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nach links ist nicht seit 1887 über das deutsche Volk gekommen, nur die früheren Gegenwirkungen sind schwächer geworden und dagegen läßt sich mit Reden und Schrriben nicht- thun; hier ist ein härterer Lehr meister von Nöthen. HagesgeschWe. — Deutschland. Die Gerüchte über eine bestehende Kanzlerkrise wollen noch immer nicht verstummen. So wird jetzt mehreren Blättern von .parlamentarischer Seite' geschrieben: „Fürst Bis marck hat seine Absicht, au- dem kaiserlichen und dem königlichen Dienste auszuscheiden, gutem Ver nehmen nach noch nicht aufgegeben. ES wird ange nommen, daß der Großherzog von Baden bei seiner jetzigen Anwesenheit in Berlin den Versuch machen werde, in vermittelndem Sinne zu wirken und den Reichskanzler zum Bleiben zu bewegen. Einer in informtrtcn Kreisen verbreiteten Lesart zufolge ist bei der Erörterung der Frage des Ausscheiden- des Kanz lers au« dem Dienste auch die Theilnng seiner jetzigen Befugnisse zur Sprache gekommen, die BunvcSfürsten jevoch haben sich mit Entschiedenheit im Sinne einer Nichtänderung der Verfassung ausgesprochen.' — Die Frage des Sozialistengesetzes spielt in den Besprechungen zwischen Kaiser unv Kanz- l e r unstreitig eine bedeutende Rolle. Wie viel Wahres an den Gerüchten ist, daß der Kaiser keine solche Vor lage wolle, Fürst Bismarck sie aber verlange, um, falls sie der Reichstag verwerfe, diesen dann aufzu lösen unv Neuwahlen auSznschreibcn, das kann Nie mand bestimmt wissen. Nach Ausfall der Wahlen ist aber klar, daß für ein neues Sozialistengesetz im Reichstag keine Mehrheit zu beschaffen ist und daß diese Frage sich schlechterdings nicht zu einer Wahl parole für etwaige Neuwahlen eignen würde. Ein dauerndes Sozialistengesetz bekommt die Regierung niemals und eines auf kurze Fristen wahrscheinlich ebensowenig, mag sein Inhalt sein, welcher er wolle. Thatsache ist, daß die Sozialdemokratie aus dem Be stehen des Sozialistengesetzes große Kraft gezogen hat. Der Ausfall der Wahlen hat zu Tage gebracht, daß ein großer Theil res Volkes Abneigung gegen das Ausnahmegesetz empfindet. Es gilt als ziemlich wahr scheinlich, daß die Regierung ras Sozialistengesetz am 30. September ablaufen läßt und eS versucht, mit den Strafbestimmungen des gemeinen Rechts die sozialdemokratischen Ausschreitungen zu bekämpfen. Sollte dies nicht möglich sein, nun, so bliebe immer noch die Verschärfung der Strafbestimmungen des allgemeinen Rechtes übrig ; hierzu würde auch in die sem Reichstage sich eine Mehrheit Herstellen lassen. — An den Börsen ist jetzt Heulen und Zähne klappern. Der von jedem Einsichtigen vorhergesagte Krach ist endlich eingetreten. Das Kartenge bäude der hinaufgejagten Kurse ist umgeweht. Milli- onen gehen verloren. Die Abschlachtung des Publi kums wird in großartigem Maßstabe betrieben. Man kann die Opfer der Spielwuth und der Gewinnsucht nicht einmal recht bedauern. Alle Warnungen wa ren in den Wind gesprochen. Niemand wollte sich die Gelegenheit, mühelos durch Börsenspicl ein Ver mögen zu verdienen, entgehen lassen. Wie immer zahlte das Privatpublikum die Zeche; die Bankinstitute wer den die Krisis überstehen und sogar aus dem Auf saugen des Besitzes der ruinirten Existenzen ihre Kapitalmacht vergrößern. Die Aera einer wirklich sozialen Gesetzgebung, die nun endlich im Anzuge ist, wird, das hoffen wir zuversichtlich, nicht blind an dem Börsentreiben und den Einrichtungen der Börse vor übergehen. Darüber wird noch manches zu sagen sein. — Frankreich. Aus Paris wird gemeldet, daß die dortige Staatsanwaltschaft Anklage gegen das Blatt „Egalitö" erhoben hat, weil cs zur Er mordung des deutschen Kaisers aufgereizt hatte. Die Verfolgung findet nicht auf Grund des PreßgesetzeS statt, sondern wegen .Aufreizung znm Morde." Local« ««d sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 14. März. Gestern Abend