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gehabt, um nicht neue zu erwarten. Wünschen wir, daß eS glückliche seien, die die Ruhe der Welt schonen. — Rußland. Wie verlautet, sind die Behör den gegenüber der arretirten Marie Zebrikowa, der Verfasserin de« »Offenen Briefe« an den Czaren" in arge Verlegenheit gerathen. Sie erkannten schließ lich al« besten Ausweg, sie auf ihre Zurechnungs fähigkeit ärztlich beobachten zu lassen. Es heißt nun, die Aerzte erklärten die Zebrikowa für .geistig ge stört", jedoch mit dem Hinzufügen, ihr .Leiden äußere sich in einer für ihre Mitmenschen ungefähr lichen Weise. Demgemäß dürfte die Zebrikowa für ihre Broschüre ganz straflos auSgehen, auch nicht in'S Irrenhaus gesteckt werden, doch glaubt man, die Be hörden würden ihr einen bestimmten Aufenthaltsort außerhalb der Residenz anweisen. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock. Heute und die folgenden Tage wird im Schaufenster des Hrn. Th. Schubart ein Bild vom alten Eibenstock aus den dreißiger Jahren zu sehen sein. Dasselbe hat Herr Lehrer Neumerkel hier in der Zeit von 45 Stunden her gestellt. ES wird manchem geborenen Eibenstocker interessant sein, seinen Geburtsort aus früherer Zeit zu sehen. — Carlsfeld. In der Eiscnbahnange- lcgenheit Wilzschhaus-Carlsfeld ist aus den Land tagsverhandlungen folgendes zu berichten: Das Eisenbahncomitee Wilzschhaus-Carlsfeld bittet die Ständeversammlung, unterstützt vom Bezirksausschuß der AmtShauptmannschaft Schwarzenberg: „Hochvie- selbc wolle die Genehmigung zur Erbauung der Bahn linie Wilzschhaus-Carlsfeld beziehentlich WeiterS-GlaS- hütte schon in dieser Session aussprechen und der hohen Königl. Staatsrcgierung die nöthigen Mittel zum Bahnbau zur Verfügung stellen." Dieser Bitte schließt sich der Gemeinderalh durch eine besondere Eingabe an. Die Petition wird begründet, indem die Gesuchsteller auf das Mißverhältniß Hinweisen, welches zwischen ihnen und ihren an der Bahn be- legenen Concurrenten herrsche und wie ihre an sich lebensfähigen Industrien, welche 1889schon 13,000,000 Kilogramm Frachten aufwiesen, eine Verzinsung der wenig kostspieligen, nur 7,-. Kilometer langen Linie wohl erwarten ließen. Die Deputation hält die Wünsche der Bittsteller für nicht unberechtigte, da die dortige Glasindustrie sicher unter besseren Verkehrs verhältnissen wesentlich anders gedeihen würde und einem verhältnißmäßig wenig günstig situirten Lan- deStheile eine Erwerbsquelle dadurch ohne große Opfer verbessert würde, eS wird deshalb beantragt: die auf Erbauung einer Eisenbahn von Wilzschhaus gerichtete Petition der Königlichen Staatsregierung zur Kenntnißnahme zu überweisen. — Dresden. Auch die neuesten über das Be finden Ihrer Maj. der Königin aus Nervi hier eingegangenen Nachrichten lauten recht befriedigend. Der Husten vermindert sich und bei eintretender Zu nahme der Kräfte vermag Ihre Majestät bereits aus gedehntere Promenaden zu unternehmen. — Dresden. Der Internationale Verein zur Bekämpfung der wissenschaftlichen Thierfolter hielt am 15. März in Meinhold's Etablissement seine 10. Ge neralversammlung ab. Der Vorsitzende, Herr Ernst von Weber, theilte in seinem Jahresberichte mit, daß die Einnahmen des Vereins im letzten Jahre 11,244 Mk., die Ausgaben 10,875 Mk. betragen haben und daß 42H87 Broschüren und andere Schriftstücke ver- theilt und versendet worden sind. Die antivivisek- tionclle Literatur wurde durch ein werthvolles, iu französischer Sprache erschienenes medizinisches Werk des Or. mell. Metzger bereichert, der darin die grau same viviscktionelle Untersuchungsmethode als einen vollständig unwissenschaftlichen, trügerischen und in der Regel zu ganz falscher Krankenbehandlung verleiten den Irrweg der Wissenschaft nachweist und verurtheilt. — Bärenwalde, 