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— In Dresden soll nach den Mittheilungen eine» Berliner Blattes eine starke Bewegung gegen das angeblich die Interessen der Arbeiter schädigende ösfentliche Auftreten deS Reichstagsabgeordneten Bebel im Gange sein. AuS der hiesigen sozialdemo kratischen Arbeiterschaft heraus soll auf dem nach Ablauf dcS Sozialistengesetzes stattfindenden Partei kongreß der Antrag gestellt werden, daß eS den her vorragenden Parteiführern untersagt werden soll, auf eigene Faust und ohne vorhergegangene Verständigung mit der Gesammtfraktion wichtige öffentliche Kund gebungen verlautbaren zu lassen. Dasselbe Blatt weiß zu melden, daß die Leitung der sozialdemo kratischen Reichstagsfraktion zu dem festen Entschluß gekommen sei, den 1. Okt., an dem das Sozialisten gesetz abläuft, möglichst ohne lärmende Kundgebungen verstreichen zu lassen und allen Parteigenossen anzu empfehlen, ihre Haltung der Oefsentlichkeit gegenüber nicht von jenem Tage an in brüsker Weise und im radikalen Sinne zu verändern. Auch der Ton der sozialistischen Preßorgane solle möglichst der bisherige bleiben. Dem gegenüber beabsichtigt die radikale Strömung, die in Berlin besonders unter dem Ein fluß des Herrn Schippet steht, gerade den >. Okt. als einen allgemeinen „Arbeiter-SiegeStag" festlich zu be gehen und der Gesammthaltung der Partei von diesem Tage an ein wesentlich verändertes Aussehen zu ver leihen. Man darf deshalb wohl mit einiger Span nung dem cntgegensehen, wie diese beiden Richtungen miteinander fertig werden mögen. — Borna. Von der alljährlich den Landwirthen zugestandenen Erlaubniß, sich im Bedarfsfälle zur Mithilfe bei den Erntearbeiten active Sol daten zu erbitten, dürfte in diesem Jahre nur wenig Gebrauch gemacht werden, obwohl eine sehr reichliche Ernte zu erhoffen ist und diese sich auch auf einen kurzen Zeitraum zusammendrängen dürfte. Infolge deS DarniederliegenS des Bauhandwerks stehen näm lich den Landwirthen beschäftigungslose Maurer und Zimmerleute zur Verfügung, welche vielfach vor Er lernung deS Bauhandwerks als Knechte beschäftigt gewesen sind und nun in Ermangelung anderer Arbeitsgelegenheit gern wieder als Tagelöhner u. s. w. in Dienst treten. — Zittau. Ein betrübender UnglllckSfall hat sich am Sonnabend in der Familie eines Zittauer Baumeisters zugetragen. Die Tochter, ein blühendes junges Mädchen, ist beim Gehen auf der Treppe gestürzt und so unglücklich gefallen, daß sie das Ge nick gebrochen hat. Als die Angehörigen dazu kamen, war das Mädchen bereits todt. — Nossen. Zwischen Döbeln und Roßwein wurden am Nachmittag deS 14. Juli die Passagiere des 4 Uhr-Zuges in nicht geringe Angst u. Schrecken versetzt; das Nothsignal ertönte wohl 1b Mal bevor der Zug zum Stehen gebracht werden konnte. Der Grund war ein Maschinendefekt. An der Ma schine war eine Kolbenstange und der Exzenter zer brochen. Ein Glück ist es zu nennen, daß die Kol benstange am Hinteren Ende gebrochen ist, wäre dies am vorderen Ende geschehen, dann hätte sich die Stange in die Erde eingerammt und wäre eine Ent gleisung auf dem dort sehr hohen Damme unver meidlich gewesen. Der Zug wurde durch eine aus Nossen herbeigeholte Hilfsmaschine an Ort u. Stelle gebracht. — Schönbrunn bei OelSnitz. Die Kreuzottern gebären lebendige Junge. Dieses wurde auch bei uns beobachtet, und den Beweis führte ein pfiffiger Bauernjunge. Dem Gemeindevorstand brachte der Junge eine soeben gefangene Kreuzotter, um die aus gesetzte Prämie zu erheben. Das Thier wurde gc- tödtet. Durch einen Tritt auf den Leib wurden 9 junge Kreuzottern zur Welt befördert, welche die Größe eines Regenwurmes hatten und sich bewegten. Und nun verlangte der Pfiffikus für die 9 Stück auch noch Prämien, nämlich für jedes Stück bO Pfg. — Aus dem Oelsnitzer Bezirk. Wohl ist es sehr zu bedauern, daß sich die Gemeinden gegen über der Einführung einer Katzen st euer durchweg so ablehnend verhalten