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ebenso nothwendig wie für die Erhaltung de« euro päischen Gleichgewichts. (DaS hat Bismarck im Reichstag wörtlich ebenso gesagt.) Gäbe es kein Oesterreich, so müßte Deutschland eS in seinem In teresse schaffen. England und Deutschland können sich, wie ich fest glaube, nie in Waffe» gegenüber stehen, sie können nicht einmal ernstlich zusammen hadern; eS ist geradezu lächerlich, daß die beiden Mächte Wege» Afrikas aneinander gerathen sollten, beide Nationen sind zu ehrlich und verständig dafür, sie achten sich dabei gegenseitig so sehr, daß es immer möglich sein muß, ein freundschaftliches Einverständniß herbeizuführen. Ich bin fest überzeugt, daß Salis burys ruhige und staatsmännische Aeußerungen dem englischen Geschmack weit mehr entsprechen, als Stanleys Hetzereien und bittere Verleumdungen." — Bismarck sprach dann über Kaiser Friedrich und sagte: „Er war ein höchst merkwürdiger und achtens- werther Mann, äußerst liebenswürdig, ausgesucht freundlich und dabei hoch intelligent, von klarem Blick, wohl unterrichtet und resolut, er wußte genau, was er wollte, und sein Entschluß, wenn einmal gefaßt, war unabänderlich. Hätte er gelebt, er würde als Kaiser die Welt durch die Kraft seiner Regierung überrascht haben. Er war ein echter Hohenzoller, mit den besten Eigenschaften und glänzendsten Vor zügen; sein Muth war heroisch, er war jeder Zoll ein Kaiser bis an sein Ende. Wir verstanden ein ander vollständig, und ich war sein treuergebener Diener, wie ich der seines Vaters gewesen." — Ueber das Schicksal der Militärvorlage wird die Berathung ausschlaggebend sein, zu welcher das Centrum am letzten Donnerstage zusammentrat. ES kommt Alles darauf an, ob das Centrum an die Erhöhung der Friedenspräsenzstärke um 18,000 Mann die förmliche Bedingung der zweijährigen Dienstzeit knüpft. Thut es dies, so lehnt eS damit die Vorlage überhaupt ab, und der Konflikt mit der Reichsregierung ist da. Ob er zu einer Auflösung des Reichstags führt, wovon man munkelt, stehe dahin. Jedenfalls sind die Gegensätze schärfer zugespitzt, als bis vor Kurzem für möglich gehalten wurde, und der AuSgang des Streits wird für das Verhältniß zwischen Reichs regierung und Reichstag in der Zukunft bestimmend sein. DaS Wahrscheinlichste ist, daß ein Theil des CentrumS, namentlich die süddeutschen Abgeordneten, auf der Einführung der zweijährigen Dienstzeit be stehen, die Mehrheit jedoch die Bewilligung der Vor lage davon nicht abhängig macht. — Rendsburg. Es heißt, daß die Arbeiten am Nord-Ostsee-Kanal in Folge der von den Unternehmern aufgestellten Erdbewegungsma- schinen voraussichtlich schon im Jahre 1896 beendet sein würden. Jene Maschinen sind Exkavatoren von einer Leistungsfähigkeit, die in der That erstaunlich ist. Ein solcher Dampftrockenbagger arbeitet nicht nur in leichtem, sondern sogar in schwerem, mit zahlreichen und großen Granitfindlingen durchsetztem Boden. Die Leistungsfähigkeit beläuft sich bis aus 3000 Kubikmeter pro 10 Stunden. An solchen Exkavatoren sind beim Nord - Ostsee - Kanal nicht weniger als 29 Stück aufgestellt, und zwar arbeiten 24 von ihnen in schwerem Boden. Sie sind leicht beweglich, bequem zu reguliren und beanspruchen selten Reparaturen. So geht denn die Arbeit der Erdbewegung in flottester Weise von Statten, und die Fertigstellung des gewaltigen Kanals wird um drei Jahre vor dem ursprünglich angenommenen Termin möglich sein. — Große Brände in Rußland. Moskauer Zeitungen berichten über große Brandschäden mit sehr zahlreichen Verlusten an Menschenleben im Uralschen Montan - Industriegebiete. Es seien die Hüttenwerke von Usaleisk und Newjansk und mit denselben gegen tausend Wohnhäuser, vier Schulge bäude, drei Kirchen, drei Hospitäler, Magazine und andere Gebäude niedergebrannt. Etwa 40 Personen seien in den Flammen umgekommen und 18,000 Personen obdachlos geworden. — Aus Warschau wird gemeldet: Die im Gouvernement Minsk be logene, größtentheils von Israeliten bewohnte Stadt Dawid-Grodek wurde von einer furchtbaren Brand katastrophe heimgesucht. 