Armee vollzog sich bereits, von einer Entsetzung Bazaines, einem Zusammenstoß der beiden Marschälle in der Gegend von Montmödy konnte keine Rede mehr sein, selbst wenn Bazaine nicht in Metz festzuhalten gewesen wäre. 27. August. Bereits am 27. August hätte Mac Mahon, wenn er bei dem Plane beharrte, nach Metz zu gelangen, eine entscheidende Schlacht wagen müssen, nach welcher er vielleicht noch erheb liche Trümmer seiner Armee retten konnte. Der Marschall er kannte seine Lage sehr gut: „Die erste u. zweite Armee (200,000 Mann) blockiren Metz, an der Maas stehen 80,000 Mann, um den Marsch der Franzosen aus Metz zu hindern, 50,000 Mann unter dem preußischen Kronprinzen wenden sich gegen die Ar dennen ; seit dem IS. keine Nachricht von Bazaine, in der Front Angriff der Metzer Armee und im Rücken der preußische Kron prinz." Mac Mahon beschloß deshalb aus Mezieres zurückzu gehen, Bazaine fallen zu lassen und je nach Umständen west wärts den Rückzug zu gewinnen. Der Plan war nicht un richtig und am 27. vielleicht noch gut aussührbar. Aber in Paris dekretirte Palikao, der vollendetste Heerverderber aller Zeiten: „Wenn Sie Bazaine im Stich lassen, ist die Revolution in Paris und Sie werden selbst von allen Kräften des Feindes angegriffen werden; es ist unerläßlich, daß Sie schleunigst bis zu Bazaine durchdringen können." Das war einfach Wahnsinn, was man von dem Marschall verlangte; aber er gehorchte. An diesen: Tage fand bereits ein siegreiches Gefecht sächsischer und preußischer Kavallerie gegen französische Reiterei bei Bu- zancy im Departement Ardennen statt. Auf Irrwegen. Original-Novelle von Claire Gerhard. (5. Fortsetzung.) V. Frühling und Sommer gingen den beiden Lieben den dahin wie ein schöner Traum. Walden war jetzt weniger beschäftigt und konnte häufiger bei Nora sein, die wie eine Rose immer lieblicher erblühte. Der Schatten, der an jenem Theaterabend auf ibr leuchten des Dasein gefallen, war verwischt, und halb ver gessen ruhte die Erinnerung daran in ihrem Herzen. Frau v. BrodinSka war ihr nie wieder begegnet und so glaubte und hoffte sie, daß dieselbe nur eine jener flüchtigen Frühjahrsgäste gewesen, wie sie die Haupt stadt gerade im Mai so zahlreich beherbergt. Immer mehr auch lernte Nora das hohe Glück schätzen, da« sie an der Seite eines Mannes wie Walden genoß; auch ihr kam zuweilen ein Vergleich zwischen dem Verlobten und dem Vetter in den Sinn, aber immer ging der erstere als Sieger daraus hervor. Walden betrachtete das Leben al« ein Arbeitsfeld, Erich schien es ein lachender Blumengarten, Walden hielt sich für einen sehr unvollkommenen Menschen, Erich sonnte sich im Gefühle seines eigenen Ich« — kurz, sie waren in jeder Beziehung die denkbar schroff sten Gegensätze. Nora beugte sich in Demuth vor des Geliebten Geist und gerade diese kindliche Hingabe rührte ihn tief und steigerte seine Liebe, sofern dieses noch mög lich war. Es störte ihn nicht, wenn er seine Braut oft im heitern Spiele mit dem Vetter fand; er gönnte ihrer Jugend den Frohsinn und den Verkehr mit der Jugend, und kein noch so leiser Schatten der Eifer sucht schlich in sein Herz. Im Juli machte die freiherrliche Familie mit dem jungen Offizier eine kleine Reise in den Harz und auch Walden machte sich frei und begleitete sie. Sie genoffen wonnige Tage in jener herrlichen Gegend, und wenn Erich pathetisch deklamirte: „Nur die Natur ist redlich," so lachten wohl alle über diese naive Art, seinen Enthusiasmus zu zeigen, aber sie theilten denselben. Zum Schluffe besuchte man noch DernburgShausen, da« Stammgut der Familie. Mit froher Rührung sah Walden die Stätte, auf der sein liebe« Mädchen erblüht, und bewunderte mit ihr alle jene Plätze, die ihr durch zahllose Erinnerungen ge weiht waren. Aber auch Erich sah all diese Orte wieder und eS ergriff ihn der Gedanke auf« lebhafteste, wie er al« Knabe geträumt, hier mit Nora dereinst zu Hausen, und zum erstenmal stieg ein bitterer Groll gegen Walden in seiner Seele auf.