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Ferdinand von seiner Stellung an der Spitze de« FürstenthumS Bulgarien als unmittelbar bevor stehend darstellen. Ein Telegramm des „Figaro" aus CarlSbad meldet, der dieser Tage bei dem Prinzen Ferdinand stattgefundenc Familienrath, wel chem der regierende Herzog Ernst von Sachsen-Ko- bürg und die Prinzessin Clementine, die Mutter des Prinzen, beiwohnten, habe sich einstimmig für die Abdankung ausgesprochen, welche als unmittelbar bevorstehend gelte. Dagegen kommt aus Wien an geblich aus vorzüglichster Quelle die Meldung, daß die Frage der Abdankung des Prinzen Ferdinand thatsächlich einen Augenblick ernstlich erwogen worden, jedoch wieder fallen gelassen sei. Loeale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 14. Juli. Die von Sr. Maje stät dem König heute angetretene Reise in das Erzgebirge und Vogtland ist von herrlichstem Wetter begünstigt, obwohl dasselbe in den letzten Wochen sehr viel zu wünschen übrig ließ und wohl Niemand einen so günstigen Umschwnng in so kurzer Zeit er- wartet hätte. ES werden sich daher die festlichen Ver anstaltungen, welche überall getroffen werden, in un gestörtester Weise vollziehen können und allerseits die schönsten Erinnerungen hinterlassen, denn an begei sterten sympathischen Kundgebungen für ihren LandeS- vater werden die von dem königllichen Besuche berühr ten Orte des Erzgebirges und VogtlandeS es sicherlich nicht fehlen lassen. Die Reise Sr. Majestät geht heute bis Annaberg. Morgen Dienstag erfolgt die Weiter fahrt pr. Bahn nach WaltherSdorf, Schlettau, Schei benberg, Grünstädtel, Schwarzenberg, Aue, Eibenstock, Schönheiderhammcr, wo überall Begrüßungen rc. er folgen. Schönheide wird wiederum mit kgl. Equi pagen erreicht. Daselbst werden mehrere Besichtig ungen vorgenommen. Von Vogelsgrün über Rei- boldsgrün, Grünheide führt die Reise nach Rauten kranz. In letzterem Orte besteigt Se. Majestät wieder den Extrazug, um über Hammerbrücke nach Schöneck zu gelangen. In Schöneck beginnen die Wagentouren von Neuem und führen über Arnolds- grün, Raasdorf, Voigtsberg nach Oelsnitz, welches AbenvS in der 7. Stunde erreicht wird. Daselbst findet großer Festzug sämmtlicher Korporationen, Ver eine rc. mit Lampions statt, Illumination des Mark tes, Zapfenstreich rc. — In den Reisen, die Se. Maj. König Albert fast alljährlich in die verschiedenen Gegenden des Sachsenlandes macht, betritt er ganz die Fußtapfen seines hochseligen Vaters. In solcher Weise, wie König Johann, schreibt der .V. Anz.", hat noch nie «in Regent sein Land bereist. Mit der vollen Kraft eines umfassend und gründlich gebildeten Geistes und der ganzen Lebhaftigkeit seines reinen u. edlen Cba- rakter« war er bemüht, sich von den verschiedenen, oft sehr komplizirten Verhältnissen des industriereichen Landes durch vielfache Reisen in demselben und lies in die Sachen eingehende Gespräche mit Beamten, Landwirthen, Jndustrieellen und besonders auch mit Geistlichen und Lehrern eine möglichst genaue und selbstständige Kenntiß zu verschaffen. Lernen und Selbstsehen, das war ein Gedanke, der ihn nie ver lassen hatte. Und wie es der Vater that, so will auch der Sohn selbst sehen, wie cS im Lande zugeht, aus eigener Anschauung seine Erfahrungen bereichern und sein Urtheil klären und dem Volke zeigen, wie lieb und hoch er es halte; er will frisch in'S Leben hin einblicken und sich von der praktischen Wirksamkeit der Gesetze, sowie von der richtigen Handhabung der selben überzeugen. Richt planlose Vergnügungsreisen sind es, bei welchen gelegentlich und oberflächlich Dieses oder Jenes mit besichtigt werden soll, nein, die Rei sen des Königs in die verschiedenen Gegenden seines Landes bilden einen Theil des von dem hochseligen Vater übernommenen Regierungsprogrammes. Durch eigene Anschauung will sich König Albert von den Zuständen des Landes auf allen Gebieten der Ver waltung und des individuellen Lebens Kcnntniß ver schaffen und