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ihm in die Rede, und" dabei warf sie das Häckelzeug auf den Tisch und sprang an ihm vorbei zur Thür. „Laufen sie nur, Ihrem Schicksale entgehen Sie nicht," rief er ihr lachend nach. Da war sie auch schon fort. „Sie sind ein Spaßvogel, Herr Doktor", sagte die Tante. „Ja, aber einer von denen, denen eS gerade dann ernst ist, wenn man eS am wenigsten erwartet." — „Sind diese Aepfel aus Ihrem Garten?" fragte er, und deutete auf einige, die Betti wegen ihrer Größe und Schönheit hineingebracht. „Ja! Wir haben nur einige Bäume," antwortete die Tante, „eS ist aber etwas Auserlesenes! Rosa hole ein Tellerchen und ein Messer, Herr Doktor probirt einen Apfel." Rosa ging hinaus, auf dem Flur blieb sie stehen. Dort im Garten schritten Herr Ehlert und Betti durch die Gänge, wie cs schien, im eifrigen Gespräch. Er sprach und sie hörte zu. Rosa setzte das Verlangte vor den Doktor hin und sagte dabei: „Herr Ehlert spaziert ja im Garten." „Lassen Sie ihn," rief der Doktor schnell, „er wartet auf mich! Wir gehen gleich weiter." „Karl, spring hinaus und nöthige ihn herein", sprach die Tante. Doch Doktor Schröder ergriff ihn am Arm. Nein — ich bitte, verderben Sie mir den Spaß nicht, er wird gleich von selbst kommen. Es handelt sich um eine Ucberraschung." „Dann ist es etwas anderes", sagte die Tante, „dann fügen wir uns, aber da wär' ich doch neu gierig!" Der Doktor ließ seinen Blick über alle Anwesen den gleiten, als freue er sich im Voraus. Er schmun zelte vergnügt, sagte aber kein Wort, sondern machte sich in aller Gemüthsruhe dabei, einen Apfel zu schä len und zu verzehren, als ob er nicht eben die Ge- müther in gespannteste Neugierde versetzt hätte. Lisbeth wollte ganz unbefangen hinausgchen, denn sie hielt es nicht mehr aus; leider paßte der böse Doktor zu gut auf. Sein: „Halt, hier bleiben!" vereitelte ihren Plan. — Betti war in den Garten hinausgegangen um zu sehen, ob wieder Obst im Rasen läge. Da trat ihr Herr Ehlert entgegen, er zog höflich grüßend den Hut. „Guten Abend, Fräulein Betti, wollen Sie sich noch ein wenig den Wind um die Ohren blasen lassen?" „Warum gehen Sie nicht hinein?" fragte Betti statt aller Antwort. „Ich erwarte eigentlich Ihre Tante hier draußen, um ein Wort mit ihr zu reden, denn es ist hier so schön und — und dann — weil ich das, was ich sagen wollte, lieber hier sagen möchte." „Und da wollen sie warten, bis die Tante her- auskommt?" fragte Betti erstaunt. „Heute geht sic nicht mehr hinaus!" „Zunächst war es nicht die Tante, die ich erwar tete", antwortete der junge Mann, „sondern Sie selbst, Fräulein Betti. Lassen Sie uns hier spazieren gehen, so werden Sie bald mein Geheimniß wissen." „Geheimniß?! —" Fräulein Betti war gewonnen, — sie gingen. — Was er wohl zu sagen hatte? Wir wollen es nicht erlauschen. Für denjenigen, dem eS nichts angeht, ist es doch immer das alte Lied, das im Frühlinge die Spatzen zwitschern und die Nachtigall in die laue Sommernacht hinausjubelt und klagt. — Kleine Bctti, wer hätte das gedacht, daß Du die Erste sein solltest; wie glänzend ist das „kleine Ding" gerächt. „Was wird Lisbeth sagen?" Das war der erste Gedanke, der in BettiS verwirrtem Köpfchen aufstieg, als sie sich ein wenig gefaßt hatte. „Was wohl Onkel und Tante sagen werden?" fragte sie sich zag haft, „und erst meine Mutter?!" Fritz aber fragte sie, ob er gleich mit dem Onkel reden sollte oder morgen Vormittag. „Ja, am besten gleich", entgegnete sie, „bis mor gen halte ich die Angst nicht