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begoß er die Holzdielen und die Fensterrahmen den Gang entlang mit Petroleum. „Das wird die Schnelligkeit des Feuer« fördern/ murmelte er. Die Aussicht, so viele unschuldige Leben zu opfern, hatte für ihn keine Schrecken; wie ein böser Geist schlich er umher, bis alles fertig war und er das Feuer entzündet. Dann öffnete er eine enge Thür, die in ein niederes Stockwerk führte, stieg eilig die Treppen hinab, öffnete ein Fenster und sprang auf das Feld hinaus, über welches er in der Richtung auf Ashby zu weiterging. Seine eigene Familie war in einem besonderen Gebäude außer Gefahr, da dasselbe ziemlich entfernt stand. Er beabsichtigte, beim Thorwächter einen Wagen zu nehmen, »ach Ashby zu fahre» und dort Hilfe zu verlangen. Bis er die Stadt erreichte, mußte der ganze Flügel schon in Flammen stehen und das Feuer seine Schuldigkeit gethan haben. Er blickte sich fortwährend um/um zu sehen, ob das Feuer noch nicht herausschlüge. Die Minuten schienen ihm wie Stunden und er hielt alles für mißglückt. Endlich blieb er stehen und dachte: „Ich fürchte, es erstickt, das würde die Sache verschlimmern, da es eme Untersuchung zur Folge haben könnte, und es viel leichter ist, ein blos ver suchtes, als ein wirklich ausgeführtes Verbrechen zu entdecken. Es wird besser sein, wenn ich zurückkehre und es noch einmal entzünde." Er ging langsam zurück und zögerte, in der Un gewißheit, ob er nicht doch lieber warten und die Sache dem Zufall überlassen sollte; als er deni Ge bäude schon ganz nahe war, brach eine furchtbare Feuersäule heraus, erfüllte die Fenster mit Flaminen und beleuchtete den Doktor, der zitternd dastand und über sein eigenes Werk entsetzt war. Er wollte sich in den Schatten an der andern Seite verberge» und sah den Man» nicht, der fast neben ihm stand, als die entsetzliche Flamme aufloderte. „Doktor Sansom!" „Ach, wer ist da?" sagte der entsetzte Direktor, indem er davon laufen wollte. Es war Horace Harding, der Redakteur des „Herald". Er eilte Sansom nach und fand ihn zitternd, als er ihn einholte. „Sehen Sie — das Irrenhaus brennt!" rief Harding. „Ich sehe es. Ich — ich eile nach Hilfe." „Die Insassen werden verbrennen. Geben Sie mir die Schlüssel — schnell, schnell!" Harding faßte den Direktor am Arme. „Ich habe keine Schlüssel." „Wo sind sie?" „Ich weiß es nicht. Lassen Sie mich los, Herr — ich muß Hilfe holen. Hören Sie?" „Aber ich muß die Schlüssel haben. Die Un glücklichen verbrennen, wenn die Thüren nicht geöff net werden." Horace wußte, daß Sansom den einzigen Schlüssel zu Constanzes Zelle hatte, und war entschlossen, diesen zu erlangen, selbst wenn er ihn mit Gewalt nehmen mußte. „Ich sage Ihnen, ich habe keine Schlüssel, Mr. Harding, sie sind im Bnreau." Doch Horace war so nicht abznspcisen, er um schlang Sansom und warf ihn ans den Bode», wobei dieser sich verzweifelt wehrte. Die Beider kämpften einige Sekunden bei dem Lichte der Flammen, die zu den Fenstern herausschlugen und es gelang endlich Horace aus des Direktors Rocktasche einen Bund Schlüssel zu erobern. „Räuber!" rief Sansom aus. „Schurke!" sagte Horace, indem er dem Eingänge des brennenden Gebäudes zueilte, „ich glaube, das ist Deiner Hände Werk!" Sobald Sansom befreit war, eilte er nach Ashby zu, um seinen früheren Vorsatz auszuführen und Hilfe zu holen. Er verwünschte Harding, tröstete sich jedoch mit dem teuflischen Gedanken, daß