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Die Franzosen und die Wahlen zum Deut schen Reichstag. E« ist schon in der letzten Nummer ds. Blattes darauf hingewiesen worden, daß man in Frankreich voll de« Jubels ist über den Ausfall der Wahlen in Deutschland und daß man infolge de« AnschwellenS der Socialdemokratic sich in düsteren Prophezeiungen über die Zustände in Deutschland ergeht und den Zusammensturz des Deutsche» Reiches in nahe Aus sicht stellt. Als Beweise dieser Gesinnungen lassen wir nachstehend einige Auslassungen französischer Zeitungen hier folgen: .Patrie" schreibt: Der Ausfall der Reichstags» Wahlen lehre, daß Frankreich unter keinen Umständen die Berliner Arbeiterschutzkonfcrenz beschicken dürfe, man müsse Deutschland in seinem sozialistischen Fett schmoren lassen, denn .die Wahlen zeigen mit einer Offen kundigkeit, die Hrn. v. Bismarck zum Nachdenken zwingt, wie gebrechlich das Werk von Eisen ist, das er mit seinen verhaßten Hände» geschmiedet hat. Der Tag ist vielleicht nicht fern, da dieses ganze, nur auf Blut und Trümmern ruhende Gebäude, unter der Wucht des sozialen Elends, das er nicht zu lindern verstand, zusammenstürzt." Der Ausfall der Wahl in Elsaß- Lothringen, der übrigens in allen Blättern einfach gefälscht ist, entlockt der .Patrie" zum Schluß den hoffnungssreudigen und vieldeutigen Schmerzensschrei: .Wann endlich wird Frankreich sich an den Thaten jenseit der Vogesen aufrichten und durch die Versöhn ung aller Patrioten seine Ehre und seine Würde, die es verloren, wiererfinden?" Aehnlich schreibt die „France": „Die Siege der Sozialisten sind nicht dazu angethan, uns zu mißfallen, wir werden nicht vergessen, daß sic stets Gegner der Einverleibung Elsaß-Lothringens waren, und daß sie erst in diesem Jahr offen ihren Einspruch dagegen wiederholt haben. Sie sind zudem Feinde der tyran nischen Gewalt- und BrutalitätSpolitik, die Bismarck verkörpert. Darum sind sie unsere Freunde Die bewundernSwerthe Treue der Frankreich geraub ten Provinzen und das Erwachen der Oppositions ansichten in Deutschland geben uns Hoffnungen für die Zukunft. Die deutschen Wähler haben einen hüb schen Strich in den Frankfurter Vertrag gethan, der am Ende ganz auSeinandcrreißen wird." „Nation" meint: „Die Zeit der inneren Schwie rigkeiten hat für Deutschland begonnen. Der krie gerische Geist der Umgebung des Kaisers, die sonder baren Anlagen Wilhelm ll. ermächtigen uns zu dem Glauben, daß Deutschland dahin geführt werden kann, die Lösung der Krisis in einem nahen Kriege zu suchen." Bezüglich der Stellungnahme der Parteien, welche bei den Stichwahlen in Frage kommen, ist für unsere Leser eine Notiz aus Annaberg von beson derer Wichtigkeit. Das dortige Wochenblatt berichtet unterm 25. d. folgendes: Gestern Abend sand im Schießhause zu Buchholz eine Socialisten-Versammlung statt, in welcher darüber berathen wurde, welche Stellung die Anhänger der Socialdemokraten in unserem Wahlkreise gegenüber der bevorstehenden Stichwahl zwischen dem Candi- daten der vereinigten Conservativen und National liberalen, Herrn Eugen Holtzmann in Breitenhof, und dem Candidaten des Freisinns, Hrn. l>r. Krause, einzunehmen hätten. Nach längerer Debatte, in wei cher von einer Seite betont wurde, daß die in An griff genommene Arbeiterschutzgesctzgebung im deut schen Reiche doch zu einem Segen für den Arbeiter sich auswachsen werde, während von anderer Seite dieselbe als noch zu wenig bietend angegriffen wurde, beschloß die von Herrn PorgcS geleitete Versammlung, in der bevorstehenden Stichwahl mit allen Kräften für den freisinnigen Canvidaten vr. Krause einzu treten. Wenn von einzelnen