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Ein Gedenktag. Im schönen Schwabenlande ragen, eine kleine Tagereise von einander entfernt, der Hohen toller und der Hohenstaufen empor, deren Wipfel von Burgen ge krönt sind, deren eine seit langem verfallen, die andere, das Stammschloß des gegenwärtigen deutschen Kaiser hauses, durch den kunstsinnigen Friedrich Wilhelm IV. vor wenigen Jahrzehnten aus ihren Trümmern neu erstanden ist. Lange bevor das Geschlecht der Hoheuzollern in der Geschichte eine Rolle spielte, war das hohenstau- sische Haus auf den deutschen Kaiserthron gelangt und unter ihm erlebte Deutschland seine glänzendste ältere Kaiserzeit. Besonders in Kaiser Barbarossa sahen spätere Geschlechter die Verkörperung der deutschen Kaiseridee, deren Wiederbelebung von unseren Vätern so heiß ersehnt und erstrebt wurve. Indessen „daS Glück war niemals bei den Hohenstaufen." Der letzte Sproß dieses Hauses, Konradin, endete 1268 zu Neapel auf dem Schaffet und denjenigen Helden desselben Stammes, welchen Sage und RuhmeSthaten vereint zum geistigen Gemeingut unseres Volkes ge macht haben, den Kaiser Rothbart, raffte ein Unglücks fall hinweg, so kläglicher Art, daß das Volk nicht daran glauben mochte. Am Dienstag waren, wie wir bereits in unserer letz ten Nummer unter der Rubrik „Aus vergangener Zeit rc." mitgethcilt, 700 Jahre vergangen, seit Kaiser Rothbart im Flusse Saleph in Cilicien (Kleinasien) ertrank. Dieser Fluß, gewöhnlich ein Rinnsal, im Frühling aber ein reißendes Gewässer, war scbon im Alterthume einem der größten Herrscher zum Ver- hängniß geworden. Der Welteroberer Alexander badete in seinen eiskalten Fluthen und zog sich dabei die tödtliche Krankheit zu, der er bald darauf am Ganges erlag. Der alte Barbarossa hatte in Deutschland die Kaisermacht zu einem Ansehen erhoben, wie sie ein solches seit Karl und Otto dem Großen nicht besessen hatte. Er hatte das Fehde- und Raubwesen im Reiche mit eiserner Hand unterdrückt. Da hallte durch Europa die Kunde wider, daß der Sultan Soliman der Große den Christen das heilige Grab abgenommen, welches zuvor in zwei Kreuzzügen mit Strömen Christenblutes von den Sarazenen erobert worden war. Kaiser Rothbart brachte ein gewaltiges Heer zusammen, um den Muselmannen Jerusalem wieder zu entreißen. Unter vielfachen Fährlichkeiten und erst nachdem sein Heer durch Feinde und widrige Ver hältnisse stark zusammengeschmolzen war, erreichte er Cilicien. Hier wollte er über den Saleph setzen, über welchen eine Schiffsbrücke geschlagen war. Der Ungeduld des 70jährigen Helden ging dieser Ueber- gang zu langsam von statten; er spornte sein Roß und setzte in die Fluth, um diesen zu durchschwimmen; aber der Strom war zu reißend. Der Kaiser ertrank. Erst nach drei Tagen fand das trauernde Heer den Leichnam seines Führers. Die Trauerkunde von seinem Tode wurde in Deutschland nicht geglaubt. Sie galt als Gerücht, das böswilligerweise von seinen vielen Feinden aus gesprengt worden war. In Sage und Lied hat denn auch Friedrich Barbarossa fortgelebt bis in unsere Tage. Mit ihm war des „Reiches Herrlichkeit ver schwunden", wie Uhland sang, der daran die Hoffnung knüpfte, „sie wird einst wiederkommen mit ihm zu seiner Zeit." Die Neuzeit hat den Sinn für das Ideale nur zu sehr eingebllßt. Die großen Thaten von 1870/71 haben die Raben von den Wipfeln des Kyffhäuser verscheucht, Kaiser Weißbart erlöste den Kaiser Rolh- bart. Das Singen und Sehnen des deutschen Volkes ging in Erfüllung, die Zufriedenheit darüber ist leider erstickt worden durch die großen und schweren Sorgen, welche die neue Zeit gebar. DaS kann uns aber nicht abhalten, den Blick rückwärts zu wenden und des Kaisers zu gedenken, der vielen Geschlechtern unserer Vorfahren als