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Amts- und Anzeigeblatt Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donners tag und Sonnabend. Jn- sertionSpreiS: die kleinsp. Zeile 10 Pf. für den Kyirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung. Abonnement viertelt. 1 M 20 Pf. (incl. Jllustr. Unterhalts.) in d« Expedition, bei unfern Bo ten, sowie bei allen ReichS- Postanstalten. SS Verantwortlicher Redacteur: E. Hannebohn in Eibenstock. S7. Aayr,«»,. Sonnabend, den 22. März 18SO. Konkursverfahren. In dem Konkursverfahren über das Vermögen des Kaufmanns Mullas ir»a«u in Firma »««Ivii in Schönheide ist zur Prüfung einer nachträglich angemelbeten Forderung Termin aus den 2. April 1890, Wachmittags 4 Whr vor dem Königlichen Amtsgerichte Hierselbst anberaumt. Eibenstock, den 2l. Mär; 1890. V r u L I 6, Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts. Zwangsversteigerung. DaS im Grundbuche auf den Namen Otltlt« l?»ull»« ver- ehel. geb. Müller in Schönheide eingetragene Grundstück, HauS mit Garten, Nr. 5 des Brand-Cat., Nr. 708 des Flurbuchs für Schön heide, eingetragen auf Folium 6 des Grundbuchs für Schönheide, geschätzt auf 900 Mark, soll an hiesiger Gerichtsstelle zwangsweise versteigert werden und ist der 1. April 1890, Wormittags 10 Whr als Versteigerungstermin, sowie der 11. April 1890, Wormittags 9 Whr als Termin zu Verkündung des Vertheilungsplans anberaumt worden. Eine Uebersicht der auf dem Grundstücke lastenden Ansprüche und ihres RangverhältnisseS kann in der Gerichtsschreiberei des unterzeichneten Amtsgericht« eingesehen werden. Eibenstock, am 30. Januar 1890. Königliches Amtsgericht. Peschke. Gruhle, G.-S. Der Kanzlerwechsel. Ein großes historisches Ereigniß hat sich vollzogen: Fürst Bismarck tritt von allen seinen Aemtern zurück. Das „Niemals", welches Kaiser Wilhelm I. einst auf das Abschiedsgesuch seines Kanzlers gesetzt, hat seine Bedeutung verloren — eine neue Zeit erfordert einen neuen Mann! Der Zoll unbegrenzter Dank barkeit, den das deutsche Volk dem Fürsten Bismarck schuldet, und im Geiste wohl gern entrichtet, er darf nicht dazu verleiten, die Beweggründe ungerecht zu beurtheilen, die den Rücktritt des so mächtigen Mannes herbciführten. Die bedingungslosen Verehrer des Fürsten Bismarck könnten dazu um so leichter ver anlaßt werden, als die letzten Gründe in beglaubigter Weise nicht bekannt sind und man eifrig nach äußer lichen Anlässen sucht, wo doch die psychologischen Gründe nahe genug liegen. Ein Staatsmann, der seine Schulung als Ge sandter in Paris, in Petersburg und beim deutschen Bundestag in Frankfurt empfangen, der im Einver- ständniß mit seinem Könige und unterstützt von glück lichen Umständen das Werk der Einigung Deutsch lands vollziehen konnte, der dem Reiche Schleswig- Holstein und Elsaß-Lothringen zubrachte und der nach drei kurz aufeinanderfolgenden großen Kriegen zwanzig Jahre hindurch als Hüter des europäischen Friedens galt — ein Kanzler, der drei Kaisern gedient hat und dessen Name in der ganzen zivilisirten Welt und selbst von den Wilden mit Respekt genannt wird — ein solcher Mann geht, nnd an seine Stelle tritt ein anderer, dessen Name bisher nur wenig genannt wurde, der auf dem Gebiete der Diplomatie ein Neuling ist, der in der Staatskunst bisher wenig beschäftigt war, denn das von Herrn Caprivi einige Jahre lang ver waltete Marine-Ressort ist der Natur der Sache nach eine technische Verwaltung, die mit der Diplomatie nichts zu thun hat. Man sagt, es sei gut, wenn ein General den Reichskanzlcrposten bekleide, denn ein solcher wisse ganz genau, „wie weit er zu gehen habe." Das mag sein, aber dennoch drängt sich die