Seiten auch Stimmen laut wurden, daß die freisinnige Parteileitung die Parole ausgegeben habe, in einer eventuellen Stich wahl nicht für den socialdemokratischen Candidaten zu stimmen und daß in Folge davon in dem gegen wärtigen Falle die Deutschfreisinnigen Seitens der Socialdemokraten mit demselben Maße gemessen wer den möchten, so wurde doch übereinstimmend hervor gehoben, daß vor Allem eS den Kampf gegen das Kartell gelte und daß dieserhalb vr. Krause aus das Nachdrücklichste unterstützt werden müßte. Allen De nen, die daS Verhalten der socialdemokratischen Par tei in den letzten Jahren beobachtet haben, wird dieser Beschluß nicht überraschend kommen; den An hängern der conservativen und nationalliberalen An schauungen aber ist durch den socialdemokratischen Beschluß ein neuer Ansporn gegeben, mit allen Kräften die Wahl des Herrn Eugen Holtzmann zu fördern. Für die bevorstehenden Stichwahlen in Schlesien giebt das Organ der schlesischen Social demokratie folgende Parole au«: Nieder, dreimal nieder mit der Reaktion! Keine Stimme dem Gegner! Der Termin für die engeren Wahlen (die Stich wahlen) darf nicht länger hinanSgeschoben werden al« höchstens 14 Tage nach Ermittelung de» Ergeb nisses der ersten Wahl. Ueberall also, wo Stichwahlen stattfinden werden, wollen die Genoffen sofort wieder in die Wahlbe- wcgung eintreten. Wo ein Socialdemokrat in Stichwahl steht, ist der Sieg für die Partei ungesäumt und mit aller Kraftcntfaltung vorzubereiten. Wo nur Gegner sicb bekämpfen, üben wir, ent sprechend dem Beschluß von St. Gallen, absolute Stimmenenthaltung-, aber eS ist erforderlich, die Wahlzeit agitatorisch und propagandistisch durch Ein berufung von Volksversammlungen, Vertheilung von Flugblättern rc. auSznnutzen. DaS Volk muß darüber aufgeklärt werden, weshalb wir uns nicht an der Stichwahl der Gegner betheiligen, weshalb wir jeder bürgerlichen Partei unversöhnlich gegenüberstehen, wes halb die.Gesamntthcit der gegnerischen Parteien für uns eine einzige kapitalistisch reaktionäre Masse bildet, in der auch der traurige Deulschfreisinn seinem Schick sal überlassen wird. Keine Stimme dem Freisinn, keine einem anderen Gegner! Hagesgeschichle. — Deutschland. Die Resultate der Reichs tagswahlen vom 20.-d. liegen nunmehr aus sämmtlichen 397 Wahlkreisen vor. Danach sind ge wählt 246 Abgeordnete, in 15l Wahlkreisen finden Stichwahlen statt. Gewählt sind 52 Konservative, 16 Freikonservativc, 16 Nationalliberale, 90 Ultra montane, 20 Deutschfreisinnige, 2 Demokraten, 12 El sässer, 2 Welfen, 14 Polen, 1 Däne, 21 Sozialde mokraten. In Stichwahl stehen 28 Konservative, 21 Frcikonservative, 80 Nationalliberalc, 20 Ultra montane, 66 Deutschsreisinnige, 10 Demokraten, 9 Welfen, 5 Polen, 5 Antisemiten, 58 Sozialdemokraten. — Der Kaiser hat jetzt die envgiltigen Befehle wegen der diesjährigen Manöver erlassen. Die Kaisermanövcr finden zwischen dem 5. und 6. Armee korps in der Umgebung von Liegnitz, wo das Kaiser!. Hauptquartier sein wird, statt. Ferner wird der Kaiser den Manövern zwischen dem 9. Armee-Corpö und der Flotte beiwohnen. — Schon öfters wurden darüber Klagen geführt, daß auf den deutschen Eisenbahnen die Fahr karten von den Schaffnern während der Fahrt von den Trittbrettern der Wagen aus kupirt werden, und hierdurch nicht allein die Reisenden vielfach belästigt werden, sondern auch viele Verunglückungen von Schaffnern durch Herabstürzen von den Wagen Vor kommen. Diesen Uebclstand will nun der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten auf den preußischen Staatsbahnen beseitigen und hat zu diesem Zwecke die Königl. Eisenbahn-Direktionen aufgefordert, sich zunächst hierüber gutachtlich zu äußern. — Lissabon. Dom Pedro soll beschlossen haben, in einer Kundgebung an die Brasilianer formell auf den brasilianischen Thron zu verzichten und dann die jetzige Regierung zu ersuchen, ihm die Rückkehr nach Rio de Janeiro zu gestatten, wo er seine Tage be schließen wolle. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock. ES ist von manchen Seiten die Meinung ausgesprochen worden, als habe der bisherige Vertreter unseres Wahlkreises, Hr. Eugen Holtzmann, insofern unsere Interessen nicht ge nügend gewahrt, indem er vielfach durch Beurlaubung an der Theilnahme von Kommissionssitzungen rc. be hindert gewesen wäre. Dieser irrigen Ansicht können wir insofern mit Erfolg entgegentreten, als auf eine von hier aus erfolgte Anfrage bei der Direktion des Reichstages nachstehende Antwort eingegangen ist, welche im Original von Jedem, der sich dafür inter- essirt, in unserer Expedition eingesehen werden kann. DaS Schriftstück lautet: Berlin, den 24. Februar 1890. Ew. Wohlgeboren erwidere ich auf das gefällige Schreiben vom 22. d. M. ergebenst, daß der Abgeordnete Holtzmann lange Jahre dem Reichstage als Vorstandsmitglied desselben angehört hat, al« solcher sehr thätig gewesen und auch in vielen Kommissionen fast stets anwesendes Mitglied gewesen ist. Derselbe hat mit anderen Mit gliedern seiner Partei auch gegen jede Erhöhung der Getreidezölle und auch gegen andere Zollerhöhungen gestimmt. Geschlossen haben die der freisinnigen Partei angehörigen Mitglieder gegen die Zölle gestimmt. Der von ReichStagS-Mitgliedern beantragte Urlaub wird in der Regel nach Prüfung der Gründe bewilligt. Der Direktor beim Reichstage. Knack. — Eibenstock. Die heutige Nummer unseres Blattes enthält als Extrabeilage eine Abhandlung über da« Verhältniß zwischen Arbeitern und Sozial demokraten. Da« Schriftstück gilt als ein Mahn- und Frieden-wort an alle selbstständig denkenden Arbeiter und machen wir auf dasselbe hiermit noch ganz besonders aufmerksam. — Schönheide. Am Dienstag Vormittag wurde im Ascherwinkcl ein Kind überfahren. Dasselbe hat hierbei einige nicht unbedeutende Fleischwunden am Fuß davongetragen. — Schönheide. Im Laufe vor. Woche kamen vier Personen von hier wegen MünzverbrechenS zur Haft. Dieselben haben in ibrer Wohnung ge meinschaftlich Fünfzigpfennig-, Ein- und Dreimark stücke mittelst Zinn- und Zinkabgusses und Beimisch ung von ganz feinem Formsand angefertigt und diese Falschstücke in sieben Fällen als echtes Geld veraus gabt und in weiteren Fällen zu verausgaben versucht. Die Falschmünzer wurden, nachdem ihnen ric Polizei schon vorher auf der.Spur war, durch folgenden Vorfall ermittelt: Zur Fastnacht kommt Abends ein junger Mensch in eine» Fleischerladen und kauft sich Wurst. Er empfängt dieselbe und legt einen Thalcr auf den Ladentisch. Der Verkäuferin, die schon im Begriff ist, heranSzugeben, kommt jedoch der Thaler verdächtig vor, und unter dem Vorgeben, kleines Geld holen zu wollen, entfernt sie sich und zeigt den Thaler einigen im Hause anwesenden Herren, die ihn renn auch für einen falschen erklären. Als man nun den Besitzer zur Rede stellen will, ist derselbe verschwun den. Er war jedoch erkannt worden, und eine am folgenden Tage vorgenommene Haussuchung lieferte den vollgiltigen Beweis für die Schuld der Ver dächtigen, die sofort in Haft genommen worden sind. — Johanngeorgenstadt, 24. Februar. Ein Fest, wie cs nur wenige Städte feiern dürften, be geht unsere Stadt alljährlich; eS ist dies das Stadt gründungsfest, die Wiederkehr deS Tages, an welchem vor nunmehr 236 Jahren vom Churfürsten Johann Georg I. unserem von Exulanten aus