Volltext Seite (XML)
auch Notizen iiber die Bewohner des Schlosses sam meln oder einfach seine Schritte auSspioniren? Er wurde sehr nachdenkend und beschloß, Dainer darüber zur Rede zu stellen, für jetzt nahm er nur den ersten vorbeikommenden Fiaker in Beschlag und ließ sich auf die Promenade in den nahen Wald fahren, hoffend, dort irgend eine Entdeckung zu machen oder Dainer zu begegnen. Die beiden jungen Leute hatten ihre Pferde auf den parkartigen Wegen de« Wäldchens tüchtig herum getummelt und dabei manch heiteres Gespräch geführt, denn es gelang dem ausgelassenen Bruno Grafeneck fast immer, seinen ernsten Freund zu erheitern. Beide waren in derselben adeligen Pension erzogen, und dann in die Armee eingetreten, der Reichere bei den Husaren, der Acrmere bei der Infanterie, doch hatten sie dieselbe Garnison in der Hauptstadt erhalten und ihre Freundschaft war stets dieselbe geblieben. Wäh rend aber der leichtsinnige Bruno Grafcneck ein lust iges Leben führte, studirte Kurt von Hagen zu Hause militärische Werke oder brütete über seinen Liebes kummer, denn er liebte die Braut seines Freundes aus tiefster Seele. Er war Komtesse Franziska zu weilen im Walde begegnet, wenn sie des Morgens spazieren ritt, und ihre jungfräuliche, knospcnhafte Schönheit hatte Eindruck auf ihn gemacht, ohne daß er ihren Namen kannte, später war sein Freund Grafeneck von einer größeren Reise zurückgekehrt und hatte mit ihm über das Projekt der Heirath gespro chen und ihm auch seine Braut aus der Ferne gezeigt. Kurt von Hagen war zuerst sehr unangenehm berührt, als er den Namen des jungen Mädchens vernahm, denn es war ihm eingefallen, daß sein Vater, früher mit Franziskas Vater befreundet, infolge eines Er eignisses ein Duell mit dem Grafen Rudelsheim hatte, welche« mit einem Degenstich für seinen Vater endete. Als er aber nach einigen Tagen Franziska wieder im Walde begegnete und sie seinen ehrerbietigen Gruß in der ihr eigenen, graziösen Weise erwiderte, kam er recht nachdenkend in seine Wohnung zurück. Die Komtesse war von einer Art majestätischer Schönheit, welche aus jeden einwirken mußte. Ihre Augen waren von wunderbarem Ausdruck und ihre rothen Lippen leuchteten wie Korallen über den weiße» Zähnchen; sie war groß und schlank, ohne jener rei zenden Fülle zu entbehren, welche jede Frau bedarf, um zu gefallen. Kurt von Hagen war der schönen Erscheinung oftmals von Weitem gefolgt, ohne daß sie eS bemerkt hatte, dann hatte er die Kühnheit, seine Freundschaft für Bruno zu benutzen, um im Schlosse vorzusprechcn und um Nachricht ühcr denselben zu fragen; endlich als Grafeneck wieder gekommen war, besuchte er die Damen öfter und ward stets recht freundlich ausgenommen, am heutigen Tage nun, wo beide Freunde miteinander ausgerittcn waren, hatten sie die Komtesse wohl von Weitem gesehen und Hagen hatte scheinbar gleichgültig gefragt, ob sie der jungen Dame nicht „Guten Morgen" sagen wollten, aber Freund Grafeneck behauptete, sie hätten beide Wich tigeres zu thun als Franziska nachzulaufen und er kundigte sich dann — er selbst hatte längst den Dienst quittirt — ob der Freund den "Nachmittag frei habe. „Der Oberst hat mir ja wieder auf acht Tage Ur laub gegeben," war Kurts Entgegnung, „aher ich gehe in keines Deiner Nachmittagsprojekte ein, ohne es zu kennen, denn es handelt sich bei Dir immer um Liebesabenteuer, und das ist meine Sache nicht." „Warum sollte es sich auch nicht um die schönere Hälfte des Menschengeschlechtes handeln," sagte lachend der unverbesserliche junge Mann, „ührigcnS solltest Du mir dankbar sein, denn dieser Leichtsinn wird die Ursache, daß Deine Wünsche und Hoffnungen erfüllt werden." Als sein Freund ihn überrascht