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von dort mußte ich die Fahrt nach F... per Wagen fortsetzen. Da« Wetter war bi« gegen Mittag herrlich. Bei meiner Ankunft in Gmunden jedoch belehrten mich dichte, um da« altehrwürdige Haupt de« Traun stein« sich ansammelnde Wolkenschleier, daß ein Witterungswechsel in naher Aussicht stehe. Ich über legte, ob ich noch heute hinauf in die Berge solle oder besser thäte, in meinem gewöhnlichen Absteige quartier beim »Goldenen Brunnen" zu nächtigen. Die bewährten Wetterpropheten de« Ortes, welche ich zu Rathe zog, schüttelten zwar die Köpfe, meinten aber schließlich der überwiegenden Mehrzahl nach, e« werde vor Nacht« nicht« kommen. Ich entschloß mich in Folge dieser tröstlichen Versicherung zur Weiter reise und that wohl daran. Während meine« Wege« trübte sich zwar der Horizont in ziemlich bedenklicher Weise und nach Verlauf kaum einer Stunde war auch die Sonne hinter schwarzen Wolken unsichtbar geworden, doch erreichte ich mein Ziel mit heiler, will in diesem Falle sagen, trockener Haut. Mit großer Herzlichkeit empfing mich Hellberg. Kaum jedoch saßen wir bei einem fetten Truthahn mit trefflichem Salat, wobei wir auch de« perlenden Rebensaftes nicht schonten, als auch schon da« Un wetter mit einer Heftigkeit losbrach, wie man ein solches nur im Gebirge zu erleben pflegt. Der Sturm heulte, die Blitze jagten einander, unaufhör lich fast rollte der Donner, wolkenbruchartig ergoß sich der Regen. Der Pfarrer war aufgestanden und an das Fenster getreten, um in das tolle Treiben der Elemente hin auszublicken. Al« er zum Tische zurückkehrte, war er blässer geworden. Ein Held war mein guter Marlin nie gewesen, doch bin ich geneigt, die« mehr auf Rechnung seiner schwachen und ziemlich erregbaren Nerven zu setzen, al« daß ich glaube, es habe ihm zeitlebens an Muth gefehlt. „Ein Wetter draußen, daß man keinen Hund vor die Thüre jagen sollte!" sagte Hellberg, mir gegen über seinen früheren Platz wieder einnehmend und au« seinem Weinglase einen herzhaften Zug machend, der da« entschwundene Roth wieder auf seine Wangen zurückbrachte. „Desto angenehmer ist das Gefühl, in behaglicher Stube zu sitzen," erwiderte ich, wie um meinen Aus spruch zu illustriren, mich bequem in meinen riesigen Sorgenstuhl zurücklehnend. „Ich bin nur froh, von diesem Regen nicht unterwegs ereilt worden zu sein." „Wenn nur heute kein Versehgang zu macken ist," meinte der Pfarrer mit sorgvollem Blicke nach dem Fenster. „Es wäre mir nicht nur sehr unan genehm, Dich heute, am ersten Abend unseres Bei sammenseins, verlassen zu müssen, sondern es fällt mir, aufrichtig gestanden, in meinen Jahren auch nimmer leicht, des Nachts zuweilen einige Stunden beschwerlichen Weges machen zu sollen, besonders bei solch' einem Unwetter. Seit drei Wochen bereits befindet sich mein Kaplan als Aushilfe beim schwer erkrankten Pfarrer in M ; Alles ruht somit auf meinen Schultern." „Giebt es gegenwärtig gefährliche Kranke in Deiner Pfarrgemeinde?" „Dermalen, Gott sei gedankt. Niemand." „Dann wollen wir hoffen, heute ungestört einen gemächlichen Abend zu verbringen." Es war, als hätte ein hämischer, schadenfroher Satan diesen Wunsch gehört, denn in diesem Augen blick drang der schrille Schall der Hausglocke, das draußen herrschende Getöse und Gebrause übertönend, an unser Ohr. Stumm blickten wir einander an, dann ließ der Pfarrer sein ergrautes Haupt auf die Brust sinken und faltete ergeben die Hände. „Vielleicht nur ein Besuch," suchte ich zu trösten. „Zu dieser Stunde kommt Niemand mehr zu mir," schüttelte Hellberg den Kopf. „Ich erkenne zudem schon an der Art des Läutens, eS sei Jemand, der große Eile bat." Die Thür öffnete sich und, von der Köchin ge