16. März. Noch sind unsere Einwohner über den vorgestrigen Heroldschen Brand nicht beruhigt, so wurden dieselben gestern Abend schon wieder durch Feuerlärm beunruhigt. ES war in der Scheune des Herrn Gutsbesitzers Stark hier Feuer entstanden, welches noch rechtzeitig ent deckt und durch die schnell herbeigeeilten Nachbarn wieder gelöscht wurde, wodurch nur ein geringer Schaden an dem betr. Gebäude entstanden ist. Auch in diesem Falle liegt böswillige Brandstiftung vor, möchte eS bald gelingen, des Brandstifters habhaft zu werden, durch welchen die in letzterer Zeit hier stattgefundenen Brände veranlaßt wurden. — Mittweida. Zn dem bereits gemeldeten grauenhaften Vorfall im benachbarten Ottendorf ist noch nachzutragen, daß auch das dritte Kind, das 6jährige Mädchen, nach 27stündigem qualvollen Leiden von demselben in der Nacht zum Freitag durch den Tod erlöst worden ist. Ueber die näheren Umstände des entsetzlichen Ereignisses wird noch folgendes be kannt: Die Kindesmörderin, die 25jährige verehel. Richter, deren Mann Arbeiter im Ottendorfer Kalk werk ist, hatte sich vor einiger Zeit, beim Heben eine schweren Gegenstandes Schaden gethan, infolge dessen sie leidend geworden und sich in ärztlicher Behand lung befand. Die unglückliche Frau hat sich nun eingebildet, daß sie sterben müsse und dann ihre 3 Kinder hilflos dastehen würden, weshalb in einem Anfälle von Geistesstörung der fürchterliche Entschluß in ihr reifte, sich nebst den 3 Kindern aus der Welt zu schaffen. Die Thal wurde am Mittwoch Abend 10 Uhr im gemeinschaftlichen Schlafzimmer von der Frau auSgeführt, nachdem dieselbe sich überzeugt halte, daß ihr Mann bereit- cingeschlafen war. Richter sowohl als seine Frau werden als ordent liche Leute geschildert. — Zittau. Der 12. sächsische Feuerwehr tag soll am 19., 20. und 21. Juli d. I. in Zittau abgehalten werden und hierbei eine Ausstellung von Fcuerlöschgeräthen und Ausrüstungsstücken für Feuer wehrleute veranstaltet werden. Weitere Bekannt machungen erfolgen, nachdem der OrtS-AuSschuß in Zittau ein Programm aufgestellt und der LandcSauS- schuß sächsischer Feuerwehren darüber berathen hat. Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. 20. März. (Nachdruck verboten.) Vierzig Jahre sind seit dem Tage vergangen, da der ernst liche Versuch gemacht wurde, die deutschen Verhältnisse einiger maßen zu ordnen und Verfassungsstaaten zu bilden. Am 20. März 1850 wurden zu Erfurt die Sitzungen des „Staaten lind Volkshauses" eröffnet. Waren zwar in diesem Parlament eigentliche Volkselemente nicht vertreten, so war doch diese Versammlung vorherrschend conservativer und aristokratischer Färbung von dein besten Willen beseelt. Namentlich unter Mitwirkung der „Gothaer Partei" und nachdem Preußen durch Radowitz seine deutsche Politik und seine vaterländischen Be strebungen klar gelegt hatte, kam es endlich zu einer deutschen „Union" und zur Annahme einer Verfassung. Freilich wußte später Oesterreich das Werk zu durchkreuzen und so blieb denn dem deutschen Schwerte das Einigungswerk Vorbehalten, das die deutsche Feder zu Stande zu bringen nicht vermocht hatte. 21. März. „Setzen wir Deutschland in den Sattel, reiten wird es schon lernen", hatte Fürst Bismarck gesagt. Und so sand denn am 21. März 1871 die feierliche Eröffnung des ersten deutschen Reichstages statt. In der Thronrede Kaiser Wilhelms hieß es: „Wir haben erreicht, was seit deb Zeit unserer Väter sür Deutschland erstrebt wurde, die Einheit und deren organische Gestaltung, die Sicherung unserer Grenzen, die Unabhängig keit unserer nationalen Rechtsentwickelung. Das Bewußtsein seiner Einheit war in dem deutschen Volke, wenn auch verhüllt, doch stets lebendig, cs hat seine Hülle gesprengt — in der Begeisterung, mit der die gesammte Nation sich