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suchen. Man geht dabei geradezu missionircnd zu Werke; eS werden die Kranken oder die alten, dem Tode nahen Leute besucht und diesen Zweifel beige bracht, ob die vollzogene Kindertaufe eine gütige, seligmachende sei. So Mancher läßt sich dadurch bewegen, den Austritt aus seiner Mutterkirche anzu zeigen und sich dieser Sekte zuzuwenden. Besonder erfolgreich zum Abwendigmachen von der Mutterkirche soll die Zeit vom Herbste an sein, da von da ab die ländliche Bevölkerung mehr an das HauS gebunden ist und während der langen Abende beim Zusammen sitzen mehrerer Familien sich besonders gute Gelegen heit bietet, über die vermeintliche bessere Lehre zu reden. Bestechend mag für manchen einfachen Land bewohner die bei der Ceremonie der zweiten Taufe entfaltete äußerliche Feierlichkeit sein, da der erwachsene Täufling, mit einem weißen Tanfhemd bekleidet, in das fließende Wasser treten muß, um dann in dem selben untergetaucht zu werden. Der in obengenanntem Orte angestellte evangelische Seelsorger sucht mit allen Kräften der Verirrung seiner ihm anvcrtrauten Kirchen gemeindeglieder zu steuern. Derselbe Geistliche hat KindergotteSvienste eingerichtet, die sehr fleißig besucht werden; ein Harmonium wurde von der obersten Kirchenbehörde zu diesem Zwecke zur Verfügung gestellt. Hoffentlich vermindert sich die Zahl Derer, die, wohl oft nur aus Unkcnntniß, ihre so treusorgende Mutter kirche verlassen. — Zwickau. Den Passanten, welche heute früh ihren Weg über den alten Friedhof nahmen, bot sich ein ziemlich drastischer Anblick. In dem dort stehen den Hafer hatte sich ein dem Anscheine nach dem Arbeiterstande angehörender älterer Mann sein Rach quartier ausgesucht. Derselbe hatte jedenfalls am Abend ein Glas über den Durst getrunken, auf dem Nachhausewege aber da- Haferfeld für sein Bett an gesehen und dementsprechend Toilette gemacht. Das verwunderte, resp. verdutzte Gesicht des Liebhabers der freien Natur bei seinem Erwachen machte wirklich einen belustigenden Eindruck. Gewiß hat er sich recht frisch und munter gefühlt, da Jupiter pluviu8 in gefälliger Weise während der Nacht für ensprcchende Abkühlung gesorgt hatte. — Scheibenberg. In der am 1. August statt gefundenen Stadtgemeinderathssitzung beschäftigte man sich u. a. auch mit der Frage der seit längerer Zeit geplanten Erbauung eines steinernen AuSsichtS- thurmeS auf dem 807 in hohen Scheibenberge. Der Bau ist genehmigt worden. Die Ausführung desselben ist dem Baumeister Breitung in Annaberg übertragen worden und wird schon in den nächsten Tagen damit begonnen werden, so daß im Herbst die Uebergabe erfolgt. Der Aussichtsthurm wird aus Basalt erbaut und erhält eine Höhe von 21*/, Meter. — Auf der Haltestelle Unterzwola ist in der vergangenen Nacht der 38 Jahre alte Fabrikant Otto Meinhold aus Klingenthal tödtlich verunglückt. Der Hergang selbst ist zwar nicht genau festgestellt, doch wird angenommen, daß Meinhold, welcher mit dem letzten Zuge fuhr, in Unterzwota die Coupeethüre vorzeitig geöffnet hat und auSgestiegen ist, ehe der Zug richtig zum Halten gebracht war. Dabei ist ihm vom Trittbret die Brust eingedrückt worden, worauf er unter die Räder gerieth und mehrfache andere Verletzungen erhielt. Sein Tod ist nach ärzt lichem Ausspruch sofort erfolgt. Theater. Eibenstock. Herr Dir. Rupert Schmid bringt am nächsten Freitag „Die Jungfrau von Orleans" Hierselbst zur Aufführung; wir dürfen dieser Vorstell ung mit um so größerer Spannung entgegensehen, als uns ja die Direktion durch die Aufführung des „Graf von Hammerstein" bewiesen hat, mit welcher Pracht sie derartige Stücke auSstattet. Auch in der Jungfrau findet ein großer Prozessionszug statt; alles Nähere wird durch die TageSzettel bekannt gegeben. 1. Ziehung 2. Llassc Illi. Lgi. Lachs. Landes-Lotterie, gezogen am 4. August 1890. Z0,v«0 Mark auf Nr. 58378. 20,000 Mark auf Nr. 64273. 15,000 Mark auf Nr. ISI6I. 5000 Mark auf Nr. 423 53660 575S6. 