leitet, kam, den Hut in der Hand, ein vom Regen triefender Knecht herein. Der Pfarrer hob ein wenig den Schirm der Lampe, um dem Eintretenden in'S Gesicht sehen zu können. „Oho, Hiesel, Du bist'-?!" rief Hellberg bei dessen Anblick erstaunt. „Ist denn etwas geschehen?... Gestern noch war ja in der Mühle Alles gesund?!" „Vor einer Stunde war dort noch Alles wohlauf, Hochwürden," erwiderte der Knecht. „Den ganzen Nachmittag war heute der Müller im WirthShause. Am Zuhausewege ist er dem Rande des Leitergraben zu nahe gekommen und abgestürzt. Der Kopf ist ganz zerschlagen und der Müller jeden Augenblick zum AuSlöschen." „Wenn die Sachen so stehen, so komme ich gleich," sagte, sich mit einem Seufzer erhebend, der Pfarrer. „Geh' indessen in die Küche, Hiesel, und laß' Dir dort ein Glas Wein zur Stärkung geben. Dann lauf' hinüber zum Meßner, er soll sich gleich bereit machen und die Kirchenschlüssel mitnehmen. In fünf Minuten bin ich bei Euch, und wir machen uns dann zusammen aus den Weg." Der Knecht ging. „Zum Glücke ist die Koglmühle nicht sehr weit. 2n zwei Stunden kann ich wieder zurück sein . . . Wenn ich nur noch zurecht komme," fügte der Pfarrer hinzu, bei dem der Pflichteifer begann, alle anderen Empfindungen und Bedenken in den Hintergrund zu drängen; „der Koglmüller hat gar viel auf seinem Gewissen und ich fürchte, er wird einen harten Stand haben, wenn er vor den Richterstuhl des Allmächtigen treten muß." „Ich entsinne mich, wenig Gutes über den Müller gehört zu haben." „Und das leider nicht mit Unrecht... Er ist allerdings der reichste Mann der ganzen Umgegend, aber an diesem Gelde hängen die Thränen vieler Wittwen und Waisen und gar manche brave Familien väter, die er in Elend und Unglück gestürzt. Gab e« 'mal eine Mißernte oder ließen sick die Steuern nicht gut aufbringen, so war auch schon der Kogl müller Hans zur Hilfe bereit, doch beileibe nicht aus christlicher Barmherzigkeit und 'Nächstenliebe. . . . Wehe dem, der in der Bedrängniß diese Hand ergriff, Rettung von ihr erwartete. Wie die Spinne eine arme Fliege hielt er sein Opfer umgarnt, bis er diesem den letzten Blutstropfen auSgesaugt. In dieser Weise sind viele Leute um HauS und Hof gekommen und zu Bettlern geworden. Ich habe nichts unver sucht gelassen, den Müller von seinem verruchten Treiben abzubringen, doch hieß daS so viel, als wollte man Erbsen an die Wand werfen. Jetzt scheint seine Stunde geschlagen zu haben und wie so mancher Andere, erhofft auch er für die Vergehungen eine ganzen Lebens Heil und Rettung von der Religion, welche früher für ihn nur ein Gegenstand des Spottes gewesen.... Doch ich muß mich beeilen.... Gute Nacht, mein Lieber!" „Nicht doch, sondern auf Wiedersehen. Ich will Deine Rückkehr erwarten und ein Glas Glühwein bereit halten, das Dir nach dieser Wanderung nicht schlecht bekommen wird. Inzwischen gehe ich in Dein Bibliothekzimmer und vertreibe mir die Zeit mit einem Buche." (Schluß folgt.) Vermischte Nachrichten. — Berlin, 20.Juli. Ein geheimnißvoller Mord beschäftigt seit Mitternacht die hiesige Krimi nal-Polizei. Der bis jetzt noch nicht völlig aufge klärte Thatbestand ist folgender: „Gestern, Sonnabend, Abends gegen 11 Uhr hörten Spaziergänger im Thiergarten, in der Nähe des Goldfischteiches kurz hintereinander zwei Schüsse fallen. Als man dem Schall nachging, fand man in der Großen Quer- Allee, nahe der Bellevue-Allee, zwischen Flora-Platz und Kemper-Platz mit dem Gesicht nach der Erde zugewendct, eine gut gekleidete Dame in einer Blut lache liegend vor. Die schwarzgekleidete Dame hatte kurz geschorenes Haar und ein kleines schwarzes Kapothütchcn mit rothen Blumen verziert. Man glaubte zunächst es mit einer Selbstmörderin zu thun zu haben; doch als man