aus." Fritz Ehlert schritt ins Haus, Betti sah ihm nach, dann setzte sie sich in die Laube. Sie wollte hier bleiben, bis man sie rief — doch nein, besser war es, ganz unbefangen hineinzugehen. Sie wählte also das Letztere. Als sie mit dem unschuldigsten Gesicht von der Welt ihren alten Platz einnehmen wollte, begegnete sie dem Blicke des Doktors. Wie sonderbar der alte Herr sie anschaute, man sollte meinen, er wüßte be reits. — Verstohlen lächelte sic und warf einen Blick aus dem Fenster. — Nein, das Stück, wo sie gegangen waren, war nicht von hier aus zu sehen. „Na", fragte er gedehnt, und blinzelte sie von der Seite an. Statt aller Antwort aber starrte ihn Betti wie ein Wunder an, — eS begann in ihrem Köpfchen zu dämmern. Hatte sie im HinauSgehen nicht so etwa» gehört wie „ihrem Schicksal nicht entgehen" — wie konnte er denn wissen. — Wie Schuppen fiel e« von ihren Augen: E« war des Doktors Werk! Woher wußte er denn aber mit ihnen Beiden so gut Bescheid? (Fortsetzung folgt.) Das 450jährige Jubiläum der Buchdrucker kunst. Von Or. F. Clemens. (Nachdruck verboten.) Am 24. Juni 1840 begingen die deutschen Buch drucker zu Leipzig in großartigster Weise die Feier des 400jährigen Jubiläums der Buchdruckerkunst. Jetzt ist diese hochbedeutsame, an der Geschichte 'und Entwickelung des Menschen in so hohem Maße bc- theiligte Kunst wiederum 50 Jahre älter geworden, und wiederum rüsten sich ihre Jünger in allen Kul turstaaten, um ihre Erfindung (zumeist in Verbindung mit dem alljährlichen Johannisfest) würdig und sinnig zu feiern. Bei einer solchen Gelegenheit dürfte ein Rückblick auf den Entwickelungsgang der „Jubilarin" manchem willkommen sein. Die Frage, ob Johannes Gutenberg, dessen Name als der des Erfinders der Buchdrucker kunst in aller Welt Munde ist, wirklich das ihm zu geschriebene Verdienst hat, ist nach langjährigem Ge lehrtenkrieg in bejahendem Sinne entschieden worden. Es liegt nun einmal im.Eharaktcr der Menschen, großen Männern ihre Verdienste gern zu schmälern, schon seit Jahren streiten sich die Eommentatoren z. B. darum, ob Shakesspeare der Verfasser der unter seinem Namen bekannten Dramen sei und jetzt be ginnt man gar schon, unserm Schiller die Autorschaft einzelner seiner Gedichte („Ritter Toggcnburg" bei spielsweise, das von seiner Schwägerin verfaßt worden sein soll) abzusprcchen: ist cs da zu verwundern, wenn sehr bald Unklarheit Platz griff in Beziehung auf eine kulturhistorische That, deren Geburtsjahr 450 Jahre zurückdatirt? Freilich konnte Gutenberg damals noch kein Patent auf seine Erfindung nehmen, aber selbst wenn er das gekonnt hätte, ist es fraglich, ob ihn diese Maßregel gegen Zweifel und Anfeindungen geschützt hätte. Kann sich doch Edison in unserer Zeit aller Vortheile des Urheberrechts bedienen und trotzdem gönnt man ihm immer von neuem die Ehre seiner großen Erfindungen nicht. Wenn also nunmehr, wie schon gesagt worden, die Streitfrage betreffs Gutenbergs endlich in bejahendem Sinne gelöst worden ist, so ist damit nicht gesagt, daß Gutenberg der erste Mensch gewesen ist, welcher auf die Idee kam, das geschriebene Wort aus dem Druckwege zu vervielfältigen. Schon lange übten die Chinesen und Europäer die Kunst, Buchstaben oder Bilder erhaben in Holztafeln zu schneiden, und von diesen Holztafeln mit Hilfe eines Reibers Abdrücke herzustellen. Was wir Gutenberg verdanken, ist viel mehr die Erfindung der beweglichen Lettern, des Schriftgusses, sowie einer verbesserten Presse und der Druckerschwärze. Erst mit diesen Erfindungen waren die Bedingungen für eine zweckentsprechende Weiter bildung der Buchdruckerkunst gegeben und in der That feierte dieselbe nun nicht nur bald die erhaben sten Triumphe, sondern verbreitete sich auch mit einer in Anbetracht der damaligen Verhältnisse geradezu wunderbaren Schnelligkeit über die ganze Kulturwclt. Gutenberg wagte sich nicht gleich, wie vielfach angenommen wird, an die Herstellung einer Bibel ausgabe.