der Redakteur zu spät kommen würde, um Hilfe zu leisten, und daß, da er nicht wußte, wo Constanze war, sie verbrannt sein würde, ehe er ihren Aufenthaltsort ausfindig machen konnte. Als Horace Harding sich dem Eingänge des Irren hauses näherte, war er entsetzt über den Anblick, der sich ihm darbot. Aus den Fenstern schlugen die Flamme», welche die Umgebung hell erleuchteten und ein furcht bares Bild zeigten. „Gott erbarme sich der armen Bewohner!" dachte Harding. „Ich fürchte, daß diese umkommen müssen ; eS sieht aus, als ob keine Macht der Erde sie retten könnte." Er eilte hinein und fand die vom Schreck fast gelähmten Wärter in Verwirrung durcheinander laufen und nach Doktor Sansom rufen, während das wilde Geschrei der Wahnsinnigen verzweifelt in die Nacht hinausschallte. 21. Kapitel. Durchs Feuer zur Rettung. Dieselbe Nacht, welche Sansom zur Ausführung seines teuflischen Vorhabens gewählt, war von Horace Harding, Ernst und Bill zu Constanzes Befreiung bestimmt worden, und Harding erwartete die Anderen, als er mit Doktor Sansom zusammentraf. Bill hatte sich mit einem in Doktor Sansoms Diensten stehenden Diener verbunden, und dieser sollte, sobald der Direktor sich für die Nacht zurückzog, sich in den Besitz der Schlüssel setzen, doch dieser Plan wurde durch die Schändlichkeit vereitelt, die Sansom weit über die gewöhnliche Zeit hinaus wach erhielt. Ernst schritt in seiner Zelle hins)und her und er wartete angstvoll die Ankunft Bills; er wurde un ruhig, daß sich dieselbe so in die Länge zog. „Ich fürchte, daß er die Schlüssel nicht erhalten konnte," dachte er, und daß unser Plan mißglücken wird. Das Geräusch des Irrenhauses drang unheimlich durch die Nacht zu ihn, und machte Ernst darüber nachdenken, wieso wobl Menschen wahnsinnig würden? Aus der einen Zelle hörte man fortwährendes Ge plauder, aus einer andern wildes Lachen, hier sang einer die ganze Nacht und dort wieder schrie ein Anderer, als ob er auf der Folter läge. — „Was das für ein entsetzlicher Ort ist!" dachte Ernst, „der Gedanke, hier jahrelang eingesperrt zu sein, ist furchtbar! Wenn doch nur dieser Wärter käme, daß wir Constanze befreien könnten!" Doch jetzt hörte er ein schrilles Geschrei, in das viele Stimmen einfielen. Im Anfänge glaubte Ernst, es sei nicht mehr, als der gewöhnliche Lärm des Irrenhauses, doch es wiederholte sich mit erschreckender Schärfe, so daß er sich die Ohren zuhielt, um es nicht zu hören. Er hatte nie vorher etwas so Entsetzliches ver nommen und seine Angst wurde dadurch noch verstärkt. Mitten durch den Lärm hörte er den Schrei „Feuer," der von einer scharfen Stimme ausgestoßen nnd dann von anderen wiederholt wurde. War eS die Einbildung eines Wahnsinnigen? Oder war es entsetzliche Wirklichkeit? Wie sollte er das wissen? Er blickte durch die Gitterstäbe hinaus und sah den Wiederscheiu des rothen Gespenstes an der gegenüberliegenden Wand. Sein Herz schlug heftig. Der Schein wurde stärker. Der Schrei „Feuer! Feuer! Feuer!" ging von Zelle zu Zelle und wurde im Corridor wiederholt. „Es ist keine Einbildung!" dachte Ernst. „Das Haus steht in Flammen. Wir werden verbrennen. O, Constanze, Constanze, ist das das Ende aller unserer Kämpfe?" Er rüttelte mit aller Macht an das Gitter seiner Zelle und versuchte die Thür zu erbrechen, doch alle seine Anstrengungen waren fruchtlos. Diese Thüren waren dazu gemacht, um der stärksten Menschenkraft zu widerstehen und nach