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dieses bedeutungsvollen Denkmal« zu unterstützen und zu fördern, übernehme er gerne da« von dem Komitee ihm übertragene Protektorat. — Die „Nordd. Allg. Ztg." bringt folgendes Dankschrei bcn de« Fürsten Bismarck zur Ver- ösfentlichung: ..Friedricksruh, den 14. April 1890. In Folge meiner Entlassung und au« Anlaß meiner Geburtstagsfeier sind mir eine große Anzahl von wohlwollenden Kundgebungen aller Art au« dem Reich und von außerhalb zugcgangen. Zu meinem schmerz lichen Bedauern ist cS unmöglich, meinem Herzens- bedürfniß entsprechend, jede einzelne dieser freundlichen Kundgebungen zu beantworten. Ich bitte deshalb Alle, welche bei diesen Gelegenheiten ihren freund schaftlichen Empfindungen für mich einen so wohl- thuenden Ausdruck verliehen haben, meinen verbind lichsten Dank auf diesem Wege entgcgennehmen zu wollen, v. Bismarck." — Die Zusammenkunft der sozialdemo kratischen Fraktion, auf welcher endgültig über die Haltung der deutschen Sozialdemokratie am 1. Mai beschlossen werden sollte, hat am Sonntag, wie schon mitgetheilt, nicht in Dresden, sondern in Halle statt gefunden. In letzter Stunde war ein anderer Ort gewählt worden, da man, nachdem Dresden bekannt geworden, dort polizeiliche Behinderung befürchtete. Die Meinungen in der Fraktion gingen weit aus einander, so daß eine materielle Verständigung nicht erreicht wurde. Es wurde daher beschlossen, es den Arbeitern der einzelnen Städte und Gewerkschaften zu überlassen, wie sie den 1. Mai „feiern" wollen. In einem besonder» Aufruf soll Seitens der sozial demokratischen Fraktion des Reichstags ausdrücklich zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung er mahnt worden. — Frankreich. Die französische Hauptstadt steht abermals im Zeichen einer Wahlbewegung. Im jüngsten Ministerrath wurde bekanntlich der Termin für die Neuwahl der Pariser Stadtverord- neten-Versammlung festgesetzt. Man hat sich für das Datum des 27. April entschiede», so daß die Agitation ans kaum 14 Tage beschränkt bleibt. Wie schon früher gemeldet wurde, machen die Bou- langisten große Anstrengungen, um bei dieser Gelegen heit die Schlappe vom September vorigen Jahres auSzuwetzen. Sie tragen sich mit der Hoffnung, das Stadthaus zu erobern und von dieser Stelle aus die Rupublik aus den Angeln zu heben. Jndeß ist ihr Sieg noch keineswegs gewiß, da sie eS in letzter Zeit mit ihren alten Bundesgenossen, den Monarchisten und Klerikalen, verdorben haben. — Rußland. Die evangelische Kirche in den Ostseeprovinzen geht ihrer völligen Unter drückung durch die russische Regierung entgegen. Mit dem 1. April sind die evangelisch-lutherischen Konsisto rien in Riga n. Reval, ferner sämmtliche Gubernial- Konsistorien sowie Aemter der Superintendenten auf gehoben worden. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock. Vom 1. Mai d. Js. an ist Hr. Landgerichtsrath Kautsch in Zwickau zum Amts richter des Amtsgerichts Eibenstock ernannt worden. Der hiesige Arresthausinspector Hr. Wagner tritt am 1. Juli d. IS. in den Ruhestand. — Schwarzenberg. Der Sächsische Forst verein, der wegen der in Dresden abgehaltencn Versammlung des Deutschen Forstvereins voriges Jahr ausgesetzt wurde, tagt dieses Jahr in unserer Stadt, und zwar in den Tagen vom 29. Juni bis 2. Juli. Die Verhandlungsgegenstände sind folgende: 1: Ueber Wiesenbau. 2. Forstliche Unterrichtsfrage. 3. Holzstoff- und Cellulose-Fabrikation in Beziehung auf die Verwerthung der Hölzer in Sachsen. 4. Mit theilungen aus dem Gebiete der Unfallversicherung in« Betriebe der sächsischen Staatsforsten, 5. Welche Bedeutung ist in Wäldern den Beständen der Neben holzarten beizumessen? 