3000 Mark auf Nr. 79 44759 46366 50948 96092 99859. 1000 Mark auf Nr. 11756 27317 27924 34471 39412 45959 50054 53338 58385 63504 66141 69288 71658 74780 83969 89559 92664. 500 Mark auf Nr. 3037 12I1I 14354 15307 I9I04 23864 25362 26409 26514 28023 30712 31095 32581 33080 37671 40II5 41804 43909 44837 54813 62312 73795 73371 81993 81349 86859 86177 90621 94866. ZOO Mark aus Nr. 918 5515 7342 8328 12267 I4I32 15334 17227 18840 22902 25427 29360 30388 32137 32687 34262 35013 35909 40456 40728 41357 43506 43225 44151 44684 45239 45338 45987 46368 46137 47852 50932 50138 52687 55312 56163 60698 65944 69744 75287 76982 77413 78448 85792 85981 9I6I8 91886 92681 93410 93351 94883 94504 94802 95820 9731I 98441 98990. 2. Ziehung gezogen am b. Juli 1890. 40,000 Mark aus Nr. 13535. 10,000 Mark auf Nr. 6325. 5000 Mark auf Nr. 23733 64565. ZOOO Mark auf Nr. 39210 53715 78685 82795. 1000 Mark aus Nr. 2590 10832 15964 22594 23454 24122 28313 35841 47517 49235 5I17I 62638 89369. 500 Mark auf Nr. N702 15420 23209 25207 33121 34686 34839 35226 44106 45633 57628 61531 62795 67317 76480 86689 87909 89480 92156 94133 97779. ZOO Mark auf Nr 2453 5374 8819 9013 12603 13375 24663 26858 28701 30484 30670 32452 32942 34149 38887 38714 39651 40644 40441 41346 47793 48738 49613 55192 56264 61768 61626 62091 63424 70092 71354 74233 74398 76989 77467 80619 84335 85495 87065 89976 93545 94951 95264 99717. Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. 7. August. (Nachdruck verboten.) Am 7. August konnte man Umschau halten und sich die Früchte und Folgen der Siege von Wörth und Spichern ver gegenwärtigen. Der Sieg von Wörth war entscheidend für den weiteren Gang des Feldzuges. Der rechte Flügel der französischen Gesammtaufstcllung war vollständig zertrümmert, von einer Vertheitigung Ker Vogesenpässe war nicht mehr die Rede. 9000 Gefangene, darunter 260 Offiziere, I Adler und 4 Fahnen, 28 Geschütze und 5 Mitrailleusen fielen in di« Hände der Sieger: 8000 Franzosen lagen todt oder verwundet aus dem Schlachtfelde , der Rest des rechten Flügels der ge schlagenen Arniee, von, übrigen Heere abgedrängt, wälzte sich in regelloser Flucht über Hagenau und weiter nach Straßburg, zu dessen Ccrnirung die badische Division sofort Befehl erhielt. I0I53 Mann mit 489 Offizieren hatte der Sieg der deutschen Armee gekostet, mehr als der Tag von Königyrätz. — Bei Spichern erreichte die Verlustliste aus deutscher Seite die furcht bare Ziffer von 4648 Mannschaften und 223 Offizieren, während die Franzosen 3829 Mann und 249 Offiziere verloren hatten, aber auch 1500 Gefangene in deutschen Händen ließen. Die Einwohner von St. Johann und Saarbrücken, unter deren Augen der Sieg erfochten wurde, erschöpften sich in den Werken der Liebe und Barmherzigkeit an Freund und Feind. General Frossard, von dem erzählt wird, daß er, als der Sturm auf Spicheren begann, zu Forbach ruhig beim Champagner ge sessen und die Meldung vom Angriff der Preußen mit den Worten „les xauorss 1'russieus!" erwidert habe, mußte, da die Forbacher Straße verloren war, auf Saargemünd zurück. Sticht ganz mit Unrecht haben später die Franzosen, die mit großer Bravour fochten, ihre theils unfähigen, theils leichtfer tigen Führer für ihre Niederlagen verantwortlich gemacht. 8. August. Unmittelbar nach der Schlacht bei Wörth hatte sich die badische Kavallerie gegen Straßburg ausgemacht und bereits am 8. August war sie vor den Thoren der Festung erschienen. Es wurde zunächst die Eisenbahn- und Tclegraphenlinie nach Lyon zerstört. Den Oberbefehl über die Belagerungsarmee übernahm General von Werder, dessen Truppen sich allmählich bis aus 50,000 Mann verstärkten. Die französische Besatzung bestand aus ca. 17,000 Mann, unter ihnen Flüchtlinge vom Schlachtfeld« zu Wörth, Mobilgarden und Nationalgarden. Die Vertheidigung leitete General Uhrich, geborener Elsässer, ein tapferer und entschlossener Offizier, der seine Pflicht in vollem Maße that, ohne indeß ein sonderlicher Stratege zu sein; er konnte das französische