das verkörperte Ideal des deutschen Einheitsgedankens galt. Sein tragischer Tod hat dem Kaiser Rothbart einen Platz im Herzen des Volkes gesichert und sein Name wird, so lange cS Geschichte giebt, stets mit allen Ehren genannt werden. Hagesgeschichle. — Deutschland. Der BundeSrath hat in seiner letzten Sitzung die Frage der Errichtung eines Na tionaldenkmals für Kaiser Wilhelm I. durch einen Beschluß dahin entschieden, daß daS Denkmal in Berlin auf dem durch 'Niederlegung der Gebäude „an der Schloßfreiheit" entstehenden Platze in der Gestalt eine- Reiterstandbildes zu errichten sei. Gleich zeitig wurde der Reichskanzler ermächtigt, über einen Entwurf für da- Denkmal einen engeren Wettbewerb auszuschreiben. — Berlin, 10. Juni. Der Kronprinz von Italien weilt gegenwärtig zum dritten Male am hiesigen Hofe. DaS erste Mal führte ihn ein trau riger Anlaß hierher. Er hat am 16. März 1888 dem Leichenbcgängniß de« ersten HohenzollcrnkaiserS beigewohnt. Damals herrschte hier so kurz vor dem offiziellen Frühlingsanfang eine wahrhaft sibirische Kälte und der sehr schwächliche Prinz schien sich auf dem weiten Wege vom Dom nach der Siegessäule äußerst unbehaglich zu fühlen. Er muß damals trotz der Großartigkeit der Veranstaltungen einen recht ungünstigen Eindruck von der deutschen Reichshaupt stadt mit nach Hause genommen haben. Umso günstiger war unbedingt der Eindruck, den er bei seinem vorjährigen Besuch empfing. Damals begleitete er — e« war im wunderschönen Monat Mai — seinen Königlichen Vater hierher zu einem Empfang, wie er prächtiger, begeisterter und in jeder Hinsicht ge lungener noch keinem fremden Herrscher in Berlin bereitet worden ist. DaS schönste, sonnigste Wetter begünstigte damals alle Festlichkeiten und trug nicht wenig zu der allseitig gehobenen Stimmung bei. Diesmal hätte sich für den Prinzen von Neapel bei einem Haar die unangenehme Erfahrung vom 16. März 1888 wiederholt. Kurz vor seiner Ankunft war ein abscheuliches Aprilwetter mit rauhen Nordwinden. Indessen hatte der Himmel ein Einsehen und brachte über Nacht wieder die kalendermäßigen lauen Lüfte und Blumendüfte. So wird hoffentlich das reich haltige Programm zur Ausführung gelangen können und der Kronprinz von Italien wird abermals mit frohen, angenehmen Erinnerungen von dem deutschen Hofe scheiden. — Berlin, 9. Juni. In der heutigen Sitzung der Militärkommission des Reichstage« er schien der Reichskanzler v. Caprivi, um die Vorlage persönlich zu vertreten, nachdem die Lage kritischer geworden. Als er sein Amt angetreten, habe er die Pläne für die Zukunft bereits vorgefunden, und er, wie der Kriegsminister, seien der Ansicht gewesen, in jedem Falle dem Reichstage offen die volle Wahrheit zu sagen. In der Presse sei gesagt worden, jetzt sei ein Militär Reichskanzler, und nun würden die militärischen Forderungen kein Ende nehmen. Diese Auffassung sei unrichtig. Er betone ausdrücklich, daß er nur dem Plane beigetreten sei, den sein großer Vorgänger bereits gebilligt hatte. Er bitte die Vor lage nur an und für sich zu betrachten und sich von weiteren Plänen nicht beeinflussen zu lassen, v. Ben nigsen erklärte sich Namens der nationalliberalen Partei für die Vorlage. Windthorst erklärte, sich mit seinen politischen Freunden die Entscheidung bis zur 3. Lesung Vorbehalten zu wollen. Rickert forderte als Kompensation die zweijährige Dienstzeit und kritisirte die Politik Bismarcks. Infolgedessen bringe man der Regierung heute mehr Vertrauen entgegen, als früher dem Fürsten Bismarck. Richter ist für die Zukunft nicht sehr hoffnungsvoll gestimmt. Wenn man in Friedrichsruh etwas weniger in auswärtiger Politik machen wolle, würde dies der Friedenssicher heit nur förderlich sein. Jede Mehrbelastung lehne er ab. Die