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that, wie da- Jahrhundert sie kaum gesehen, sondern hier ist die Geburtsstätte des geeinigten Deutschlands. Hier der Bayer und der Preuße eng umschlungen, dort neben dem Württemberger der Mecklenburger, neben dem Badenser der Posener vom fünften Korps, ein polnisches Gebetbuch umfassend. Ich war mit des Kronprinzen Armee bei Sedan und vor Paris, und ich weiß nicht mehr anders: seit Wörth hatten wir es als etwas ganz Selbstverständliches im Kopf wie im Herzen, daß Deutschland fix und fertig war längst vor den Versailler Verhandlungen der deutschen Diplomaten. Für uns Alle, die wir in den Stra- patzen des Feldzuges Freundschaft für's Leben schlos sen, blieb der 6. August der Geburtstag des deutschen Reichs. — Görlitz, 5. August. (HistorischerGedenktag.) Das erste im deutsch-französischen Kriege im Jahre 1870 vom Feinde eroberte Geschütz, die s. Z. von den hier (jetzt in Hirschberg) garnisonirenden Mann schaften des 1. Schlesischen Jäger-Bataillons dir. 5 (von Neumann) eroberte und dann vom Kaiser der Stadt Görlitz geschenkte Kanone „Do Douai' war gestern anläßlich des TagcS der Eroberung (4. August) niit Guirlandcn und Lorbcerkränzen geschmückt. Von den vier Eroberern der Kanone leben jetzt nur noch zwei, ein ehemaliger, jetzt im sächsischen Telegraphen dienste beschäftigter Feldwebel und ein früherer Ober jäger, jetziger Gastwirth. — Frankreich. Der Senat hat am Donners tag als Staatsgcrichtshof die Verhandlungen gegen General Boulauger begonnen. Die erste Sitzung war öffentlich. Da gegen den Ange klagten in Contumaciam verfahren wird, fällt wie das Verhör des Angeklagten auch die mündliche Zeu genvernehmung fort, so daß die Protokolle über die früheren Zeugenaussagen einfach vorgelegt werden. Nachdem die öffentliche» Sitzungen beendet sind, wird sich der Staatsgerichtsbof als Rathskammer kon- stituiren. Trotzdem werden mindestens vier Sitzungen erforderlich sein, so daß der Senat auch am Sonntag zu diesem Zweck Zusammensein wird. — Die Mar schälle Mac Mahon und Canrobert, sowie General Gallifet haben sich geweigert, an dem Kriegsgericht über Boulanger theilzunehmen. Diejenigen Pariser Blätter, welche nicht unmittelbare Parteiorgane sind, sprechen die Ansicht aus, daß die Vertheidiguug des Generals Boulauger gegen die Anklageschrift des Ober-Staatsanwalts Beaurepaire als eine sehr ge schickte' bezeichnet werden müsse. Jedenfalls erhellt aus den Angaben des Generals, daß er nicht leicht sinnig mit dem Geld umgegangen ist, sondern im Gegentheil einer äußerst genauen Beobachtung des rechnungsmäßigen Theiles seiner Amtsoblicgcnhcitcn sich beflissen hat. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock. (Theater.) Für morgen, Sonn tag hat unsere Theater-Direktion eine außergewöhnlich gute Vorstellung anberaumt, und zwar das allen Theaterfreunden als vorzüglich bekannte Lustspiel „Krieg im Frieden", wo außer dem Gastspiel der Großherzogl. sächs. Hofschauspielerin Fräulein Frida Schmid, sämmtliche ersten Kräfte des vortrefflicbcn Ensembles in'S Treffen geführt werden. Hr. Direktor Heuser hat die kleine Rolle des Gencrils aus Ge fälligkeit übernommen, damit das ganze Stück auf das Beste besetzt ist. Herr Ernst, welchen wir schon öfters in Offizicrsrollen bewundern konnten, wird ein schneidiger Reif v. Reiflingen sein. Somit dürfen wir morgen einer Aufführung entgegen sehen, welche manchem großen Theater zur Ehre gereichen würde. — Dresden, 7. August. Se. Maj. der Kaiser Franz Josef von Oesterreich und Se. k. k. Hoh. Franz Ferdinand Erzherzog von Oesterreich - Este treffen mit dem Minister des k. k. Hauses, Grafen Kalnocky, dem Feldzcugmeister Baron Beck und dem Generaladjutant Feldmarschalllieutcnant Graf Baar am Montag Vormittag 9 Uhr in Niedersedlitz ein und begeben sich nach dem