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Leilaae m Rr. 23 des „Mts- und Aiyeiaeblattes". Wbenst»«, dm 22. Februar 18S0. Ein amerikanischer Detektive. Roman von Juli« Düngern. (6.'Fortsetzung.) In der Zwischenzeit kam der Wirth wieder zu den beiden, brachte frischen Trank und fragte: „Ob sie noch etwas wünschten, weil er schließen wolle. Ihr mögt immerhin dableiben," fügte er hinzu, „denn Ihr kennt ja den Ausgang durch Hof und Garten und bleibt wohl i» Geschäften," dabei lächelte er ironisch, „heute Nacht noch auf, was mich betrifft, so lege ich mich angekleidet aufs Bett, denn es kommt oft vor, daß ich in der Nacht gerufen werde." Jonathan sah auf seine Uhr, es war 11 Uhr. „Die Pest über Dainer," rief er mürrisch, „giebt uns ein Stelldichein und kommt nicht." „Was das betrifft, so zweifle ich keinen Augenblick, daß er noch kommen wird," sagte David, „er ist ver- muthlich abgehalten worden, doch da ist er ja." Eine dunkle Gestalt stand am Fenster und klopfte an die Scheiben, David wollte öffnen, doch der andere hielt ihn zurück und flüsterte: „Du Esel, siehst Du nicht, daß es Bauer ist?" In diesem Augenblick flog die Scheibe in Stücke, der Riegel wurde geöffnet und Bauer stieg durch das Fenster ins Zimmer. Erzählen wir zuerst, wie der Agent auf die Idee kam, diese unsaubere Schenke zu besuchen. Er war aus dem Circus gegangen und hatte die Straße ein geschlagen, als sein scharfes Auge einen Schatten be merkte, welcher sich rasch in gleicher Richtung vor ihm fortbewegte, aber stets wie in den Boden gesunken war, wenn er sich ihm nähern wollte. Bauer glaubte auf das Bestimmteste, den amerikanischen Agenten zu erkennen, als jener hinter einer Tramway - Station verschwunden war. Bauer ging langsam vorwärts und nun glaubte er dieselbe Gestalt in die Schenke „Zum letzten Heller" gehen zu sehen. Des Agenten ganzer Ehrgeiz erwachte, er war ganz einfach düpirt worden, und das wollte er nicht auf sich sitzen lassen, er ging also an die Thür des Wirthshauses, sie war verschlossen, nun klopfte er und der Wirth, ein alter, schon oft be strafter Mensch, stand auf der Schwelle. „Wer ist bei Dir an diesem Abend?" fragte er mit dem Tone eines Mannes, der hier Befehle er- theilen kann. „Keine Seele, darum habe ich geschlossen," ent gegnete der andere in aufrichtigem Tone. „Rede keinen Blödsinn, Alter, Du kennst mich und weißt, daß ich Dir morgen die Schenke schließen kann," sagte der Agent in drohendem Tone. „Sie werden doch einen armen Mann nicht noch unglücklicher machen als er schon ist," bat der Wirth wehmüthig, „im Vorderzimmer befindet sich wirklich keine Seele, im Hinterzimmer sind zwei, deren Namen ich, bei Gott, nicht kenne, aber sie sind schon öfter hierhergekommen und gute Kunden, beide sprechen englisch." „Das genügt," entgegnete Bauer, „ich gehe wie der fort, doch beherzige meinen Rath, denn Du weißt, daß ich sonst meine Drohung ausführe; Du hörst und siehst heute Nacht nichts und bekümmerst Dich keinen Augenblick um das, was in der Hinteren Stube vorgeht." „Das verspreche ich." „Sodann darfst Du aber nicht einschlafen und wenn ich Dich rufe — Dein Schlafzimmer stößt ja an das bewußte Zimmer — kommst Du sogleich herbei." „Gewiß, Herr Bauer, ich werde Alles thun, seien Sie aber auch barmherzig gegen mich." Der Agent lächelte ironisch und ging wieder fort, das heißt, er hielt