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Fenster Luft schöpfen wollen, sich dabei wahrscheinlich etwa« zu weit an« demselben gebeugt, in der Schlaf trunkenheit da« Gleichgewicht verloren und war drei Etagen hoch aus da« Trottoir herabgcstiirzt. Vor übergehende hoben den Verunglückte», der sofort den Tod gefunden hatte, auf und trugen ihn in« Hau« zurück. Trotz der frühen Morgenstunde hatte sich in kurzer Zeit eine große Menschenmenge am Unglücks orte angesammelt, unter welcher die verschiedenste» Gerüchte über die Veranlassung de« verhängnisvollen Sturzes laut wurden. — BurkhardSdorf. Die durch unseren Ort fließende Zwönitz gilt nach dem Urtheilc Sachver ständiger als eines der besten Fischwässer im König reich Sachsen. Um nun dem Flusse seinen Fischreich- thum wenigstens erhalten zu helfen, hat der hiesige Gemeinderath dem neuen Pächter der Fischerei inner halb BurkharbSdorfer Flur das Einsetzen von jährlich mindestens 5000 Stück Forellenbrut an verschiedenen Stellen der Zwönitz unter Aufsicht von ein oder zwei Gemeinderathsmitgliedern vertragsmäßig zur Pflicht gemacht. — Aus der Lommatzscher Pflege. Kaum haben Sonnenschein nnd Wind den feuchten Boden soweit abgetrocknet, daß die Vorbereitungen zur Früh jahrssaat beginnen können, so macht sich unter dem landwirthschaftlichen Gesinde, das während der arbeitslosen Wintermonatc von dem Arbeitgeber ohne entsprechende Gegenleistung unterhalten worden ist, gleichzeitig an verschiedenen Punkten ein Geist der Unzufriedenheit geltend, der in plötzlichem Ver weigern der Arbeit zu den bisher vereinbarten Lohn sätzen oder gar in ungesetzlichem Verlasse» des Dienstes ohne Kündigung zum Ausdruck kommt. Namentlich haben Landwirthe hiesiger Gegend mit fremden männ lichen Arbeitern, niit denen sie bisher wohl zufrieden waren, in den letzten Tagen bittere Erfahrungen machen müssen. Die Aufregung, welche durch die Wahlen bis in das kleinste Dörfchen hineingetragen worden ist, trägt mm in dieser künstlich geschürten Unznfriedenheit ihre bittere Frncht. — Aus dem Vogtlande berichtet man, daß sich in der Stickerei-Industrie jetzt eine Be wegung zeigt, die auf Verkürzung der gerade in diesem Gewerbe sehr langen Arbeitszeit gerichtet ist. Es sind nicht blos Arbeiter, sondern einzelne Fabrikanten kreise selbst, welche den Schaden der übermäßig langen Arbeitszeit einschcn. Ein fast noch größerer Uebel- stand ist die lange Beschäftigung der Kinder in der Stickerei-Branche. Dieselben werden über die gesetz lich zulässige Zeit in den Fabriken beschäftigt, bis weilen bis 11 und 12 Uhr Nachts, um „Borr^h" für den nächsten Tag zn schaffen. In der Schule leisten diese überarbeiteten Kinder dann freilich Nichts; die Lehrer klagen über Unaufmerksamkeit u. Trägheit. — Es sind jetzt l60 Jahre verflossen, seit die Sächsische Artillerie Uniform trägt. Bereits 1630 hatte Kurfürst Johann Georg I. eine Artillerie- Compagnie gebildet, deren Bestand steigend u. fallend war. König August der Starke setzte die Compagnie 1698 auf ein Bataillon zu vier Compagnien, wozu 1700 »och zwei, später wieder reduzirte, Compagnien kamen. Bis 1730 waren die Artilleristen eine Art Zunft, in der Lehrbriefe ausgcgeben und Prüfungen vorgenommen wurden. Im Jahre 1763 fand eine Neuformirung der Artillerie in ein Corps statt, das aus 2 Bataillonen Artillerie, einem Bataillon Füsi liere und einer Bombadier-Compagnie bestand. — In Sachsen sind die Schnepfen nicht häufig, sie sind mehr in Norbdeutschland. Doch strei chen sie jetzt bei Großenhain, Follborn, Tiefenau, Deutschbaßlitz und sind die Probe für geschickte und geduldige Jäger. Vorzüglich sind es hier die starke, braungewellte, laugschnäbligc Waldschnepfe (8coiopux ruütieolir l,.), von der der