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dies gemeldet wurde, ließ den SchlLser mit Stricken sestbinden und dann mit Pauken und Trompeten wecken von dem fortan Pagenbett genannten Felsen lager. 1812. Schlacht bei Podobna. 1815. König Friedrich August der Gerechte unterschreibt die Statuten des Civilverdienstordens, als dessen Stiftungstag den 7. Juni bestimmend. 1845. Unruhen in Leipzig bei Anwesenheit des Prinzen Johann zur Jahresreveue der dortigen Kommunal garde. Aus schweren Tagen. Eine Erzählung aus der Zeit Napoleons I. von Rudolf Lossen. 19. Fortsetzung. (Nachdruck Verb»»»., Nanettle lächelte; aber es standen ihr dabei Thränen in den Augen. Als sie sich, um heimzugehen, ver abschiedete, dankte sie der Posthalterin und deren Manne noch besonders innig für alle ihr erwiesene Güte. Ihre Stimme bebte dabei. „Ach, Sie gutes Nanettle", sagte die Posthalterin, was haben Sie zu danken! Ich habe zu danken. Wie manche schwere Stunde haben Sie mir verkürzt recht wie ein liebes Töchterlein, an dem mir's iinmer gefehlt hat." Und freundlich schloß sie das Mädchen in die Arme und küßte sie auf die Stirne. Fast gewaltsam riß sich 'Nanettle los und ging weg. „Was hat sie nur diesen Abend?" sagte der Posthalter. Seine Frau zuckle die Achseln. „Es ist doch nicht richtig in ihrem Herzen wegen des Samuel", bemerkte sie leise; „wenn ich nur wüßte, wie's bei ihm aussieht!" „Was? Meinst Du? hm! hm! 's ist ein kreuz braves Mädle. Aber freilich — hm! hm! Das wäre wieder etwas Anderes. Die Zeiten sind schwer." Und er ging sehr gedankenvoll auf und ab. Aber am andern Tag, Abends, brachte ein Knäb- lein von Nanettle's Hauswirth ein Brieflein des Mädchens, in welchem sie nochmals ihren Dank aus sprach und dann kurz bemerkte, ihre Verhältnisse nöthigtcu sie, einen andern Wohnort aufzusuchen, wo sie Verwandte habe und sie müsse daher Abschied nehmen. „Was soll denn das heißen?" rief der Posthalter, „wo hat sie denn Verwandte?" Die Posthalterin ging sogleich noch in der Dunkel heit in das Haus, wo Nanettle gewohnt hatte. Da sagten ihr die Hausleute, Jungfer Nanettle habe ihnen die Micthc bis Lichtmeß bezahlt, habe ihnen ihre wenigen Möbel bis zu ihrer etwaigen Rückkehr, mit der es aber einige Jahre anstehcn könne, in Ver wahrung gegeben und sei vor einigen Stunden, warm eingehüllt und eine große Reisetasche an der Hand, dem oberen Thore zugegangen. Ja, wenige Stunden nur war's her, da stand wieder im Schneegestöber Nanettle Vogel in jenem Hohlweg an derselben Stelle, wo Samuel Schalter sie einst genöthigt hatte, auf ihr Wägelchen zu sitzen und sie gerettet hatte. „Nun sind's bald vier Jahre", sagte sie zu sich, „aber noch steht'S vor mir, als wäre es gestern ge schehen. O es ist gut, daß ich gegangen bin! Ich wäre nicht ruhig geblieben, er hätte etwas bemerken müssen. Und hätte er je an mich gedacht, so mußte ich um so mehr gehen seiner Eltern wegen, die eine andere Verbindung wollen. Aber was wird er weiter an mich denken, als mit freundlicher Höflichkeit? Nur weiter!" Und rüstig schritt sie in das Schneegestöber hinein. Unten am Berg sah sie noch einmal hinauf zu ihrer Vaterstadt; unwillkürlich faltete sie die Hände und sprach: „Viel, viel Leid habe ich dort oben ertragen, — leb' wohl, liebes Mütterlein, wie gern hab' ich's mit Dir getragen! Und mehr Freude habe ich noch erlebt, als ich lange je zu erleben hoffte: Mein Vater ruht im Frieden! Und die schönen Tage bei Samuels Eltern, so voll Friedens, so voll warmer Liebe! Ach, wer solch' ein Haus die Heimath nennen darf, wie glücklich ist er! Aber auch ich will glücklich sein, in der Erinnerung. Lebt wohl! lebt wohl!" Es