Wache vor der Schenke, aber kein Dainer erschien, zuletzt konnte er es vor Ungeduld nicht mehr aushalten und obwohl er wußte, daß sein Lebe» in ernstliche Gefahr gerathen würde, führte er sich doch in der oben beschriebenen Weise im Hinter zimmer der Schenke ein. Die beiden Männer hatten den unerwartet Ein tretenden mit Flüchen begrüßt und der Agent hörte das Knacken eines Revolvers. „Keinen unnöthigen Lärm, Ihr alten Kinder," sagte der Detektive in heiterem Tone. „Ihr kennt mich und wißt, daß auf meinen Pfiff alle meine Unteragenten, welche dies Haus bewachen, herein stürmen werden, zudem," er zog gleichfalls einen Re volver hervor, „habe ich mich in diese Höhle der wilden Katzen nicht unbewaffnet begeben. Also Hahn in Ruhe, denn ich will von Euch nur klare Antworten auf ein paar harmlose Fragen." Jonathan bebte vor Wuth, aber er sah, daß im Augenblick nichts zu machen sei, und seine Antwort war ein mürrisches Grunzen, welches der Agent für eine Bejahung zu halten schien und im freundlichsten Tone fortfuhr: „Also wir verstehen uns, das ist die Hauptsache. Ihr seid Engländer?" „Amerikaner!" riefen Beide wie aus einem Munde. „Nun, und was macht Ihr hier in Deutschland?" „Das ist unser Geheimniß, welche« wir unmöglich mittheilen dürfen, denn wir sindsfür unser Schweigen bezahlt." »Fragt sich noch, wer besser bezahlt, er oder ich," sagte Bauer im heitersten Ton, „Herr Dainer ist nicht sehr generös, glaube ich." Die Beiden schwiegen bestürzt, als der Agent den Namen genannt hatte, David aber sagte höflich: „Wir Beide wissen von nichts, das kann ich Sie versichern, wenn Sie aber Herrn Dainer kennen, so fragen Sie ihn doch selbst, vor einem so guten Freunde wird er keine Geheimnisse haben." Bauer hatte nicht bemerkt, daß Jonathan sich einstweilen leise an das geöffnete Fenster geschlichen hatte ; als der Spitzbube dort Niemand erblickte, sah er, daß der Detektive ihn angelogen. Er machte Da vid ein Zeichen, sein Messer zu ziehen, während er den Revolver spannte. Mit einem einzigen raschen Blick hatte Bauer die Bewegung der Beiden bemerkt, aber trotzdem, der drohenden Gefahr nicht achtend, rief er laut: „Nun sehe ich, daß ich mich nicht geirrt habe, Ihr seid die beiden Verbrecher, welche das Haus Smith u. Comp. beraubt haben und welche Dainer ..." Weiter kam er nicht. Jonathan hatte sich auf ihn gestürzt, noch ehe er den Revolver losschießen konnte, mit einem Ruck hatte ihn der lange Amerikaner zu Boden ge worfen, setzte das Knie auf seine Brust und suchte ihn zu erwürgen. „Zu mir, Hilfe, Hilfe!" rief der Bedrängte, aber die Laute drangen nur unverständlich heraus, die Hände des Diebes krallten sich immer fester um seinen Hals und die Luft drohte ihm auszugehen. Da ertönten plötzlich laute Hilferufe durch das Haus, sie kamen vom oberen Stocke, man hörte Thüren schlagen, es mußte sich da oben gleichfalls etwas zngetragen haben. Die beiden Amerikaner zauderten keinen Augen blick und sprangen aus dem Fenster ins Freie. Bauer lag eine Sekunde bewegungslos da, dann kam er zu sich und versuchte aufzustehen, in demselben Augenblick trat der Wirth herein. „Was ist oben geschehen?" vermochte der Agent mit noch röchelnder Stimme zu fragen. „Ich weiß es nicht," war die Antwort, „es scheint im dritten Stock bei der kleinen Perdita. Wollen Sie mit mir hinaufgehen?" , Der Agent nickte ein Ja, trat dann