danach nach Befinden weitere Entschließ ungen fassen. Diese Reisen, bei denen sich die ganze Liebenswürdigkeit seines Charakter- offenbart und zu gleich sein scharfer, richtiger Blick kundgiebt, müssen zu den wichtigsten Momenten der Regierung König Albert's gezählt werden. — Bekanntlich war auch der Militärverein zu Borna bei Chemnitz aus Sachsens Militärver- einSbund ausgestoßen worden. Nachdem derselbe jedoch nachträglich alle die Bedingungen erfüllt hat, die ihm vom genannten Bund gestellt worden waren, ist die Ausschließung auf sein Ansuchen hin zurück gezogen worden. Daraufhin ist vom König! Mini sterium des Innern mit Genehmigung Sr. Majestät de« König« beschlossen worden, dem Militärverein in Borna alle diejenigen Vergünstigungen, welche diesem Verein früher auf Grund Allerhöchster Entschließung zugestanden haben bez. von dem Ministerium de« Innern bewilligt worden waren, wieder zu verleihen. — Während der größere Theil de« Sächs. Armee korps Heuer in der Chemnitzer Gegend manö- vriren wird, verlegt die sächsische Kavallerie ihr UebungSgebiet in die Leipziger Gegend unfern der sächsischen Grenze, um sich beim „Krieg in Frieden" auch mit preußischen Truppen zu messen. Da« Cara- binier-Regiment wird seine Standquartiere Borna und Pegau am 23. August verlassen und aus drei Wochen in der Tauchaer Gegend bez. in Taucha selbst Quartier beziehen. Die Manöver, an denen dem Vernehmen nach sechs Kavallerie-Regimenter lheil- nehmen werden, sollen sich bi« in die Torgauer Gegend erstrecken. Am 13. September kehrt das Carabinier-Regiment wieder in seine Garnison zurück, woraus alsbald die Entlassung der Reservisten erfolgt. Am 4. Oktober d. I. treffen bereits wieder die Re kruten ein. — Ostern nächsten Jahre« feiert die weit über die Grenzen Sachsens und Deutschlands hinaus berühmte Kgl. Forstakademie zu Tharandt das 75jährige Jubiläum ihres Bestehens. Im Jahre I8l6 wurde dieselbe von dem berühmten sächsischen Forstmanne Heinrich von Cotta begründet, welcher „im Schatten seiner Eichen" in den heiligen Hallen sein Grab ge linden hat. Mit der Jubelfeier der Akademie wird aber noch ein anderes Jubiläum verbunden sein. Zu Ostern des Jahres 1891 wird es auch 25 Jahre, daß der verdienstvolle jetzige Leiter der Akademie, Geh. Oberforstrath l)r. Friedrich Judeich, in Tharandt wirkt. Im Jahre 1866 wurde derselbe durch König Johann au« Böhmen, wo er an der Spitze der Forst schule in Weißwasser stand, als Nachfolger C. v. Bergs an die sächsische Forstakademie berufen, welche sich unter seiner Leitung eines immer zunehmenden Besuches von Studirenden des In- und Auslandes erfreute. Zu dem bevorstehenden Doppel-Jubiläum sind umfassendere Festlichkeiten geplant. — Aus dem oberen Erzgebirge. Während in diesem Jahre in den Gärten alle Beerensorten in überreicher Fülle gedeihen, ist das Erträgniß der Heidelbeeren (Schwarzbeeren) durch die Hitze des Mai und die darauf folgende Kälte und Nässe des Juni und Juli ganz erheblich beeinträchtigt worden. Ganze weite Flächen werden ohne jede Beere ge funden. Der Einnahmeausfall, den hierdurch die ärmere Bevölkerung erleidet, wird aber hoffentlich einigermaßen durch eine reichlichere Preißelbeerernte ausgeglichen werden. Freilich wäre zu wünschen, daß cS den Bemühungen der Forstbeamten gelänge, dem noch immer in ausgedehntem Maße geübten Unfuge des vorzeitigen Abreißens der Beeren, welche im Keller zur Nothreife gebracht werden, mit Erfolg zu steuern. — Zur großen Freude der Industriellen in der Stickerei- und Spitzenbranche trafen in den letzien Tagen sowohl aus England, als auch aus Amerika Einkäufer in Spitzen und sonstigen Sticke reien für Hand- und Schiffchenstickmaschine in Sachsen ein, wodurch in das Spitzen- und Maschinenstickerei fach wieder einiges Leben gekommen ist. — Ganz in Uebereinstimmung mit den durch das langandauernde schlechte Wetter in unse rer Gegend hervorgerufenen Erscheinungen benierkt das „DreSd. Journal": Die anhaltend