kam ein Tag der Heimkehr ins Vaterhaus für Samuel und Michael. Michael Koch fand seine Eltern sehr gealtert durch Sorgen, harte Arbeit und Mangel an kräftiger Nahrung, besonders aber in Folge der Angst um das Leben des Sohns. Samuel saß glückselig zwischen Vater und Mutter, die sich nicht satt sehen konnten an dem prächtigen Krieger. Wie viel hatte er zu erzählen! Aber schon am zweiten Tag fragte er nach Nanettle, nur so ganz beiläufig. Die Mutter beobachtete ihn scharf, als sie von deren Verschwinden erzählte, und seine Bestürzung entging ihr nicht. Michael hatte dem Kameraden anvertraut, wie fremd ihn Nanettle nach seiner Rückkehr aus Schlesien empfangen habe, und wie er nicht wisse, ob eS nur Gehorsam gegen den Willen Vogels, der ihn hasse, sei oder eigener Entschluß ; jetzt, nach Vogels Tod, hoffe er ein entscheidende» Wort aus ihrem Munde fordern zu können. — Merkwürdig, — sobald vor Samuels Seele die Möglichkeit trat, daß Na nettle seinen Freund nicht liebe, ja vielleicht seine Bewerbung abweiscn werde, erwachten Gefühle mit voller Macht in ihm, die er sich bisher, wie wenn sie eine Untreue wären gegen den Freund, gar nicht so hatte gestehen wollen. Michael sagte ihm selbst tiefbetrübt von Nauettles Verschwinden und bat Sa muel, ihm doch ja Nachricht zu geben, falls er etwas von ihr erfahre. Aber noch ein anderer als Michael war froh, sein volles Herz einem Zuhörer, der ihn verstand, in geheimem Zwiegespräch, wenn auch nur in der kurzen Frist von Samuels Urlaub, ausschütten zu können. Er sagte ihm von den Freunden, mit denen er in geheimem Austausch von 'Nachrichten stehe. „Weißt Du, Samuel", bemerkte Schallcr unter anderem, „wa rum 'Napoleon so schnell, Friede gemacht hat? Weil in Schönbronn ein Predigerssohn aus 'Naumburg einen Mordversuch auf ihn gemacht hat, ein sonst stiller, braver, religiöser Mensch. Man hat ihn erschossen. Staps hieß er. Aber der Napoleon spürt allmählich, wie's in Deutschland gährt. Es wird ihm unheimlich. Er wollte heim nach Frankreich. * * * Anfang 'November 1810 sollte der große Pferde markt in A. stattfinden, zu welchem auch der Post halter nothwendig reisen mußte. Zu seinem großen Leidwesen fuhr mit ihm im Postwagen der Stadtschreiber, der eS sich zur beson deren Aufgabe gemacht hatte, den Posthalter, diesen hartnäckigen Schwarzseher, von den Segnungen des Bonapartismus zu überzeuge«. Schalter ließ die ganze Fluth der Redensarten von „diesem herrlichen Riesengcist, diesem Reorganisator und Civilisator Europas, diesem geradezu unbesieglichen Schlachten lenker" mit stummem Zorn über sich ergehen. „Sie haben doch auch schon von dem berühm ten Historiker Johannes von Müller gehört?" fragte der Stadtschreiber zuletzt. Schalter nickte mit verächtlichem Zucken der Mund winkel. Der Stadtschrciber zog ein Blatt hervor. „So hören Sie nur einmal eine Stelle aus seiner herr lichen Rede, die er am 22. August 1808 vor dem Könige Jerome von Westfalen in Kassel zum Schluffe des Reichstags dort gehalten hat. Hören Sie: „„Der, vor dem die Welt schweigt,"" das ist eben 'Napoleon! — Also: „„Der, vor dem die Welt schweigt, weil Gott die Welt in seine Hände gegeben, erkannte in Germanien die Vor wache und Brustwehr von Süd und West, von den ersten Hauptsitzen der Kultur Europas. Also für gemeine Politik zu erhaben gab er Deutschland Festig keit, gab ihm sein Gesetzbuch, das Muster seiner Waffen, die größten Lehren, und statt gedemüthigter Soldaten achtvolle geehrte Bürger. Aus zwanzig Ländern schuf er ein Reich. Konnte er mehr thun?" " Die Vorlesung war beendigt. Der Stadtschrciber blickte den Posthalter triumphirend an und steckte das