6. Läuterungsfrage in Misch beständen von Fichte und Kiefer. Die LokalgeschäftS- führung ist für 1890 in den Händen des Oberförster« Schreher-Grünhain. Im Jahre 1891 soll der Sächs. Forstverein in Großenhain tagen. — In Langenbach bei Schneeberg wurde in voriger Woche von der Ehefrau des Gutsbesitzers Löscher beim Unigrabcn eines Beetes ein irdener Topf gefunden, in welchem 220 Silbermünzen in der Größe eines Markstückes lagen, die, ihrem Alter nach zu urtheilen, zur Zeit des 30jährigen Kriege« dort verborgen worden sein mögen. — Thum. Am 13. April, dem gleichen Sonn tag, an dem im vorigen Jahre die Tochter des Bri gadiers Günther aus Schneeberg hier ermordet auf gefunden wurde, durcheilte wiederum eine schreckliche Kunde unser Städtchen. In dem am hiesigen Markt platze gelegenen, dem Bürgermeister Schneider ge hörigen Hause wird seit vorige Weihnachten von dem 31 Jahre alten, noch ledigen Konditor Karl Rolle die Konditorei und Schankwirthschaft betrieben. Rolle ward in seinem Gewerbe von seiner 23 Jahre alten Schwester Martha Rolle, einem blühenden Mädchen, unterstützt. Beide Personen erfreute» sich großer Beliebtheit, auch das Geschäft ging sehr gut. Nach dem Beide am Abend des 12. April gesund und munter schlafe» gegangen, ist e« den übrigen Haus bewohnern am Vormittag des Sonntag ausgefallen, daß die Geschwister Rolle außergewöhnlich lange schliefen. Dem hierauf ins Schlafzimmer mit noch anderen Leuten eingetretenen Gchülfen Rolle's hat sich alsbald ein trauriges Bild gezeigt. Karl Rolle lag stark röchelnd und mit dem Tode kämpfend in seinem Bette, die in einem Nebenkämmerchen im Bette liegende Martha Rolle dagegen war bereits eine erkaltete Leiche. Keinerlei Anzeichen waren vor handen, daß dieselbe etwa einen Todeskampf über standen hatte, sie war offenbar ganz ruhig einge schlafen. Soviel bis jetzt bekannt geworden, liegt in beiden Fällen Vergiftung vor. Karl Rolle liegt noch vollständig bewußtlos zwischen Leben u. Tod schwebend darnieder. Die sich Allen aufdrängende Frage, auf welche Weise dies Unglück geschehen rc., wird erst durch eine Sektion der unglücklichen Martha Rolle und bezw. durch eine Vernehmung des Karl Rolle einigermaßen aufgeklärt werden. Gerichtsrath Wähner von Ehrenfriedersdorf ist an der Unglücksstätte be hufs Aufnahme dieses FgllcS rc. eingetroffen. — Glauchau. Hier findet zur Zeit die Nieder legung des Mittclthorthurms statt und ist schon ziemlich vorgeschritten. In der hierbei herabgenom menen kupfernen Kapsel befanden sich verschiedene interessante Schriftstücke, von. denen besonders eine von den seinerzeitigen Rathsmitgliedern unterschriebene Mittheilung vom 19. Juli 1770 zu erwähnen ist. Darin werden zunächst die in den Jahren 1741 bis 1770 entstandenen Feuersbrünste und Wasserschäden in der Stadt verzeichnet. Weiter werden noch sonstige außergewöhnliche Vorkommnisse in dieser Zeit ge schildert, darunter Folgendes: Im Jahre 1756 hatte die Stadt in Folge des in Kursachsen angesponnenen Krieges an sehr viel Einquartierungen und Durch märschen zu leiden. Auf einmal rückten 15,000 Mann Kaiserliche und Reichsvölker ein. Hierdurch ist nach dem Kriege eine furchtbare Theuerung entstanden, sodaß der Scheffel Korn auf 25—27 Thaler zu stehen kam und das Achtgroschenstück nur noch 3 Groschen gegolten hat. Am 24. Mai 1769 sind 600 Mann kursächsische ExekutionStruppcn eingcrückt, um die von dem gräfl. Schönburg'schen Haus zu beschaffenden 60 Rekruten zu fordern. Weiter wird mitgetheilt, daß der Handel und Wandel damals sehr darnieder- gelegen habe. Das Leinewebergewerbe habe sich da mals zusammengesetzt aus 167 Meistern, 24 Gesellen und 1 Lehrling mit 109 gangbaren Stühlen; Tuch macher waren 66 Meister mit 49 gangbaren Stühlen vorhanden. Am Schluß bringt das Schriftstück noch ein Vcrzeichniß der Angehörigen der gräfl. Familie und der jeweiligen Beamten rc. der Stadt Glauchau. — Markneukirchen. Der hiesige Gewerbever ein gedenkt am 23. April, an dem Tage, an welchem vor 50 Jahren die Stadt in Flammen aufging, einen Erinnerungsabend zu veranstalten. Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. 17. April. (Nachdruck verboten.) Der 17. April 1890 ist ein lOOjähriger Gedenktag. An diesem Tage vor 100 Jahren starb Benjamin Franklin, der amerikanische Freiheitskämpfer, der unermüdliche Volksfreund, der fruchtbare und erfolgreiche Schriftsteller, der Erfinder des Blitzableiters. Eine einfache, bescheidene Persönlichkeit, die die kleinbürgerliche Umgebung, aus der sie hervorgegangen, nie verleugnete, wurde Franklin im nordamerikanischen Befreiungs kriege sehr bald von großer Wichtigkeit und neben dem aller dings ungleich bedeutenderen Washington Organisator. Frank lin starb als 84jähriger Greis allgemein tief betrauert. Wenig bekannt dürste es sein, daß er bereits ein eifriger Vorkämpfer für die Aushebung der Sklaverei gewesen. 18. April. Der 18. April ist der Jahrestag der siegreichen Erstürm ung der Düppeler Schanzen durch preußische Truppen. An diesem Tage des Jahres 1864 wurde eine alte Schuld gesühnt, jene Schuld alter Diplomatenkunst, durch welche die deutsch denkenden, deutsch fühlenden und deutsch sprechenden Herzog- thümer dänischer Zwingherrschast ausgeliefert worden waren. 1200 tapfere Krieger, darunter 70 Offiziere, fanden in den Schanzwerken den Heldentod, aber am Abend war der wichtige Punkt, der entscheidend für den ganzen Krieg sein mußte, in preußischen Händen. Als die Einzelheiten des kühnen Schanzen krieges in die Oeffentlichkeit drangen, war die Welt der Be wunderung voll ob des glorreichen Kampfes. Aus heiterem Himmel. Erzählung von Gustav Höcker. ' (10. Fortsetzung.) Schwabel spielte mit äußerster Vorsicht und wagte nur geringe Einsätze; Edwin sah sich durch die Ver hältnisse gezwungen, dasselbe zu thun, er bedauerte dies umsomehr, als er sich gerade heute in der Stimmung befand, etwas zu wagen. Zeigte sich ihm das Glück günstig, so konnte er des Müllers, seines strengen Gläubigers, spotten, im andern Falle freilich — Der Hcldenspieler dachte den Satz nicht zu Ende; Eulenstett beklagte in dein Augenblick die Flauheit der Spieler uud ermuthigte zu höheren Einsätzen. „Sie wissen, meine Herren," äußerte er, „daß ich nicht des Gewinnes wegen spiele. Ich thue eS nur, um das Blut in Wallung zu bringen, und je wag halsiger wir spielen, je erregter werden die Nerven, kuito» votre jeu!" Die beiden Kollegen gewannen, der Baron verlor. „So ist's recht!" rief er vergnügt. „Jetzt wird eS amüsant. Ich halte das Dreifache!" Er zog eine neue Karte ab und verlor abermals. „Das ist ja herrlich!" lachte er. „Jetzt, bester Schwabel, müssen Sie auch etwas wagen. Sie thun eS ja doch in Ihrem Spiel auf der Bühne." .Da« ist etwas anderes," widersprach der Ko miker, „da habe ich nichts zu verlieren." „Ich denke, die Bühne soll das Leben wieder spiegeln?" „DaS ist die Kunst des Schauspielers." „Ei nun, so spielen Sie auch im Leben gut. Wir alle sind ja doch mehr oder weniger Schauspieler." Der Komiker blieb aber seinem Grundsätze treu und ließ sich zu keinem Wagniß verleiten, während Edwin ziemlich erhitzt spielte. Das Glück war ihm günstig geblieben; er pointirte immer höher. Eulen stett hatte bereits alles Kleingeld verloren, er zog daher seine Brieftasche und warf Edwin einen Hunderter zu. Der Heldenspieler gerieth in Ver legenheit, da er, trotz seines Glücks im Spiel, nicht über die Summe gebot, welche er auf die Banknote herauSzugeben hatte. „Bitte, halten wir uns nicht im Spiele