Wort, er werde sich Verthei digen, „solange ein Soldat, ein Zwieback und eine Patrone übrig bleibe", nur in sehr bescheidenen Grenzen verwirklichen. Zuerst von den Franzosen ganz unsinnig gepriesen, wurde er nach dem ganz unausbleiblichen Fall der Festung um so mehr beschimpft und heruntergerissen. Regeln für das Sparen. Die Regeln für das Sparen sind sehr einfach. Gieb weniger aus, als du verdienst! DaS ist die erste Regel. Immer sollte ein Theil des Verdienstes für die Zukunft bei Seite gelegt werden. Die nächste Regel ist: Bezahle alles baar, mache unter keinen Umständen Schulden! Wer Schulden macht, läuft leicht Gefahr, betrogen zu werden, und ein gewohnheitsmäßiger Schuldenmacher setzt seine Ehre aufs Spiel. Fast nirgends in der Welt findet sich ein solcher Hang zum Borgen, wie in Deutschland und der Schweiz; der Sohn erlernt das Borgen schon vom Vater, die Tochter von der Mutter; es borgt jeder. Unser ganze« Geschäftsleben berubt zum großen Theil auf Borg und zwar auf übertriebenem Borg. Bäcker und Fleischer, Cigarrenhändler, Schuster u. Schneider, sie alle müssen ihre Waare auf Borg geben, und eS sind noch ordentliche Leute, welche viertel- oder halb jährlich zahlen. Das Borgen und sogar das lange Borgen wird als etwas selbstverständliches angesehen, daß man sich betroffen fühlt, wenn ein Kaufmann nach langem Warten sein Geld verlangt. Sehr ent rüstet macht man dem Lieferanten dann die heftigsten Vorwürfe und dieser muß, um die Kundschaft zu be halten, sich noch unterthänigst entschuldigen. Da sind aber grundfaule Zustände, die nicht nur am innersten Mark unseres Geschäftslebens zehren, sondern auch das Familienglück vielfach zerstören. Kauft eine Familie nur gegen baar, so richtet sie sich ein mit dem, was sie hat, und sie wird sogar auch bei be scheidenem Einkommen einen Nothgroschen zurücklegen. Ist sie aber einmal auf dem Weg des Borgens ge- rathen, so eilen die Bedürfnisse den Mitteln stets voraus. Der Kaufmann khut da« seinige, seine Maaren anzupreisen; mit dem Bezahlen hatS ja keine Eile, und man kann cs gerade gut gebrauchen! So gehtS denn auf der schiefen Ebene weiter; e« treten außergewöhnliche Fälle ein, die Verschuldung steigt; da« darf aber ja Niemand merken; einschränken kann man sich nun nicht mehr, man würde ja den Kredit verlieren; und die Schande, von sich sagen zu lassen, daß man nicht mehr in der bisherigen Weise leben könne! Also wird womöglich erst recht flott gelebt, „um de- Kredits willen." Weiter ist zum richtigen Wirthschaften nothwendig, daß man über alle Einnahmen und Ausgaben Buch führt. Ein ordnungsliebender Mann kennt im Vorau» seinen Bedarf, weiß aber auch, über welche Mittel er zu verfügen hat. Das verhindert, daß seine Aus gaben die Einnahmen überschreiten. Der Sinn für die Buchung der hauswirthschaftlichen Ausgaben fehlt aber noch in weiten Kreisen. Während einerseits der Arbeiter sich sagt: „eS nützt mir doch nicht», ich komme immer nur knapp au»", glauben die mittleren und oberen Bevölkerung-klassen der Mühe einer ge strengen Buchführung, vom entgegengesetzten Gesichts punkte au» überhoben zu sein. Und doch ist unleug bar in allen Klassen der Gesellschaft eine richtige Buchführung von der höchsten Wichtigkeit und vom größten Nutzen. In der Haushaltung ist sie insbe sondere Sache der Frau, die mit ordentlichem Sinn den Gewinn mehren soll. Für die Arbeitsfrau mag eS wohl oft schwer sein, mit dem wenigen Gelde, welches ihr der Mann' geben kann, hauszuhalten; aber sie möge eS einmal versuchen, ihre Ausgaben genau, zu buchen, da wird sie bald finden, daß sie für manche Dinge nicht so viel auSgeben kann und daß sie bei einem Vergleich über Preisvermerkungen viel Leben-mittel Vortheilhafter einzukaufen und zu verwerthen vermag. Für die Frauen in den mittleren und höheren Ständen gilt dies aber noch mehr. Zu den wirthschaftlichen Vortheilen einer geordneten Haus haltung kommt hier noch die sittliche Bedeutung einer solchen, die erzieherische Wirkung, welche ein Einblick