zum Tische und schenkte sich ein Glas Cognac ein, welches seine halb erstorbenen Lebensgeister wieder belebte, dann gingen Beide hinauf. Alle Miethsleute waren im Gange versammelt oder drängten sich in Perditas Zimmer, welche auf den Knien vor dem Sopha lag, auf welchem der Oberkörper des jungen Grafen ruhte, das junge Mäd chen suchte mit zitternden Händen eine Wunde an dessen Halse zu verbinden, doch immer drang das Blut wieder hindurch. „Einen Arzt, um Gotteswillen, einen Arzt!" rief Perdita verzweiflungsvoll. Man versicherte ihr, der Herkules sei schon fort gestürzt, einen zu holen. Bauer trat vor, und indem er den Leuten seinen Stand und das Recht erklärte, welches er habe hier zu sein, bat er die Menge, das Zimmer bis auf Weiteres zu verlassen, die Polizei werde schon Auf klärungen von ihnen verlangen. Bei dem Worte Polizei verließen die Meisten gleich das Zimmer, denn Niemand wollte mit derselben zu thun haben. Madame Andree war geblieben, sie war todten- blaß und ihre Augen glühten wie im Fieber, ihre Lippen versuchten einige Worte zu sprechen, allein sie bewegten sich nur, es kam kein Ton heraus, in diesem Augenblick vernahm man eine Bewegung unter den Außenstehenden, der Arzt war endlich gekommen. Perdita war dem Arzte entgegengestürzt. Ohne ein Wort zu reden, ergriff sie ihn bei der Hand und führte ihn zu Grafeneck, dessen Körper der Agent in dessen bequem auf das Sopha gebettet hatte. Der Arzt untersuchte die Wunde, während Bauer ihm den Zusammenhang des Ganzen ins Ohr flüsterte. „Die Wunde ist tief, aber wie ich hoffe, nicht tödtlich," sagte endlich der Arzt. Perdita stieß einen Schrei des Entzückens auS, und fiel dem Arzt dankend zu Füßen, Bauer aber nahm sie bei der Hand und sagte: „Mein liebes Kind, erzählen Sie mir jetzt, wie Alles gekommen ist." „Der Graf versicherte mir schon lange seine Liebe," sagte das junge Mädchen ehrlich, „und ich liebe ihn von ganzem Herzen, nun wollte er schon lange über meine Zukunft mit mir reden, und ich erlaubte ihm heute Abend mir zu folgen. Wir be fanden uns in diesem Zimmer, und der Graf drang wiederholt in mich, meinem Beruf zu entsagen, Ma dame Andree zu verlassen, und zu einer alten Dienerin seiner Mutter zu gehe», wo er mir die Pension zahlen und Unterricht ertheilen lassen wollte. Ich weigerte mich, dies zu thun, weil mir diese Stellung nicht ehrenhaft vorkam, und wir diskutirten darüber, als eS mir vorkam, als ob eine Scheibe in meinem Schlafzimmer eingedrückt würde. Graf Bruno hatte dasselbe Geräusch gehört, wir glaubten, das Fenster sei nicht fest geschlossen, und der Graf ging hinein, eS zu schließen, in diesem Moment hörte ich einen entsetzlichen Schrei und Bruno stürzte herein, mit beiden Händen eine Wunde an seinem Halse zudrückend, aber das Blut troff ihm zwischen den Fingern durch, ich flog auf ihn zu und schleppte ihn noch bis vor dieses Sopha, wo er zusammenbrach." Die schöne Perdita hatte diese Erzählung nicht so im Zusammenhang, sondern von Thränen und Schluch zen häufig unterbrochen dem Agenten vorgetragen, und dieser fragte, ob sie den Mörder vielleicht nock erblickt habe. Das junge Mädchen blickte ihn mit entsetzten Augen an und sagte, auf ihr Schlafzimmer deutend: „Ich dachte nur an den Grafen, vielleicht ist der entsetzliche Mann darin!" Bauer stieß die Thür auf, welche nur angelehnt gewesen, das Zimmer war aber