ver starb nach langjährigen Leiden der Vorsteher des hiesigen Amtsgericht«, Herr Oberamtsrichter Peschke. Die in Folge des leidenden Zustandes des Ent schlafenen erst mit Anfang dieses Monats eingetretene Beurlaubung von den Dienstgeschäften kam leider zu spät, um noch belebend auf den kranken Körper ein wirken zu können. Von großer Liebenswürdigkeit in seinem Umgang war der Verstorbene seinen AmtS- genossen und Untergebenen nicht nur ein edles Vor bild gewissenhaftester Beruf-treue, sondern auch stet em freundlicher Berather und fürsorgender Vorge setzter, was ihm für immer ein dankbare« Andenken sichern wird. Aber auch die hiesige Einwohnerschaft, soweit sie noch Gelegenheit hatte, den Verblichenen näher kennen zu lernen, nimmt Theil an dem Schmerze der Familie und ruft dem stillen Dulder bewegten Herzen« mit un« ein Ruhe sanft! in die Ewig keit nach. — Schönheide. Heute, am 13. d. Mt«., traf gegen Mittag die telegraphische Mittheilung au« Dres den hier ein, daß die schon seit etwa 14 Tagen be kannte Regierungsvorlage, die Weiterführung der Eisenbahn vvn SauperSvorf nach Wilzschhau- betr., von der 2. Kammer de- Landtage- genehmigt sei. Kurze Zeit nach dem Bekanntwerden dieser Nachricht, sah man im Ober dorfe ein« große Anzahl von Häusern mit Flaggen geschmückt; Hcn ganzen Nachmittag wurden Freuden schüsse abgegeben, welche auch in anderen dabei be- theiligten Orten einen Widerhall fanden, und für den Abend sind zur Feier de« bedeutungsreichen Tage« verschiedene Festlichkeiten in Aussicht genommen. — CarlSfeld. Da die Regierung in der Eisen bahnvorlage, die dem sächsischen Landtage zugegangen ist, selbst zugesteht, daß die Verlängerung der Schmal spurbahn Wilkau-SauperSrorf bis nach der Station Wilzschhau« der Aue-Adorfer Bahn um deswillen sehr praktisch sei, weil später einmal die Bahn bi« CarlSfeld weiter geführt werden könnte, so hat sich das CarlSfelder Eisenbahn Comitee mit einer Bitte an die Landstände gewendet, daß diese Schmalspur bahn gleich jetzt bis nach CarlSfeld geführt werden möchte, da es sich blos um eine Strecke von etwa 4 lini handelt, die eine große Bausumme nicht erfordert. — Dresden. Nach den über die Reise Ihrer Maj. der Königin hier eingegangenen Nachrichten wurde allerhöchstdieselbe in Karlsruhe von Ihren Königlichen Hoheiten dem Großherzog und der Frau Großherzogin, in Freiburg von Ihrer Königl. Hoheit der Frau Erbgroßherzogin von Baden begrüßt und in Luzern von dem eidgenössischen General Schumacher empfangen. Die Weiterreise von Luzern ersolgte am 0. d. M. bis Mailand, woselbst Nachtquartier ge nommen wurde. Montag, den 10. d. M., ist Ihre Majestät Abend« bei schönem Wetter in Nervi ein getroffen. Der Gesundheitszustand Ihrer Majestät ist ganz befriedigend. — Dresden. Junges Ebepaar, Schwiegereltern, Verwandte und zahlreiche Gäste saßen in feierlicher Stimmung beim eben beginnenden HochzeitSmahle, die Suppe war bereit« verzehrt, der erste Trinkspruch auf das junge Ehepaar in üblicher Weise ausgebracht worden und man wartete allgemein auf die Servirnng des laut Speisenordnung nun folgenden Bratens. Es vergingen 10, 15, 20 Minuten . . . der Braten kam nicht. Die Hochzeitsgesellschaft zwickte an den Semmeln herum, um nur dem leeren Magen etwas anzubieten, denn ohne solide Grundlage schmeckt ja auch der Wein nicht; der Hochzeitsvater warf den Kellnern grimmige Blicke zu und ermunterte dieselben durch geharnischte Anreden, diese zuckten aber die Achseln ... es kam nichts! Endlich riß dem Haupte des Familienfestes die Geduld und es stürmte zur Küche, eine gewaltige Strafpredigt auf der Zunge. Wer schildert aber sein Erstaunen! Das Kllchenperso- nal steht da, die Hände in den Scbooß gelegt, der Koch weist mit trauriger Miene auf die großen Ge richtssiegel hin, welche vor die Thüren der Brat- und Speiseröhren gelegt sind, die es ihm also unmöglich machen, die Braten und Zuspeisen