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cartes und Friedrich der Große. — Die französische Revolution scheint den Anhängern des Generals Fonseca wesentlich zum Borbild zu dienen. Locale ««d sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 6. Jan. Am Sonnabend Vor mittag fand im Beisein der oberen Klassen der hiesigen Bürgerschule, des gesammten Lehrerkollegiums, einiger Vertreter der städtischen Behörden und Freun den des Verewigten in hiesiger Schule eine Trauer feier für den verstorbenen Schuldirektor l)r. Emil Foeriter statt, dessen irdische Hülle bereits am 2. Weihnachtsfeiertage zur Ruhe bestattet worden war. In ergreifenden Worten gab Herr Lehrer Leißner ein Bild von dem Lebensgange des Entschlafenen, der in der Blüthe der Mannesjahre viel zu früh von den Seinen abberufen wurde. Aber nicht allein der Familie hat der Tod dieses so kenntnißreichen Mannes eine tiefe Wunde geschlagen, auch die Lehrer schaft betrauert in dem Dahingeschiedenen einen der besten ihres Standes. Begabt niit mehr als gewöhn lichem Wissen war er der Leitstern vieler seiner Csllegen und die gesellschaftlichen Kreise hiesiger Stadt wußten seine Fähigkeiten ebenfalls wohl zu schätzen. War der Verstorbene doch in der Zeit seines ca. 10jährigen AusenthalteS in hiesiger Stadt stets derjenige, welcher bei festlichen Anlässen und patriotischen Gedenktagen seine dichterische Thätigkeit gern in den Dienst der Allgemeinheit stellte, was um so höher geschätzt werden mußte, als es ihm in Bezug auf Form und Inhalt nur Wenige gleich zu thun vermochten. Viele die ihn kannten, werden dem Ver ewigten im Herzen gern ein treues Andenken bewahren und auck wir rufen ihm in seine stille Gruft nach: Schlaf in Frieden! — Leipzig. Mit Genehmigung der Ministerien des Innern und des Kultus und öffentlichen Unter richts sind mit Anfang dieses Jahres die Landgemeinden Neureudnitz, Thonberg, Volkmarsdorf, Neuschönefeld, Neustadt, Sellerhausen, Gohlis und Eutritzsch mit der Stadt- und beziehentlich Schulgemeinde Leipzig vereinigt worben. Mit dieser Einverleibung, also mit dem 1. d. M., ist die Zahl der Einwohner des nun mehr territorial so erweiterten Leipzigs von 219,000 auf 287,000 gestiegen. Wirthschaftlich hingen die genannten Vororte schon eng mit Leipzig zusammen; daß sie nunmehr politisch mit diesem sich verbinden, lag im gegenseitigen Interesse. Ländlichen Charakter haben jene Ortschaften, mit Ausnahme Thonbergs, überhaupt nie gehabt ; ihre Straßen und Wohnhäuser waren längst in städtischer Weise geordnet und angelegt. — Chemnitz. Hier trägt man sich mit dem Plane, in Mitten der Stadt ein großes Concert- u. Balllokal — bis jetzt fehlte ein solches Etablissement im Centrum der Stadt — zu errichten. Ein größe res Consortium steht im Begriffe, an der äußeren Johannisstraße mehrere Häuser anzukaufen, um durch Niederlegung derselben einen größeren freien Platz zu gewinnen. — Freiberg. In der Umgegend treibt eine raffinirte Diebesbande ihr Unwesen. Nach vielen erfolgreichen und erfolglosen Einbrüchen hat dieselbe wieder einem Bauer einen Besuch abgestattet. Den Dieben fielen dabei 1000 Akk. in Goldstücken in die Hände. Neben dem Golde liegende Kassenscheine ließen die Diebe unberührt, da sie für dieselben wahr scheinlich nicht die geeignete Verwendung hatten. — Zwickau. Einen Beweis dafür, daß man nicht immer mit Recht von der „guten, alten Zeit" redet, liefert ein vorliegendes Aktenstück, welches zwar den kirchlichen Ernst jener Zeit erkennen läßt, aber doch auch einen Einblick in die Aeußerlichkeit der Zucht gewährt. In Ebelsbrunn hatte mau am 17. Januar 1749 einen Selbstmörder, Martin Ebert mit Namen, aufgefunden. Man bestimmte, daß „die Breter zum Kasten des Körpers sollten außer der Kirchhofmauer an einem vor solcher schon abgesteckten Ort über die Mauer hineingeworfen, auch allda der Körper über die Kirchhosmauer auf den Gottesacker gebracht