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hinein, ehe die Familie, welche ich benachrichtigen werde, zurückgckommen sein wird." DaS Mädchen versprach alles, und die beiden Herren zogen sich zurück. Mittlerweile war das Gerücht der That schon unter die Leute gekommen, und eine Menge Menschen hatten sich versammelt und besprachen das Verbrechen untereinander, indem sic jede neue Thatsache darüber mit Begierde aufsingen. Schon die Abendzeitungen brachten eine Beschreibung des Thatbestandes, und die Justiz sah dies nicht ungern, indem es schon mehr als einmal vorgekommen ist, daß die Entdeckung eines Verbrechens außerhalb des Ortes, wo die That vor fiel, erfolgte. Das Publikum erging sich in allerhand Vermuthunge», welche, so verschieden sie aussiclcn, doch jedesmal in den beiden Fragen gipfelten: Wie ist der Mörder entkommen, und was war die Ur sache seines Verbrechens? lieber diesen letzten Punkt hatten die Vermuth- ungen der Leute freies Spiel. Das gemordete Paar besaß nur eine Tochter, welche all' ihr Vermögen erben sollte, dieselbe war jetzt siebzehn Jahre alt, es konnte hier also nie die Frage obwalten, daß ein Fremder von dem Tode der Beiden Nutzen ziehen könne, nein, man mußte auf irgend einen Racheakt schließen, und hier wurde der 'Neugierde der weiteste Spielraum gelassen. Aber die Leute mochten kombiniren, wie sie nur immer wollte», es kam nichts heraus, und der Ver brecher wurde nicht entdeckt, endlich verlor das Pu blikum das Interesse, der Vorfall wurde durch neue verdrängt und vergessen, nur die Polizei hielt ihre Augen offen und betraute einen ihrer fähigsten Agenten, namens Bauer, mit der Sache. Dieser Bauer war mit ungemeinem Scharfsinn und einem verzehrenden Ehrgeize begabt, und darum konnte man auf ihn die sichersten Hoffnungen setzen. Bauer machte sich gleich ans Werk der 'Nach forschungen und verschmähte zumeist die Hilfe unter geordneter Agenten, welche die Polizei ihm zur Ver fügung stellte. Er hatte die Villa gewissenhaft von oben bis unten durchsucht, den Portier, die Köchin und das Kammermädchen aufs genaueste auögefragt und hatte sich schon einige Male des Abends auf einen Platz im Parke versteckt gehalten, von welchem aus man das bekannte runde Fensterchen beobachten konnte. Dieses interessirte ihn außerordentlich, ohne daß er genau -sagen konnte „Warum", denn auch er hatte gleich erkannt, daß es unmöglich auch für den dünnsten Menschen gewesen wäre, hier durchzuschlüpfen, dennoch sagte ihm eine innere Eingebung, daß der Schlüssel des Geheimnisses sich hier befinde. Nachdem er also die Villa und deren Umgebung einige Tage einer genauen Prüfung unterworfen hatte, begab er sich aufs Land, wo die Kousinc und Freundin der Getödteten wohnte, auf deren Landsitz sie ja einige Wochen zugebracht hatten, und wo die Tochter deö Hauses, die arme junge Waise, sich noch befand, cs war viclleicht möglich, dort ctwas zu erfahrcn. Er setzte sich im Wirthshause zu den Dienern der Gräfin, gab ihnen reichlich zu trinken, aber er erfuhr nichts Neues. Auf dem Lande hatte die Ermordung des gräf lichen Paares noch mehr Eindruck gemacht, als in der Residenz, dieser Eindruck dauerte noch fort, und man erzählte ausführlich die Lebensweise der beiden unglücklichen Opfer, als sie noch auf dem Schlosse waren, die Anbetung, welche sic für ihre Tochter Franziska gehabt halten, des armen Kindes Ver- zweiflnng, als man ihr die furchtbare That mitgc- theilt hatte, die Krankheit, in welche sie verfallen, und die für ihr Leben fürchten ließ, dies alles ließ sich der Agent erzählen, allein das waren nur ganz gewöhnliche Nachrichten, welche ihn nicht von der Stelle brachten. 