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der Wunde dieselben Male bemerkt, welche ich damals im Gesicht de« Barons Rudelsheim entdeckte, diese wie jene rührten aber von keiner Männerhand her, cS muß eine ganz außergewöhnliche Handformation sein, welche der Mörder besitzt. Am anderen Tage, nachdem die Nacht ruhig uud ohne Störung verflossen war, wurde der Graf in seine Behausung gebracht und sein Freund von Hagen etablirte sich, nachdem er um einige Tage Urlaub nachgesucht hatte, als Pfleger an sein Kran kenbett und verfehlte auch nicht, Brunos Mutter und seiner Kousine ein Telegramm zu senden; Bauer aber begab sich zu dem Untersuchungsrichter und theilte ihm das Vorgcfallene mit. Der Justizbeamte, ein Mann der rasche» That, wollte Joseph gleich verhaften lassen; Bauer gab den Rath, noch etwas zu warten. »Ich weiß, daß die Gräfin-Mutter sammt der Komtesse in einigen Tagen zurück sein wird," sagte er, „Joseph läuft uns nicht davon, denn Madame Andree kann ihr Zelt nicht so schnell abbrechen, viel leicht aber können wir in der Zwischenzeit herausbe kommen, was der Brief, welchen die Gräfin an ihre Tochter hinterlassen, enthalten hat." Der Untersuchungsrichter, obwohl nicht ganz über zeugt, hörte auf den Rath des erfahrenen Mannes und schob Josephs Gefangennahme auf, ließ ihn aber beobachten. Die Gräfin war auf die Schreckensnachricht von ihres Sohnes Verwundung in wenigen Tagen mit ihrer Nichte zurückgekehrt, Bruno war indessen schon außer Gefahr, hatte aber seinen Freund gebeten, noch bei ihm zu bleiben; dieser aber hatte die junge Gräfin noch nicht gesehen und begegnete ihr zuerst im Garten, wohin er nach dein Frühstück gegangen war. Da aber die Gräfin Grafencck ihre Richte begleitete, so konnten sich die jungen Leute nicht anders als durch Blicke verständigen. An demselben Vormittage hatte sich Kurt zu einem Spaziergang in den Park begeben, als plötzlich ein Mann vor ihm stand, dessen Gesicht ihm zwar be kannt vorkam, welchen er aber doch nicht erkannte. Der Fremde lächelte und sagte: „Erlauben Sie mir, Herr Baron, daß ich mich Ihnen vorstelle, hier ist meine Karte, mein Name ist Bauer, ich bin Polizei agent und hatte die Ehre, im CirkuS der Frau An dree mich mit Ihnen zu unterhalten, ein glücklicher Zufall läßt mich Sie hier treffen, da ich vorsichtig sein muß, wagte ich nicht einmal. Sie in Ihrer Be hausung aufzusuchen." „Aber, Mein Gott, warum so viele Vorsichtsmaß regeln?" fragte Baron Hagen. „Weil man im Leben nie vorsichtig genug sein kann," erwiderte der Agent mit einem feinen Lächeln, „übrigens bin ich heute in höherem Auftrage hier, ich soll Ihnen diesen Brief des Herrn Untersuchungs richters übergeben." Mit diesen Worten zog er ein Schreiben aus seiner Brusttasche und übergab es dem jungen Mann. Dieser öffnete es und las: „Geehrter Herr Baron! Würden Sie wohl die Güte haben, heute zwischen vier und sechs Uhr bei mir vorzusprechen. Ich habe einige wichtige Dinge mit Ihnen zu besprechen, welche Personen betreffen, für welche Sie sich interessiren. Mit vorzüglicher Hochachtung von Stern." „Personen, welche mich interessiren!" wiederholte Baron Hagen, „der Kreis meiner Bekannten ist sehr klein und außer Gräfin Rudelsheim und meinem Freunde Grafeneck —" „Und warum sollten es nicht diese Beiden sein?" unterbrach ihn der Agent. „Gut, das genügt," entgegnete der junge Offizier, „um die Einladung des Herrn Untersuchungsrichters anzunehmen, bitte, sagen Sie ihm, daß ich um vier Uhr bei ihm sein werde." Der Agent verneigte sich und war so rasch, wie er gekommen war, wieder im Gebüsche verschwunden. Kurt von Hagen war den ganzen Tag über zer streut und erregt, was