700 Häuser, die katholische Kirche, zwei Synagogen und die Post wurden einge äschert, Tausende von Menschen sind brod- und ob dachlos. — Italien. Auch in der italienischen Kammer macht sich eine Bewegung für die Herabsetzung der Militärdienstzeit aus zwei Jahre geltend und wird diese Forderung hauptsächlich mit Erspar ungsrücksichten begründet. Der Kriegsminister nimmt gegen die Verkürzung der Dienstzeit entschieden Stellung. Locale und sLchfische Nachrichten. — Eibenstock. Eine Zierde jeder Gartenanlage ist der Rhododendron. Den Passanten der Unterstadt bietet sich jetzt in dem Garten des Hrn. Ludw. Gläß ein solcher in voller Blüthenpracht. Freunde der Blumenzucht seien hiermit darauf aufmerksam gemacht. — Schönheide. Herr Kaufmann und Lotterie kollekteur Albin Mahnung feierte am 11. d. MtS. daS Fest der goldenen Hochzeit. Der Jubilar ist 74 und seine Gemahlin 73 Jahre alt. Beide befin den sich noch in voller geistiger und körperlicher Rü stigkeit und haben „noch einmal ausgenommen", um auch die diamantene Hochzeit feiern zu können. Wir wünschen dem Jubelpaar für den ferneren Lebens abend Glück und Gesundheit! — Dresden. Die ArbeitStheilung auf dem Gebiete der Magenbefriedigung, welche die verschie densten Bräu'S und Bierhallen, die CaföS, die Kon ditoreien, Restaurants, Salons und Hotels zu Stande gebracht hat, ist, wie eS scheint, immer noch nicht zum Stillstand gekommen. In neuerer Zeit ist die Gründung vegetarianischer Speisehäuser an die Reihe gekommen. In Berlin, wo vor 4 Jahren erst ei» einziges der Art bestand, wird bereits das sechste begründet; ja in London reicht die Zahl der selben nahe an 40, von denen einige täglich mehr als 1000 Gäste befriedigen müssen. Auch Dresden ist nunmehr an die Reihe gekommen. Schloßstr. 14,1. soll nächsten Mittwoch ein dergleichen Restaurant eröffnet werden. Es wird nach Wiener Muster ein gerichtet sein und Thalysia heißen. Unzweifelhaft wird eS vielen Leuten interessant sein, die verord neten vegetarianischen Gerichte kennen zu lernen. Auch die Getränke entsprechen der vegetarianischen Kost. — Leipzig. Die seit Jahrzehnten genährte Hoffnung, daß Leipzig einmal einen Centralbahn hof erhalten würde, ist jetzt zu Wasser geworden. Lange Verhandlungen haben vor einer Reihe von Jahren zwischen Preußen, das 4 Bahnhöfe hier hat, und Sachsen, das 2 Bahnhöfe hier hat, über die Erbauung eines gemeinschaftlichen Bahnhofes statt gefunden, die auch soweit geführt hatten, daß beide betheiligten Staaten ihre Bedingungen hatten stellen können. An der von Sachsen geforderten alleinigen Verwaltung des gemeinschaftlichen Bahnhofes scheint indessen das ganze Vorhaben endgiltig gescheitert zu sein, denn Preußen hat zur Erweiterung seiner Bahn höfe die Summe von 300,000 Mk. auSgeworfen und die Arbeiten hierzu sind bereits in Angriff genommen. Die Bedingung der allgemeinen Verwaltung eines ge meinschaftlichen Bahnhofes durch Sachsen kann Preu ßen aus Gründen der Konsequenz nicht ablehnen, da Preußen in seinem Gebiet dieselbe Bevorzugung in Bezug auf sächsische Bahnen genießt. Unter solchen Umständen scheint man preußischerseits auf einen ge meinschaftlichen Bahnhof lieber Verzicht zu leisten oder für später vielleicht einen preußischen Central bahnhof ins Auge zu fassen. — Borna. Eine sehr häufige Ursache großen Brandunglücks ist die Verwahrlosung durch Kin der, und es muß fort und fort die Mahnung er hoben werden, dieselben entweder unausgesetzt zu beaufsichtigen oder ihnen Zündhölzchen, Brennma terial rc. ängstlich fernzuhalten. In Lauenhain zündeten am Montag gegen Abend die allein im Hause anwesenden Kinder des Stuhlbauers Prager Spiritus an, um sich der blauen Flamme zu freuen. Bald darauf lag das Hans mit seinem gesammtcn Inhalte in Asche; eS gelang bei