Vers sagt: Oculi da kom men sie, Judica da sind sie da und Palmarum singen sie ruhig Trararum. Aber auch die Hcerschnepfe (8r. Oailinogo I,.) ist da, die auch Habcrgais und Himmelsziege genannt wird. Läßt sie sich nämlich aus großer Höhe in Erlenbrüche und nasfe Wiesen herab, so bringt sie durch das Zittern ihrer Schwin gen einen Ton hervor, der wie leises Meckern oder Lachen klingt, daher ihre oft seltsamen Beinamen rühren. — In Rücksicht auf die bedeutenden Koste», mit welchen die Vollstreckung eines TodeSurtheils verknüpft ist, sowie aus Gründen einer zweckmäßigen Wahrung der beschränkten Oeffentlichkeit sollen künftig die innerhalb Sachsens zu vollziehenden Hinrichtungen innerhalb des Dresdner Justizgebäudes, am Orte der Aufbewahrung des Fallbeilinstrumentes, stattfindcn. Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. 27. März. < Nachdruck verboten.) Ein Bild aus der Zeit von Deutschlands Erhebung gegen französischen Druck. Kaum war das erlösende Wort vom Munde des Königs von Preußen gefallen, als sich auch ini Frühjahr 1813 das Volk zu den Waffen drängte. Lilhow's wilde verwegene Schaar war cs, die gleich zuerst aus dem Plane erschien, um das verhaßte Franzosenjoch abzuschlltteln. Am 27. März 1813 wurde die kühne Freischaar zu Aogau in Schlesien in der Kirche eingesegnet und von da ging es in den Kamps, der nicht lange aus sich warten ließ. 28. März. Zwar war es zweifellos gnt gemeint, allein noch war die Zeit der Einheit nicht gekommen. Immerhin ist der 28. März I84S «in denkwürdiger Tag deutscher Geschichte. An diesem Tage beschloß die Nationalversammlung ,n Frankfurt a. Main die Uebertragung der deutschen Kaiserwürdc an den König von Preußen. Der Beschluß wurde, da Oesterreich über ION ver neinende Stimmen abgab, nur mit 4 Stimmen Majorität ge faßt und verlor deshalb viel an Werth. Erst den Zeiten von I87Ü/7I war es Vorbehalten, das zu verwirklichen, was man I84S beabsichtigt, aber unzweckmäßig in s Werk zn setzen ver sucht hatte. Aus heiterem Himmel. Erzählung von Gustav Höcker. <3. Fortsetzung.) Der Komiker erzählte allerlei Schnurren aus seiner Bühnenpraxis und oft mußten Beide ihre Schritte zügeln, so herzlich lachten sie. Kein Wunder, daß bei solcher Unterhaltung die Zeit rasch verging nnd das Paar höchst erstaunt war, als e» sich plötzlich am Ziele der Wanderung angelangt sah. Die Mauern des Schlosses erhoben sich inmitten eines weitausgedehnten Bergplateaus, das parkähnliche Anlagen zeigte. Neben geschmackvollen Teppich gärtnereien sah man hier üppige Blumenbeete, Spring brunnen, Statuetten und eine Anzahl seltener Bäume ; dicht belaubte Bogengänge zogen sich um da« Schloß herum, und zwischen dem gesättigten Grün von JaSmin und Jelängerjelieber leuchteten die vom Herbste rothgefarbten Blätter wilden Weins. Ein Theil des kreisförmigen Plateaus war mit dichten Taxushecken eingefaßt, die von zwei offenen Pavillons unterbrochen wurden, welche die prächtigsten Aussichts punkte darboten. Das Schloß selbst war alterthümlich. Die vier Ecken fanden durch ebenso viele Thürmchen und kleine Erker ihren architektonischen Abschluß, Inmitten des monumentalen Baues erhob sich der viereckige Schloß thurm, der mit seinem riesigen Zifferblatt weithin zu sehen war und schon aus der Ferne so manchem fremden Wandersmann, der nach Rechwitz oder dem dunklen Grunde wollte, als Wegweiser diente. Die beiden Schauspieler hatten daS Plateau kaum betreten, als sie auch schon von einem ältlichen, schwarz gekleideten Henn nach ihren Wünschen und Begehren befragt wurden. „Kennt mich denn der Herr Haushofmeister nicht mehr?" äußerte Schwabcl vorwurfsvoll. Der hagere Mann nahm höchst bedächtig eine Priese, streckte den von einer weißen Binde und hohen Vatermördern