Besorgniß vor, daß das politische Erbe eines Bismarck schwerlich von einem in der Diplomatie wenig erfahre nen Manne glücklich werde verwaltet werden können. In dieser Beziehung mag an das Folgende er innert werden: Als Herr von Caprivi vor sieben Jahren an die Spitze des Marineministcriums be rufen wurde, traf ihn die darauf bezügliche kaiserliche Ordre in Metz, als er sich gerade an dem bekannten militärischen Kriegsspiele bethciligte. Der Mann, welcher bis dahin mit den Angelegenheiten der Flotte sich weder berufsmäßig noch auch privatim beschäftigt hatte, betrat hier ein ganz fremdes Gebiet; er war General und sollte plötzlich Admiral sein. Dainals tauchten gegen seine Ernennung dieselben Befürcht ungen und Zweifel auf, wie heute. Herr v. Caprivi zeigte sich schnell allen Schwierigkeiten vollkommen gewachsen, er erwies sich als eine organisatorische Kraft ersten Ranges, als ein Mann von weitaus schauendem Blick, als parlamentarischer Redner von angenehmster und dabei doch streng sachlicher Form. Sollte dies nicht eine günstige Vorbedeutung auch für seine neue, ungemein verantwortungsvollere Stell ung sein? Erst unter dem jetzigen Kaiser (kurze Zeit nach dem Tode Kaiser Friedrichs) schied er aus der Stell ung eines Marineministers und war seither Oberst- kommandirender des 10. Armeekorps. Ein großer Wandel in seinem Beruf ist es, den er jetzt durch macht, aber erstens hat sich Herr v. Caprivi bereits einmal außerordentlich anschmiegungsfähig erwiesen und zweitens tritt er in sein hohes Amt zn einer Zeit, in der — anscheinend — auch nicht das leichteste Wölkchen den internationalen politischen Horizont trübt. Er wird also hinreichend Muße haben, sich in seine neue, schwierige Stellung einzulcben. Kaiser Wilhelm hat sich ost und feierlich als Friedensfürst erklärt; in diesem Punkte konnte nicht der geringste Schatten zwischen ihn und seinen alten Kanzler treten; auch der neue Kanzler kann keine andere Politik als die der ehrlichen Aufrechterhaltung des Friedens verfolgen. Deutschlands Verhältniß zum Auslande wird von dem Kanzler-Wechsel in keiner Weise berührt. Georg Leo von Caprivi (de Caprara de Montecuculi) ist geboren am 24. Februar 1831 als Sohn des Geheimen Obcrtribunalraths v. Caprivi zn Berlin, besuchte das Werder'sche Gymnasium da selbst, trat am 1. April 1849 in das Kaiser Franz- Gardegrenadier-Regiment ein, ward 1850 zum Se- condelieutenant und, nachdem er inzwischen die Kriegs schule besucht hatte, 1859 zum Premicrlieutenant be fördert, 1861 zum Hauptmann im Gcneralstabc ernannt und 1865 als Compagniechef in das 64. Infanterie- Regiment versetzt, 1866 wurde er in den großen Gencralstab versetzt und zum Major befördert, machte im Stab des Obercommandos der ersten Armee den Krieg in Böhmen Mit, ward nach demselben zum Gencralstab des Gardecorps versetzt und 1870 als Oberstlieutenant zum Chef des Generalstabes des 10. Armeecorps ernannt. 1872 als Oberst mit der Leitung einer Abthcilung im Kriegsministerium be auftragt, ward er 1877 zum Generalmajor befördert und erhielt 1878 das Commando einer Infanterie- Brigade in Stettin, 1881 das einer Garde-Brigade in Berlin. Im Dezember 1882 zum Gencrallieute- nant und Commandeur der 30. Division in Metz ernannt, ward er im März 1883 berufen, nach Stosch's Rücktritt die Leitung der Admiralität zu übernehmen; zu diesem Zweck wurde er zum Vice admiral befördert. Im Jahre 1889 schied er aus dem Marineressort aus, um das Commando des X. Armeecorps zn übernehmen. General v. Caprivi, obwohl fünfzehn Jahre jünger als Fürst Bismarck, hat mit diesem äußerlich eine große Achnlichkeit. Er besitzt dieselbe Hünengestalt und der kugelrunde, spar sam