regnerische und meist kühle Witterung macht ungünstigen Einfluß auf das Gedeihen sämmtlicher Feld- und Garten früchte von Tag zu Tag mehr und mehr geltend und selbst diejenigen Gewächse, die zu ihrer Entwickelung großer Mengen Feuchtigkeit bedürfen, sind durch das Uebermaß der Niederschläge und den Mangel einer gleichmäßigen Wärme, sowie durch das Fehlen der alles belebenden Sonnenstrahlen in der Reife und Fruchtbildung zurückgeblieben. Da« Getreide ist an vielen Stellen niedergelegt, Halme und Aehren schim mern noch grün und bei den herrschenden Witterungs verhältnissen ist an die Schnittreife erst in Wochen zu denken. Kartoffelkraut und die Blätter der Rüben stehen zwar in großer Ueppigkeit, aber die Knollen bildung ist zurückgeblieben. In gleicher Weise un günstig ist der Stand der Feld- und Gartengemüse; das Gedeihen der Gurken steht vollständig in Frage; dabei aber hat die Vermehrung des Ungeziefers, namentlich der Schnecken, der größten Feinde der zarteren Gartengemüse, derart überhand genommen, daß der Ertrag auch noch hierdurch wesentlich beein trächtigt wird. Nicht minder haben die Blumen unter den Regengüssen zu leiden; so reich der Blüthen- ansatz bei den Rosen war, so schädigend war die Nässe den Knospen, von denen kaum die Hälfte zum Erblühen gelangte, da sie vorzeitig thatsächlich am Stiehle abfaulten. Zahlreiche andere Blumen setzen nur spärlich Knospen an, während bei anderen die Blüthen nach kurzer Herrlichkeit wieder absterben. Ein baldiger Umschlag in der Witterung und eine längere Periode schöner Tage ist deshalb nicht nur im Interesse der zahlreichen Sommerfrischler und Touristen, sondern auch im Interesse der gesammten Pflanzenwelt sehr zu wünschen. Ans vergangener Zeil — für «nsere Zeit. 15. Juli. (Nachdruck verboten.) Am 15. Juli 1870 erfolgte die Mobilmachungs-Ordre, die Alldeutschland in Waffen rief gegen französischen Uebermuth. Zwar war man sich in Deutschland bereits an jenem Mobil machungstage der Bedeutung de» bevorstehenden Kampfes und seiner Schwere bewußt; allem an die Möglichkeit solch" gewal tiger Erfolge und an den großen Gesammlersolg für Deutsch land hatten doch wohl kaum scharfsinnigste Politiker u. Stra tegen gedacht. Wohl war man allseitig der Hoffnung, den frivolen Angriff de« Feinde« energisch abwehren zu können u. selbst die Möglichkeit, den Kampf in Feindesland hinüber zu spielen, ward erörtert; allein an rin« derartige Zertrümmerung und Auflösung französischer gewaltiger Heere, an eine derartige Niederwerfung Napoleons und der„gloirs"der „granä« nation", wie sie binnen wenigen Monaten thatsächlich stattsand, hatte man nicht zu glauben gewagt. Da« Charakteristikum jene« Dages der Mobilmachungs-Ordre ist: das ernste, ruhige, be sonnene Herantreten an die unabwendbare Thatsache des Krie gs und der Beginn treuer Pflichterfüllung auf deutscher Seite, eichtfertige Phantasiegemälde rasch und mühelos zu erlangen der Siege, der Spaziergang » Berlin auf französischer Seite. IS. Juli. Am IS. Juli 1857 starb zu Paris ein Dichter von Gottes Gnaden, der zugleich ein glühender Patriot und eine der we nigen Persönlichkeiten war, die, im öffentlichen Leben stehend, doch ohne Makel bis zu ihrem Ende geblieben; letzteres eine Thatsache, die in dem ewig in politischer Wellenbewegung be findlichen Frankreich eine Seltenheit ist. Dieser seltene Mann war P. I. Boranger, ein Dichter, dessen Lieder namentlich über Frankreich hinaus große Anerkennung gesunden haben. Er bekämpfte in vielen seiner Dichtungen die Bourbonen, ins besondere Karl X., den letzten, ebenso rechthaberischen als un< «schickten Despoten der alten französischen Herrscherschule; er hat nicht wenig zum Sturz« dieses Königs beigetragen. Wäh rend aber später die „neuen Männer" sich in der üblichen Weise in die „Beute" der Revolution theilten, stand Beranger bescheiden beiseite, lehnte Aemter und Würden ab, ja sogar die von vielen bedeutenden Geistern heiß erstrebte Mitgliedschaft der „Akademie". Er blieb ein freier Mann bis zu seinem Tode und gilt für alle Zeiten als einer der edelsten Geister der Menschheit. Er ward auf Staatskosten beerdigt und diese Beerdigung gestaltete sich zu einer gewaltigen Demonstration gegen den damals zwar noch mächtigen, aber bereits lebhaft angefeindeten neueren Despotismus eines Napoleon lll. An der Loire. Ernste und heitere Kriegsbilder von Th. Schmidt. (Schluß.) Hinter Orleans wird das Land bergiger. Da» Verrücken der Truppen war oft mit vielen Schwie- riegkeiten verknüpft, und diese wurden noch ärger, als gegen Mitte Dezember Thauwetter eintrat. Seit dem Ausrllcken au« Metz hatten wir keinen Ersatz an Montirungsstücken erhalten, und der Zu stand, in dem sich unsere Bekleidung befand, war ein geradezu kläglicher. Da sah man graue, schwarz- sammtne und weiß-leinene Hosen, Helme, denen die Spitzen oder Schuppenkctten fehlten, namentlich bei der Infanterie, die oft Tage laug auf Vorposten oder im Alarmquartier nicht Zeit noch Ruhe fand, etwas an der Bekleidung und Ausrüstung ausbessern zu können. Zu all diesen mißlichen Zuständen kamen die wahrhaft schauderhaften Wege und das tiefaufge weichte Gelände, in dem die Geschütze beim Auffahren bis an die Achse, die Pferde und Mannschaften bis zu den Knieen versanken. Es passirte häufig, daß bei schnellem Vor- oder Zurückgehen der eine oder andere Soldat seine Stiefel in dem Lehmboden stecken lassen und ohne dieselben fort laufen, oder, wenn er sie aus dem Boden herauSgezogen hatte, in der Hand weiter tragen mußte. Mancher Stiefel hatte keine Sohle mehr; man sah alle denkbaren Arten Schuh zeug, vom Kniestiefel bi« zum Holzschuh vertrete», denn die von den Franzosen erbeuteten Stiefel waren ja meist für unsere Germanenfüße zu kein. Neben solchen Zuständen, welche wahrlich geeignet waren, das Herz auch de« muthigsten und abgehärtetsten Soldaten verzagen zu lassen, fand man entsetzliche Quartiere, in denen die tagsüber oft in strömendem Regen marschirten und gänzlich durchnäßten Mann- schaffken nichts Eßbare« auftreiben konnten, ja die nicht einmal gestatteten, sich ein Feuer anzumachen. Aber das war noch nicht das Aergste! Der hungernde, frierende und durchnäßte Soldat fand nach langem beschwerlichem Marsche - oder heißem Kampfe oft nicht einmal ein Unterkommen für die Nacht, nicht selten stand die Compagnie oder Batterie den größten Theil derselben draußen auf freiem Felde in Gesechtsstellung oder biwakirte wegen der Nähe deS Feindes ohne Wachtfeuer! Die ganze Gegend von Orleans bis Le Mans war mit einem großen 150 Kilometer langen und 50 Kilo meter breiten Schlachtfelde zu vergleichen, auf dem außer in den Städten Orleans, Blois und Vendome, weiter nichts zu finden war, als jammernde Menschen, zerschossene und verlassene Dörfer und zum Theil ge sprengte Brücken und unpassirbare Wege. Natürlich mußten weit ausgedehnte Requisitionen gemacht werden, die durchaus nicht ungefährlich waren, denn die durch jene erbitterte Landbevölkerung hatte sich im Geheimen in allen Orten bewaffnet und lauerte in den Weinbergen, Gehölzen oder sonstigen Verstecken kleineren Trupp« auf, um sie zu überfallen oder au« der Entfernung zu beschießen. Der Krieg artete gegen Ende Dezember in einen wahren Guerilla krieg aus. Tagtäglich wurden Franctireur« einge bracht, welche einen Transport oder einen einzelnen unterwegs erschöpft oder krank zurückgebliebenen Soldaten hinterrücks überfallen und auSgeraubt bezw. getödtet hatten. Die Wahnwitzigen, die in ihrer blinden Wuth gegen den siegreichen Feind sich zu solchen Tollheiten hatten hinreißen lassen, büßten ihre Thaten fast immer mit dem Leben. Selbstverständlich waren bei den geschilderten Müh- salen und Beschwerden und täglichen Gefechten die Abgänge an Tobten, Verwundeten und Kranken, namentlich letzteren, groß: manche Compagnie zäblte nur noch 70, 80 und 90 Mann und wurde nicht selten au« dem Feuer von einem Feldwebel oder älteren Chargirten herauSgeführt.