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Aagesgeschichle. — Deutschland ohne Bismarck heißt der Titel eines längeren Aufsatzes in dein neuesten polit ischen Wocheublatte „The Speaker". Dasselbe stellt die muthmaßlichen Bortheile und Nachtheile des Ver schwindens Bismarcks von der politischen Bühne zu sammen. Zu den Vortheilen gehöre die Möglichkeit des Auskommens anderer tüchtiger Persönlichkeiten, die bisher unter den mächtige» Aestcn der BiSmarck- schen Eiche nicht zum WachSthume gelangten. Zu den Nachtheilen wird zunächst die größere Verant wortlichkeit des Kaisers und die damit verbundene Gefahr für den Monarchen im Falle deS Mißlingens der Kaiserlichen Politik gerechnet. Der junge Kaiser vertraue auf sein persönliches Ansehen, aber schon habe dasselbe nichts zur Sicherung einer Kartellmehr heit ausgereicht, weshalb solle der neue Reichstag sich den gesetzgeberischen Maßregeln des Kaisers gefügiger zeigen! Als unersetzlich gilt dem Speaker der Ver lust Bismarcks auf dem Gebiete der Bundes- und der auswärtigen Politik. Alle deutschen Könige u. Fürsten hätten sich vor ihm gebeugt; er halte Fäden in seiner Hand, die keiner so genau kenne wie er und auf Jahre so kräftig anzuziehen wisse. Weder der Kaiser noch irgend einer seiner Rathgeber könnten die Lücke aus füllen. In der auswärtigen Politik sei jetzt der Zauber gebrochen, durch welchen Rußland u. Frankreich bisher »iedergehalten wurden. Augenblickliche Kriegsgefahr sei nicht vorhanden, aber beide wüßten, daß sie nach dem Rücktritt Bismarcks weniger zu fürchten hätten, und das umwölke den Himmel des europäischen Frie dens, der jüngst sich zu klären begonnen habe. — Berlin, 26. März. Fürst Bismarck wurde heute vom Kaiser in Abschiedsaudienz em pfangen. Dieselbe währte eine volle Stunde. Darauf verabschiedete sich Fürst Bismarck auch von der Kaiserin. Auf dem Hin- und Rückweg begegnete Fürst Bismarck stürmischen Huldigungen des zu Tausenden angesammelten Publikums. Damen über reichten Blumen und warfen solche in den Wagen, an den die Menge sich dicht heran drängte. Durch die brausenden Hoch- nnd Hurrahrnfe wurden die Pferde der Kalesche des Fürsten Bismarck scheu. Das eine verwickelte sich in die Stränge. Fürst Bismarck mußte aussteigen und eine Strecke zu Fuß gehen. Die Ovationen erhöhten sich dabei noch. Fürst Bis marck dankte mit freundlichem Gruß und reichte einigen der zunächst Stehenden die Hand. Ein Theil des Publikums machte auch den Versuch, sich selbst an den Wagen zu spannen, Fürst Bismarck wehrte dies aber ab. Als der Wagen wieder in Gang ge bracht war, begab sich der Fürst zu den badischen Herrschaften. Donnerndes Hurrah empfing ihn, als er in das Kanzlerpalais zurückkehrtc. Nachdem er ausgestiegen, trat er auf deu Perrou des Hofes und stellte sich stramm und hochaufgerichtet neben den Wagen, von wo aus er mit freundlichem Ernst wie derholt militärisch die sich vor das Gitter drängende Menge begrüßte. Als dieselbe die Huldigung fort setzte, erschien er später wiederholt grüßend am Fenster. Ei» großer Theil der Hofgesellschaft fuhr Nachmittags am Kanzlerpalais vor, um sich zu verabschieden. Die Verabschiedung der Generalität hat bereits gestern statkgefunden. Zu erwähnen ist noch, daß der Reichs anzeiger, wie auch der offiziöse Hofbericht, den Fürsten Bismarck als Herzog von Lauenburg bezeichnen, woraus geschlossen wird, daß er diese Würde noch nicht abgelehnt hat. — Berlin. Nach dem in Veranlassung der An wesenheit des Prinzen von Wales in der Nähe Ber lins, aus dem Tempelhofer Felde, abgehaltcnen Man- növer, dessen einen Theil, das Südkvrps, der Kaiser persönlich, das Nordkorps, markirter Feind, General lieutenant v. Wittich kommandirte, stellten sich bei der nachfolgenden Kritik einige Meinungsver schiedenheiten heraus. Graf Waldersee hielt eine wohlvcrbrcitete glänzende Kritik. Der Kaiser er widerte unter Anerkennung der Verdienste Waldersces, daß