'Nur einmal, als er sich nach den Feinden des Grafen erkundigte, sagte man ihm, daß derselbe nur eine» gehabt habe. „Und wer ist dieser eine?" fragte Bauer begierig. „Es ist Jakob, des Grafen früherer Kutscher, welcher fortgejagt wurde." „Wann hat diese Differenz zwischen den beiden stattgefunden?" „Seit vergangenem Jahre, der Mensch war fast immer betrunken und da hat ihn der Graf fortge schickt, da ist er auch iu seine Heimath gegangen, aber seit länger als einem Monat ist er wieder hier und treibt sich in den Wirthshänsern herum." „Hat er Drohungen gegen den Grafen ausgc- stoßen?" „Keineswegs, aber er ist sehr heruntergekommen und da glaubt man, daß er sich rächen wollte, jetzt ist er wieder in der Hauptstadt." Bauer kehrte mit dieser Auskunft versehen wieder in die Residenz zurück und obgleich er sich keinen großen Erfolg versprach, so ließ er sich doch Jakobs Adresse geben, er fand denselben auch in einer gc- ' weinen Schenke auf, aber er sah eine» großen, herkulisch gebauten Mann vor sich, welcher jedenfalls nicht der Thater sein konnte. Dennoch gab er einem feinet Unterageuten den Auftrag, den Kutscher zu überwächrn. Als Bauer wieder in seiner Wohnung war, fand er zwei Briefe vor, der eine war „Georg Dainer" unterschrieben nnd lautete folgendermaßen: „Verehrter Herr Bauer! Ich werde morgen früh London verlassen und wenn kein geschäftliches Hinderniß vorfällt, bis Dienstag Abend in B. eintreffcn. Mittwoch um acht Uhr werde ich die Ehre haben, mich Ihnen vor zustellen, und hoffe, daß Sie mich als einen Ihrer ergebensten Kollegen empfangen werden. Ich darf mich mit Recht, denn ich verfolge Ihre Thätigkeit schon seit längerer Zeit, einen Ihrer größten Bewun derer nennen. Ihr ergebenster Dainer amerikanischer Agent." Obwohl Bancr sich seines Werthes genau bewußt war und vielleicht gerade deswegen freute ihn die Anerkennung des amerikanischen Kollegen ungemein nnd es war ein zufriedenes Lächeln auf seinem Ge sicht, als er den zweiten Brief aufmachtc, welcher indessen nur die wenigen Zeilen enthielt: „Herr Joseph Bauer ist eingeladen, sich Mitt woch früh um acht Uhr bei dem Untersuchungs richter Herrn von Stern cinzufinden." Ehe wir fortfahren, möchten wir einige Worte über den amerikanischen Agenten Georg Dainer und den Untersuchungsrichter Herrn von Stern einfügen. Georg Dainer war einige Tage vor der erwähnten Mordthat in B. angekommcn, es handelte sich um die Verfolgung eines Wechselfälschers, welcher sich von Ainerika nach Deutschfand geflüchtet, und der Agent stellte sich der Polizei vor, welche ihm in dem betreffenden Falle keinen Aufschluß geben konnte, es aber recht freudig annahm, als sich einige Tage nach dem Morde der Agent abermals vorstellte und seine Dienste anbot, da sein Geschäft ihn nach London rief, und er in einer ähnlichen Sache für die Polizei in B. dort wirken konnte. Man nahm seine Dienste gern an, und der Po lizeipräsident bat ihn, zugleich auch in London nach dem unbekannten Mörder des gräflichen Paares zu fahnden, da es mehr als wahrscheinlich war, daß derselbe sich nach Frankreich oder England geflüchtet haben konnte, zudem wurde Dainer gleich benachrich tigt, seine allenfallsige» Entdeckungen dem Agenten Bauer mitzutheilen, welcher mit der ganzen Führung der Sache betraut, sich gerade jetzt auf das Land begeben hatte, um dort Nachforschungen anzustellen. Dainer