königl. Lustschloß Pillnitz, woselbst Familien- und Marschalls-Dejeuner dinatoire stattfindet. Das weitere Gefolge Sr. Majestät des Kaisers Franz Josef begiebt sich nach dem Residenz schloß Dresden, woselbst ebenfalls Dejeuner stattfindet. Die Abreise der hohen Herrschaften mit Gefolge nach Berlin wird nach den bis jetzt bekannt gewordenen Anordnungen Mittags 1 Uhr von Pillnitz ab erfolgen. — Dresden. Am Dienstag hat die Verhand lung des Kriegsgerichtes über die gegen den Königl. Musikdirektor Trenkler erhobene Anklage stattge funden. Der von diesem Gericht gefällte Spruch ist, wie ein hiesiges Blatt angiebt, so lange noch nicht rechtskräftig, bis das gefällte Urtheil nicht von einem zweiten Auditeur als den betreffenden Gcsetzespara- graphen entsprechend erklärt, oder von einem Ober- kriegSgericht bestätigt worden ist. Was das Urtheil selbst anlangt, so verlautet, daß Musikdirektor Trenkler nur der unerlaubten Annahme von Geschenken schuldig befunden und ihm eine Arreststrafe von 2 Monaten zuerkannt worden ist. Bei seinem Austritt aus dem Militärdienst, der am I. Oktober erfolgen dürfte, bezieht Musikdirektor Trenkler seine volle Pension. — Dresden. Von dem Hauptbureau der Kgl. Generaldirektion der Sächs. SlaatSeisenbahnen er halten die „Dr. Nachr." folgende Zuschrift: Die Wurzener Zeitung brachte in ihrer Nummer vom 17. v. M. eine Korrespondenz aus Dresden des Inhalts, daß die bei dem Unfälle in Röhrmoos am 7. v. M. verunglückten Eiscnbahnreisendcn aus Eibenstock in Nürnberg wegen schlechten Ganges des ausge laufenen sächsischen Durchgangswagen« ihre Plätze mit solchen in einem anderen Wagen — demselben, wel cher bei dem Unfälle zertrümmert wurde — vertauscht hätten und daß also, wenn jener sächsische Wagen nicht so ausgelaufen gewesen wäre, die Reisenden aus Eibenstock von dem Unfälle nicht betroffen worden sein würden. Mit dieser Notiz ist dann noch die Frage verknüpft: Wer trägt also indirekt Schuld am Tode der Eibenstocker? Durch die in Folge jener Korrespondenz angestellten Erhebungen hat sich her ausgestellt, daß die darin gebrachten Angaben auf Unwahrheit beruhen, denn die verunglückten Reisenden haben den sächsischen Durchgangswagcn überhaupt gar nicht benützt. Sic haben in Reichenbach den Schnellzug der Linie Leipzig-Hof bestiegen und ihre Plätze in einem sächsischen Wagen erhalten, der nur bis Hof zu laufen hatte. Auf dieser Endstation des sächsischen Bahnbcreiches waren sie daher zum Wagen wechsel gcnöthigt und bekamen Plätze in einem bay rischen Wagen, nicht aber im sächsischen Durchgangs wagen. Da sie in letzterem überhaupt nicht gefahren sind, ist auch die Angabe, daß sie wegen schlechten Ganges dieses Wagens in Nürnberg ihre Plätze ver lassen und andere in dem später bei dem Unfälle zu Grunde gegangenen Wagen erhalten hätten, erfunden. — Leipzig, 7. August. Die mit bei Röhrmoos verunglückte Frau Oberzollinspektor Dr. Junge kam am gestrigen Nachmittage 6 Uhr 20 Minuten von München auf dem Bayrischen Bahnhof hier an. Dieselbe wurde von zwei Krankenträgern in den be- reitstchenden Wagen gehoben und in die hiesige elterliche Wohnung gebracht. — Zwickau. Herr Kreishauptmann Freiherr von Hausen ist vom I I. bis 25. August sowie vom 2. bis 30. September dss. Js. beurlaubt und wird während dieser Zeit durch Herrn Geheimen Regierungsrath Leonhardi hier vertreten. — Vor einiger Zeit wurde in einem Gasthause zu Zittau, in welchem in Folge von Baulichkeiten eine Anzahl Arbeiter beschäftigt war, das übliche Schwein geschlachtet, welches gegen 9 Uhr früh vom Trichinenbeschauer untersucht werden sollte. Da die Frühstückszeit der Arbeiter jedoch etwas früher fiel, so wurde denselben in Abwesenheit des Wirthes be reits vor der Untersuchung Wellfleisch verabreicht, von welchem 14 Personen, allerdings mit Vermissen der noch nicht erfolgten