Böhmen gegrün deten Orte das Privilegium als Stadt verliehen wurde. Alljährlich begehen wir diesen Tag mit einer kirchlichen Feier, Schule und städtische Behörden schließen ihre Expeditionen u. s. w. Der gestrige Tag aber gestaltete ich zu einer ganz besonders erhebenden Feier. Fand >och Vormittags um 11 Uhr im hiesigen Rathhaus- äale in Gegenwart königlicher und städtischer Behör den, des StadtgemeindcratheS, deS Lehrerkollegiums mit den oberen Schulklassen und vieler Bürger, die Enthüllung des herrlichen Bildes Sr. Maj. unsers Königs Albert, welche« unS Allerhöchstderselbe gnädigst chcnkweise zu verleihen geruhte, statt, bei welcher Ge legenheit Herr Bürgermeister Klotz eine beherzigens- werthe Ansprache an die Versammelten hielt, welche mit einem 3maligen Hoch auf Se. Maj. König Albert endete, in welche Alle begeistert einstimmten, woraus stehend die Sachsenhymne gesungen wurde. Am Abend veranstaltete der Bürgergesangverein ein Concert, wel che« überaus zahlreich besucht war, und während dessen auch Herr Schuldirektor Röder einen Vortrag über die Stadtgründung hielt. Dieses Concert endigte mit dem herrlichen Singspiel: „Der Bergmannsgruß" von Anacker. — Dresden. Den Ständen ist ein könig liches Decret über den Bau von vier Eisenbahnen zngegangcn. In demselben werken unter Anderm beantragt, 2,661,000 Mk. für eine schmalspurige Eisen bahn von Saupersdorf nach Wilzschhaus. — Bei dem am vergangenen Sonntag anläßlich der Fahrrad-Ausstellung in Leipzig veran stalteten Kunstfahren auf dem hohen Zweirade um die Meisterschaft von Europa gewann das bekannte Mitglied des Dresdner Radfahrer-Vereins „Sturm vogel", Herr Gustav Marschner, den ersten Preis gegen vier Mitbewerber. Herr Marschner wurde demzufolge unter Ueberrcichung eines großen Lorbeer kranzes zum Meisterfahrer von Europa proklamirt und unter stürmischem Beifall von seinen anwesen den Freunden durch die Alberthalle getragen. Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. Festliches Treiben herrschte in Berlin am 27. Februar 1881. Prinz Wilhelm, jetzt Kaiser Wilhelm II., vermählte sich mit Prinzeß Victoria Augusta von Schleswig-Holstein. Das ganze Land nahm an diesem Freudentage lebhaften Antheil und es braucht auch heute nur an diesen Tag erinnert zu werden, um ein freudiges Echo in der Brust jedes deutschen Mannes und jeder deutschen Frau zu Wecken. Möge es dem edlen Kaiserpaare vergönnt sein, im Glücke vereint noch recht ost diesen Tag zu erleben. 28. Februar. Der Februar scheint für Spanien ein gefährlicher Monat zu sein. In diesem Jahre ist der kleine König mit knapper Noth dem Tode entronnen und das Ministerium sollte im Fe bruar eben erst einigen Halt bekommen. Der 28. Februar 1876 machte den sjährigen spanischen Wirren ein Ende, indem die Carlisten verjagt, die französische Grenze überschritten und ent waffnet wurden. Vermischte Nachrichten. — Ein deutscher Photograph in Kon stantinopel hat sich eines Verbrechens gegen den Koran schuldig gemacht und wäre wahrscheinlich der Todesstrafe nicht entgangen, wenn ihn nicht seine Nationalität geschützt hätte. Der Koran verbietet jedes menschliche Abbild, daher die Wuth eines groß herrlichen Beamten, als er den Photographen ab faßte, wie er eben von dem Sultan, der zu seinem Freitagsbesuch nach der Moschee ritt, eine Augen blick-Photographie nahm. Der Apparat wurde in Stücke geschlagen und der Künstler kam nur durch Dazwischenkunft seine« Botschafters mit einem Monat Gefängniß und nachheriger Verbannung au« der Türkei davon. Lacht dir freundlich das Geschick, Blick' der Neid auch noch so sauer, Denn der Neid gehört zum Glück, Wie das Mitgefühl zur Trauer.