wollte das Gericht von ihm wissen? Dennoch sprach er kein Wort zu Bruno davon, er wollte diesen nicht unnütz aufregen; als er nun aber gegen 4 Uhr das Zimmer seines Freundes verließ, begegnete er Franziska im Vorgemach, sie streckte ihm unbefangen und freundlich ihre Hand entgegen, und dankte ihm für die treue Sorge, welche er ihrem Vetter widmete. „Sie wollen ihn jetzt verlassen?" fragte sie, „ich begreife, daß Sie das Krankenzimmer zuweilen mit dem Aufenthalt in der freien Luft vertauschen müssen." „Es ist nicht dies," sagte Kurt aufrichtig, und zog den Brief hervor, „ich muß einen nothwendigen Gang zum Untersuchungsrichter machen, ich denke mir, es ist wegen dem Attentat, welches an Bruno verübt wurde, und doch macht es mich wieder irre, daß Herr von Stern mich in seine eigene Behausung bittet, denn wenn eS eine Untersuchung beträfe, so würde er mich doch in den GerichtSsaal entboten haben." „DaS ist vollkommen wahr," entgegnete das junge Mädchen lebhaft, „ich bin unendlich begierig, was die Gerechtigkeit von Ihnen will!" „Ich werde mir erlauben, es Ihnen noch heute Abend zu erzählen," sagte der junge Offizier lebhaft. „Leider sind wir diesen Abend zu der Gräfin Harder geladen," entgegnete das junge Mädchen in bedauerndem Tone, „aber morgen muß ich Alles wissen. Ich gehe gar nicht gern zu der Gräfin," fuhr sie fort, „denn meine Tante, welche nichts vor mir verbergen kann, hat mir anvertraut, daß die gute Gräfin — sie ist mir nämlich nahe verwandt — ein Heirathsprojekt für mich in ihrem unterneh menden Kopfe arrangirt habe. Kaum ist mein guter Vetter unmöglich für mich geworden, so suchen die Leute schon einen Ersatz, ach, Herr von Hagen, es ist traurig, eine reiche Erbin zu sein." Als sic Hagen bei diesen Worten ansah, bemerkte sie, daß er todtenblaß geworden war und sie mit schmerzlichen Blicken betrachtete. Mit einem offenen Lächeln reichte sie ihni die Hand und sagte schelmisch: „Nun muß ich aber Toilette machen, Herr von Hagen, sonst wird meine Tante ungehalten, gehen Sie also zum Untersuchungsrichter, pfui, welch' gräßliches Wort! Lassen Sie keinerlei Tortur an sich verüben, diese Leute sind zu schlau; auch danke ich Ihnen nochmals herzlich dafür, daß Sie das Ihnen anvertraute Pfand, welches Sie mir heute.früh zurückgegeben, so gut verwahrt hatten, und nun Adieu, wer weiß, Herr von Hagen, vielleicht habe ich Ihnen morgen fiüh auch ein Geheimniß anzuvertrauen." Nach diesen letzten Worten, welche von dem silber hellen Lachen des jungen Mädchens begleitet waren, eilte sie aus dem Zimmer und ließ den Offizier in ziemlich stürmischer Gemüthsverfassung zurück. Kurt von Hagen ließ sich bald nach 4 Uhr bei dem Untersuchungsnchter melden, welcher ihn aufs Freundlichste empfing und gleich zur Sache kam. „Ich kann mir denken, Herr von Hagen," war seine Anrede, „daß sie glauben, ich hätte Sie bezüg lich des Attentates an Ihrem Freunde bitten lassen, doch ist dem nicht so, ich hatte wichtigere Gründe, eine Unterredung mit Ihnen zu wünschen. Es be trifft den Mord des Grafen und der Gräfin RudclS- heim." Der Offizier sah den Beamten erstaunt au. „Mein Gott," äußerte er, „ich weiß aber kein Wort von der Sache." „Es ist auch nicht der Mord, sondern einige Nebenumstände, über welche ich Sie bitte, mir frei und offen zu antworten," entgegnete Herr von Stern, „verzeihen Sie, wenn ich Sie über Ihre Vergangen heit aushole. Was war wohl die Ursache, daß Sie früher, obwohl Sie mit Graf Graseneck so innig befreundet waren, das Haus Rudelsheim so selten besuchten?" „Der alte Graf zeigte mir eine solche Abneigung, daß ich seinen Salon so wenig als möglich besuchte," war die Antwort. „Wissen