ansah, fuhr er in heiterem Tone fort: „Glaubst Du denn, daß ich nicht bemerke, was in Deinem Herzen vorgeht? An dem Tage meiner Heirath mit Franziska, dies ist mir wohl bewußt, würde ich den Freund verlieren; glaube indessen nicht, mein Bester, daß ich solche Opferfähigkeit besäße, wenn ich wirklich in Franziska verliebt wäre; nein, dazu haben es die Verwandten, welche das Projekt hinter unserem Rücken abmachten, nicht kommen lassen. Meine Liebe bedarf der Hinder nisse und diese giebt es bei dieser Verbindung nicht. Das Eine, freilich das Wichtigste, ausgenommen, daß mein schönes Kousinchen dieselhe gleichgültige Zu neigung zu mir hegt, wie ich zu ihr. — Der Zufall wollte, daß jedeSmal, wenn ich ernsthaft an diese Heirath denken wollte, ich eine tiefe Neigung für einen andern Gegenstand empfand, einmal war es die kleine Lolo bei Renz, welche mich gefesselt hatte, dann kam die Leidenschaft für die blonde Maruschka, dann war ich in die schöne Zizi verliebt, welche mit dem Engländer durchgegangen ist." „Wie magst Du die "Namen solcher Frauenzimmer in einem Athem mit Deiner Kousine nennen?" sagte Hagen mißbilligend und mit finsterer Miene. „Werde um alles in der Welt nicht tragisch," rief der junge Graf, „meine Kousine und ich sind gute Kameraden und ich würde dem ans Leben gehen, welcher ihr etwas zu leid thun wollte. Wir kennen uns aber gegenseitig zu genau, um uns heirathen zu wolle», für mich weuigstens mässen bei der Frau, die ich liebe, stets Räthsel zu löse» sei», jetzt stehe ich vor solch einem Räthsel!" „Diese Räthsel sind öfters stiur^'durch goldene Schlüssel zu lösen," äußerte Hagen in verächtlichem Tone, „doch wer ist denn diese neue Flamme, irgenv eine vornehme Dame, eine Tänzerin oder ein Kammer mädchen?" „Ich möchte Dich neugierig sehen, und darum theile ich Dir nichts mit," entgegnete der junge Don Juan, „nur soviel will ich Dir sagen, daß ich noch niemals ein Rendezvous mit ihr hatte und sie nur immer zufällig angetroffen habe." Bei diesen Worten gab er seinem Pferde die Sporen und sprengte voraus, während sein Freund ihm zwar kopfschüttelnd, aber doch in gehobener Stimmung folgte. Mittlerweile hatte Franziska mit ihrem alten Be gleiter den gewöhnlichen Morgenritt gemacht, jetzt wandte sie sich zu demselben zurück und fragte, „ob ihr Vetter in die Hauptstadt abgereist sei, wie er cs vorgehabt hätte?" „Graf Bruno und Baron Hagen sind hier und ebenfalls auf einem Spazierritt begriffen," entgegnete der alte Diener, „ich glaube nicht, daß Graf Bruno so bald von hier abreist." „Ich glaube es auch nicht," entgegnete die junge Dame lächelnd, „und zwar aus gewissen Gründen, die Du, guter Alter, mir nicht sagen willst, welche ich aber recht gut kenne. Doch jetzt gilt es noch ein kleines Wettrennen, meine Chloe wird ungeduldig und ich will ihr den Willen thun. Du brauchst mich aber nicht einzuholen, lieber Alter, Du weißt aus Erfahrung, das ich nicht cinzuholcn bin, aber stets wieder zu rechter Zeit zu Hause eiutreffe." Bei diesen Worten versetzte sie dem gut geschulten Thiere einen leichten Schlag mit der Reitpeitsche und nun ging cs mit Windeseile davon, während der Diener sein Pferd anspornte, aber bald die "Nutzlosig keit der Verfolgung einsah, denn die Komtesse war, wie von den Lüften davongetragen, schon in wenigen Sekunden seinen Blicken entschwunden. (Fortsetzung folgt.) Ursprung verschiedener Redensarten und Bezeichnungen. Postschwede und Schwager für Postillon. Die Schweden hatten im 30jährigen Kriege in den von ihnen besetzten Thcilen Deutschlands unter Ver wendung von Dragonern eine Art von Fcldpostdienst eingerichtet. Die schwedischen Dragoner, welche sich ohne Zweifel auch mit der Beförderung