Untersuchung, genossen. Zum Schrecken Aller stellte cs sich jedoch bei der Unter suchung des Fleisches heraus, daß das Schwein trichinös gewesen. Ein schleunigst herbeigerufener Arzt verordnete den Bethciligtcu sofort starke Brech mittel, welche auch bei 13 Personen ihre Wirkung nicht verfehlten, bei dem Letzten aber wirkungslos blieben. Dieser eine erkrankte auch nach einer Woche und hat ziemlich 2 Monate krank gelegen, nach wel cher Zeit eine Besserung cintrat, die eine gänzliche Genesung (Einkapselung der Trichinen) erhoffen läßt. Der in seinem Erwerb Verhinderte machte nun gegen den betr. Wirth Entschädigungsansprüche geltend, welche jedoch von diesem in dem beanspruchten Maße abge lehnt wurden, worauf ersterer den Klageweg beschritten hat, auf welchem er Schadloshaltung zu erzielen hofft. — Eine peinliche Verwechselung hat vor einigen Tagen in dem Krankenhause eines kleineren Ortes in der Nähe von Annaberg stattgefunden. Daselbst waren zu gleicher Zeit zwei männliche Pfleg linge verschieden, für welche auch ein gleichzeitiges Begräbniß angeordnet war. Die Angehörigen der Verstorbenen hatten für die Todtenklcider und die Beschaffung der Särge gesorgt und diese Sachen der Krankenhausverwaltung zugehen lassen. Als nun die Begräbnisse stattfinden sollten und die Leidtragenden sich bereits zu dem Trauergange eingefunder. hatten, stellte es sich heraus, daß jeder der Verstorbenen in falsche Kleider gehüllt und in einen falschen Sarg gelegt worden war. Es mußte daher eine Umkleidung und Umbettung vorgenommen werden. — Die kürzlich in mehreren Zeitungen gebrachte Mittheilnng, daß die Straßenmeister der Königl. Straßenbauämter auf Kosten des Staate« mit Drei rädern ausgerüstet werden sollen, ist ungenau. ES werden zwar Räder für diese Beamten angefertigt, doch es ist ihr freier Wille, ob die Straßenmeister Gebrauch davon machen wollen. Der Staat giebt zu dem Ankauf nur 62 Mark, das Uebrige muß der Beamte selbst bezahlen, bez. wird eS ihm ratenweise von seinem Gehalt abgezogen. Von ungefähr 70 Straßenmeistern Sachsens haben bi« jetzt nur 19 Gebrauch von dieser Gelegenheit gemacht. Vermischte Nachrichten. — Mannheim. Am Freitag Nachmittag vor. Woche kam ein unbekannter junger Mann in ein Haus im Villenviertel hier und wollte dem allein anwesenden Dienstmädchen einen Brief übergeben. Als dieses die Annahme des Schreibens wegen Ab wesenheit ihrer Dienstherrschaft verweigerte, entfernte sich der Unbekannte, kehrte aber bald wieder zurück und verlangte nunmehr von dem Dienstmävchen eine Bescheinigung, daß er den fraglichen Brief vorgelegt habe. Als das Mädchen sich an eine» Tisch nieder setzte, um zu unterschreiben, überfiel der Fremde das selbe mit einem Stemmeisen und brachte ihm Ver letzungen am Halse bei. Das Mädchen konnte noch um Hilfe rufen, worauf der Attentäter die Flucht ergriff, — Ein Massenunfall auf dem Manö- vcrfeld. Budapester Blätter berichten über Un glücksfälle beim Exerzieren des 13. Husarenregiments wie folgt: „Seit zwei Tagen waren in der Stadt Gerüchte verbreitet, welche von größeren Unfällen auf dem Manövcrfeldc am Rakos anläßlich der Hebungen des 13. Husarenregiments zu berichten wußten. Die betreffenden militärischen Kreise, welche in erster Linie in der Lage sind, die Wahrheit der erwähnten Ge rüchte zu bekräftigen, verhielten sich auf jede Frage gänzlich ablehnend. Erst auf indirektem Wege gelang eS, von vertrauenswürdiger Seite Mittheilungen zu erhalten, welche keinen Zweifel mehr übrig lassen, daß in der That bei einer der jüngst stattgefundenen Hebungen des 13. Husarenregiments Unfälle vorgekom men sind, denen sogar ein Menschenleben zum Opfer ge fallen ist. DaS 13. Husarenregiment war am 30. Juli Vormittags auf den Rakos ausgcrückt, um von dem in der Hauptstadt weilenden Kavallerie-Inspektor Prinzen Croy gemustert zu werden. Nach