Sie nicht, ob zwischen Ihrem Herrn Vater und dem Grafen früher Streitigkeiten obwalteten?" „Gewiß, zu der Zeit, wo ich noch kaum geboren war, hat ein Duell zwischen den beiden Herren statt gefunden, in welchem mein Vater gefährlich verwundet wurde." „ Die Ursache hiervon haben Sie niemals erfahren?" „Niemals. Mein Vater, obgleich er mich herzlich liebte, war ein strenger Mann, welcher überhaupt keine Vertraulichkeit duldete und selbst nie Anwand lungen davon empfand. Indessen muß ich gelegentlich des Rudelsheim'schen Ehepaares noch hinzufllgen, daß die Gräfin die Gesinnungen ihres Gemahls hinsicht lich meiner nicht im mindesten theilte, sie war stets gütig und freundlich gegen mich und an dem Tage, wo ich Leutnant geworden — mein armer Vater war inzwischen gestorben — erhielt ich durch die Post eine Schachtel, in welcher sich ein Paar wundervolle Epau- letten befanden, zwischen welchen ein Zettel lag, wel cher nur die wenigen Worte enthielt: „Mein liebstes Kind, sage Niemand, daß ich es war, welche Dir diese ersten Epauletten sandte, vergiß aber auch nicht, daß ich es bin, welche sich über jedes Glück, welches Dir begegnet, wie Deine Mutter, welche ich zu sein wünschte, erfreuen wird. Da Du die Deine nie ge kannt, mein armes Kind, so wird es Dich doch freuen, ein Herz in der Welt zu wissen, auf welches Du unbedingt zählen kannst." (Fortsetzung folgt.) Eine neue Erfindung. Da unser Erzgebirge eine größere Anzahl Holz schleifereien besitzt, entnehmen wir gern folgende Mittheilungen dem „Ehcmn. Tagebl.", über ein darin veröffentlichtes Protokoll der technischen Deputation des Chemnitzer Handwerkervereins, betreffend ein neues Holzschleifverfahren. Es ist wohl allbekannt, daß man jetzt sehr viel Holz zu Papier und Pappe verarbeitet und das verwendete Holz vorher entweder auf mechanischem oder chemischem Wege zerfasert. Die auf mechanischem Wege durch Schleifen herge stellten Papierstoffe nennt man Holzschliff oder schlecht weg Holzstoff, während man den auf chemischem Wege hergestellten Holzstoff „Cellulose" nennt. Man hat zwar bisher eine zähe braune Pappe aus reinem Holzstoff ohne Cellulose erzeugt, aber eine ebenso biegsame weiße Pappe oder gar ein brauchbares Papier aus reinem Holzschliff herzustellen, ist bisher noch nicht gelungen. Es dürfte demnach als eine neue Errungenschaft des Erfindungsgeistes zu bezeichnen sein, ein Schreibpapier herzustcllen, welches nur aus Holzstoff besteht, der aus Holz ohne jede chemische Behandlung und ohne nochmaliges Kochen geschliffen wird. Ein solches Papier aus der Fabrik des Herrn Baron v. Herder lag in mehreren Bogen vor und war in Bezug auf Glätte, Festigkeit gegen Zerreißen und Klang von einem gleichfalls vorgclegten mit 3ü "/„ Cellulosezusatz gearbeiteten Papier kaum zu unter scheiden, zeigte aber letzterem gegenüber die nicht zu unterschätzende Vortheilhafte Eigenschaft, daß es bis zum Zerreißen eine bedeutend größere Dehnung erlitt. Hat sich dies bereits als ein Vortheil während der Fabrikation dadurch zu erkennen gegeben, daß es auf der Papiermaschine ohne jede Störung und ohne nur einmal abgerissen zu sein durchlief, so dürfte cs sich auch für die Weiterverarbeitung des Papiers auf Rotationsmaschinen, wie solche in der Druckerei, Tapeten- und Buntpapicrfabrikation benutzt werden, viel besser eignen, weil auch hier die große Dehn barkeit des Papiers ein vortheilhafteres lind schnelleres Arbeiten zuläßt. Fragt man nun, warum bisher aus Holzschliff allein Papier nicht hcrgestellt wurde, so liegt der Grund einzig und allein in der Art und Weise, wie man das Holz schleift. Bis vor wenigen Jahren wurde das Holz derart geschliffen, daß