haben. Gewiß wäre dadurch eine Verminderung der wildernden Katzen und somit ein großer Nutzen für die Jagdreviere herbcigeführt worden. Kürzlich erst erzählte ein Landwirth, daß seine Katze an einem Tage ihren Jungen 2 HäSlein zugeschleppt hatte. Ein ebenso großer und vielleicht ein noch viel größerer Feind der jungen Hasen und deS Junggeflügel« sind die Krähen. Innerhalb 8 Tagen trugen mir diese schwarzen Hallunken 14 Küchlein von der Wiese weg. Die noble Sippe kam zuletzt in einer Anzahl von 7 Stück, saß auf den nahen Bäumen und wartete Stunden lang auf die Beute. Wie mögen diese frechen Räuber auch unter den jungen Rebhühnern und Hasen aufräumen. Wenn aber die Herren Jäger jetzt ebenso eifrig Jagd aus Katzen (welche bekanntlich Abends am häufigsten und leichtesten anzutreffen sind) und Krähen machen wollten, so würden sic sich nicht nur um ihr Revier verdient machen, sondern auch jeden Naturfreund zu wärmstem Danke verpflichten. Ans »ergangmer Zeit — für unsere Zeit. Ein unermeßliches Feuermeer wälzte sich am 19. Juli «4 über da« damals noch weltgebietende Roma, ein gewaltiger, vernichtender Brand, den die ruchlose Hand eines Nerv entfacht hatte. Von den Zinnen seines Palastes herab betrachtete der ebenso blutdürstige, als den Künsten und Wissenschaften er gebene Despot das grausige Schauspiel, den „Brand Troja's" besingend. Denn er selbst hatte die Stadt anzünden lasten, um sich das Schauspiel, das die Jliade entrollt, vor Augen zu sllhren. Mit der Feigheit aller tyrannischen Naturen wußte er seine eigene Schuld aus die jungen Christengemeinden zu Wersen, die nun der Gegenstand grausamer Verfolgungen wurden. 20. Juli. Am 20. Juli 1870 wurde der erste entscheidende Schritt auf dem Wege zur Einigung Deutschlands gethan An diesem Tage zeigte der bayrische Gesandte in Berlin den Beitritt Bayerns zum Kriege gegen Frankreich an. Mit diesem Ent schluß, der das unvergessene Verdienst König Ludwigs von Bayern ist, wurde die Zusammengehörigkeit der deutschen Ein- zelstaaten im Kampfe und in der Abwehr des Feindes im Westen ausgesprochen; von diesem Augenblicke an war es klar, daß Deutsche nicht mehr gegeneinander, sondern nur noch nebeneinander, Schulter an Schulter, Süd- und Norddeutsche, die heimischen Herde schützend vor dem übermüthigen Angriff, kämpfen konnten. Dieser 20. Juli 1870 ist von ganz außer ordentlicher Bedeutung- denn er zeigt die folgerichtige Ent wickelung aus vorangegangenen Thatsachen, er zeigt die erste gewaltige Bethätigung des Nationalgesllhls, den klaren Blick für das Richtige und Nothwendige. Daß dieser Tag zugleich von größter Wichtigkeit war für den bevorstehenden Waffen gang, indem er der norddeutschen nun auch die große süd deutsche Truppenmacht hinzufügte, ist selbstverständlich. An diesem Tage reichten sich der Süd- und Norddeutsche die Hand und in diesem Handscklag lag der Gedanke- Vergessen das Vergangene und mannhaft und treu vereint in die Zukunft, js 21. Juli.' Mit dem Jahre 1831 trat auch für Belgien, das infolge seiner Lage oft genug in den zahlreichen deutsch-französisch englischen Kriegen in Mitleidenschaft gezogen worden, die Ruhe ein. Belgien hatte keinen selbstständigen Staat gebildet, war vielmehr unter holländischer Oberhoheit und wurde von dem König von Holland (Wilhelm, aus dem Hause Oranien) ebenso falsch und ungeschickt, als ungerecht und despotisch behandelt. Die Folge war ein allgemeiner Aufstand im Jahre 1830, den völlig zu unterdrücken den Holländern trotz aller Tapferkeit nicht gelang. Im Jahre 1831, nachdem ein belgischer Na- tionalkongreß das Haus Oranien ein für alle Male von der Regierung über Belgien ausgeschlossen, wurde Prinz Leopold von Sachsen-Koburg auf den Thron berufen, der am 21. Juli 1831 die, übrigens sehr freisinnige Verfassung beschwor. Seit jenem Tage herrscht in Belgien das Haus Koburg und hat das Land unter dieser Regierung einen blühenden Aufschwung genommen. Theater. Kommcndcn