an der Leiche außer zwei Schußwunden in der Brust auch noch einen riesigen Schnitt an der rechten Halsseite bemerkte, welcher nach dem ersten Augenschein nicht selbst bei gebracht worden sein konnte und welcher schon allein den sofortigen Tod hcrbeigeführt haben mußte, war es zweifellos, daß hier ein Mord vorlag. Hierauf deuteten auch die Hilferufe, welche den Schüssen voraufgegangen waren. Zwei Mal hatte daS un glückliche Opfer einen Schrei von sich zu geben ver mocht. Die Spaziergänger, mehrere Herren, riefen nun Schutzleute herbei, welche den Mordplatz ab sperrten und die Kriminal-Polizei telegraphisch be nachrichtigten. Schnell war Kriminal-Inspektor von Meerscheidt-Hüllessem mit seinen Unterbeamten zur Stelle und die Recherchen begannen. Zunächst wurde konstatirt, daß es sich nicht um einen Raubmord handeln konnte. Denn mau fand bei der Tobten alle Werthsacken vor; so die goldene Damenuhr mit kurzer goldener Kette, das Portemonnaie mit 60 Pfg. Inhalt, eine Streichholzschachtel und einen Schlüssel. Die Uhr hatte drei Goldkapseln und war nicht stehen geblieben; sie zeigte genau die Zeit. In dem Porte monnaie fand man nur einen Gegenstand, welcher zur schnellen Jdentifizirung der Leiche führen konnte. ES war ein schwerer goldener Trauring, in welchen Name u. Verlobungstag eingravirt war: „A. Wende 1887." Die Strümpfe waren „)1. ö." gezeichnet. Nunmehr ordnete Kriminal-Inspektor von Meerscheidt- Hüllessem die Revision sämmtlicher auf Wende lau tender, auf dem Einwohner-Melde-Amt verwahrten Registerblätter nach. ES gab deren Viele, doch endlich fand man ein Registerblatt, welche« lautete: Marie Wende, geb. Berndt, Postschaffnersfrau, Ber lin, Jnvalidenstr. 32, wohnhaft. Nur diese« konnte die Tobte sein, und als man an der Wohnung klingelte, wurde nicht geöffnet. Man brachte nur in Erfahrung, daß Frau Wende, eine hübsche, volle Erscheinung, etwa 24 Jahre alt, am Abend in Be gleitung eine« bei ihr wobnenden Mädchen» das HauS verlassen hatte. Der Mann, Postsckaffner Wende, sollte am Abend nach Dresden gefahren sein. Nunmehr wurde die Leiche, nachdem auch noch die Beamten der Staatsanwaltschaft erschienen waren, nach dem polizeilichen Leichenschauhaus geschafft, dann nahmen die Recherchen ihren Fortgang. E» wurde noch festgestellt, daß der Ehemann bereit» Nachmittag« um 5 Uhr in dienstlicher Eigenschaft nach Dresden gefahren war. Trotz der eifrigst betriebenen Nach forschungen gelang eS bi« heute Mittag noch nicht, irgend eine Spur von dem Thäter zu ermitteln; auch der Revolver wurde nicht gefunden. Au« , Jüterbogk traf heute Mittag von dem Postschaffner Wende die telegraphische Nachricht ein, daß er am Nachmittag in Berlin eintreffen werde, und man hofft, durch seine Vernehmung etwa« Licht in die Angelegenheit zu bringen. Frau Wende hat mehrere Schwestern, welche in-Berlin verheirathet sind. Wende selbst ist ein noch junger, etwa ZOjähriger Mann von hübschem Aeußeren, mit großem, blonden Schnurr bart. ES scheint, daß der Beweggrund zu dem gräß lichen Mord Rache oder Eifersucht gewesen ist; Raub mord ist, wie schon Eingangs erklärt, ausgeschlossen. Die Nachforschungen nach dem Mörder sind im vollen Gange und beschäftigen eine große Zahl von Beamten. Bei den Recherchen kommt da« Vorleben der Ermordeten, sowie ihre Lebensart während der Ehe hauptsächlich in Betracht. Nach beiden Seiten hin haben wir Folgende« ermittelt. Die 21 Jahre alte Frau Wende war seit dem Jahre 1887 verhei rathet; die Ehe war kinderlos. Sie war keine Lie- besheirath eingegangen, im Gegentheil, sie hatte sich lange gesträubt und nur auf Betreiben ihrer Mutter Herrn Wende geheirathet, nachdem sie ein LiebeS- verhältniß gelöst hatte. Hausbewohner wollen von ihr den Ausspruch gehört