werden." Der Pfarrer, welcher übrigens etwas humanere Ansichten hatte, sah der Ausführung dieser Anordnung vom Kirchthurme aus zu. Mittags halb 12 Uhr brachte man die Leiche auf einem Schubkarren an die Kirchhofsmauer. Ein „alter, unvermögender Mann, der das Einscharren verrichten sollte," versuchte nun von außen über die Kirchhof mauer zu klettern. Es gelang ihm nicht, trotzdem er in einer Länge von b Ellen die Schindeln abgerissen hatte. Ebensowenig vermochte er „das Cadaver" über die Mauer zu werfen. Gegen halb 1 Uhr begann dann der alte Mann ein Loch in die Mauer zu hacken. Um 2 Uhr war er soweit, daß er die Leiche durch dasselbe schieben konnte. Gegen 3 Uhr begann er, das Grab zu graben, an dessen Vollendung die einbrechende Dunkelheit ihn hinderte. So blieb die Leiche die Nacht über liegen. Erst am nächsten Morgen früh 10 Uhr brachte man die Leiche in die Erde. Der Vorgang erregte solches Aufsehen, daß die Voigtsgrüner beabsichtigten, wegen desselben eine Beschwerde einzurcichen. — Zwickau. Auf dem Wochenmarkte am Diens tag vor. Woche erwischte man eine Diebin der gefähr lichsten Sorte, nämlich eine Taschendiebin. Dieselbe ist zwar erst 9 Jahre alt, aber die Zahl ihrer ausge- sührten Diebstähle dürste dennoch eine recht stattliche sein. Am letzten Christmarkt hat sie einer ihrer Freun dinnen nicht weniger als 4 Stück au«geleerte Porte monnaies gegeben. Am Dienstag wurde sie beim 2. Porte monnaie ertappt. Dasselbe enthielt einen Brillant ring im Werthe von 200 Mk., noch einen andern goldenen Ring und etwa 4 Akk.; das erste, das sie heute auf dem Kornmarkt stahl und was bei ihr ge funden wurde, enthielt auch 4 Mk. Alles Geld will sie mit ihren Freundinnen verthan haben. Am 3. Januar gegen Abend ist in Raut enkranz der Dienstknecht des Holzhändlers und Lotterie- Kollekteurs Glöckner beim Holzfahren tödtlich ver unglückt. Kinder traten das Geschirr zwischen Rauten kranz und Morgenröthe in der Nähe der Arno Schneider'schen Schneidemühle und fanden den Ge- schirrfühcer, C. A. Lindner, unter der rechten Schlitten kufe liegend und todt. Auf welche Weise das Unglück herbeigefllhrt worden, ist noch unaufgeklärt. Äus vergangener Zeit — für unsere Zeit. Der 7. Januar I8SL ist ein schwarzer Punkt deutscher Geschichte. An diesem Tage beschloß die „Deutsche Bundes versammlung" den Verkauf der deutschen Schiffe! Es hört sich wie ein Märchen aus längst vergangenen Tagen an und cs ist doch erst 38 Jahre her, daß deutsche Stammesbrüder dänischer Verfolgung preisgcgeben wurden, daß das meerum schlungene Schleswig-Holstein mit Gewalt, angewandt von deutsch-österreichischer Diplomatie, den Todfeinden auf Gnade und Ungnade ausgeliefert wurde. Mit dem Muthe der Ver zweiflung hatten sich die Schleswig-Holsteiner gegen die däni schen Unterdrücker, die alles deutsche radikal auszurotten am Werke waren, gewehrt; in blutigen Schlachten hatten die Volksheere gekämpft. Da forderten Oesterreich und Preußen im Name» des „Deutschen Bundes" unter Androhung von Zwangsmaßregeln gegen die „Revolutionäre" die Einstellung des Kampfes und der Uebermacht mußten die Tapferen weichen. Man hatte zwar versprochen, die Rechte der Herzogthümer zu schützen, aber das Gegentheil geschah, namentlich die österreich ische Diplomatie machte sich hier auf das Unheilvollste geltend. Das Pünktchen auf dem I war denn jener Beschluß, laut welchem die Schiffe der Herzogthümer sanunt allem Kriegsma terial, das das Land zu seinem Schutze mit großen Opfern angcschafft hatte, durch einen Federstrich an Dänemark ausge liefert wurden. Das war eine tieftraurige und beschämende Zeit. Gott sei Dank, daß so Etwas uns nicht wieder passiren kann. Fast LV, Jahrhunderte ist es her, daß ein großer Geist, der der herrschenden Beschränktheit zu trotzen wagte, erlosch ; am 8. Januar u>42 starb Galileo Galilei, nachdem er wegen seines berühmten „Und sie bewegt sich doch" sein ganzes Leben