zur Vertheidig- ung de« bedrohten Vaterlandes erhob und in unvertilgbarer Schrift auf den Schlachtfelder» Frankreichs ihren Willen ver zeichnete, ein einiges Volk zu sein und zu bleiben." Und weiter heißt cs: „Möge dem deutschen Reichskriege, den wir so ruhm voll geführt, ein nicht minder glorreicher Reichssrieden folgen und möge die Aufgabe des deutschen Volkes fortan darin be schlossen sein, sich in dem Wettkampf um die Güter des Frie dens als Sieger zu erweisen! Das walte Gott!" Diese warmen Worte, die den allgemeinen Gefühlen Ausdruck gaben, fanden im Parlament einen starken Widerhall. Aus heiterem Himmel. Erzählung von Gustav Höcker. (3. Fortsetzung.) „Ganz recht," bestätigte die Wirthin, „er war der Sohn ihrer Schwester, die in der Residenz als Wittwe lebte und nach derem Tode nahm sie die Waise zu sich." „Ich entsinne mich jetzt," äußerte der Komiker, „der Junge lohnte ihr mit Undank —" „Er war kaum konfirmirt," fiel die Wirthin leb haft ein, „da lief er davon." „Solch ein Galgenstrick!" polterte Schwabel, mit der Faust auf den Tisch schlagend. „Einige wollten ihn in der Residenz gesehen haben, allein alle Nachforschungen, welche die ver zweifelnde Mutter nach dem Jungen anstellen ließ, blieben ohne Erfolg —" Vom Hause her ertönte jetzt die Stimme Pauls, welcher der Mutter znrief, daß sie zum Vater kommen möge, er wolle nach der Mühle gehen. Frau Riecke knixte und eilte, ohne ihren Satz zu vollenden, davon. „Noch immer schlecht Wetter?" wandte sich Schwabel an Edwin, der das Haupt auf die Hand gestützt hatte, „da herscht sicherlich bei Euch im Porte monnaie wieder einmal Ebbe." „Errathen," seufzte Edwin, „ich habe in der Re sidenz auf meine Effekten Vorschuß nehmen müssen, und wenn sie hier ankommen, vermag ich sie nicht einmal einzulösen. „Ihr idealen Menschen lebt in den Tag hinein," erwiderte der Beamte vorwurfsvoll. „Ich mag keine Moralpredigten," erwiderte Edwin mürrisch. „Außerdem kann ich ja doch nicht auf Eure Hülfe rechnen." „Da habt Ihr recht. Ich borge keinem Kollegen, denn man kriegt doch nichts wieder zurück." Der Heldenspieler erhob sich zürnend, Schwabel legte jedoch beschwichtigend die Hand auf seinen Arm und sagte: „Trotz meines Grundsatzes werde ich aber Euch nicht im'Stiche lassen. Ihr habt gestern die Bekannt schaft de- Grundmüllers gemacht —" „Sprecht Ihr von dem Alten mit den harten Zügen, der mich so sonderbar fixirte?" „Von demselben. Wir wollen ihn heute Vor mittag aufsuchen, er wird Euch das gewünschte Geld vorstrecken. Hohe Prozente, oder Provision, wie er e» nennt, werdet Ihr ihm für seine Gefälligkeit frei lich zahlen müssen." Edwin schien unentschlossen. „Ich möchte mich in dieser Angelegenheit nicht gern an den Direktor wenden —" „Wäre auch vergebene Mühe," lachte Schwabel. „Der Schubert giebt grundsätzlich keinen Vorschuß, weil er selber nicht- hat." „Der Weg zur Mühle ist ja wohl nicht weit?" „Bravo," lachte der Komiker, „Ihr bekommt be reit- Lokalkenntniß. Wißt Ihr was," fügte er nach einer kleinen Pause hinzu, „wir wollen den Schaller ersuchen, daß er uns nach der Mühle führt. Will er ja doch, wie sein Sohn vorhin der Mutter zurief, dem Steinert gleichfalls einen Besuch abstatten." Die beiven Kollegen begaben sich zum Lammwirth, welcher sofort ihrem Wunsche willfahrte. Bald stand das Bauernwägelchen auf der Landstraße, um gleich nachher mit ihren drei Insassen davon zu rollen. Schaller verhielt sich, gegen seine sonstige Ge wohnheit auffallend still; Schwabel gab sich alle Mühe, ihn zum Singen zu bewegen, denn er wußte au« Erfahrung, daß der Lammwirth während einer Fahrt gern ein lustige- Lied austimmte. Allein heute blieb er stumm, und da sich auch Edwin nicht gesprächig zeigte, so lehnte sich der Komiker ärgerlich zurück und schloß die Augen. Die allmählich