*) Er trat vielmehr 1451 zuerst mit einer Ausgabe der Grammatik des Donatus auf, von welcher leider nur zwei Blätter erhalten sind. Die Typen dieser Blätter sind aber die der sogenanten 36zeiligcn Bibel, ein Beweis, daß Gutenberg schon damals wenigstens einen Theil dieser ausgezeichneten schönen Schrift gegossen hatte. Auf die Grammatik folgten Ablaßbriefe und kleinere Arbeiten, und alsdann erst faßte Gutenberg den großartigen Plan, die heilige Schrift durch den Druck zu vervielfältigen und wenig stens den gebildeten Kreisen zugänglicher zu machen, als es bisher geschehen konnte. Der enge Rahmen unseres Artikels verbietet uns, dem Erfinder Schritt für Schritt auf seinem Pfade zu folgen. Seine Lebensschicksale sind ja den Meisten bekannt, man weiß, daß auch bei ihm das alte Sprich wort vom Undank schon bei Lebzeiten zur Geltung kam, daß es seinen ungetreuen Gcschäftsgenossen, Fust und Schösser, gelang, die von ihm errichtete Buch druckerei an sich zu reißen und die Früchte seiner Arbeit einzuheimsen. Fust ging 1462, um seine Werke zu verkaufen, nach Paris und gründete dort die erste Buchhandlung. Wir haben schon hervorgehoben, daß die Aus breitung der neuen Kunst sehr schnell vor sich ging. Nach Mainz waren zuerst Straßburg und Hamburg im Besitze von Druckereien, dann folgten die meisten *) Sich dafür Jntrrrssirendr finden Ausführliche- über diesen Gegenstand in hochinteressanter, fesselnder Schilderung in der von Curt Weißbach in Weimar hcrausaegebenen „En- cyllopädie des gesammten buchhändlerischen Wissens", (Verlag von Herm. Weißbach, Weimar), von welcher zur Zeit 7 Lie ferungen erschienen und aus welcher auch diese Mittheilungen zum großen Theil geschöpft sind. Da» hochbedeutsame, für alle Verleger und Buchhändler, welche eine höhere al» eine bloße materielle Theilnahme für ihren Berus hegen, geradezu unentbehrliche Wert erscheint in ca. 12—14 Lieferungen ä 75 Pfg. größeren Städte dem Beispiele, Leipzig jedoch erst 1481, Wien 1482 und Berlin gar erst im Anfang des 16. Jahrhunderts. In Italien verbreitete sich Gutenbergs Erfindung noch schneller, was bei der hohen damaligen Kulturstufe dieses Landes nicht Wunder nehmen darf. 1480 zählte dieses Land be reits 40 Druckereien, das deutsche Reich aber erst 23. Den Italienern gebührt der Ruhm, die Buchdrucker kunst, die bald nach Gutenbergs Tode zu verfallen begann, wesentlich verbessert und in edelster Weise verwendet zu haben. Sie waren eS, welche die Welt von der verschnörkelten Gothik befreiten und uns die jetzige Weltschrift, die Antiqua, (lateinische Druckschrift) geschenkt haben. In Frankreich wurde Gutenbergs Kunst, durch Deutsche und Schweizer, erst 1470 ein geführt, in den Niederlanden 1473, in England etwa gleichzeitig durch den berühmten Caxton. Anfangs warfen sich die Drucker vornehmlich auf die Herstellung von Kirchen- und Schulbüchern, später druckten sie auch die römischen Classiker. In die Zeit von 1470 bis 1480 fällt die allmähliche Scheidung des Buch gewerbes in seine einzelnen Zweige. Zunächst ent stand eine Art Sortimentsbuchhandel, indem die Buch drucker ihre