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Geschrei der Mitfahrenden aufmerksam geworden, ließ den Zug halten, brachte die auf'S Tiefste be troffene Frau in ein besonderes Coupee und bis auf die nächste Station Rothenburg, wo ihr durch freund liche Bereitwilligkeit dortiger Bewohner zunächst an dere Kleidung beschafft wurde. Mit dem nächsten Zuge, 5 Uhr 13 Min., wurde alsdann die Frau nach Hof zurückbefördert. Der BerzirkSarzt aus Naila, welcher sofort telephonisch herbeigerufen worden war, leistete die erste ärztliche Hilfe und legte der verletzten Dame, welche sich nur noch schwer auf den Füßen zu erhalten vermochte, während der Fahrt die noth- wendigen Verbände an. Ob dieser Unfall, der sehr schlimm hätte ausfallen können, durch unvorsichtigen Umgang mit Cigarrcnfeuer oder durch Funken von der Locomotive oder durch sonst welchen anderen Um stand herbeigefllhrt worden war, wird kaum jemals aufgeklärt werden können. — Aue. Im Militärvcrein zu Zelle hat sich eine Krankenträgcrkolonne gebildet, der zur Zeit 18 Mitglieder angchören. Den Unterricht ertheilt das Ehrenmitglied des Vereins, llr. mocl. Pilling. In Gegenwart des Geheimen RegierungsratheS v. Erregern als Vorsitzenden des Landesvereines zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger und des Oberstabsarztes Ur. Fischer als militärischen Sachverständigen, sowie des Gemeinderathes von Zelle, des Vorstandes des Militärvercins rc. fand kürzlich durch Dr. Pilling eine Prüfung der Kolonne statt. Nack dieser nahm die Prüfungskommission Gelegen heit, sich äußerst anerkennend über die Leistungen der Kolonne auszusprechcn, und ebenso zollten sie der so verdienten Thätigkeit des I)r. mock. Pilling wärmsten Dank und lebhafteste Anerkennung. — Der Wahlverein zu Schneeberg und Umgegend ist laut Verfügung des StadtrathS zu Schneeberg auf Grund des sächsischen Vereinsgcsetzes vom 22. Novbr. 1850 aufgelöst worden. Die Auf lösung erfolgte wegen eines vor kurzer Zeit im Ver ein gehaltenen Vortrags über die Worte: Glaube, Wunder, Wissen, Macht. — Kirchberg. Ein unabsehbares Unglück drohte am Sonnabend gegen Abend einer Fabrik hier und der ganzen 'Nachbarschaft. Die Arbeiter nahmen plötzlich einen widerlichen Geruch wahr, welcher dem Maschinenhaus entströmte. Als man sich demselben näherte, fand man den Kessel hochglühend vor bei nur noch 3 Zoll Wasserstand, während das Wasser barometer ziemlich normal stand. Der Röhrengang zu demselben war jedenfalls verstopft. Nur mit großer Vorsicht wurde einer Explosion noch rechtzeitig Ein halt gethan. Der Kessel erhielt eine M->nge Risse und Sprünge, die zu beseitigen nach dem Gutachten eines Zwickauers Kesselschmiedcmeisters nahe an 1000 Mark kosten sollen. Ob und wieweit der Feuermann eine Schuld daran trägt wird die Untersuchung ergeben. — Zn Frankenberg wird diesmal mit der 20jährigen Wiederkehr des Sedantages zugleich die Enthüllung eines prächtigen Krieger- und Sieges denkmals feierlich begangen. DaS Denkmal kommt in dem zukünftigen, dermalen noch in der Anlage begriffenen Friedenspark zu stehen. Die Vorbereit ungen zu diesem Doppelfesttag werden schon eifrig betrieben. — In eine tief betrübende Lage ist die Fa milie eines Schneidermeisters L. in Plauen bei Dresden gerathen. Am vergangenen Donnerstag ist Herr L., nachdem er sich von seiner Familie im besten Gesundheitszustände verabschiedet, mit dem Sänger extrazug nach Wien gefahren, mit der Weisung, wenn irgend etwas Wichtiges sich ereignen sollte, ihm post lagernd zu telegraphiren. Da fügte es der Himmel, daß am Freitag Abend seine Gattin vom Schlage ge rührt warv und nach kurzer Zeit verschied. Natürlich wurde von den Angehörigen sofort nach Wien tele- graphirt, aber es war leider unmöglich, den unglück lichen Adressaten, welcher mit der jetzigen Frau