Blatt ein. Schalter spuckte aus, sah durchs Fenster und sagte: „Wir sind bald in H." Einer der drei andern Mitreisenden sagte schüchtern: „Die schöne Rede da habe ich nicht verstanden. Aber man muß bei altem noch die guten Seiten suchen. Ich bin Badenser und lobe mir unfern Großherzog. Der ist ein lieber Herr, dcm's bitter weh thut, daß seine Unterthanen so hart angelegt sind; ich weiß, daß er schon oft gesagt hat, wenn er nur noch ein kleiner Markgraf wäre unter glücklichen Unterthanen, es wäre ihm lieber, als Großherzog sein unter Bedrückten und Verarmten. Wir haben den Herrn auch alle von Herzen lieb, weil wir wissen: er hilft uns, und er spart für sich, wo er nur kann." „Aber vor dem König von Württemberg hat der Napoleon selbst Respekt", fiel jetzt einer der Passagiere ein. „Wißt Ihr, was er von ihm gesagt hat, buch stäblich? „„Es ist ein sehr harter Mann, der König von Württemberg, aber eben so sehr rechtlich. Er ist derjenige Souvcrain von Europa, der am meiste» Geist hat.""* „Man läßt besser solche Reden", bemerkte der dritte Mitreisende, indem er auf den Stadtschreiber und Schallcr einen mißtrauischen Blick warf. „Ich rede ja nicht von meinem Landesherrn", sagte der Vorige, „ich bin seit vorgestern nicht mehr württembergisch. Ich bin aus Schwenningen und der Napoleon hat uns mit einem Haufen württcmbcrgischer Ortschaften an Baden verschenkt. Auf wie lang, weiß ich nicht. Euch Württembergern hat er dafür ein paar Stücklein von Bayern geschenkt. Erst vor gestern hat man's uns gesagt, daß wir unserer württem- bergischcn Untcrthanenpflicht entbunden seien. Das ist doch eine lustige Länderschacherei; am Ende werden wir noch gar französisch — oder wieder württem bergisch! Wenn aber Euer badischer Großherzog so ein guter Herr ist, bleib' ich gern bei Euch auf ein paar Jährlcin". „Unser König", sagte der Stadtschreiber, „muß hart sein; anders lassen sich so viele kunterbunte Länder und Ländlcin nicht zu einem Reich vereinigen." Dieser Verschmelzungsprozeß muß bei uns auch geschehen", sagte trocken der Badenser, „und unser Karl Theodor ist doch nicht hart; eS ist auch genug, daß die Zeiten hart sind". (Fortsetzung folgt.) * Historisch, wenn auch erst nach 1812 von N. gesprochen. Vermischte Nachrichten. — Neue Postwerthzeichen. Am 1. Ok tober werden neue Postwerthzeichen ausgegeben. Die neuen Marken unterscheiden sich von den jetzt giltigen im Wesentlichen dadurch, daß der ihnen aufgedruckte Reichsadler und die Reichskrone der durch den kaiserl. Erlaß vom 6. Dezember 1888 festgestellten Form entsprechend abgeändert worden sind. Was die Farbe der neuen Werthzeichen betrifft, so werden die Marken zu 3 Pf. in Braun, zu 5 Pf. in Grün, zu 25 Pf. in Orange und zu 50 Pf. in Rothbraun hergestellt, während bei den Marken zu 10 Pf. und zu 20 Pf. wie bisher die rothe bez. blaue Farbe zur Verwend ung kommen wird. Die für den inneren Dienstbe trieb bestimmten Freimarken zum Werthbetrage von 2 M. werden eine Aenderung nicht erfahren. Durch die Einführung der neuen Werthzeichen wird auch eine Neu-AuSgabe der gestempelten Briefumschläge und Streifbänder, sowie der gestempelten Formulare zu Postkarten, Postanweisungen re. bedingt. Entsprech end der veränderten Farbe der neuen Marken zu 3 Pf. und 5 Pf. erhalten die Streifbänder einen Auf druck in brauner, die Postkarten für den inneren Verkehr einen Aufdruck in grüner Farbe. Außerdem kommt bei dem Aufdruck der gewöhnlichen Postkarten die deutsche anstatt der lateinischen Schrift in An wendung. Die Reichsdruckerei wird die Herstellung der neuen Postwerthzeichen derartig beschleunigen, daß dieselben schon vom 1. Oktober ab von