Generaldebatte wurde darauf geschlossen. — In Marine-OffizierSkreisen spricht man, wie aus Kiel geschrieben wird, viel davon, daß Kaiser Wilhelm die Absicht habe, seinen Bruder, den Prin zen Heinrich von Preußen, für einige Zeit aus dem aktiven Marinedienst zurückzuberufen und ihn an seiner Sette zu belassen. Die große Bürde der Repräsentationspflichten, die jetzt von dem Monarchen allein getragen wird, soll — wenigstens für die kommende Winter-Saison — zum Theil von dem Prinzen Heinrich übernommen werden. Die Nachricht, die von sehr vertrauenswürdiger Seite kommt, hat immerhin einen nicht geringen Grad in nerer Wahrscheinlichkeit. — Der fünfte Band von Heinrich von Sybels großem Geschichtswerke „Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. ist jetzt ausgegeben worden. Er behandelt in vier Büchern den Krieg in Norddeutschland und Italien, den böhm ischen Krieg, die sich daran knüpfenden diplomatischen Verhandlungen, den Feldzug der Mainarmee und die innere Entwickelung des neuen Reiches bis zum Ende des Jahres 1866. Bemerkenswerth für die Geschichte der Begründung des Deutschen Reiches ist der Schluß dieses Bandes, der wie folgt lautet: „Als in der Zeit vor den Friedenskonferenzen alle Entschließungen über Deutschlands Zukunft noch flüssig und unbestimmt erschienen, sprach der Kron prinz Friedrich Wilhelm, welcher überhaupt eine höhere Machtstellung des künftigen Reichsoberhauptes als der König im Sinne trug, die Ansicht au«, sein Vater müsse die Würde eines Königs von Deutsch land erhalten. Bismarck erinnerte dagegen, es gebe noch andere Könige in Deutschland, von Hannover, von Sachsen u. s. w. Diese werden dann, war die Antwort, wieder den Herzogstitel annehmen. „Aber sie werden das nicht wollen." „Sie werden müssen," rief der hohe Herr. Nach dem weiteren Verlaufe der Ereignisse gab er dieses System freilich auf, äußerte dann aber Anfang 1867, der König möge sich den deutschen Kaisertitel beilegen. Denn dem Volke gebe der Titel eine« Bundespräsidenten kein ergreifende- Bild; die Erneuerung der Kaiserwürde aber werde ihm die erlangte Einheit anschaulich verkörpert zeigen, und die Erinnerung an de« Reiches alte Macht und Größe alle Herzen entflammen. Der Gedanke an sich war, wie wir es erlebt haben und fortdauernd erleben, vollkommen richtig. Aber offenbar war er damals verfrüht: ein norddeutsches Kaiserthum hätte im Norden keine Begeisterung erweckt, und im Süden die Vollendung des nationalen Werke- erschwert. König Wilhelm wie» den Vorschlag kurz und bestimmt zurück: in seiner schlichten Weise wollte er nicht« sein, als Bundesfeldherr und der Erste unter seines Gleichen Er ist es auch geblieben, nachdem er vier Jahre später, bei dem Eintritt der Südstaaten, auf Bayern- Antrag Mach Beschluß der Fürsten und des Reichstags, die Annahme der Kaiserkrone genehmigt hatte." — Die deutsche Wehrordnung bestimmt bekannt lich, daß die vom Aufrufe betroffenen Landsturm pflichtigen, welkbe sich im Auslande aushalten, in das Inland zurückzukehren haben, sofern sie hier von nicht ausdrücklich befreit waren. In letzterer Hinsicht bestehen nun folgende gesetzliche Bestimm ungen: Lanbsturmpflichtige, welche durch Konsulats bescheinigung nachweisen, daß sie in einem außer europäischen Lande eine ihren Lebensunterhalt sichernde Stellung als Kaufmann, Gewerbtreibender rc. erwor ben haben, können für die Dauer ihres Aufenthaltes außerhalb Europas von der Befolgung des Aufrufs entbunden werden. Derartige Gesuche sind an den Civilvorsitzenden desjenigen Aushebungsbezirkes zu richten, in welchem die Gesuchsteller zum Landsturm überwiesen wurden, bezw. zum Landsturm übergetreten sind. Die Gesuche unterliegen der Entscheidung der Ersatzkommission. Die Entscheidung ist eine endgilt- ige. Nach