dem schnellen Um sichgreifen des Feuers kaum, das jüngste Kind zu retten. — Roßwein. Im benachbarten Marbach er wachte in der Nacht zum Sonntag der dortige Guts besitzer Kretzschmar durch ein befremdliches Geräusch vor der Thüre seiner eine Treppe hoch gelegenen Schlafkammer. ES rasselte wie ein altes Burgge spenst mit Ketten und dabei stöhnte eS dumpf und erschütternd, sodaß selbst einem Muthigen ein Grauen anwandeln konnte. Der so unliebsam aus dem Schlafe aufgeschreckte Gutsbesitzer stand auf und erblickte beim Oeffnen der Thür eine seiner Kühe, die ihm ganz gcmüthlich entgegen muhte. DaS Thier hatte sich aus dem Stall losgemacht und war mit der Kette die Treppe hinaufspaziert, wo cs vor der Schlaf- kammerthür Halt zu machen gezwungen war. Gleich zeitig hatte sich auch eine andere der Kühe Kretzschmars aus dem Stall losgemacht. Diese letztere war aber in die Küche gedrungen, wo das abenteuerlustige Thier mit den verschiedenen Geräthschaften eine etwas lärmende Bekanntschaft machte. Der Rücktransport der beiden Kühe in ihr gewohntes Heim machte inso fern Schwierigkeiten, als diejenige, welche ihrem Herrn einen Morgengruß an die Schlafkammerthür gebracht hatte, nur rückwärts die Treppe heruntergeschafft werden konnte. — Zwickau, 11. Juni. In der heutigen Sitzung der Zweiten Strafkammer erhielt der Bürstenfabrikant Christian August Ebertaus Ober st ützengrün wegen Wechselfälschung 2 Jahre 2 Monate Zuchthaus und 6 Jahre Ehrenrechtsverlust zuerkannt. — Reichenbach. Als am vergangenen Mon tag Abends '/,7 Uhr eine hiesige, im Anger wohn hafte Frau mit ihrem 2jährigen Töchterchen am Arme, sich auf dem Wege nach dem Sorgengut be wegte, wurde ihr plötzlich von rückwärts durch einen etwa 20jährigen Burschen das Kind entrissen und von dem Attentäter in ein nähe« Kornfeld ge schleppt. Die auf« Höchste erschrockene Mutter wurde durch Drohungen in Besorgniß gebracht und war in der Bestürzung nicht im Stande, um Hilfe zu rufen. Glücklicherweise wurde durch eine zufällig vom Felde heimkehrende Mannesperson, die sich dem Thatorte näherte, dem freventlichen Beginnen ein schnelle« Ende bereitet, doch ist e« dem elenden Burschen, dessen Signalement festgestellt ist, leider gelungen, zu entkommen. — Netzschkau. Infolge eingetretener Blut vergiftung starb Montag Abend '//10 Uhr Frau Bahnmeister Dünger geb. Pink« allhier im Alter von kaum 28 Jahren. Die Ursache dieses überaus be- klagenSwerthen Todesfalles führt man auf folgenden Hergang zurück. Frau Dünger, welche Mutter eines 3jährigen und eines einjährigen Kindes war, hatte an der Wange eine kleine Wunde. Das jüngere Kind war kürzlich geimpft worden und verhielt sich infolgedessen etwas unruhig. Hierbei, so wird ange nommen, kann es geschehen sein, daß die Wunde der Frau Dünger mit dem geimpften Theil ihres Kindes in Berührung gekommen und dadurch die Blutver giftung entstanden ist. — Lunzenau. Hier starb dieser Tage eine arme Dulderin, die 78 Jahre alte Christiane Rost, gegen deren Leidenszeit selbst die des biblischen Kran ken am Teiche Bethesda nichts war. Die arme Frau hat seit ihrem 16. Lebensjahre, also volle 62 Jahre lang, weder gehen, noch stehen, noch liegen gekonnt. In einem eigens dazu hergestellten Lattenstuhl, in halb sitzender Stellung, hat sie ihre ganze lange 62jährige LcidenSzeit vollbracht, auf die Güte und Pflege ihrer Mitmenschen angewiesen. Mit Geduld und Ergebung trug sie ihr jämmerliches Schicksal, bis sie dieser Tage zu einem besseren Leben einging. — Ein Uebelstand, der jetzt in der Reisezeit sich besonders fühlbar macht, ist der in den Personen wagen dritter Klasse der sächsischen und preußischen Eisenbahnwagen noch immer vorhandene Mangel an Aussichtssenstern. Während die bayerischen Wagen dritter Klasse bezüglich der Fenster genau so ausgestattet sind, wie die Wagen der zweiten Klasse, sind in Sachsen und Preußen nur die Coupsthüren der Wagen mit den Übligen Aufziehfenstern versehen. Bei Fahrten durch schöne Gegenden muß der Reisende, der nicht einen Ecksitz einnimmt, es nur zu oft zu seinem Verdruß erleben, daß ihm durch die Eckplatz inhaber die Aussicht verstellt wird. Das kann natür lich nicht stattfinden, wenn zu beiden Seiten der bis her üblichen ebenfalls noch Fenster angebracht sind. Wie die „Deutschen Verk.