haben: „Wer weiß, ob es nicht noch ein Unglück giebt." Sie brachte diesen Ausspruch damit in Verbindung, daß sie sehr oft Abends ausgehe, wenn ihr Mann verreist sei. Man will ferner wissen, daß Frau Wende sehr oft Herren besuche empfangen habe. Ihr Mann aber habe da von nichts gewußt, nur hätte er ihr öfter das Abend- auSgehen untersagt. Frau Wende selbst habe über ihren Mann stets Gutes gesprochen: er sei ein ruhiger, liebevoller Mensch, verwende sehr wenig für sich und bringe stets seinen ganzen Verdienst nach Hause. Trotzdem aber könne sie ihn nicht lieben, da sie ihn nie geliebt habe. Einen sehr wichtigen Anhaltspunkt glaubt die Polizei in dem Umstand zu erblicken, daß Frau Wende längere Zeit in ihrer Wohnung ein unter Sittenkontrole stehendes Mädchen beherbergt hat, mit welchem sie noch jetzt befreundet ist. ES wird angenommen, daß diese Person Aufklärungen darüber wird geben können, mit wem Frau Wende verkehrt hat. Man neigt nämlich zu der Ansicht, daß sie ein sogenanntes „festes Verhältniß" hatte und daß schließ lich eine Untreue nach dieser Seite hin ihren jähen Tod herbeigeführt habe, als der noch in geheimnißvolleS Dunkel gehüllte Galan Sonnabend Nacht mit ihr ein Rendezvous hatte und die Frau hierbei tief in den Thiergarten führte, um, einem vorgefaßten Rache plan folgend, die That zu vollbringen. — Potsdam. Ihres Haarschmuckes zum Theil beraubt wurde eine hiesige Arbeiterfrau durch einen leichtfertigen Scherz ihres Gatten. Derselbe hatte sich eine Cigarre angezündet und hielt das noch brennende Streichholz schäkernd gegen das hinten her abhängende Kopfhaar seiner Eheliebsten. Im Nu hatte dasselbe Feuer gefangen und griff so rapide um sich, daß, ehe sich der Mann von seinem Schrecken erholt hatte, um die Flammen ersticken zu können, ein großer Theil der Haare abgebrannt war. — Unter den Säugethieren erreichen nur wenige ein Alter von 30 Jahren. Aclter als der Mensch werden nur die Elephanten, welche 200 Jahre alt werden können und die Wale; vielleicht auch die Nilpferde und die Nashörner, Thiere die zum großen Theil nach Annahme der Gelehrten ein Ucberblcibsel einer vorangegangenen Periode auf dem Erdball sind. Ein ziemlich hohes Alter erreichen auch die Kameele; dagegen werden Hirsche und Pferde nur gegen 40, Rinder gegen 30, die mittelgroßen Säugcthiere wenig über 10 Jahre alt. Der Löwe z. B. wird etwa 35, das Wildschwein 25, das Schaf 15, der Fuchs 14, der Hase 10, das Eichhörnchen und die Mäuse 6 Jahre alt. Von den Vögeln zeichnen sich besonders Adler unv Papageien aus, die ein Alter von über 100 Jah ren erreichen können. Kanarienvögel und verwandte Singvögel werden bis zu 18, Hühner bis zu 12, Tauben bis zu 10 Jahren alt. Die Reptilien er freuen sich in ihren Schlupfwinkeln eines langen Le bens. Lurche, Kröten u. s. w. erreichen ein sehr hohes Alter, zumal die vollständige Entwickelung des Körpers bei den Lurchen bis zu dem 50. Lebensjahre sich er streckt. Auch bei den niedersten Wirbelthirren, den Fischen, sind Fälle hohen Alters bekannt. Man sagt, daß Hechte und Karpfen über 100 Jahre alt werden können. Dagegen ist die Lebensdauer der wirbellosen Thiere im Vergleiche zu der der Wirbelthierc eine kurze. Am ältesten werden noch die Muschelthiere, die 20 Jahre erreichen können, dagegen leben Droh nen höchstens 4 bis 5 Monate nnd die Bienenkönigin 2 bis 5 Jahre. Ameisen können 6 Jahre alt werden. 'Nach Stunden nur zählt das Leben der Eintagsfliege, und auch bei einigen Arten der Sackträger lebt der Schmetterling nur wenige Tage, ja oft weniger als einen Tag. Für eine große Zahl niederster Organis men endlich dauert das Leben so lange, al« die nöth- igen LebenSbedingungen vorhanden sind, sic können demnach gewissermaßen ewig lebeä.