die Supposition der gestellten Aufgabe nach seiner und anderer Meinung bedenklich sei. Im Ernstfälle kämen solche Voraussetzungen nicht vor, das sei ein entschiedener Fehler. Waldersee erwiderte, daß diese Frage für den Werth der Arbeiten nicht in Betracht komme, und führte für die Richtigkeit der Supposition Beispiele aus der Kriegsgeschichte an. Der Vorgang dürfte auch damit noch nicht vollständig aufgeklärt sein. — Eine jedenfalls darauf Bezug habende anderweite Melvung besagt: Der Kaiser bat sich in den letzten Tagen dem Generalstabschef Grafen Waldersee gegen über unwillig darüber ausgesprochen, daß dem, was über die Aussagen des Kaisers bei einer Kritik im GencralstabSgebäude gerüchtweise verlautet hat, in ein igen Zeitungen eine übertriebene und ganz verkehrte Demung gegeben worden sei. — Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht den Brief wechsel zwischen dem Kaiser und dem Papst an läßlich der Arbeiterschutzkonferenz. Das kaiser liche, vom Fürsten Bismarck gcgengezeichnete und vom 8. März datirte Schreiben, dein das Programm der Konferenz beigefllgt war, zeigt die Ernennung des Fürstbischofs Dl. Kopp zum Konfercnzdclegirten an und bittet den Papst um wohlwollende Unterstützung des Unternehmens. Das Schreiben des Papstes datirt vom 14. März. Der Papst beglückwünscht den Kaiser für sein warmes Interesse an einer Angelegenheit, welche die ganze Welt angehe und spricht die Zuver sicht aus, daß das Zusammenwirken der Regierungen dazu führen werde, das ersehnte Ziel zu erreichen. Zugleich aber betont der Papst die Mitwirkung der Religion und der Kirche, da nur der religiöse Sinn die Gesetze wirksam machen könne. Das Außeracht- lassen dieses Gesichtspunktes habe zur Erschütterung der Grundlage der Gesellschaft geführt. Nur indem man denselben wieder berücksichtige, werde es möglich sein, die Grundlage der Gesellschaft wieder herzu stellen und ihr Frieden, Ordnung und Gedeihen zu sichern. Zum Schluß sprach der Papst seine Genug- thuung über die Ernennung des Fürstbischofs Ur. Kopp aus. — Die Kommission für die Sonntags arbeit unter Vorsitz des Fürstbischofs Ur. Kopp hat ihre Aufgabe in der Hauptsache vollendet. Die Ge sichtspunkte für eine gemeinsame Sonntagsruhe der Ar beiter in den verschiedenen Staaten sind aufgestellt und es gilt jetzt nur noch, die Bürgschaften für die wirksame Durchführung der Bedingungen zu finden. — Eine Anzahl angesehener Berliner Ein wohner hat Einladung zu einer Versammlung am Sonntag erlassen, in der über eine Dankeskund- gebung des deutschen Vockkes an den Fürsten Bismarck Beschluß gefaßt werden soll. Die kon servative und die freikonservative Fraktion des Abge ordnetenhauses haben ebenso wie die nationalliberale beschlossen, dem Fürsten Bismarck zu dessen Geburts tag ain 1. April eine Adresse zu überreichen. Sächsische Nachrichte«. — Dresden. Ihre Majestäten der König und die Königin sind dem „Dresdner Journal" zufolge, am Montag, den 24. d. M. von Nervi in Men tone zu einem mehrwöchentlichen Aufenthalte angekommen und im Hotel d'Jtalia abgestiegen. Auch die neuesten über das Befinden Ihrer Majestät der Königin aus Mentone cingegangenen Nachrichten lauten günstig. Die Kräftezunahme ist eine sehr bemerkbare, wie am besten die in letzter Zeit unternommenen längeren Promenaden erkennen lassen. Die geschützte Lage des Kurortes und die milde Luft äußern die günstigste Rückwirkung auf das Allgemeinbefinden der hohen Fran. — Dresden, 26. März. Der feierliche Schluß des Landtages ist heute Mittag 12 Uhr durch eine Ansprache des Staatsministcrs, General der Kavallerie, Grafen v. Fabrice, im Sitzungssaale der ersten Kam mer erfolgt. — Plauen. Angelockt durch die in den letzten Tagen eingetretcne bessere Witterung haben sich auch wieder die böhmischen Arbeiter arbeitsuchend nach Deutschland auf die Reise gemacht, um hier ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Fast hat es vcn