umgebenen Hals gewaltsam in die Höhe, blickte einen Moment zum Himmel empor und ließ ein gravitätische« „Nein" vernehmen. Schwabel nannte nunmehr seinen Stand und Namen. „Wir besuchen das Theater nicht," erklärte der Haushofmeister, dessen Mund nach jedem einzelnen Satze wie eine Art von Taschenmesser zusammenklappte. „Ich weiß das wohl," bemerkte der Komiker, „in dessen bin ich in den letzten Jahren zum Oefteren hier gewesen und habe Sie stets gesehen, Sie hatten sogar einmal die Güte, einem Lakaien den Auftrag zu geben, mich im Schlosse umherzuführen." „Das mag sein. Heute geht es jedoch nicht an, da unser gnädiger Herr im Schlosse verweilt." „Vielleicht wird cs mir gestattet sein, meinem Kollegen hier wenigstens die prächtigen Parkanlagen zeigen zu dürfen." Der Blick des Haushofmeisters kehrte aus den Wolken zurück und senkte sich auf Edwin, den er ziemlich betroffen musterte. „Ich will den gnädigen Herrn fragen," gab der Pedant endlich zur Antwort, „warten Sie hier auf mich." Ehe er jedoch seine dünnen Beine in Bewegung setzte, schielte er noch einmal nach Edwin, dann tauchte sein Hals wiederum in Vatermörder nnd Halsbinde unter und gravität ischen Schrittes näherte er sich einem Pavillon, in welchem der Freiherr verweilte. Beide wechselten nur wenige Worte, dann kehrte der Haushofmeister mit befriedigender Antwort zu den Schauspielern zurück. „Der Herr ist heute sehr gnädig," schloß er seine Mittheilung, „was umsomehr zu verwundern ist, als wir uns gestern in tiefster Trauer befunden, denn es war die fünfundzwanzigste Wiederkehr eines un glücksvollen Tages. — Wollen Sie jetzt nur die Güte haben, sich nach jenem Pavillon zu begeben, der gnädige Herr erwartet Sie dort." Die beiden Kollegen kamen der Aufforderung nach und sahen sich von dem Schloßherrn auf das Liebens würdigste empfangen. Egon von Kemmeritz gehörte zu jenen vornehmen Erscheinungen, denen man sofort den feinen Kavalier anmerkt. DaS üppige Haupt- und Barthaar war schneeweiß, trotzdem der Freiherr wenig über fünfzig Jahre zählte. Die edeln Züge seines Gesichts litten unter einer tiefen Melancholie; die Augen blickten trübe und nur zu oft zuckte cS schmerzlich um seinen Mund. Er sah auffallend bleich aus, bewegte sich langsam und sprach leise. Während er die Grüße der beiden Schauspieler erwiderte, blieb sein Blick auf Edwin haften, ein schwerer Seufzer entwand sich seiner Brust und er schritt langsam der Ballustrade zu, welche im Pavillon an der Seite des Felsabhangs angebracht war. Der Freiherr ließ sich daselbst auf einer Bank nieder und lud die beiden Fremden ein, neben ihm Platz zu nehmen. DaS wunderbare LandschastSbilv, welches sich von diesem Aussichtspunkt den Beschauern darbot, riß Edwin zu lautem Enthusiasmus hin. Der Frei herr sah ihn freundlich an, und da auch Schwabel von der Schönheit des Panorama« überwältigt zu sein schien, so trat in der kaum begonnenen Unter haltung eine längere Pause ein. Ueberall »hürmten sich Berge und Felsen auf, Wälder wechselten mit saftigen Wiesen ab und die herbstlich gefärbten Blätter der Laubbäume hoben sich malerisch von dem Blaugrün der Nadelhölzer ab. Tief unten im Thale schlängelte sich die Landstraße wie ein schmale«, gelbes Band hin und die einzelnen Gebäude erschienen wie die einer Spielwaarenschachtcl entnommenen Häuser. Zur äußersten Rechten blinkten die weißen Mauern der Grundmühle, dann kam das LammwirthshauS und gleich darauf das Städtchen Rechwitz mit dem halbzerfallenen Thore und den beiden nebeneinander sich erhebenden Kirchthürmen. Auf der links weiterführenden Chaussee bewegte sich was vorwärts, das an die grauweißen Flügel einer Motte erinnerte, in Wahrheit aber ein Plan wagen war; Schwabel hatte den letzter« kaum