ihr be zogen werden können. Mit der Ausgabe der neuen Postwerthzeichen bez. einer Gattung derselben an das Publikum dürfen die Verkehrsanstalten aber erst dann beginnen, wenn die vorhandenen Bestände an alten Werthzeichen derselben Gattung verkauft sein werden. Die Bestimmung darüber, von welchem Zeitpunkt ab die jetzigen Freimarken rc. ihre Giltigkeit verlieren, ist noch nicht getroffen. — Verwendung der Steinkohlenasche. Bei der Ausdehnung der Industrie ist der Verbrauch an Steinkohlen sehr gestiegen, daher finden sich große Rückstände von Asche, welche bisher noch wenig ver wendet, ja oft verschleudert wurden, und dennoch hat diese einen bedeutenden Werth. In nassem und schwerem Boden bringt die durch ein Drahtgitter ge siebte Steinkohlenasche einen unberechenbaren Bortheil. Ein Aufträgen von 6 bis 7 cm Steinkohlenasche im Herbst und gehörige Unterbringung im Frühjahr lockert die Erde bedeutend, bewirkt ein besseres Ein dringen der äußeren Atmosphäre und befördert die darauf gebauten Gewächse in ihrem Wachsthum. Alle Arten von Pflanzen gedeihen in dieser Erde vortreff lich, besonders die Hülsenfrüchte. Ein zweiter Nutzen ist die Vertilgung der nackten Gartenschnecke und der Regenwürmer durch das Aufstreuen der Asche auf die Beete. In der Landwirthschaft bietet die Stein kohlenasche gleichfalls große Vortheile als Beimischung zur Komposterde. In der Tiefe und in undurchlässi gem, saurem Boden wird durch Aufträgen einer 8 bis 10 em dicken Aschenschicht gelockert und kultur fähiger gemacht, und je nach Beschaffenheit des Ackers kann man dies 2 bis 3 Jahre nach einander wieder holen. Ein Gleiches gilt bei nassen und sauren Wiesen, welche 5 em hoch mit Steinkohlenasche über zogen werden. Schon im ersten Jahre sind die schönsten Resultate wahrnehmbar, das Moos und die sauren Gräser verschwinden nach und nach und an ihre Stelle tritt der weiße Wiesenklee, welcher eine dichte Narbe bildet und ein gutes und reichliches Futter giebt. — Der neue Hut. Professor A. pflegte seinen Nachmittagskaffee im „Gasthof zur goldenen Krone" zu nehmen und dort mit seinen zwei Freunden eine Partie Skat zu machen. Eines Tages hatten sie, eines heftigen Gewitterregens halber, der sich sehr unerwartet eingestellt hatte, ihr Spielchen länger als gewöhnlich ausgedehnt, und als die Herren sich endlich zum Gehen anschickten, fand Prof. A. an Stelle seines ziemlich schäbigen, abgetragenen Hutes einen tadellos neuen, feinen Pariser. Da derselbe ihm genau auf den Kopf paßte, glaubte er diese überraschende Umwandlung der zarten Aufmerksam keit eines seiner Freunde verdanken zu dürfen, und im stillen nicht wenig erfreut über diese neue Aqui- sition, kehrte er eilends heim, seine Ehehälfte zur Mitwisserin dieser angenehmen Ueberraschung zu machen. Aber ach, als der guie Professor tags darauf nach dem „Gasthof zur goldenen Krone" kam, trat ein junger Mann auf ihn zu. „Herr Professor" Hub derselbe mit höflicher Verbeugung an, „erlauben Sie, daß ich meinen Hut reklamire und Sie über den scheinbaren Jrrthum meinerseits aufkläre — ich wußte nämlich recht gut, daß ich statt meinen Ihren Hut nahm; da sie aber einen Regenschirm hatten und ich nicht, und mein neuer Hut vom Regen ganz verdorben worden wäre, während der Ihrige kaum noch schlechter werden konnte, so borgte ich mir den Ihrigen — und statte denselben jetzt mit dem ver bindlichsten Dank zurück." — Auf der Reise. Eine junge, schöne Dame steigt in einen Wagen zweiter Klasse, in dem sich bereits ein Reisender befindet. Dieser erhebt sich beim Anblick der Dame aus seiner liegenden Stellung, zupft seine Kravatte zurecht, streicht Haar und Bart