herauszunehmen, zu tranchiren und zu serviren. Auf die Frage: Was das alles bedeuten solle, erscheint im Hintergründe mit ernster Miene ein Herr Gerichtsvollzieher mit dem gerichtlichen Nachweis, daß die Speisen nicht eher verabfolgt werden dürfen, bis der erforderliche Geldbetrag dafür erlegt ist. Was bleibt dem Hoch zeitsvater weiter übrig? Seine Gäste können doch nicht hungrig fortgeschickt werden; er zieht den Beutel, zahlt die erforderliche Summe für das opulente HochzeitS- mahl, die Siegel werden gelöst, der etwas stark ge dünstete Braten in Portionen zertheilt und nunmehr in flotter Folge der halb verzweifelten Tischgesellschaft zugeführt. So geschehen im Jahre des Heils 1889 in einer großen Weltstadt! — Stenographisches. Nach dem vom König lichen stenographischen Institut in Dresden herausge gebenen Jahrbuch für 1889 sind die Ergebnisse der Schule Gabelsberger's für die Anhänger dieses Systems höchst erfreulich, denn e« wurden im verflossenen Jahre nicht weniger als 118 Vereine neu gegründet, so daß die Gesammtzahl aller Gabelsberger Vereine nunmehr 703 mit 18,470 ordentlichen Mitgliedern und 40,871 Unterrichteten beträgt. Hierunter befinden sich 3 aka demische, 3 Militär- und 12 Damen-Vereine, letztere mit 308 ordentlichen Mitgliedern und 2240 Unter richteten, unter denen der Damenverein zu Dresden zur Zeit 92 Mitglieder zählt. Der größte Herren- Verein Gabelsberger Stenographen ist der zu Augs burg mit 393 ordentlichen Mitgliedern. Uebertragen ist da« System Gabelsberger auf 1b Sprachen. Die parlamentarischen Verhandlungen sämmtlicher Staaten Europas werden nach diesem System stenographirt. Schreitet die Ausbreitung dieser Schule so fort, so ist mit Sicherheit zu erwarten, daß die übrigen Systeme, welche ohnehin jetzt schon ein mehr oder weniger küm merliches Dasein fristen, sehr bald al« gänzlich be langlos anzusehen sind. Auch der Verein „GabelS- berger Stenographen Schönheiderhammer" läßt sich seine Aufgabe nach besten Kräften angelegen sein. Von den 40 Mitgliedern, aus denen diese Bereinig ung besteht, pflegen die Hälfte derselben die Erlern ung u. Ucbung ihrer Kunst mit Regelmäßigkeit, Ernst und Eifer. Herren, welch« schon einen Kursus in der Gabelsberger Redezeichenkunst mit Erfolg bestanden haben, und sich an den Uebungen in der Schul- und Satzbildungsschrift betheiligen können, werden unter Beobachtung der bezüglichen Statuten vom Verein jederzeit gern ausgenommen, sowie überhaupt der Ber- einsvorsteher gern bereit ist, allen Anfängern mit gu ter Schulbildung und einer sehr deutlichen und wo möglich flotten Handschrift mit Rath und That bei zustehen. Al« allgemein interessant sei noch erwähnt, daß die königl. bayr. Regierung kürzlich einem Lehrer der Münchener Universität den Titel „Professor der Stenographie" verliehen hat. Was ferner ein unge wöhnliches Talent zu leisten vermag, beweist der Fall, daß in London vor Kurzem ein 8 jähriges Mädchen die Stenographie innerhalb 4 Monate so gründlich erlernte, daß dieselbe nach dieser Zeit sofort als corre- spondirendes Mitglied der großen stenographischen Gesellschaft in London zugelaffen wurde. — An Stelle des von Annaberg nach Döbeln versetzten Amtshauptmauns Ur. v. Mayer ist vom I. April d. I. an der bei der Kreishauptmannschaft zu Zwickau angestellte Regierungsrath l)r. Kunze zum Amtshauptmann und Vorstand der Amtshaupt mannschaft An na berg ernannt. Aus vergangener Zeit — für »ufere Zeit. Ib. März. (Nachdruck vekrbaten.) Die Iden de« März haben durch den am 18. März 44 v. Chr. erfolgten Tod Julius Cäsars Weltbckanntheit erlangt. Vergeblich war die dem Imperator zugegangene Warnung; er hielt am genannten Tage in der Halle des Pompejus eine Senatssitzung ab, um sich für den Feldzug gegen die Parther dem Königstitel ertheilen zu lassen. Aon 23 Dolchstichen durch bohrt sank er bei der Bildsäule seines ehemaligen Gegners Pompejus zusammen, nachdem er sich sorgsällig in die Toga gehüllt, um mit Würde und Anstand zu fallen. 