bemerkt, als er auch schon rief: „Wenn mich nicht alles täuscht, so gehört das Gefährt der Mutter Schröter; wahrhaftig sie sitzt auf dem Beck und kutsckirt selbst." „Schade, daß meine Äugen nicht so weit tragen" rief Edwin ungestüm. Der Freiherr deutete auf ein Fernrohr, welches an der vordersten Säule des sechs eckigen Pavillons angebracht war. Der Heldenspieler machte dankend von dieser Erlaubniß Gebrauch und sah lange nach dem Planwagen. Der Freiherr be merkte, daß der Körper des jungen Mannes zitterte; er schien offenbar unter einem peinigenden Gefühle zu leiden. Endlich änderte er die Stellung des Fern rohrs und wenige Sekunden später rief er mit vi- brirender Stimme: „Richtig, dort hinten an der Berg lehne liegt Buchshagen! Da ist auch der liebe, alte Kirchthurm mit dem metallblitzendeu Hahne als Wetterfahne." „Sind Sie so bekannt in der hiesigen Gegend?" fragte der Schloßherr. Edwin gerieth in Verlegen heit, welche sich durch die Bemerkung seines Kollegen, daß er erst gestern angelangt sei und die Gegend nie zuvor gesehen habe, noch steigerte. „Woher wissen Sie dann aber, fragte der Frei herr von neuem, „daß jenes kleine Dorf BuchS- hagen ist?" „Mein Kollege erwähnte gestern des Dorfes," ver setzte Edwin nach kurzem Ueberlegen, nnd der Lamm- Wirth sagte mir, daß man die kleine Ortschaft von dem östlichen Pavillon des Schlosses aus deutlich sehen könne. »Da Sie ein so großer Naturfreund sind," be merkte der Freiherr, „so lade ich Sie ein, recht oft hierher zu kommen. ES wird Ihnen freilich wenig Zeit dazu bleiben, denn Proben absorbiren den Vor mittag, und wenn Sie noch Abends zu spielen haben, so sind Ihnen Ruhe und Erholung nöthig." „Unser Dienst ist nicht so streng," ergriff Schwabel das Wort, „denn an jedem Orte, wo wir Vorstellungen geben, wiederholt sich zumeist unser Repertoire. Kollege Rammberg dürfte als neueingetretenes Mitglied zu anfang allerdings fleißig zu memoriren haben." „Schade, daß ich die Kunst der Herren nicht be wundern kann," bemerkte der Freiherr, „allein ich besuche das Theater nicht." „Wir vermögen auch weuig zu bieten," meinte der Komiker achselzuckend. „In der Residenz bekommt man ganz andere Vorstellungen zu sehen." „Ich besuche überhaupt kein Theater," erklärte der Schloßherr, das Haupt auf die Hand stützend. „Ich fliehe auch alle Gesellschaften, weil ich am liebsten allein bin. Nach Ihren theilnehmcndcn Mienen zu schließen, ist Ihnen mein Unglück nicht fremd? Die beiden Männer bejahten stumm und Schwabel fügte laut hinzu: „Vielleicht wird doch noch ein Tag erscheinen, wo Sie, gnädiger Herr, am geselligen Leben wieder Geschmack finden." Kemmcritz schüttelte energisch den Kopf. „Haben Sie auf dem Wege hierher das weiße Kreuz bemerkt? Dort liegt mein Glück und Lebensmuth begraben." „Die Zeit heilt jede Wunde," schalt Edwin theil- nahmSloS ein. „Wer so viel verloren hat, wie ich," seufzte der Freiherr, „vermag sich nicht wieder zu erholen. Gott nahm mir mein Kind und meine Gattin, nun stehe ich schon seit vielen Jahren allein. Ich schrecke vor der Geselligkeit des Lebens zurück, denn eS würde mir wie ein Frevel erscheinen, wenn ich auch nur für Augenblicke meiner lieben Todtcn vergäße. Mein Geist verweilt unausgesetzt bei ihnen, ich sehe meinen kleinen Knaben wachsen, blühen und gedeihen und ich sehe auch meine Gattin in treuliebender Sorge für ihn ; und im Laufe jeden Jahres giebt eS für mich heilige Erinnerungstage, und wenn ich mich ja einmal soweit ermanne und mich zu einem kurzen Aufenthalt in der Residenz entschließe, so überwältigt mich die Wehmuth und ich kehre zurück zu den Ruhe stätten meiner Lieben, zu dem Kreuze, welches mich an die Vergänglichkeit alles irdischen Glücks gemahnt." (Fortsetzung folgt.)