sich senkende Land straße führte im weiten Bogen um den Berg herum, auf dessen Plateau sich das Schloß erhob. Von dem letzteren führte ein schmaler Fahrweg in Windungen abwärts, und richt an der Stelle, wo er auf die Landstraße mündete, erhob sich ein großes Marmor kreuz mit der Inschrift: „Der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen." „Hier ist vor einer Reihe von Jahren ein schweres Unglück geschehen," äußerte der sich auf dem Bock halb umdrehende Lammwirth zu Edwin. „Sind wir schon bei dem Kreuz angelangt?" fragte Schwabel gähnend und die Augen aufschlagend. „Wir wollen hier ein wenig halten, Vater Schaller, ich möchte meinen Kollegen auf Verschiedenes auf merksam machen." Der Lammwirth nickte, während der Sprecher auf eine durchforstete Stelle deutete, welche in breiter Spur von dem Bergplateau in ge rader Linie bis zu dem Marmorkreuz herabfllhrte. Zur näheren Erklärung sagte Schwabel: „An dieser Stelle hier ist das einzige Kind des Freiherrn von Kemmeritz, wie der Besitzer des Schlosses heißt, elend umS Leben gekommen. Das Söhnchen war zwar erst ein Jahr alt, dennoch brachte sein Tod große Veränderungen mit sich. Während bisher auf dem Schloß zahlreiche Festlichkeiten stattgefunden, zogen sich jetzt die trauernden Eltern in tiefste Einsamkeit zurück. Die junge Mutter siechte zusehens dahin, und es währte nicht lange, so stand der Freiherr ganz allein. „Besaß er denn keine Freunde, keine theilnehmende Verwandte?" fragte Edwin. „Die Freunde," ergriff der Lammwirth das Wort, „blieben allmählich aus. Auf Schloß Kemmeritz gab cs eben keine lärmenden Lustbarkeiten mehr. Die Herren und Damen huldigten dem Grundsätze: Freuet euch mit den Fröhlichen, aber bleibt weg von den Traurigen. Von den Verwandten befand sich nur noch ein einziger am Leben, der Baron Franz von Eulenstett." Bei Nennung dieses Namens steigerte sich sichtlich Edwins Interesse. „Der Schloßherr sympathisirte nicht besonders mit dem Herrn Vetter, zumal sich derselbe als der dereinstige Universalerbe zu fühlen begann. So manche heftige Szene hatten die Beiden miteinander, bis Eulenstett eines Tages aus hiesiger Gegend ver schwand. Erst nach Jahren kehrte er wieder, aber stets nur besuchsweise, denn er hatte sein Heim in der Residenz aufgeschlagen. Sie werden ihn kennen lernen, Herr Ramberg, ich erwarte ihn täglich." „Ich kenne ihn bereits," sagte Edwin halblaut. „Dann werdet Ihr mir gewiß recht geben," fiel Schwabel lebhaft ein, „wenn ich behaupte, daß der Baron Eulenstett durch und durch ein Kavalier und ein eifriger Protektor der Kunst ist." Edwin bejahte stumm, er stand noch immer sinnend vor dem Kreuze und erst nach geraumer Weile fragte er: „Auf welche Weise verunglückte eigentlich der kleine Sprößling des Schloßherrn?" „Herr von Kemmeritz verweilte mit seiner Ge mahlin in der Residenz," erzählte der Lammwirth weiter. „Der Freiherr dehnte den Aufenthalt daselbst auf Wunsch seiner lebenslustigen jungen Gattin länger aus, als eS ursprünglich in seiner Absicht lag; und selbst seinen Geburtstag feierte er nicht daheim. Die Wärterin dcS Kindes wollte den Eltern eine unverhoffte Freude bereiten und mit ihrem Pflegling zu dem festlichen Tage, der von jeher auf dem Schlosse mit besonderer Feierlichkeit begangen wurde, nach der Residenz fahren. Der Kutscher hatte ein leichte» Kabriolet gewählt, welche» die Wärterin mit dem Kinde bestieg. In lustigem Trabe ging e» vor wärts, den Schloßberg hinab. Doch hier an dieser Stelle angelangt, scheuten plötzlich die Pferde, der Kutscher vermochte sie nicht mehr zu zügeln und so stürzte da» Gespann in die jenseits der Landstraße sich öffnende Schlucht." Dabei deutete der Erzähler nach dem Abgrund, in dessen Tiefe der Fluß rauschte. „Die erschreckte Wärterin sprang mit den^Kinde au»