Erlaß des Aufrufes sind derartige Gesuche unzulässig. Es dürfen aber auch im Auslande dau ernd aufhältliche Landsturmpflichtige im Frieden durch die Oberersatzkommission vom Dienste im Landsturm ausgemustert werden, ohne daß ihr persönliches Er scheinen vor derselben erforderlich ist, wenn sie durch ein glaubhaftes ärztliches Zeugniß nachweisen, daß sie dauernd untauglich sind. Derartige Gesuche sind ebenfalls an den Civilvorsitzenden der oben bezeich neten Ersatzkommission zu richten. Die durch den selben herbeizuführende Entscheidung der Oberersatz- kommisfion ist eine endgiltige, sie wird in den Mili tärpapieren vermerkt oder in besonderer Bescheinigung ertheilt. Zur Beurtheilung der Frage, wer überhaupt landsturmpflichtig ist, sei schließlich bemerkt, daß dem Aufrufe des Landsturms alle Wehrpflichtigen von vollendetem 17. bis zum vollendeten 45. Lebensjahre unterliegen, welche weder dem Heere, noch der Ma rine angehören, mit Ausnahme jedoch derjenigen Wehr pflichtigen, welche gemäß Z 38 der Wehrordnung wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen dauernd untaug lich zum Dienst im Heer und in der Marine befun den und auSgemustert sind. Locale und sächstsche Nachrichten. — Schönheide, II. Juni. Wie weit die Frech heit unserer Raubvögel geht, dafür möge folgender Vorfall als Exempel dienen. Am vergangenen Mon tag sah man hier fast in der Mitte des Dorfes in geringer Höhe einen Habicht kreisen und dann plötzlich pfeilschnell herab in ein Gehöfte stürzen, wo er sich eins von den daselbst anwesenden jungen Hähnchen zum Raub ausersehen hatte. Der Fang glückte dem frechen Patron auch, denn kurz darauf sah man ihn sich mit der erhaschten Beute wieder erheben und in raschem Fluge vom Schauplatze verschwinden. Es ist daher wohl geboten, auf das junge Geflügel möglichst viel acht zu geben. — Eine eigenthümliche Erscheinung kann man dieses Jahr im Walve wahrnehmen. Häufig trifft man da nämlicb oft nur 8 — 10 Jahre alte und kaum mannshohe Fichten mit den schönen purpurrothen Zäpfchen (Blüthen) geschmückt, während unsere Nadel bäume doch gewöhnlich ein weit höheres Alter erreichen, bevor sie zu blühen anfangen. — Schönheide. Die in Schönheiderhammer schon seit etlichen Jahren bestehende Roststab- Gießerei des Herrn Otto Thost in Zwickau soll, wie wir hören, auch neuerdings wieder, und zwar um das Doppelte, vergrößert werden. Die Gießerei selbst führt seit Kurzem die Firma: von Quersurth-Tosl'sche Roststabgießerei und sind als deren Inhaber die Herren Hans und Horst von Ouerfurth, sowie Herr Otto Thost, Zwickau eingetragen worden. — Schönheide. Herr Brückner aus Stützen grün hat nun auch seine Wirthschaft auf dem Kuh berge wieder eröffnet, — gewöhnlich nur an Sonn- und Feiertagen, während der Hundstage jedoch täg lich — und es ist daher den Besuchern des Berges Gelegenheit geboten, sich nach der Mühe des Berg steigens durch Speise und Trank zu erfrischen und zu stärken. — Hier und in der Umgegend sind neu erding» mehrere Personen, wie eS heißt an den Fol gen der Influenza, heftig erkrankt, eine junge Frau ist sogar gestorben. — Dresden, 10. Juni. Wie gemeldet wird, wohnten gestern der König und die Königin bei prächtigem Wetter in Gegenwart einer Zuschauermenge von ungefähr 16,000 Personen der Vorstellung von Buffalo-Bill« Wild-West bei. Da« Königs paar, welches den Leiter de» interessanten Schauunter nehmen» mit Auszeichnung empfing, erklärte sich von dem Gebotenen hochbefriedigt. — Leipzig. In der letzten Sitzung der Stadt verordneten wurde die Rathsvorlage wegen Umbaues de« Rathhause« und Anbaues eine-Verwaltungs gebäude« beratben. Mit allen gegen drei Stimmen wurde beschlossen, die Vorlage abzulehnen und dem Rathe zu erkennen zu geben, daß da» Collegium nach