18. März. Der 16. März 1888 ist der Beisetzungstag der Leiche Kaiser Wilhelm I. An der imposanten und würdigen Leichen feier, die in der kaiserlichen Residenz stattsand, »ahm im Geiste das ganze deutsche Volk theil. Und an diesem Tage erinnern wir uns auch der jüngst verblichenen Gemahlin des großen Kaisers, der edlen und hochherzigen Kaiserin Augusta, die nun neben dem hohen Gemahl den ewigen Schlas schläft. Ein heiliges Vermächtniß, gleich den Grabmal der Königin Luise, ist dem Volke das Mausoleum geworden, das die sterblichen Uebcrreste des ersten deutschen Kaiserpaares birgt. Das Volk wird die theuren Denkmäler zu hüten wissen sür alle Zeiten. 17. März. Ein sehr wichtiger Tag für die Presse und für den Zcitungsleser ist der 17. März 1848. An diesem Tage ersolgte die Aufhebung der Ccnsur und die Einführung der Preßfrei heit; daß damit noch lange nicht etwa die Presse einen Frei brief sür alles Mögliche und Unmögliche erhielt, ist selbstver ständlich und beweisen heute noch die zahlreichen, saft täglich ftattfindendcn Preßprozesse. Immerhin war die Aushebung der Censur ein mächtiger Schritt vorwärts und erst hierdurch erlangte die Presse ihre große Bedeutung, erst durch jenen 17. März legte die 7. Großmacht den Grund zu dem, was sie im Laufe der Jahre geworden. Vermischte Nachrichten. — Altenburg, 12. März. Der Bauern - Aufzug, wodurch die alkenburgischen Bauern dem deutschen Kaiser gelegentlich seines Besuchs am hiesigen Fllrstenhofe ihre Huldigung darbieten wollen, ist nunmehr gesichert und wird nach einer Meldung der an der Spitze der Unternehmung stehenden Herren wohl der großartigste Bauernaufzug werden, der in unserer Stadt gesehen worden ist. Noch lange nicht ist die Anmeldung zur Betheiligung an dem sogen. Bauernreiten geschlossen und schon haben 304 Reiter, 117 Hormetjungfern und 51 verheirakhcte Frauen ihre Theilnahmc zugesagt. Sämmtlichc Theilnehmer werden die altenburgische Bauerntracht tragen und in vier großen Gruppen auftreten. Die Männer erscheinen in Kappe oder Spenzer und im Hut, die Frauen und jungen Mädchen in weißen Strümpfen, im Hormet, in der Haube over im Kopftuch. Nach dem Bauern-Aufzuge wird sich die Bauernschaft im „Preußischen Hof" bei einem Festball vereinigen. — Halle, 4. März. Ein schnelles, erschütterndes Ende ist hier einem jungen, blühenden Leben bereitet. Der stuck, tiieol. Fr. empfand kürzlich Schmerzen am Halse. Um dem Uebel zu steuern, gurgelte er mit chlorsaurem Kali, doch da- Mittel, das so viele Tau sende iin gleichen Falle mit bestem Erfolge anwenden, sollte ihm verhängnißvoll werden. Zwar wich sehr bald der Belag im Halse, doch mußte unter demsel ben sich wohl eine wunde Stelle befunden habe, cs trat eine Blutvergiftung ein, alle ärztliche Hilfe war vergeben«: nach wenigen qualvollen Tagen war der junge Mann eine Leiche. — GastwirthSeinladung vor 160 Jahren. E» liegt die Einladung de« Leipziger Gastwirths Johann Martin Hemm zum Martinsschmause de« Jahres 1730 vor un«, die wie nachstehend lautet: Hoch-Edler Best und hocherfahrener Hochgeehrtester Herr Doctor und geneigter Patron. E« giebt die Person 18 Groschen, wenn Sie keine Patienten zu besuchen haben, meine Frau läßt Sie auch schöne grüßen, eS kommen andere vornehme Leute mehr. Darnach geben Sie etwa« Weniges in Salz in die Schüssel vor die Mägde, ich weiß nicht, ob nicht auch der Hausknecht mit einem Bierstöpsel kommt, eS trägt etwa noch ein paar Groschen au«. Und eine schöne lange Pfeife mit Figuren und da« Bier ist auch sein und frei bi« um 8 Uhr, da giebt die Person 18 Groschen. Da- übrige Essen können Sie Ihrer Frau Liebste schicken. Sie verthun ja eher 18 Groschen und keinen Wein müssen Sie ja nicht trinken, so ist der ganze Fraß 18 Groschen. Schlagen Sie mir eö nicht ab, ich stehe wieder zu Diensten kommen Sie