behaarte Kopf mit dem weißen Schnurrbart er innert lebhaft an den Reichskanzler. Hagesgeschichle. — Deutschland. Das weltbewegende Gerücht von dem Entlassungsgesuch de« Fürsten Bis marck ist zur Thatsache geworden und Kaiser Wil helm hat das Gesuch bewilligt. Da» lange Schwei gen deS amtlichen deutschen Blatte», de» „Rcichsan- zeigers", hat gewiß wesentlich dazu beigetragen, die Spannung zu erhöhen und den auSschweifensten Ge rüchten Nahrung zu geben. Aus der ungeheuren Fülle der unbeglaubigten Nachrichten, die sich an das große politische und historische Ereigniß knüpfen, sei zunächst über die Gründe der Krisis mitgetheilt, daß der Kaiser die preußische Ministerpräsiventschaft abgeschafft wissen, daß er jedem einzelnen Minister die volle Verantwort lichkeit für sein Ressort übertragen wollte und daß er den Fürsten Bismarck zu einem Bericht über diese Aenderung aufforderte. Dieser Bericht soll nicht er stattet, an seiner Stelle vielmehr das Gesuch um Ent lassung aus allen Aemtern eingereicht worden sein. Es hätten dann noch Bemühungen von verschiedenen Seiten, auch von Seiten deutscher Fürsten stattgefun- den, den entstandenen Zwiespalt zu beseitigen, — in dessen habe Fürst Bismarck an seiner schon seit lange gehegten Absicht des Rücktritts festgehalten. Die Be rufung der kommandirenden Generale nach Berlin soll mit der Kanzlerkrise absolut nicht« zu thun haben. Der Kaiser konferirte mit mehreren hervorragenden Staatsmännern. Als Nachfolger Bismarcks waren von den Blättern genannt worden: Miquel, v. Huene, General v. Caprivi, Graf Hatzfeld, Graf Münster, v. Bötticher, v. Puttkamer. Eigenthümlicherweise wurde Graf Walkersee, der doch schon vor anderthalb Jahren al» der „kommende Mann" bezeichnet wurde, jetzt nicht genannt. — General v. Caprivi, mit dem der Kaiser lange konferirte, soll sich anfänglich stark geweigert haben, das politische Erde eines Bis marck anzutreten, schließlich aber hat er angenommen. — Was den Grafen Herbert Bismarck betrifft, so soll dessen Abschiedsgesuch gleichfalls genehmigt worden sein. Verfrüht scheint die Meldung, daß der Graf zum deutschen Botschafter in Konstantinopel auser sehen sei. — Das Gerücht, das gesammte StaatS- ministerium habe seine Entlassung eingereicht, um dem Kaiser die Aufgabe zu erleichtern, ein neues Kabinct nach seinen Wünschen zu bilden, wird als unrichtig bezeichnet. DaS Staatsministerium hat am Dienstag und am Mittwoch unter Vorsitz des Herrn v. Bötticher Sitzungen abgehalten, an denen Bismarck Vater und Sohn nickt theilnahmen. — Berlin, 20. März, Abends 8 Uhr. Eine soeben erschienene Extra-Ausgabe des „Reichsanz." veröffentlicht die Entbindung des Reichskanz lers Fürsten Bismarck von dem Amt als ReichSkanzler, sowie von den Aemtern eine» Prä sidenten des preuß. Staatsministeriums und Minister» der auswärtigen Angelegenheiten sowie die Ernenn ung de« Generals v. Caprivi zum Reichskanzler, so wie zum Präsidenten des preuß. Staatsministerium«. Der Staatssekretär des Auswärtigen Gras BiSmarck, ist mit der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten einstweilen beauftragt worden. Ferner werden mehrere Erlasse des Kaisers veröffentlicht. Mittelst deS er steren wird dem Fürsten BiSmarck die Würde eine» Herzog» von Lauenburg verliehen und mittel« de« zweiten wird er zum Generalobersten der Kavallerie in dem Range eines Gcneralfeldmarschalls ernannt. — Die Zeitungsstimmen über den Rücktritt de« Fürsten Bismarck, welche aus dem Ausland kommen, zeugen von dem außerordentlich tiefen Ein druck, den die erschütternde Nachricht allenthalben her vorgerufen. Mehrfach begegnen wir der Aeußernng, seit dem Tag von Sedan habe ein bedeutsamere«