bereits die vierte Lebensgefährtin verliert, zu erreichen. Es ist gar nicht zu vermeiden, daß eventuell noch vor der Rückkehr des beklagenswerthen Mannes die Beerdig ung stattfindet. — Gegenüber der gebrachten Darstellung einer Aenderung des Postnachnahme-BerfahrenS zu Gunsten einer Erleichterung bei kleinen Beträgen wird von Seiten Industrieller und Gewerbetreibender berichtet, daß die neue Einrichtung keineswegs als eine Erleichterung, sondern als eine starke Erschwer ung dieses Verkehrszweiges sich darstellt. ES war in dem erwähnten Artikel dargelegt worden, daß zur Vermeidung des UebelstandeS, daß kleine Beträge durch Briefmarken regulirt würden, die Post bei klei neren Nachnahmen eine Zwischenstufe geschaffen habe und für Nachnahmen bis zu 5 Mark nur eine Ver mittelungsgebühr von 10 Pf. erhebe. Demgegenüber stellen die Zuschriften übereinstimmend fest, daß, wäh rend früher die Nachnahmegebühren von jeder Mark O,o- Mark, abgerundet 0,»r Mark und im Mindest betrage 0,i<> Mark ausmachten, sodaß bei Sendungen bis 5 Mark nur 10 Pf. Spesen, bis 7 Mark nur 15 Pf., bis 10 Mark nur 20 Pf. zu erlegen waren, heute die entsprechenden Sendungen 20 resp. 30 Pf. Spesen kosten. Die Postverwaltung hat mithin die kleinen und wohl am meisten vorkommenden Nach- nahmespcsen in den zwei niedrigsten Stufen gegen früher um 100 Prozent und in einer Stufe um 33'/, Prozent erhöht, während nur bei höheren Beträgen eine Erleichterung eintritt. Nun ist es aber That- sache, daß verbältnißmäßig selten hohe Beträge durch Nachnahme geregelt werden, zumal, neben anderen Gründen, des Packetgcwichtes wegen größere Send ungen in mehrere Collis getheilt werden und daher auf jedes Colli kleinere Beträge entfallen. Die neue Einrichtung der Postverwaltung würde also gerade dazu dienen, der Begleichung durch Briefmarken neuen Vorschub zu leisten, während sie doch gegen dieselbe gerichtet sein soll. Eine weitere Folge ist die Mehr belastung der Maaren, die unter den heutigen Ver hältnissen doppelt unerwünscht sein muß. Wie wir vernehmen, ist diese Angelegenheit von Gewerbe treibenden bereits dem deutschen Reichskanzleramt unterbreitet worden. Amtliche Mittheilimgcn aus der 9. öffentlichen Staöt- ncrordneten-Zitzung am 13. August 1890. Anwesend: IS Mitglieder. Entschuldigt sind: 3 Mitglieder und unentschuldigt fehlen: 2 Mitglieder. Von Seiten des Raths anwesend: Herr Com.-Rath Hirschberg. Der Vorsitzende, Herr Kaufmann Richard Hertel eröffnet die Sitzung um 8 Uhr und beschließt das Collegium 1) nachdem Herr Com.-Rath Hirschberg daraus hinge wiesen, daß zur Verwendung des ganzen Sparkassenreinge winnes zu städtischen Zwecken die Genehmigung der Regierung aussichtslos sei, von dem Sparkassenreingewinn an I76IS M. 6V Pf. die eine Halste dem Reservesond und die andere Hälfte städtischen Zwecken zu überweisen, 2) dem Gesuche des Militärvereins um eine Beihilfe von 200 Mark zum diesjährigen 20. Sedanfeste bez. zum 40jährigen Vereinsjubiläum stattzugeben und 3) den Betrag von 108 M. 40 Pf. für Rouleaux im Schulgebäude nachzuverwilligen. Hierauf geheime Sitzung. Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. 21. August. (Nachdruck verboten.) Am 21. August 1870 fand das Gesicht der Korvette „Nymphe" mit französischen Kriegsschiffen in der Putziger Bucht statt. Das war so ziemlich alles, was die große französische Kriegsflotte innerhalb 66 Tagen leistete; mehr als lächerlich und schier unbegreiflich, wenn nicht die Leicht fertigkeit, mit der man französischerseits diesen Krieg begonnen, überall auch während des Krieges zu finden gewesen wäre. Eine Flotte, die, wenn nicht gut, so doch wenigstens energisch angewendet wurde, konnte immerhin den deutschen Küsten einiges zu schaffen machen. Es klingt fast unglaublich, aber es ist Thaisache: diese französische