auf," äußerte der Baron zuvorkommend, als Edwin ihm den Kassenschein wieder zurück geben wollte. „Wir können ja später abrechnen." Gut giebt Muth, das fühlte jetzt Edwin, der von der Leidenschaft des Spiels mächtig fortgerissen wurde. Er spottete aller Warnungen seines Kollegen und setzte immer tollkühner. Da, mit einem Male schlug das Glück um — der Hcldenspieler verlor beträchtlich, dennoch ließ er nicht nach im Wagen, und schon nach wenigen Minuten befand er sich auf dem Punkte, daß Schwabel vollberechtigt war, in trockenem Tone zu sagen: „So, jetzt seid Ihr wohl am Ende der Dinge angelangt." Alles Blut war aus des Heltenspielers Antlitz gewichen. Er biß die Zähne fest aufeinander und trommelte mit den Fingern. „Ah," rief der Baron bedauernd zu, „Sie haben wohl kein Geld mehr? Ich habe Sie auSgeraubt. Da sehen Sie, was für ein scblimmer Mensch ich bin. Ich bitte sich zu bedienen." Bei dem letzten Satze schob er Edwin eine wohlgefüllte Brieftasche zu. Derselbe lehnte dankend ab, wenn schon mit einem unterdrückten Seufzer. „Lassen wir das Spiel für heute sein," meinte Schwabel, sich gähnend erhebend, „ich bin müde und morgen früh ist Probe." „Wie schade," äußerte Eulenstett, seine mit Brillanten besetzte Uhr ziehend, „es ist noch früh an der Zeit. Ihre Augen," fuhr er nach kurzer Unter brechung zu Edwin gewandt fort, „zeigen noch keine Spur von Müdigkeit." „Das Spiel hat mich erregt," bestätigte der Heldenspieler, „und ich könnte mich noch nicht zur Ruhe begeben." „So begleiten Sie mich nach der Stadt in mein Hotel," rief der Baron lebhaft. „Ich will Ihnen dort zum Lohn auch einen Punsch brauen, der Sie über alle Spielverluste hinweg bringt." Edwin nahm die Einladung an, und so trennte man sich. Schwabel stieg schläfrig die Treppe zu seinem Zimmer empor, während Eulenstett mit Edwin nach kurzer Wanderung im Hotel zum Adler anlangte. Im ersten Stockwerk bewohnte Eulenstett zwei Zimmer. Bald saß er mit seinem jungen Gaste auf dem Sopha, und während Beide von dem duftenden Punsche nippten, blickten sie gedankenvoll dem blauen Rauche ihrer angezündeten Cigaretten nach. Die Stimmung ward binnen Kurzem eine recht behagliche und Edwin gab dem Drängen des Barons, von seinen Kreuz- und Querzügen durch da« deutsche Reich zu erzählen, gern nach. Als er endlich schwieg, füllte Eulenstett die Gläser von Neuem und stieß auf ferneres gutes Einvernehmen an. Dann sagte er: „So sehr ich auch Ihre Gesellschaft liebe, wäre es mir doch lieber. Sie nicht hier in Rechwitz zu sehen." Auf Edwins fragenden Blick fuhr er fort. „Das hiesige Engagement läuft Ihrer künstlerischen Ehre stracks entgegen. Der Komiker ist ja ein recht lieber, braver Mann, aber paßt durchaus nicht zu einem Künstler Ihres Ranges." „Sie kennen ja den Zweck meines Hierseins," schalt Edwin ein. „Nun gut, suchen Sie möglichst bald Ihre Pflege mutter auf und geben Sie sich ihr zu erkennen. Dann aber fort. Wollen Sie mir eine Freude machen, so folgen Sie mir, als lieber Gast, nach der Residenz; wir verleben dort einige Tage heitern Bei sammenseins." In de« Heldenspielers Antlitz stieg wiederum die Röthe der Verlegenheit auf. „Das geht nicht an," sagte er nach längerem Schweigen, „ich habe hier Verpflichtungen zu erfüllen." „Wenn ich Sie wirklich als meinen Freund be trachten soll," drängte der Baron, „so dürfen Sie kein Geheimniß vor mir haben. Welcher Art sind jene Verpflichtungen, die Ihrem freien Willen Fesseln anlegen?" Edwin wollte mit der Sprache nicht heraus, doch der Baron ließ nicht nach, ihn niit Fragen zu be stürmen, und da der kräftige Punsch ein nicht zu unterschätzender Bundesgenosse war, so schüttete der junge Schauspieler dem Mäcen sein Herz aus und offenbarte ihm seine mißliche Lage.