Bücher auf dem Colportagewege ver treiben ließen, sodann bildeten sich eigentliche Buch handlungen und aus diesen der Verlag heraus. In das 16. Jahrhundert fällt die Erfindung der Frakturschrift, welche sich aus der gothischen Schrift entwickelte. Anfangs brauchte man die deutsche Frak turschrift nur als Zierschrift, bald darauf jedoch wurden die Rollen vertauscht und sie erschien mehr und mehr als Textschrift. Ende des 15. Jahrhunderts schon ward der Musiknotendruck von dem Italiener dei Petrucci erfunden. Unvergänglich in der Geschichte des Buchdrucks ist der Raine des Geschlechts der Elzeviere, welches, den Niederlanden und zwar der Stadt Löwen ent sprossen, der Welt eine Reihe berühmter Buchdrucker und Buchhändler gab, die sich namentlich durch ihre handlichen und wohlfeilen DuodczauSgaben der Klas siker, deren Erfolg ungeheuer war und die heutzutage beinahe mit Gold ausgewogen werden, große Verdienste erwarben. Unter den deutschen Buchdruckern des 18. Jahr hunderts verdient vor allem I. Immanuel Breitkopf genannt zu werden, dessen Geschäft unter der Firma Breitkopf und Härtel heute noch zu den Zierden des deutschen Buchhandels und Buchdrucks gehört. Sein Hauptverdienst besteht in der Verbesserung der Noten schrift, indem seine Erfindung des Satzes aus Typen- theilen, den Druck von Partituren ermöglichte. Ferner seien erwähnt F. Jakob Decker, der Begründer der preußischen Oberhofbuchdruckerei, G. I. Göschen, der 1781—1791 die erste Gesammtausgabe von Goethes Werken druckte und Cotta, an welchen Göschens Ver lag später überging. England hat im vorigen Jahr hundert an berühmten Buchdruckern I. Baskerville und Cord Clarenton, Amerika Benjamin Franklin, Italien G. Bodoni, Frankreich Francois Ambroise Didot aufzuweisen. Die weitere Vervollkommnung der Kunst Guten bergs vollzog sich im 19. Jahrhundert und besonders in dessen zweiter Hälfte. „Die deutsche Erfindung der Schnellpresse" — heißt es in dem von uns in der Note benannten Werk — „und später die des Rotationsdruck, die Wiedergeburt des Holzschnittes, die Erfindung des Steindrucks, die Erfindung der Photographie und der auf ihr beruhenden Verfahren, endlich der Aufschwung des Farbendruckes, alle diese Faktoren haben eine Entwicklung des Buch- und ZeitungsgewcrbeS hervorgerufen, die man noch vor 50 Jahren in das Reich der Träume verwiesen hätte, und den Erzeugnissen der Presse eine Bedeutung ver liehen, die weit über die Einwirkung der ersten Er zeugnisse des Buchdrucks auf den Kulturfortschritt hinauSgeht." Niemand wird Letzteres bestreiten, denn ohne die Buchdruckerkunst hätten wir keine Presse und ohne die einflußreiche Thätigkeit der Presse hätte der Fort schritt der Kulur auf staatlichem, ökonomischem, gesell schaftlichem und intellektuellem Gebiete nie jenen ge waltigen, erhabenen Flug genommen, der uns aus den Verhältnissen eines 18. Jahrhunderts mit seiner Leibeigenschaft, seinem Absolutismus, seiner Verge waltigung der Menschen- und Völkerrechte heraus, in so kurzer Zeit zu den freiheitlichen, geordneten, menschenwürdigen Zuständen der Gegenwart empor trug, welche unser Stolz und unsere Ehre sind. Daß es uns möglich wird, diese Errungenschaften zu vcr- theidigen und zu hüten, das verdanken wir wiederum der Kunst Gutenbergs, des während seines Lebens so übel belohnten Mannes, der aber den hohen Ruhm genießt, seinen Namen für alle Zeiten mit der groß artigsten und bedeutungsvollsten aller Erfindungen der Weltgeschichte verknüpft zu sehen. Druck und Berta» von L. Hannebohn in Eibenstock.