Flotte, von Befehlen und Gegenbefehlen hin und her getrieben, leistete absolut nichts und sie war erst recht machtlos, als sie auf das versprochene Landungskorps verzichten mußte, nachdem man in Frankreich jeden Soldaten nicht mehr zur Offensive, sondern nur noch zur Vertheidigung brauchte. Zwei Monate nach ihrem Aus laufen zog die französische Flotte ohne Sang und Klang wie der in ihrem Hafen von Cherbourg ein. 22. August. Am 22. August war Mac Mahon in Reims, wo ihn eine Depesche Bazaines vom 19. erreichte, die einen kurzen Schlachtkericht enthielt und schloß: „ich denke noch immer nördlich fortzukommen nach Montmödy." Bazaine hoffte sich aus Metz heraus nach Montmödy hinziehen zu können, wo er den Marschall Mac Mahon zu finden und sich mit ihm zu vereinen hoffte. Die beiden Marschälle lebten vom „Hoffen", wie das französische Volk, dem man mit einer Anzahl ge fälschter Berichte vom Kriegsschauplatz die wahre Lage ver barg. Die deutschen Befehlshaber und ihre Truppen ließen sich aber aus vage.Hoffnungen nicht ein, sie sagten nicht, was sie thun würden, sie thate». Montmody liegt nicht sehr weit von Sedan und von der belgischen Grenze und so war Mac Mahons Zug nach Montmvdy nichts anderes, als der Zug in die deutsche Gesangenschast. Das Lied ward That. Unter dieser Ueberschrift bringt das „Neue Wiener Tgbl." nackstehende Betrachtung über das Sänger bundesfest am Tage des Festzuges. Es schreibt: Wer je gezweifelt, daß der Wahlspruch deutscher Sängerschaft: „Lied wird,That, früh oder spat" ein Wahrspruch sei: der gestrige glorreiche Tag mußte ihn eines Bessern belehren. Das Lied ward That: diese herzerhebende Ueberzeugung entströmte jedem Munde, erglänzte aus jedem freudestrahlenden Auge, wallte zu den Lüften empor aus den Falten Hun derter mit Ehrenzeichen geschmückter Fahnen, die deutsche Manner aus der nähern Heimath, aus dem Reiche, aus den fernsten deutschen Ansiedlungen jen seits des Ozeans in den Lüften schwenkten. Die That aber ist die Verbrüderung Aller, die in deut scher Zunge reden, die Lieder der deutschen Dichter singen, deutsch fühlen und denken. Die That hat sich uns mit unauslöschlichen Zügen ins Herz ge graben, als an den Stufen unseres RathhauseS die Germania die Austria begrüßte, das Band der deut schen Frauen Wiens, da« Band des Deutschen Schulvereins den Sängern überreicht wurde. WaS war das ein brüderliches Grüßen und Gegengrüßen al« die große Schaar der strammen Berliner voraufzog! Dem Zurufe: Hoch Berlin! antwortete der Ruf: Hoch das deutsche Wien! Hoch da« schöne, da« liebe Wien, hoch die Wienerinnen, hoch die Wiener! Und als sich die Bayern mit ihrer Fahne nahten, al« die sangesfreudigen Schwa ben kamen, wie hoch loderte da die Gluth süddeut scher Empfindung hüben und drüben! Ja, Wien zeigte sich al« die alte deutsche Stadt, al« welche sie unser Bürgermeister in seiner Ansprache prie«; ja, es zeigte sich, daß Wien, wie er sagte, Sympathien genießt, wo nur immer Deutsche wohnen. Ja, Wien hat durch die Begeisterung, mir der es den Deut schen au« Böhmen zujubelte, wieder einmal gezeigt, daß es Alle ehrt, Allen dankt, die für die deutsche Sache streiten; es hat, indem eS den Brudergruß mit den deutschen Festgenossen aus Amerika und Rußland begeisterungsvoll tauschte, bewiesen, wie nahe seinem Herzen alle Deutschen stehen, so fern vom Strande der Donau sie auch wohnen mögen. Die Wiener haben auch die Ungarn mit nicht ge ringerer Freude begrüßt, als die Bundesgenossen, die ay ihrer Seite für die Größe des alten Habs burger Reiches kämpfen. DaS Lied ward That. ES stieg vor uns da« Bild des wahren Groß-Wien auf, als sich inmitten des großes Festzuges der Prachtwagen des Bürger meisters bewegte, ein wandelndes Symbol der herr lichen Metropole dieses Reiches, die gestern durch eine