Anschein, als ob der Zuzug i» diesem Jahre noch größer werden wolle, als in den Vorjahren. Nach dem schon fast jeden Tag in voriger Woche gegen 200 Arbeiter von Eger nach Sachsen auf der Eisen bahn zu befördern waren, stieg die Anzahl derselben am vergangenen Sonnabend auf über 900, besonders war der um 5 Uhr Nachm. hier ankommende Zug, welcher eine halbe Stunde später ankam, sehr stark besetzt. In demselben befanden sich über 500 Ar beiter. Aber auch am Sonntag wurden noch über 250 befördert, so daß in einer Woche nahezu 2000 Personen, meist Maurer und Handlanger, mitunter mit Frau und Kindern nur über Eger nach Sachsen befördert wurden. Da nun aber auch auf den weiteren 6 von Böhmen nach Sachsen führenden Eisenbahnen Arbeiter befördert werden und zwar in fast gleicher Anzahl, kann man sich ungefähr vorstellen, wieviel alljährlich anßerdcutsche Arbeiter in Deutschland ihr Brot suchen. — Der nachstehende Fall mahnt zur Vorsicht bei dem Zerkleinern mehrerer zugleich geschlachteter Schweine. Ein Restaurateur in Oelsnitz ließ das Fleisch zweier von ihm geschlachteter Schweine auf Trichinen untersuchen. DaS Fleisch des einen Schweines wurde als trichinenhaltig befunden. Zu seinem Schrecken hatte der Restaurateur die Fleiscb- theile beider Schweine so unter einander gebracht, daß dieselben nicht mehr zu unterscheiden waren. Es mußte nun die Eingrabnng deS sämmtlichen Fleisches angeordnet werden. — Ueber die Sozialdemokratie und die Arbeiterinnen führt die „Köln. Ztg." speciell für Sachsen aus: „Seit einigen Jahren ist auch in Sachsen die Sozialdemokratie weit mehr als früher bemüht, die in den Fabriken arbeitenden Frauen der politischen Bewegung im sozialdemokratischen Sinne dienstbar zu machen. Welche Erfolge dabei unter den etwa 95,000 sächsischen Fabrikarbeiterinnen von der Partei bisher, erzielt sind, ist auch bei der letzten Reichstagswahl für jeden aufmerksamen Beobachter der Verhältnisse wieder deutlich hervorgetreten. Wenn die Arbeiterinnen auch in die Wahlwühlereien öffent lich nicht eingegriffen haben, so kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß sie die Männer sehr thatkräf- tig sowohl durch Beiträge für den Wahlfonds wie im „Wühlen" unterstützten. Schon früher haben wir darauf hingewiesen, daß manche Arbeiterfrauen die sozialdemokratischen Ansichten ihrer Männer durch aus verdammen, es gilt dies jedoch meist nur von denen, die nicht miterwerbend in der Fabrik thätig sein müssen, sondern sich der Häuslichkeit widmen können. Die eigentlichen Jndustriearbeiterinnen sind in den letzten Jahren mehr und mehr sozialdemokra tisch gedrillt. Sie fühlen sich in den sächsischen In dustriegebieten meist vollständig als „Klasse" im so zialpolitischen Sinne, die sich ihre Rechte in engster Verbindung mit dem männlichen Proletariat zu er kämpfen hat, mit dem sie schon heute in zahlreichen Ausständen in Sachsen meist gemeinsam vorzugehen pflegt. Sie will nicht mehr „mit in den Schooß ge legten Händen und geschlossenen Augen" dem öffent lichen Leben gegenüberstehen. Diese Frauen besitzen, wie ihnen von der Sozialdemokratie immer wieder versichert wird, die „völlige Reife für da*'politische Leben", nur das politische Wahlrecht des Mannes wird ihnen von unserem „reaktionären Klassenstaat" vorenthalten, und sie können es sich nur erkämpfen, wen» sie, vom Gefühl der Zusammengehörigkeit be seelt, die Sozialdemokratie unterstützen. In zahlreichen Versammlungen ist in den letzten Jahren dieser Ge danke immer wieder vor einer aus Arbeiterinnen zu sammengesetzten Zuhörerschaft offen und andeutungs weise erörtert. Statt Muttergefühl und Liebe zur Häuslichkeit* — Klassenbewußtsein, bedingungs- und gedankenlose Einfügung der erwerbSthätigen Frau in die sozialdemokratischen Sturmkolonnen — das sind die Ziele, welche sich in Sachsen die Sozialdemokratie zunächst init den Fabrik-Arbeiterinnen gesteckt hat. Thöricht wäre es, die