der Be sichtigung machte das unter dcni Befehl des Obersten von Jlles und des Oberstlieutenants von Beffenyney stehende Regiment eine Anzahl gelungener Exerzitien. Hierauf begannen die verschiedenen Escadrons-, Di- Visions- und Regimentsübungen, die ungefähr zwei Stunden dauerten. Mannschaft und Pferde waren schon ermattet, als Oberst v. Jlles zum Schluffe der Besichtigung großes Manöverreiten in schärfstem Schritt kommandirte. Die müden Pferde hielten jedoch dieses nicht inchr aus. Einzelne Pferde stürzten. An dere scheu gewordene Pferde sprangen über jene, die aus der Reihe ausgebrochcn waren. ES entstand ein wirres Durcheinander, Pferd stürzte auf Pferd, einen unentwirrbaren Knäuel bildend. All das spielte sich so rasch ab, daß, als das Commaudo, welches das Einstcllen des Reitens befahl, ertönte, das Exerzier feld mit Husaren und reiterlosen, verletzten Pferden übersäet war. Sanitätstruppen u. Kurschmiede leiste ten sofort die erste Hülfe, worauf der Rückmarsch in die Kaserne ««getreten wurde. Drei Husaren aber erlitten derartig schwere Verletzungen, daß man sie mittelst Sanitätswagen vom Exerzierfelde wegführen mußte. Des Ferneren mußten 78 Pferde, die größere Ver letzungen erlitten, in thierärztliche Behandlung ge nommen werden. Der am schwersten verletzte Husar ist inzwischen unter schrecklichen Qualen gestorben. DaS Befinden der zwei anderen Verwundeten hat sich einigermaßen gebessert, so daß Hoffnung auf ihr Aufkommen vorhanden ist." — Ein hochkomiscbcs Mißvcrständniß, in welchem sich kürzlich ein in Berlin durchreisender Franzose befand und das in demselben allem Anschein nach die bleiche Furcht erweckte, er sei als französi scher Spion verhaftet worden, ohne daß in Wirklich keit Jemand auch nur mit einem Wort daran gedacht hatte, dem ängstlichen Nachbar von jenseits der Vo gesen in dieser Weise zu nahe zu treten, hat den gu ten Mann thatsächlich zur windesschnellcn Flucht ge trieben und ihn bis jetzt verschwinden lassen. Der drollige Vorgang ist der Folgende: Am 22. v. Mts. langte in Spandau ein elegant gekleideter Herr mit der Hamburger Bahn von Berlin an, welcher ein Billet nach Aachen gelöst hatte. Bei der Ankunft in Spandau bemerkte der Schaffner, daß der Reisende sich auf einer falschen Tour befand, da derselbe die Lehrter statt der Hamburger Strecke hätte benutzen müssen. Der Bahnhofsvorsteher wollte nun dafür Sorge tragen, daß der Fremde, der kein Wort deutsch sprach, nach dem Lehrter Bahnhof gelangte, und re- quirirte eine Droschke, welche der Reisende bestieg. Als Begleiter wurde demselben ein Bahnbeamter bei gegeben. Letzteren, der Uniform trug, muß der Passa gier wohl für einen Polizeibcamten gehalten haben und in der Furcht, daß er verhaftet werden sollte, sprang er während der Fahrt plötzlich aus dem Wa gen, seine sämmtlichen Effekten darin zurücklassend, und entfloh! Die Sachen wurden der Polizeiinspek tion übergeben, und dieselbe durchsuchte die Koffer, jedenfalls nun in der Meinung, daß der Entwichene ein Spion sei. Es wurde u. a. ein Packet Briefschaf ten in französischer Sprache vorgefunden. Man über gab dieselben zur Uebersetzung einem Lehrer und es stellte sich heraus, daß die Schriftstücke Konzepte von Briefen waren, die der Reisende an seine in Paris wohnende Frau gerichtet hatte. Der Inhalt der Schreiben gab der innigen Sehnsucht nach Weib und Kind Ausdruck. Der Verfasset beklagte sich bitter darüber, daß ihn dereinst die Schwiegermutter eigent lich fortgetrieben hätte. Der Wunsch, die Heimath wieder zu sehen, wäre aber immer stärker geworden, und darum würde er jetzt nach Hause zurllckkehrcn. Der Fremde war ein Friseur, der in Petersburg ge arbeitet hatte und sich auf der Reise nach Frankreich befand. Er hat noch bis jetzt seine Effekten, die bei der Polizei in Spandau lagern, nicht zurückverlangt.