in die Rechenwirthschaft des Hauses auSzuüben vermag. Die Hausfrau mag die Ausgaben nach der Reihe anschreiben, ihre Tochter aber mit der monatlichen Aufrechnung nach Ausgabeklassen beauftragen und diese Arbeiten überwachen. An der Hand einer solchen Uebersicht, sagt der hochverdiente Statistiker Or. Ernst Engel, läßt sich, wenn Einschränkungen im Haushalt gebieterisch nothwendig sind, bald entdecken, wo der Hebel des Sparens am besten mit Erfolg und ohne PreiSgcben anderer wichtiger Zwecke der Familie und der Haushaltung einzusetzen ist. Ein realistischer Zug ist das Gepräge unserer Zeit, und auch die Frauen haben gelernt, in Wort und Schrift sich an Aufgaben der Volkswirthschaft zu betheiligen u. ihren Theil an diesen Aufgaben sich klar zu machen. Aber wie sehr auch das Wirken der Frauen im öffentlichen Leben, ihre Theil- nahme an der Armen- und Krankenpflege anzuer kennen ist, ihr eigentliches Feld bleibt doch der Herd des Hauses und von ihm aus vermögen sie am nach haltigsten auf das soziale Leben des Volkes einzu wirken. Mögen sie eS lernen, hier in ihrem Kreise durch vernunftgemäße Führung der Haushaltung den Forderungen der Zeit gerecht zu werden. Auf Irrwegen. Original-Novelle von Claire Gerhard. (I. Fortsetzung.) ES war eine selige Stunde; danach aber kam ein harter Kampf. Die Ettern Noras waren wohl dem Retter ihres Kinde- von Herzen dankbar; aber daß er dasselbe zum Weibe begehrte, erschien ihnen als etwas Undenkbares, Unmögliches. Auferwachsen in den größten StandeSvorurtheilen, waren sie gewöhnt, einen Bürgerlichen als tief unter ihnen stehend zu betrachten, und ein solcher sollte nun ihr Schwieger sohn werden! Es dünkte ihnen sehr hart und schwer, aber sie liebten ihr Kind innig, und als sie sahen, wie Nora bei ihrer anfänglichen Weigerung in voll ständigen Trübsinn zu verfallen drohte, gaben sie endlich schweren Herzens ihre Einwilligung. Sie fanden den schönsten Lohn in der Seligkeit der jungen Braut, in der aufrichtigen Ergebenheit WaldenS, und seine Berühmtheit tröstete sie ein wenig über seinen bürgerlichen Namen. So waren dem Brautpaare einige Wochen in der seligsten Zurückgezogenheit verflossen; der Professor, der schon geglaubt, mit ollen Freuden des Lebens abgeschlossen zu haben, erkannte nun erst, wie schön das Dasein sein könne, und Nora hing an ihm mit einer so zärtlichen, hingebenden Liebe, daß er sich oft wie verzaubert vorkam. Am liebsten allerdings hätte Walden die holde Rose gleich in sein Heim verpflanzt, er konnte so wenig bei ihr sein, und wenn Nora auch einsichtig genug war, sich nicht zu beklagen, wenn die Kranken ihr den Geliebten raubten, so lag doch eine Wolke auf ihrer schönen Stirn, wenn ein Tag verstrich, ohne ihr denselben gebracht zu haben. Jedoch die Eltern wollten die kaum erwachsene Tochter nicht so bald entbehren, wünschten auch, daß dieselbe ihr Leben noch mehr genießen sollte, und so mußte sich Walden fügen. Alle diese Erinnerungen und Erwägungen beschäf tigten des Professors Geist, während sein Auge mit Zärtlichkeit auf dem gesenkten Köpfchen seiner lieb lichen Braut ruhte. - II. Indessen war die Handlung auf der Bühne immer weiter vorgeschritten. Zweimal schon hatte der Heer rufer mit markigem Tone seine Aufforderung an den unbekannten Bertheidiger Elsas ergehen lassen und nun kam Lohengrin, der Schwanenritter, in schimmern der Rüstung in seinem Nachen auf der blinkenden Fluth dahergeschwommen, begrüßt von der jubelnden Menge. In athemlosem Schweigen erwartete dann da- Publikum die ersten Worte Lohengrin» und mit weicher und doch mächtiger-Stimme setzte dieser seinen Abschiedsgruß ein: „Nun sei bedankt, mein lieber Schwan." Da plötzlich ging mit lautem Geräusch eine Logenthür de» ersten Range» auf und lachend und plaudernd trat eine schöne Frau, gefolgt von einigen Kavalieren, bi- dicht an die Brüstung und nahm den Dernburg» gegenüber Platz. Aeußerungen de» Unwillens drangen zu den Störern empor, die ihre Unterhaltung nun ein wenig dämpften, aber viele