ganz leer, und nur das offene Fenster bestätigte die Wahrheit der Aussage. Mein liebes Kind," sagte der Agent, „besinnen Sie sich recht genau, ob Sie die Polizei nicht viel leicht doch auf die Spur des Mörders bringen kön nen; ich bin gezwungen, Ihnen noch zu bemerken, daß cs sich dabei auch um Ihr eigenes Wohl han delt. Die Polizei könnte auf den Gedanken kommen, daß der Graf durch Sie in dieses Haus gelockt wurde, um überfallen und beraubt zu werden." „Perdita, tödtlich über diesen Gedanken erschrocken, erfaßte die beiden Hände des Agenten und sagte leidenschaftlich: „Aber, mein Herr, ich liebe ihn ja mehr wie mein Leben, Sie sind grausam, mich zu martern in dieser Stunde!" Bei diesen Worten eilte sie auf Madame Andree zu und legte ihr Köpfchen, wie um Schutz zu suchen, an deren Brust. „Die arme Kleine hat recht," nahm nun Ma dame Andree das Wort, „lassen Sie jetzt mein be trübtes Kind in Ruhe, mein Herr, morgen, wenn sie sieht, daß es ihrem Freunde wirklich besser geht, kann sie Ihnen auch besser antworten, — jetzt gehst Du mit mir, Perdita!" „Ich, ihn verlassen?" sagte das junge Mädchen, „und wenn der Andere wiederkommt?" „Sie fürchten also, er möchte wiederkehren?" fragte lebhaft der Agent. „Ach, sie weiß ja von nichts," unterbrach ihn Frau Andree, „das arme Ding hat das Fieber vor lauter Aufregung und Entsetzen, überlassen Sie die selbe mir, ich werde sic beruhigen, und morgen wird sie Ihnen eine vernünftige Aussage machen." Der Agent konnte ein ironisches Lächeln nicht ganz unterdrücken, „ich glaube zu wissen, — dachte er bei sich — was Du, gute Frau, für eine ver- vernllnftige Aussage hältst —" „Für jetzt," mischte sich der Arzt hinein, darf der Kranke unter keiner Bedingung transportirt werden, morgen früh aber kann man ihn in seine Wohnung bringen, ich werde selbst kommen, um alles zu über wachen, für heute werde ich sogleich eine Wärterin senden." „Thun Sie dies nicht, Herr Doktor," bat der Herkules treuherzig, „Fräulein Perdita würde doch keine Macht der Erde von dem Kranken fortbringen, und ich selbst, der ich die Krankenpflege vortrefflich verstehe, werde ihn keinen Augenblick verlassen. Der Graf war immer gütig und menschenfreundlich mit mir, jetzt kann ich es ihm lohnen." „Gut, es sei. Sie stehen mir für den Patienten," war die Entgegnung, „er muß die äußerste Ruhe haben, und wenn das Fräulein denn doch nicht fort zubringen ist, so muß sie sich ruhig in einer Ecke des Zimmers halten, damit der Verwundete sie nicht zu Gesicht bekommt." Bauer ertheilte noch einige polizeiliche Anord nungen, dann folgte er dem Arzte, welcher ihm mit den Augen gewinkt hatte, auf den Gang, zufällig war eS derselbe Arzt, welcher damals nach dem Morde in das HauS des Barons Rudelsheim gerufen worden war, und eine Berühmtheit in seinem Fache. „Ich lasse den Kranken höchst ungern in diesem Hause," sagte er zu dem Agenten, „aber im Augen blick ist nichts zu machen, der Transport könnte seinen Zustand gefährden. Sie würden mir aber einen Ge fallen thun, lieber Bauer, wenn Sie das Haus diese Nacht nicht verließen, die Anzeige wegen des ge planten Mordes werde ich gleich selbst bei der Poli zei machen, viel wichtiger aber ist, daß der Graf nicht ohne Schutz bleibt, ich glaube, daß man der Kleinen vertrauen kann, dessen ungeachtet ist die Sache ver dächtig, denn ich habe am Halse des Grafen neben