von Privat briefen befaßten, erhielten iin Munde des Volkes die Bezeichnung Postschweden. Die Bezeichnung Schwager für Postillon ist auf das französische nllvvuliur zu- rückzuführen. Im Bolksmunde wurde daraus Schwai ger; daraus entstand Schwager als Anrede für einen Postillon. Woher der Name „Blinder Hesse" stammt, darüber erzählt man in Thüringen folgende Geschichte: Die freie Reichsstadt Mühlhausen wurde im 30jähr. Kriege von den Hessen hart helagert, während die Stadt nur schwach vertheidigt werden konnte. Da kam ein RathShcrr auf den Gedanken, Pflöcke auf die Ringmauer zu stecken und Harnisch und Sturm hauben darauf zu hängen, während die Mannen neben diesen auf der Mauer standen. Als die Hessen so viel Besatzung sahen, zogen dieselben ab und gaben die Belagerung auf. — Von da ab heißen die Hessen „blinde". Eine andere, etwas wahrscheinlicher lautende Erklärung ist folgende: Als im Oktober 1792 Mainz <, auf schmähliche Weise in die Hände des französischen RevolutionsheercS gefallen war, ging Freiherr von Stein mit seinem Bruder, dem preußischen Gesandten in Mainz, nach Gieße», traf mit dem hannoverschen Feldmarschall Wallmoden zusammen und berieth die Rettung des Vaterlandes. Er lieh seinem Bruder 4000 Gulden, rüttelte die Fürsten von Darmstadt und Kassel auf, daß sie ihre Regimenter zur Wehre stellten, drang auf die Hilfeleistung der Hannoveraner und gab seinem König den kühnen Rath, daß er nicht rückwärts, sondern vorwärts gen Frankfurt marschirte und mit Hülfe der todesmuthigen, blind ein stürmenden Hessen die Krönungsstadt der deut schen Kaiser befreite. Nicht lange darauf hielt er seinen Einzug in Mainz. Der Ursprung des Wortes Hühnerauge ist zurückzuführcn auf da« altdeutsche küniin ouxe, d. h. hörnencS Auge (so auch der tiörnin 8ixtrit), hat also zu dem Ange des Huhnes keine Beziehung. Aus Hörnen-Auge ist im Volksmunde allmälig „Hühner auge" geworden. Stiefel muß sterben. Im Jahre 1533 verkündete der Pfarrer Stiefel in der Nähe von Wittenberg seinen Bauern den Weltuntergang, in Folge dessen dieselben Alles verzehrten und vergeudeten, was sie besaßen. Aber der Weltuntergang blieb aus. Nun entbrannte der Zorn der Bauern gegen ihren Pfarrherrn; sie ergriffen ihn, brachten ihn nach Wittenberg und forderten seine Hinrichtung. Das war die Veranlassung, daß ein dortiger Student ein Lied dichtete mit dem Anfang: „Stiefel muß sterben, ist noch so jung, jung, jung!" — Dem Pfarrer Stiefel ging eS aber damals noch nicht ans Leben, sondern erst viel später. Er starb hochbetagt in der "Nähe von Königsberg, wohin er ausgewandert war, da ihm das garstige Lied den Aufenthalt in Sachsen verleidete. „Woher die Redensart: „Da sieht man sein blaues Wunder?" Die Edlen von Forstmeister, welche die forstalische Obrigkeit über den großen Reichssorst des -Büdinger Waldes am südöstlichen Abhange des Bogelsberges ausübtcn und sich durch Erwerbung von mancherlei Gerechtsamen zu bereichern wußten, bauten sich an der Kinzig prächtige Burgen und Schlösser, während der Kaiser Friedrich Rothbart sich mit Gelnhausen begnügte. Eines jener Schlösser hieß da« Blaue Haus wegen seines blauen Anstriches. Daher die Redensart. Unterm Pantoffel stehen. Papst und Kaiser hatten einmal nach langen blutigen Kämpfen Frieden geschlossen. Zur Feier des Ereignisses wurden Feste und Turniere angeordnct, zu welchen die Blüthc der damaligen Ritterschaft geladen wurde. Jeder der Theilnehmenden sollte entweder des Papstes oder des Kaisers Farben am Helme tragen. Ein tapferer Ritter, Polyphcm, „mit der eisernen Stirn" genannt, weigerte sich, mit einem dieser Zeichen in die Schranken zu treten: er wolle, erklärte er seiner Ge mahlin, nur durch Thaten