-Bl." hören, geht neuer dings die preußische Staatsbahnverwaltung zu dieser Einrichtung über. Hoffentlich folgt man bei uns ohne Zögern diesem guten Beispiele. Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. Der 14. Juni war für Napoleon I. ein Glückstag; im Jahre 1800 siegte er an diesem Tage über die Oesterrcicher bei Marengo. Damals war er noch Consill der Republik und dieser Sieg war nicht nur geeignet/sein Ansehen zu befestigen, er war auch gleichsam der erste Schritt auf dem Wege zur Kaiserkrone. Ebenfalls am 14. Juni, aber im Jahre 1807 erfocht der nunmehrige Kaiser den glänzenden Sieg bei Fried land über die Russen, wodurch Preußen von dem Usurpator vollständig überwältigt ward. Mit Marengo bewegt sich Na poleons Glück in aufstcigender Linie, mit Friedland ist es im Zenith nahezu angelangt. 15. Juni. Der 15. Juni ist den Manen Kaiser Friedrichs geweiht. Zwar war wohl das deutsche Volk durch des Kaisers schwere und langwierige Krankheit aus den ihm drohenden Verlust vorbereitet, dennoch aber traf die Gemuther der neue Schlag schwer und versetzte Hoch und Niedrig, Vornehm und Gering in tiefe Trauer. Und diese Trauer war eine um so be rechtigtere und allgemeinere, als man überall im Volke zu „unserm Fritz", dem tapferen Heerführer und liebenswürdigen Manne in Liebe emporsah. Diese Trauer war vielleicht auch begleitet mit einem sorgenden Blick in die Zukunft; denn als wenig erkannt und vielfach verkannt bestieg ein junger Sprosse des Kaiserhauses den deutschen Kaiserthron. Heute ist die liebende Erinnerung an den großen Todtcn gemischt mit einem Gefühle der Dankbarkeit dafür, daß er uns einen so würdigen Sprossen seines Hauses hinterlassen, zu dem wir in gleicher Treue und Liebe stehen, wie wir zu Held Kaiser Friedrich gestanden. 16. Juni. Am 16. Juni 1871 zogen die siegreichen Truppen, an ihrer Spitze Kaiser Wilhelm 1., in Berlin ein. So vermeldet kurz und bündig die Weltgeschichte, in deren gewaltigem Rahmen diese Thatsache nur ein Sandkorn unter der Menge anderer gewichtiger Thatsachen ist. Für uns aber, die wir Zeitgenossen jenes geschichtlichen Aktes waren, erstehen wieder vor geistigem Auge die Triumphbogen und die laubgeschmück ten Straßen, die wehenden Fahnen und Flaggen, die frohbe wegte Menschenmenge, die mit brausendem Jubel die tapferen heimkehrenden Krieger empfängt; wir sehen sie wieder vor uns, die Heerführer, von denen die Mehrzahl nun auch schon abberufen zur großen Armee, die Schlachtendenker und die Schlachtenlenker, und unwillkürlich kommt es von unseren Lippen: es war eine große Zeit! Es war eine Zeit, da sich Alldeutschland zusammenfand zum Siege und zur Einigkeit, eine Zeit, da sich das deutsche Volk in seiner Gesammtheit so glänzend bewährte, in der alle für die Freiheit und den heimischen Herd einwaten, alle, Mann bei Mann, Schulter an Schulter. Seit jenem Tage ist eine neue Generation ent standen, der die Zukunft und die Erhaltung des schwer Er rungenen gehört. Aber auch sie wird, ein würdiger Nach wuchs derer von 1870/71, mit Gut und Blut bereit stehen, wenn es dereinst des Vaterlandes Ehre.und Freiheit gilt. Vermischte Nachrichten. — Magdeburg. Auf der Bahnstrecke Wester hüsen-Schönebeck entstand Nachts im Postwagen des von hier nach Leipzig fahrenden Zuges Feuer. Dasselbe ist durch Selbstentzündung eines Packeis entstanden, welches Benzin enthielt. DaS Feuer fand besonders an den mit Zeitungen gefüllten Säcken reiche Nahrung. Die im Postwagen beschäftigten Beamten brachten den Zug mit Hilfe der Carpenter- bremse zum Stehen und gelangten dann durch das