war ein großer, fchlanker Mensch zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahren, mit einen« ent schlossenen und muthigen Zug im Gesicht, welcher in ihm beim ersten Blicke eine außergewöhnliche Persön lichkeit erkennen ließ, ein kleines Bärtchen auf der Oberlippe konnte nicht vollständig den spöttischen Zug auf seinen Lippen verdecken, aber der Agent wußte durch eine anscheinende Bescheidenheit den üblen Ein druck, welchen sein Spott machen konnte, wieder zu verdecken. Bauer erwartete ihn init lebhafter Ungeduld, seine Vorgesetzten hatten ihn von der Hilfe oes Amerikaners benachrichtigt, und der deutsche Agent, welcher Tag nnd Nacht über den Mord nachdachte, hoffte irgend eiilc Benachrichtigung von dem Ameri kaner zu empfangen. Gerade wie er sich zum Untersuchungsrichter be geben wollte, siel ihm ein, daß Dainer zu derselben Stunde kommen würde, er trug also seinem ersten Gehilfen auf, den großen schlanken Herrn mit rölh- lichem Haare, welcher sich Dainer nenne, nnd in einigen Minuten vorsprechen würde, zu benachrichtigen, daß er, Bauer, bei dein Untersuchungsrichter zu fin den sei. Herr von Stern, der Untersuchungsrichter, hatte seine Zimmer im Gerichtspalast sehr luxuriös einge richtet, weiche Teppiche bedeckten den Boden nnd dämpften die Schritte, dunkle Sammtvorhänge und Portieren dämpften das Licht in solchem Maße, daß man beinahe mit den Händen den Weg fühlen mußte bis zu dcni Schreibtisch von Eichenholz, an welchem der Beamte Tag und Nacht zu finden war. Herr von Stern mochte ungefähr bO Jahre zäh len, hatte ein ernstes, strenges Gesicht, Augen, welche auf den Grund der Seele zu dringen schienen, nnd war eine der größte» Autoritäten des Gerichtshofes; er lebte fast nur in seinem Amte, sah nur selten einige wenige Freunde bei sich, welche alle behaupteten, ihn noch niemals lachen gesehen zu haben. Indessen irrten sich diese, denn die Stunde, welche er am Abende seiner noch jungen Frau und seinen Kindern widmete, wurde von der ganzen Familie gesegnet, — hier legte er seine juristische Würve ab und wurde der zärtlichste Ehemann und der allerschwächste Vater, welchen es nur geben konnte. — Als Joseph Bauer um acht Uhr in der Frühe in das Büreau des Herrn von Stern eintrat, war dieser schon an der Arbeit. Seit einer Stunde hatte er alle den Mord betreffenden Akten wieder durchgelesen und zusammengestellt, ohne einen Anhaltspunkt finden zu können; beim Erscheinen des Agenten hoffte er von diesem Aufschlüsse zu erhalten, leider mußte Bauer dies mit betrübter Miene verneinen. „Was mich betrifft, Herr Untersuchungsrichter," Druck und Brrlag von E. Hannebohn in Libenftock. sagte er in rcsignirtem Tone, „so glaube ich, daß un sere Parole in dieser Sache „Abwarten" heißen dürfte. Bis jetzt halte ich mir es immer zur Regel gemacht," fuhr Bauer fort, „'Nachforschungen zu halten, wer bei einem solchen Verbrechen gewinnen würde; obgleich dies noch ein alter Kunstgriff ist, so hat er sich fast noch immer bewährt, aber hier ist 'Niemand als die Komtesse Franziska, ein Kind, welches ihre Eltern zärtlich liebte, ja, wenn das junge Mädchen gctödtet worden wäre, fo hätte man doch einen, wenn auch unsicheren Anhaltspunkt, die Erbschaft wäre dann dem Grafeneck zugefallen, dem 'Neffen des Grafen und Sohn der Dame, bei welcher sich Franziska noch aufhält, aber eine Vermuthung hinsichtlich des jungen Mannes zu hegen, wäre einfach eine Albernheit, denn Gräfin Franziska ist die Braut des jungen Grafeneck." (Fortsetzung folgt.) Frohsinn