Erfolge, welche diese Partei auf jenem Gebiet bereits erreichte, nicht voll zu würdigen, aber geradezu unbegreiflich würde es sein, wollte man auch nur einen Augenblick darüber Zweifel hegen, daß die „Sozialdemokratisirung" der erwerbSthätigen Arbeiterinnen für die Gesellschaft weit größere Be denken in sich birgt, als das Anwachsen der männ lichen Sozialdemokratie. Die politische Gesinnung, welche eine sozialdemokratische Mutter ihren Kindern einprägt, wird auf die Entwickelung der Charaktere noch von ganz anderem Einfluß sein, als die doch meist erst in späteren Jahren aufgenommenen Lieb- knecht'schen und Bcbel'schen Anschauungen. Mit den sozialdemokratischen Müttern wird die Arbeiterfamilie vollständig zur sozialdemokratische» Agitationsschule." Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. Die große französische Revolution bot auch der Schweiz, die eine Bundesrepublik war, die Gelegenheit, nachdem Vieles faul im Staate geworden, neue geordnete Zustände herbeizu führen. Die Aristokratie, namentlich die in Bern, hatte dem Volke so ziemlich allen Antheil an der Regierung entzogen, die Verhältnisse waren drückende geworden. So kam es zum Auf stande und das Ende war, daß die Bundesrepublik aufgelöst wurde und an ihre Stelle am 29. März 1798 eine einzige und untheilbare helvetische Republik mit 5 Direktoren und 2 gesetz gebenden Räthen trat. 30. März. Einer der furchtbarsten Schreckenstage der Weltgeschichte, der unverwischbar in deren Annalen eingetragen ist, ist der 30. März 1282, an dem die sogenannte „sizilianische Vesper" statt fand. Es war ein furchtbares Strafgericht, das sich über die Häupter aller Franzosen, die Sizilien unter Karl von Anjous Grausamkeit geknechtet hatten, entlud. Fast alle Franzosen wurden ermordet oder verjagt und das Land völlig gesäubert. Johann von Pracida war die Seele dieser Verschwörung, die urplötzlich ausbrach und die Zwingherren völlig überraschte und überrumpelte. 31. März. Am 31. März 1872 wurde das neue preußische Unterrichts gesetz erlassen. Dasselbe hob unter dem Cultusminister IW. Falk die eine gedeihliche Entwickelung des Volksschulwesens hemmende „Regulative" von 1834 auf und führte neues und frisches Leben in die Volksschule ein. Der Erlaß enthielt einen genauen Lehr- u. Organisationsplan für die Volksschule, der bis auf heutigen Tag maßgebend geblieben und viele gute Früchte gezeitigt hat. Ein gewisses körperliches Wokkvehagt«, neue geistige Spannkraft empfindet man nach dem Genuß von 1—2 stol»- bereitet von Apotheker Jassmann. Schachtel 1 Mk. Apotheke zu Eibenstock. kirchliche Nachrichten aus -er parochie Libenliock vom 23. bis 29. März 1890. Getraut: 12) Franz Joseph Ott, Maurer hier, ein Wittwer, mit Hulda Eniilie geb. Flach hier. 13) Gustav Herm. Unger, Maschinensticker hier mit Marie Wilhelmine geb. Tittes hier. 14) Friede. Ernst Kunze, Bretmllhlenarbeiter hier, ein Wittwer, mit Friederike Emilie verw. Göckeritz geb. Anger hier. Getauft: 82) Otto Richard Pilz in Wildenthal. 83) Eduard Paul Unger in Wildenthal. 84) Theodor Ewald Geldhahn. 85) Max Walther Queck. 86) Elise Dörffel. 87) Elsa Paula Unger. Begraben: 65) Anna Marie, ehel. T. des Gustav Emil Heyman», Handarbeiters hier, 3 M. 25 T. 66) Anna Elife, ehel. T. des weil. August Hermann Thiele, Schlossers in Chemnitz, 4 I. 2 M. 18 L. 67) HanS Alfred, unehel. S der Llsette Milka Hager hier, 17 T. 68) Des Gustav Herm. Mothes, Nachtwächters hier, todtgeb. Sohn. 69) Karl Ehregott Flem ming, ans. B. und Gürtlermeister hier, ein Ehemann, 87 I. 4 M. 4 T. 70) Paul Georg, unehel. S. der Hulda Albine Seifert hier, 3 R. 10 T. Am Sonntage Palmarum: Norm. Confirination. Herr Pfarrer Böttrich. Nachm. Predigttext: I. Thefs. 2, 9—13. Herr Diac. Fischer. Beichte und Abendmahl bleiben ausgesetzt. Sirchennachrichtcn au« Schönheide. Sonntag, d. 30. März (v»n>. kalm.). Vorm. 9 Uhr Konfirmation der diesjährigen Confirmanden. Herr Pastor Strudel.