hindurch die grausamsten Anfeindungen und schwersten Leiden erduldet hatte. Die Wissenschaft steht nicht still und ihr vor wärts eilendes Rad kann nimmer aüfgchalten werden, ob auch kleine Geister und böswillige Unterdrücker ihre Hände an die Speichen legen. Und noch zu jeder Zeit hat die Wissenschaft sich Männer zu bilden gewußt, die mit Freimuth und Ent schlossenheit vor aller Welt bekannten: Das Rechte. Der besten einer dieser Männer war Galilei. Postmeisters Käthchen. Original-Novelle von Th. Schmidt. Durch die stillen Straßen des kleinen Bergstädt chens Thalheim rollte an einem nebligen Herbstnach mittag der gelbe Postwagen, von dessen hohem Sitz der Postillon die Melodie eines lustigen Liedes über die dampfenden Pferde herabschmetterte. Zu derselben Zeit standen vor dem neuen, schmucken, im gothischen Stil erbauten Posthause, welches auf dem Marktplatze des Ortes liegt, zwei Beamte, die offenbar die Ankunft der Post erwarteten. Der eine der beiden Männer, ein hoher, stattlicher Herr mit scharfen Zügen und kurzgeschorenem grauem Kopf- und Barthaar war der Postmeister Arndt. Die breite und etwas eckige Stirn des Beamten war in düstere Falten gelegt, und seine unter grauen, buschigen Augenhrauen bisweilen leb haft blitzenden dunklen Augen verriethen eine tiefe innere Erregung, oder auch einen geheimen Kummer, gegen den der kräftige Mann vielleicht vergebens an kämpfte. Der zweite Beamte, ein Unterbeamter, welcher ein Bund Schlüssel in der Hand hielt, war eine originelle Erscheinung. Christoph Sebastian Wolf, in Thalheim zum Unterschied von mehreren anderen „Wölfen" schlechtweg „Postwolf" genannt, war ein kleines altes, etwas gebückt gehendes Männchen mit lebhaft geröthetem Gesicht und einer verdächtig schill ernden Nase, die wie ein Riesenglühwurm über einem in Form einer Bürste zugestutzten, weißgrauen Schnurr bart thronte, während die kleinen, stets feuchten Augen von fettgepolsterten Livern fast ganz bedeckt wurden. „Postwolf" war trotz seiner Vorliebe für Spirituosen und der durch dieselben oft herbeigefllhrten Verwirrung unter den zu bestellenden Briefen ein im Orte bei Alt und Jung gern gesehener Mann. Er war, da er alles wußte, so eine Art „Figaro von Thalheim." Sebastian Wolf war nie verheiralhet gewesen, weil, wie er zu sagen pflegte, „die Groschens dazu nicht ausreichten." Ein Ereigniß mußte in sein Leben tief einschneidend gewirkt haben — der Tod seines Dienst herrn, eines MedicinalrathS, denn von diesem Tage ab pflegte er die späteren wichtigeren Begebenheiten in Thalheim zu berechnen. Der Todestag des alten Herrn bildete sozusagen den Mittelpunkt seiner Zeit rechnung, ähnlich wie der Geschichtsschreiber vor oder nach Christi Geburt rechnet. Passirte in Thalheim wirklich mal Etwas, was die Gemüther ein wenig aus ihrer Ruhe aufrüttelte, dann pflegte Postwolf mit geringschätzender Geberde zu sagen: „Pah, Kleinigkeit! Als ich noch den alten Rath fuhr — es sind nun schon dreiunddreißig Jahre her..." Diese Redensart: „Als ich noch den alten Rath fuhr," war bei ihm zur Regel geworden, und alle Gespräche über ein wichtiges Borkommniß begann er damit. Sollte er wegen einer unrichtigen Briefbestellung zur Verantwortung gezogen und „gerüffelt" werden, dann war aus ihm absolut nicht hcrauszubringen, wie der Sachverhalt war. Auf bestimmte Fragen gab er langathmige Antworten, die sich auf alles Andere, nur nicht auf die Sache bezogen. Den anderen Be amten fiel es oft schwer, das Lachen zu verkneifen, wenn der Postmeister den „Postwolf" inquirirte und lauter confuse Antworten erhielt. „Mit Ihnen mag der Henker verhandeln," rief dann wohl zuletzt der erboste Postmeister, schob seine Acte unter den Arm und eilte mit langen Schritten in sein Amtszimmer. Sebastian Wolf aber ging dann bedächtigen Schrittes in eine dunkle Ecke der Packkammer, zog aus seiner Hinteren Rocktasche eine platte, runde Flasche — deren Größe