Sonntag führt Herr Direktor Schmid das historische Schauspiel „Der Graf v. Hammer stein" auf. Der „Schwäbische Merkur" schreibt aus Heilbronn: Das Wilbrandt'sche Schauspiel „Der Graf von Hammerstein" erzielte zum b. Male einen derartigen Erfolg, daß Extra-Theaterzüge in der Richtung Jaxtfeld, Weinsberg und Bietigheim von der Direktion veranstaltet werden mußten. — Nachm. findet eine Kindervorstellung: „Das Rothköpfchen" statt, worauf wir hiermit aufmerksam machen. Vermischte Nachrichten. — Gesundheitsschädliche Folgen von Quälereien des Schlachtviehes. Die Unter suchungen des Physiologen Du Bois-Reymond haben das bestimmte Resultat geliefert, daß durch Aengstigung und Quälerei der Thiere in dem Blute derselben eine höchst nachtheilige Veränderung eintritt, wodurch die Annahme bestätigt wird, daß bei Schlachtthieren, die ohne vorherige Betäubung getödtet werden, das Blut durch die Schinerzen und die Todesangst in einen fieberhaften Zustand kommt, der das Fleisch ungesund macht. — Hiermit stimmt auch, was schon 1886 das „Florentiner Bulletin" gebracht hat: „Der bekannte Sanitätsrath G. Röster, Professor der Cheniie, ferner die Professoren klr. Magne und Brouardel versichern, es sei ihre Uebcrzeugung, daß das Fleisch von solchem Schlachtvieh, welches von dem Schlachter gequält worden ist, nicht nur seinen guten Geschmack und einen Theil seiner Nahrungskraft ver liere, sondern auch der Gesundheit mehr oder weniger schädlich sei." — Diese Entdeckung wird zum Schutze der Thiere gewiß mehr beitragen, als bloße Huma nitätsrücksichten bei gefühllosen Menschen vermögen. Mit ihrem eigenen leiblichen „Ich" sind hiernach Hohe wie Niedere an einer vernünftigen Veränderung der Schlachtmethode selbst, wie an dem, was diesem Akte vorhergeht, auf das Ernstlichste interessirt. Wie oft kommt cs nicht vor, daß ein sonst ganz gesunder Mensch plötzlich erkrankt! Bei der Häufigkeit der Zustände, wie sie oben geschildert sind, wird es nicht zu den Seltenheiten zu rechnen sein, daß der Genuß von solchem der Gesundheit schädlichen Fleische die Ursache einer plötzlichen Erkrankung ist. — Für Standesbeamte ist ein Straffall, der am 9. Juli vor der Strafkammer zu Görlitz zur Verhandlung kam, lehrreich. Die „Görlitzer Nachr." berichten darüber: Ein Standesbeamter des Görlitzer Kreises war angeschuldigt, daß er durch eine Reihe von Handlungen seine Pflichten als Standesbeamter verletzt habe. Statt die amtlichen Anmeldungen per sönlich cntgegenzunehmen, ließ er sie vielfach von sei ner Tochter entgegennehmen, und unterschrieb er dann nur die Akte, als hätte er sie selbst entgegengenommen ; in einem Fall soll sogar die Tochter seinen Namen unterschrieben haben. Angeklagter giebt zu, daß er die Geschäfte ab und zu auf seine Tochter übertragen habe, wenn er durch seinen Beruf abgehalten war, um den Leuten den wiederholten Gang zu sparen, da er das Vertrauen zu seiner Tochter haben konnte, daß sie die Anzeigen sorgfältig und richtig aufnehmen würde. Leider waren auch Fälle vorhanden, in wel chen die Tochter Anzeigen in seiner Gegenwart aus genommen hatte, die er dann nur unterzeichnet hatte. Angeklagter will sich dabei nicht« gedacht haben. Da das Gesetz aber derartige Abweichungen von den Vor schriften schwer ahndet, blieb der Straffammer nichts anderes übrig, als die Sache nach 8 348 abzu- urtheilen. Da das Gesetz für einen Fall eine Ge- fängnißstrafe nicht unter einem Monat vorschreibt, hier aber neun Fälle al« erwiesen angenommen wer den mußten, wurde Angeklagter zu 6 Wochen Gefäng- niß verurtheilt. — Von einem einzureichenden Gna dengesuch wird Milderung der Strafe erhofft. — Eine neue aber gefährliche Modethor- heit hat sich der Pariser Damenwelt bemächtigt. Die Damen parfümiren jetzt nämlich nicht nur ihre Kleider und ihr Haar oder ihre Haut, sondern sogar ihr Fleisch nnd Blut, und zwar durch Einspritzen ' der stärksten Essenzen unter die Haut. Die Sache wurde durch eine der