glänzen. Vergebens flehte ihn Frau Beatrice an, ihretwegen eines der Zeichen anzulegen. Als er ihr diese Bitte abschlug, brach sie in Thräncn aus, eilte in ihre Kemenate und schloß die Thüre hinter sich zu. Dabei verlor sie einen ihrer goldgestickten Pantoffeln. In diesen: Augen blicke ertönten die Trompeten zum Beginne des Tur niers. Eiligst hob Polhphem den Pantoffel auf und steckte ihn auf den Helm. Die Herolde frugen: Stellst Du Dich unter den Krummstab des Papstes oder unter das Scepter des Kaisers? — Unter den Pantoffel! lautete die Antwort. Aus dem Kampfspiel ging Polhphem als erster Sieger hervor, und als ihm des Kaisers Schwester den Kampfpreis, eine von ihr gestickte Schärpe, über die Schulter hängte, redete sie ihn an: Herr Ritter, Ihr stellt Euch weder unter den Papst, noch unter den Kaiser, Ihr bedürft "Nie mandes Schutz: Euch vermag kein Mann zu über winden: aber unter dem Pantoffel steht ihr doch! Dieses Wort wurde bald im ganzen Reiche bekannt, und eS zeigte sich, daß der Pantoffel inehr Untcr- thancn habe, als Krummstab und Scepter zusammen. Bekanntlich haben die Studenten ihre eigene Sprache, deren Bezeichnungen oft mehr derb als höflich sind. So bedienen sie sich des Ausdruckes Besen für Mädchen. Der Ursprung ist folgender. Als einstmal die Studenten von Würzburg eine glänzende Schlittenfahrt veranstalteten, ließen sic dazu Einladungen an alle dortigen jungen Damen ergehen, wurden jedoch abschlägig beschieden. Darüber ergrimmt, nahm jeder Student einen Kehrbesen, kleidete ihn mit Hllt und Schleier, setzte ihn in den Schlitten, den er leitete, hinein und so fuhr der Zug durch alle Straßen der Stadt. Seitdem heißen die Mädchen in der Studentensprache Besen. Woher die Redensart: „Ein Glas bi» auf die Nagelprobe austrinken". Zur Zeit der Regierung des Königs Edgar von England (von 959 bis 975) war das Volk dem Trünke so sehr ergeben, daß der König auf den Rath des Erzhischoss von Canterbury an die tausend Schenken schließen ließ und in jedem Dorfe nur noch eine gestattete. Ueberdies mußte in die hölzernen Becher, aus wel chen man danials zu trinken pflegte, in einer gewissen Entfernung von einander "Nägel eingetrieben werdet:, über welche hinaus man bei schwerer Strafe, ohne abzusetzen, nicht trinken durfte. Dadurch nahm das Laster nicht ab, sondern eher zu. Denn das soge nannte Nagcltrinken, Nageltreffcn oder Nagelprobe ward bald von Gering und Vornehm eifrig geübt. Wo Barthel den Most holt! Es war in den Tagen des Markgrafen Hans von Küstrin, eines sehr sparsamen Fürsten, an dessen Tafel es recht bürgerlich bescheiden herging. Für gewöhnlich gab es nur Krossener Landwein oder die berühmte „Gubener Schattenseite." Nun hatte einmal Seiner kurfürstlichen Gnaden unterthänigster Diener und geheimer Rath Herr Barthel von Mandelslohe, ein Herr mit sehr aristokratischen Neigungen, den Markgrafen zu Tische eingeladen, und da das „adlige Frauenzimmer," wie cs in der Sprache jener Zeit heißt, — will sagen die Hofdamen, auch mitspeisten, so hatte der Herr von Mandelslohe feinen süßen spanischen Wein aufgesetzt. Der Markgraf kostete und kostete. Barthel, wo hast Du den Most her? fragte er. Barthel wurde feuer- roth und schwieg. — Endlich aber mußt' er doch heraus. Ein französischer Gesandter, der gern beim Markgrafen Audienz gehabt hätte und nicht zugelassen worden war, hatte, um seine Sache schneller zu för dern, dem Rath von Mandels lohe ein Fäßlein Malvasier geschenkt und — war doch nicht zum Mark-. grafen gekommen. DaS ist schön, daß ich dem Wälschen nicht den Willen gethan habe! rief der Markgraf. Aber nun weiß ich auch, wo Barthel den Most holt! Druck und vrrlag »on S. Hannedotzn in Eidenftock.