man an seinem Rockschoß an einem kahlge scheuerten Fleck erkennen konnte — und stärkte sich schnell nach solchem anstrengenden Verhör. Vielleicht hatte auch heute ein solches mit ihm stattgefunden; die ernsten Mienen seines Vorgesetzten, hinter dem er in respektvoller Entfernung auf der Treppe des Posthauses stand, deuteten wenigstens darauf hin. Begleitet von dem weithin schallenden Signal des Posthorns bog endlich der erwartete Postwagen um die Straßenecke. Aus dem Fenster desselben schwenkte in diesem Augenblick eine Damenhand ein weißes Spitzentuch, und dieses Zeichen des Grußes übte gleichsam eine zauberische Wirkung auf den ernsten Postmeister aus. Seine düstere Stirn glättete sich, und seine dunklen Augen leuchteten in freudiger Er wartung. Schnell eilte er auf die Wagenthür zu, und im nächsten Augenblick flog ein reizendes junges Mädchen mit freudigem Ausruf an seine Brust, und ein beiderseitiger inniger Kuß bezeugte die Freude des Wiedersehens. „Mein Käthchen — Kind, was bist Du gewachsen! Du reichst mir ja bis zur Schulter," rief der Post meister mit glückstrahlendem Antlitz. „O, könnte Dich Deine Mutter jetzt sehen, sie würde stolz auf ihr Käthchen sein." Der glückliche Vater sprach die Wahrheit — jede Mutter würde stolz auf eine so liebliche Tochter sein. Solche dunkelblaue Augen und solches blondes Locken haar — o, und erst die edlen Züge und Formen, wahrlich, der geniale Meister der Venus von Milo würde bewundernd sein Auge zu dieser anmuthigen Erscheinung erhoben haben. „Willkommen daheim, Fräulein Käthchen," sagte in diesem Augenblick der alte Wolf, bescheiden näher tretend. „Danke, Wolf! Wie gehts denn noch, Alterchen, immer noch rüstig im Dienst?" gab das junge Mäd chen freundlich zur Antwort nnd streckte dem Alten die Hand zum Gruße hin. „Ach, Fräulein, manchmal wird einem der Dienst schwer, aber ich sage dann zu mir: so lange man Dich nicht gehen heißt, Wolf, halte aus! Wissen Sie, Fräulein, daß ich mich über Ihre Ankunft sehr ge freut habe? Ich habe immer gesagt: wenn das liebe Fräulein kommt, dann wird der Kleine wieder besser. Als ich noch den alten Rath fuhr, es sind nun schon 33 Jahre her, da hatten „wir" auch 'mal so'n Fall... ich komme, Herr Berger; ach entschuldigen Sie, ich werde gerufen... habe den Briefbeutcl noch nicht abgeliefert," unterbrach sich der redselige Alte und eilte davon, begleitet von einem leisen „Gott sei Dank!" des Postmeisters. „Der hätte uns hier noch eine Stunde lang von seinem „alten Rath" unter halten." „Es thut mir leid, Käthchen, daß Du vor der festgesetzten Zeit die Pension verlassen mußtest," fuhr der Postmeister ernst fort, als er mit seiner Tochter gleich darauf die Treppe zu seiner Dienstwohnung hinaufstieg. „Aber ich konnte mir nicht anders helfen. Du weißt ja, die alte Karoline ist nicht für das Krankenzimmer geschaffen, und Paul verlangt den ganzen Tag nach Dir." „Ich bin Dir dankbar dafür, Papa, daß Du mich nach Hause zurückriesst — ach, Du glaubst nicht, wie ich mich in diesem langen Jahr nach Dir und Paul gesehnt habe. Ist es denn wirklich die DiphtheritiS?" „Leider! Gestern glaubte ich noch, es würde nur eine leichte Halsentzündung sein; heute weiß ich es gewiß, daß es die DiphtheritiS ist, obschon I)r. Barth eS nicht bestimmt erklärt hat. Die Krankheit hat wieder den epidemischen Charakter wie vor vier Jahren ; fast in jedem Hause liegen ein oder mehrere Kinder darnieder. Vater und Tochter waren bei diesem Ge spräch oben in der Wohnung angekommen. „Armer Junge!" seufzte Käthchen traurig. Dann legte eS hastig Hut und Reisemantel ab und eilte zum Krankenzimmer. „Sei vorsichtig, Käthchen!" warnte der Postmeister. „Du kennst diese schreckliche Krankheit noch von früher," setzte er mit gepreßter Stimme hinzu. Beide heiraten gleich darauf geräuschlos das Zimmer, in welchem der kleine, etwa vier Jahre alte Paul krank lag. Der kleine Patient, ein hübscher,