man gegeil die Mantelfläche eines um eine horizontale Achse rotirenden Schleifsteines die zu schleifenden Holzstücke so andrückt, daß die Holzfasern parallel zur Achse des Steines liegen. Hierdurch wird ein Holz stoss geliefert, welcher geringe Verfilzungsfähigkcit besitzt und bei der Papierfabrikation nur als Füllstoff dienen kann. Man nennt diesen Holzstoff „Oner- schliff" im Gegensatz zu dem vor wenigen Jahren in die Papierfabrikation eingeführtcn „Langschliff", bei welchem die zu schleifenden Hölzer so gegen den Mantel des Schleifsteines gedrückt werden, daß die Fasern des Holzes in Richtung der Tangente zu liegen kommen, weshalb man den Stoff auch Tangens schliff nennt. Aber auch dieser Stoff besitzt trotz der längeren Faser geringe Verfilzungsfähigkeit, weil durch das Schleifen in der Tangente die Fascrbündel ent weder abgerissen werden, bevor die Jnkrustirung durch geschliffen ist, oder die Fasern richten sich beim Schleifen auf und werden an ihren Enden zu Holz mehl zerschlisse», was besonders dann eintritt, wenn das Holzstück sich der Schleifrichtung entgegenbcwegt. In neuerer Zeit ist in der Fabrik des Herrn Baron v. Herder in Wernsdorf ein Holzschleifer in Thätigkeit, welcher dem Herrn C. F. Haubold in Wernsdorf unter Ztr. 46362 in Deutschland patentirt wurde. Die gedachte Maschine (Schleifer) in der Maschinen fabrik Flach u. Kapp in Zwickau gebaut, unter scheidet sich von den bereits erwähnten dadurch, daß der Stein nicht um eine horizontale, sondern nm seine vertikale Achse rotirt und daß die Hölzer in Preßkästen derart auf der oberen, nahezu ebenen Fläche des Steines aufliegen, daß die Bewegungs richtung der Flächentheile mit der Faserrichtung des Holzes zusammenfällt. Das zum Schleifen nöthige Wasser wird im Centrum des Steines aufgegeben. Zeigte sich nun an den vorliegenden Proben des geschliffenen Holzes ein ganz auffälliger Unterschied, so fand man doch an den unter Mikroflop liegenden Partikelchen verschieden geschliffenen Holzes die obigen Behauptungen bethätigt. 1. Die Fasern des Quer schliffes zeigten sich kürzer und von zerrissenen Jn- krustirungsstoffen schalenartig umgeben. 2. Die Fa sern des Tangensschliffes sind sehr ungleich lang und es zeigen sich kurze Holztheile, fast so lang wie breit, und Faserbündelstücke, die noch vollständig in- krustirt sind, gemischt mit langen Fasern. 3. Die Fasern des neuen Holzstoffes, den man „Planlang schliff" oder kurz „Planschliff" nennen möchte, zeigen sich wenig mit den kurzen Zellen vermischt, die Fa sern sind vollständig frei von schalenartigen Ge- hängseln und gleichen sehr der Cellulose, indem sie das Aussehen eines gewundenen Bandes, ähnlich der Baumwollfaser, haben. Die Fasern sind oft der Länge nach gespalten und die losgelöste» Theile treten als haarförmige Fasern zu beiden Seiten hervor. Hierin dürfte auch der Grund zu suchen sein, weshalb die auf diese Weise geschliffene Faser größere Ver filzungsfähigkeit besitzt. Die zum Schluffe angestelltcn Zerreißversuche, die wegen vorgerückter Zeit zwar nicht, wie dies nöthig gewesen wäre, nochmals wieder holt werden konnten, um Mittelwerthe zu bestimmen, und die deshalb zu gelegener Zeit in einer späteren Sitzung nochmals gründlich vorgcnommen werden sollen, ließen indeß so viel erkennen, daß der Hau- bold'sche Planlangschliff ohne jeden Zusatz von Cellulose oder einer anderen Faser zu Schreibpapier mit den bereits Eingang« erwähnten Eigenschaften verarbeitet werden kann und ohne Kochen mit Chemikalien eine weiße zähe Pappe giebt von derselben Festigkeit und Biegsamkeit, als die gekochte braune Lederpappe. Druck und Verla- von E. tzannesohn m Visenstock.