Berühmtheiten des Boulevards entdeckt, welche sich häufig Morphium-Einspritzungen machte und eines Tages nach Anwendung einer un gewöhnlich starken Menge bemerkte, daß ihr Körper sehr deutlich nach Morphium duftete. Aus Neugierde lud sie nun ihre Spritze mit einigen Tropfen Pat schuli und sofort strömte sie einen so starken Patschuli geruch aus, daß selbst ihre Leibwäsche danach duftete. Die Dame war entzückt über diese Entdeckung, welche sie geheim hielt, um ihre eigene Anziehungskraft zu erhöhen. Eines Tages jedoch kam ihr Kammermäd chen hinter das Geheimniß, und bald darauf war die Sache Mode geworden. Damen der großen Welt nahmen die Mode auf, und gegenwärtig fehlt die „unterhäutliche Parfümspritze" auf keinem Toilettetische. Die Mode hat die merkwürdigsten Folgen. Einige Damen bleiben einem Parfüm getreu, andere wechseln mit demselben. Eine „zrancko ckumo" duftet z. B. bei der Tafel nach Rosen, in der Oper nach Jasmin und auf dem Balle nach Veilchen. Indessen ist diese Mode gefährlich, weil durch chemisch nicht reine Par füms das Blut vergiftet wird, während gewisse Extrakte an und für sich giftig sind. Mehrere Damen sind schon gefährlich erkrankt, und die Arzte wollen auf dem Wege der Gesetzgebung diesem Unsinn steuern. — Das Verbrecher - Album hat einen Thü ringer Schützen, welcher in Berlin zum Schützenfest anwesend war, vor empfindlichem Schaden bewahrt. Unser Thüringer hatte auf dein Schützenplatz die Be kanntschaft eines jungen Pärchens — Bruder und Schwester — gemacht, welche sich im Laufe des Ge sprächs als „Landsleute" verstellten. Der biedere Thüringer freute sich natürlich dieses Zufalls und ging mit seiner neuen Bekanntschaft nach verschiedenen Restaurants und Kaffeehäusern, woselbst das freund liche Pärchen stets die Zeche bezahlen „wollte". End lich, gegen 3 Uhr Nachts, trennte man sich unter allerlei Freundschaftsversicherungen, und während die Geschwister im Dunkel der Nacht verschwanden, nahm sich der Schütze eine Droschke. Wie erschrak er aber, als er bei der beabsichtigten Bezahlung der Droschke die Entdeckung machte, daß sein Geldbeutel, in wel chem er 600 Mark gehabt, verschwunden war. Ein sogleich benachrichtigter Kriminalbeamter fuhr mit dem Bestohlenen nach dem Polizeipräsidium, wo der Schütze seine Landsleute bald in dem ihm vorgelegten Ver brecheralbum wiederfand. Es stellte sich heraus, daß er von einem Hochstaplerpaar gerupft worden war, welches zum Schützenfeste nach Berlin gekommen, in der Luisenstraße domizilirte. Bei der Verhaftung des Gaunerpaares wurden die gestohlenen Sachen des Thüringers noch vorgefunden. — „Es ist nichts zu fein gesponnen" rc., wird der Leser nach Durchsicht folgender kleinen Ge schichte ausrusen. In der Schule einer erzgebirgischen Stadt sprach der Lehrer mit seinen 8jährigen Zög lingen über Haus und Familienwohnung. Bei der Kaffeetasse angekommen, fragte er die Kleinen, bei wem unter ihnen etwas auf der Tasse geschrieben stände, und was. Drei Finger heben sich. „Nun, was steht bei Dir darauf?" „Dem guten Kinde!" war die prompte Antwort. Dieselbe Frage an das zweite Kind. „Zum Geburtstage!" „Schön, und was steht bei Dir?" „Bahnhof Halle!" Allgemeines Gelächter. „Ja, wie kommst Du denn zu einer Tasse mit solcher Aufschrift?" „Mama hat sie mit von der Reise gebracht!" — Tableau! — Der Bratwurst-Automat ist das Neueste auf dem Gebiet der mechanischen Selbstverkäuser. Den Besuchern deS Vogelschießens zu Sonneberg servirt ein solcher nach Einwurf eines silbernen 20- Pfennigstückes eine saftige Bratwurst bei gleichzeitiger Herausgabe des überschießenden halben Nickels. Viel leicht findet sich auch noch ein findiger Kopf, der durch Automaten zugleich Bratwurst mit Sauerkraut auf Tellern verkaufen läßt. Kirchliche Nachrichten ans der parochie Lidenkock vom 13. bi» 19. Juli 1890. Aufgebot»»: 38) Emil Friedrich Lippold, Handschuhmacher in Johanngeorgenstadt, ehel. S. de« Friedrich Ernst Lippold,