Triumphstraße von unvergleichlicher Schönheit ihre deutschen Gäste von Nah und Fern geleitete und ihnen das Schauspiel der herrlichen Kunst schöpfungen, mit denen sie sich geschmückt hat, eines warmfühlenden und ordnungsliebenden Volkes und des ewigen Schmuckes seiner Frauenschönheiten bot. Die Wiener dürften sich hinwiederum gerechten Stolzes an dem Festgruß erfreuen, den ihnen die Königsberger entgcgensangen: Von Deutschlands Norden kommen wir, Von Deutschlands fernem Osten. Es zoq uns mächtig hin zu Dir, Von Deinem Reiz zu kosten. Du schönes Wien am Donaustrom. Und mit vollem Herzen stimmen die Wiener in die männliche trutzige Weise ein: Ihr haltet an der Donau Wacht, Wie wir am Rhein und Riemen; Zusammenstehen in jeder Schlacht, Will deutschen Männern ziemen. Auf Irrwegen. Original-Novelle von Claire Gerhard. (4. Fortsetzung.) Nora hatte nicht lange Muße, ihren sehnsüchtigen Gedanken nachzuhängen; ein 'Neffe ihrer Mutter, Erich v. d. Recke, ein junger Marineoffizier, kam von seiner ersten größeren Seereise heim und nahm nur zu gern die freundliche Einladung des Freiherrn, seinen langen Urlaub theilweise in seinem Hause zu verleben, an. Erich war ein heiterer junger Mann, dem die Uniform ausgezeichnet stand, seine fröhlichen Augen bewiesen, daß er den Ernst des Lebens noch nicht kennen gelernt und sein frisches Lachen durch hallte bald das ganze Haus. Mit Nora stand er auf lustigem Neckfuß. Er war als Knabe viel auf ihrem elterlichen Gute ge wesen und hatte mit dem liebreizenden kleinen Mäd chen gar oft und schön gespielt. Nun war aus der zierlichen Else eine stattliche junge Dame geworden, die nach Erichs Geschmack nur etwas zu ernst war. Daß sie trotz ihrer achtzehn Jahre schon verlobt war, fand er sehr wunderbar. „Aber, Kousinchen," sagte er lachend, „ich hoffte. Du würdest auf mich warten. Als Du noch im Flügelkleide umhertänzeltest, nannte ich Dich ja schon meine kleine Braut." „Ach, Erich," gab Nora ebenfalls lachend zur Ant wort, „das ist schon etwas lange her, und sieh!" fügte sie neckisch hinzu, „ohne bestimmtes Treuversprechen konnte ich doch nicht auf Dich warten." In dem Tone ging es fort, aber Erich verbarg eS sich nicht, daß er gewaltsam neugierig auf den Herrn Professor sei, der sein Väschen im Sturme erobert. Endlich hatte Walden sich frei machen können und kam an einem späten Nachmittage in das Dernburg- sche Haus. Der Diener berichtete, die Herrschaften wären im Garten, und so trat denn auch Walden in denselben ein. Schon von weitem tönte ihm fröh liches Gelächter entgegen, und näher schreitend, sah er Nora mit ihrer Freundin, Fräulein von Stein, und dem jungen Marineoffizier eifrig Krocket spielen. Der letztere sagte eben mit komischem Ernste: „Meine Damen, ich muß aber entschieden um mehr Aufmerk samkeit bitten; tiefer Sinn liegt oft im kindschen Spiel," welches Citat einen neuen HeiterkeitSausbruch zur Folge hatte. Nora« sonst blasse Wangen waren von der Be wegung leicht geröthet, und wie sie so dastand im duftigen weißen Kleide, bot sie einen so entzückenden Anblick, daß Walden unwillkürlich leise ihren Namen rief. Den Ton der geliebten Stimme erkannte Nora sofort, aufjauchzend warf sie den Hammer hin und eilte Walden entgegen, sich stürmisch in seine Arme werfend. „Mein einzig Geliebter, hab' ich Dich end lich wieder!" Dann erst erglühte sie in holder Scham, vor den Zuschauern ihrer Freude so unverhüllten Ausdruck gegeben zu haben, er aber legte glücklich ihren Arm in den seinen und führte sie zum Krocket platze. Al« Nora so eilig entflohen, war der junge Offizier ganz erstarrt stehen geblieben. Neugierig musterte er den Näherkommenden. In der That, das mußte ihm der Neid lassen (und nei disch war der gute Erich augenblicklich in hohem Grade) dieser Walden war ein stattlicher Mann, nicht