und Heiterkeit. Fröhliches Gemüth und heiterer Sinn ist etwas Köstliches! Könnten wir den Kindern diese Geschenke als Angebinde schon in die Wiege legen, als Mitgift zur Aussteuer fügen — wie viel mehr Werth wäre diese Gabe, als viel Geld und Gut, welch köstlicher Schatz, den die Diebe nicht stehlen und des Lebens Mißgeschicke nicht vermindern können. Besonders für die Frau und Mutter ist es ein gar lieblicher Schmuck, ein fröhliches Gemüth, der gar herrlich ziert und sie ihrer ganzen Umgebung lieb und thcuer macht. Wir meinen selbstverständlich nicht den Leichtsinn, der gedankenloö in den Tag hinein lebt und sich um die Gegenwart, geschweige denn um die Zukunst, so gar nicht kümmert, nicht die Vergnügungssucht, die immer nur nach neuem Genüsse, neuer Unterhaltung hascht und nichts vom Ernst und den Pflichten des Lebens wissen will; wir verlangen auch nicht, daß das reifere Alter so wohlgemuth sich aller Sorgen entschlage, wie die Jugend und mit fröhlichem Lebensmuth ins Leben hinein stürme, Scherz und tolles Spiel mit allem treibe — das wäre keine Tugend, keine empfehlens- werthe Eigenschaft. Aber ein fröhliches Gemüth, das nicht alles nur trübe und düster ansieht, sondern allem eine lichte Seite abzugcwinnen weiß, daS ist etwas Herrliches, etwas Großes! Wenn der Hausvater Abend« müde heimkommt von seiner Arbeit, sei diese mehr geistiger oder kör perlicher Art, wenn er vielleicht den Tag hindurch viel Aerger und Verdruß erfahren — wie wohl thut ihm da ein aufheitcrndeS Wort seiner Frau, wie ist ihr Lächeln für ihn Heller Sonnenschein, der alle Nebel und Wolken seines Gemüthes verscheucht und wie preist er sich im Herzen glücklich, solch ein sonn iges Daheim zu haben. Und in der Kinderstube, wie hochwillkommen ist da die Mutter, wenn sie versteht mit den Kindern zu scherze» und zu lachen, einzugehen mit liebevollem Verständniß in ihre kleinen Freuden und Luftschlösser und nicht nur zu tadeln und zu er mahnen, sondern auch mit fröhlichem Sinn und klu gem Wort und Scherz, Spiel nnd Pflicht miteinan der zu vereinen weiß. Wie gern kehren aber liebe Verwandte u. Freunde da ein, wo sie jederzeit einen freundlichen Empfang erwarten dürfen, wo man sie nicht blos mit Klagen und Jammern unterhält, sondern wo ein heiterer Sinn eS versteht, die eigenen und fremden Lebens führungen mit Gleichmuth zu tragen und zu beur- theilen und gleich der Biene aus allem etwas Gute« und Süßes zu entnehmen. Vielfach ist der Menschen Streben Ihre Unruh und Verdruß; Auch ist manches Gut gegeben, Mancher liebliche Genuß; Doch das größte Glück zum Leben Und der reichlichste Gewinn Ist ein guter froher Sinn. Da wird vielleicht manche Einwendung laut: Ja, eS wäre gut und schön, immer heiter bleiben zu kön neu; aber das vergeht von selbst, wenn Noth und Sorge, Verdruß und Widerwärtigkeiten, sogar Krank heit nnd Tod bei uns anpochen. Da verhüllt sich die Sonne hinter Wolken und es sieht dunkel und trübe im Hause und auch in unserem Herzen aus. - Es giebt freilich solche Tage und Stunden in jedem Menschenleben, wo Fröhlichkeit nicht erwartet wird, wo sie im Gegenthcil verletzen und kränken müßte, aber Gott sei Dank! sind doch diese nur sel ten, und nach und nach kämpft sich durch allen Schmerz ein fröhliches Gemüth hindurch zu einem wehmüth- igen Lächeln, ob auch die Thräne noch im Auge zit tert, wie auch am Himmel die Sonnenstrahlen oft durch dunkle Wolken leuchten und ein Regenbogen am Firmament emporsteigt, während noch schwere Regentropfen herunterfallen.