einer ver zweifelten Anstrengung, bei der er alle Kräfte aufbot, fiel er erschöpft zurück. „O Gott!" rief er aus. „Soll ich hier lebendig verbrennen, ohne daß eine Freundeshand mich bettet? Arme Constanze! Auch sie muß umkommen und in derselben Stunde, in der ich sie zu befreien gehofft hatte! Ist es möglich, daß Bill uns verrathen und unsere Pläne diesem Vampyr, dem Doktor Sansom verrathen hat? Und hat dieser vielleicht, um alle Spuren seiner Schandthaten zu verwischen, selbst die Brandfackel in das Hans geworfen? Ich kann eS nicht denken und doch sicht cs fast so aus. Allmächtiger Gott! Was ist das für ein entsetzliches Geschrei!" Ernst hörte Fußtritte den Corridor entlang kommen. Seine Hände rüttelten an den Eisengittern, ihm sank der Muth und er verlor alle Hoffnung, als plötzlich zwei Männer, die sehr aufgeregt und fast außer Athen, waren, vor seinev^clle hielten und einer von ihnen sagte: „Hier ist er." Es waren Bill und Horace Harding. Bill stieß den Schlüssel ins Schloß, öffnete die Thür von Ernsts Zelle, lief dann mit Windeseile den Corridor weiter hinauf und schrie: „Folgt mir!" (Fortsetzung folgt.) Etwas über Seebäder. Von W. Siegelt. Dem Seebade wird vielfach eine spezifische Wirk ung, d. h. eine Einwirkung besonderer Art bei gewissen chronischen Krankheitszuständen (Skrofeln, Blutarmuth, Bleichsucht, Nervosität, Anlage zu Rheumatismus) zu geschrieben und dies auf seinen Gehalt an gelösten mineralischen Bestandtheilen (Kochsalz, Bittersalz, Jod und Brom) zurückgeführt. Man glaubte früher, daß diese Stoffe durch die Haut ins Blut übergeführt würden und dadurch eine Heilung gewisser Leiden zu wege brächten, eine Anschauung, welche schon deshalb nicht stichhaltig erscheint, weil die hornartige obere Hautschicht die Aufnahmefähigkeit der Haut in hohem Maße einschränkt, so daß nur unter der Anwendung kräftigen Reibens und hoher Temperaturen (bei heißen Bädern, Dampfbädern) eine Aufnahme mineralischer Stoffe durch die Haut angenommen werden kann. Wenn trotzdem in vielen Fällen die günstige Wirkung des Seebades bei den genannten Krankheitsformcn klar zu Tage tritt, so ist dies zum Theil auf die Wirkung des kühlen Bades im allgemeinen, zum an dern aber auf Einwirkungen zurückzuführen, welche allerdings dem Seebade als solchem cigenthümlich sind, aber mit seinem Gehalte an gelösten Mineralien nur nach einer gewissen Richtung hin im Zusammen hänge stehen. Wir lernten in dem Artikel über Flußbäder als wesentliche Wirkung jedes kühlen BadeS kräftige An regung des Stoffwechsels (lebhafte Blutzirkulation, verniehrte Ausscheidung, erhöhten Verbrauch, demzu folge verstärktes Bedürfniß nach Nahrung und Lust), günstige Ernährung des Körpers, sowie Kräftigung der Nerven kennen, und da das Seebad diese Wirk ung — wie wir sehen werden — in hervorragendem Maße haben muß, so läßt cs sich erkläre», daß durch dasselbe alle diejenigen Zustände günstig beeinflußt werde» können, welche auf dem Darniederliegen des Stoffwechsels, auf fehlerhafter Blutbildung und Blut mischung, auf ungenügender Blutzirkulation, sowie auf mangelhafter Ernährung beruhen, welche auf Ablager ungen von Krankheitsstoffen in einzelnen Organen, sowie endlich aus geschwächte Nerven zurückzuführen sind ; cs wird ferner erklärlich sein, daß das Seebad ein vorzügliches diätetisches Mittel zur Verhütung derartiger Zustände sein muß. Worin liegt nun die überaus günstige Wirkung der Seebäder? Der Gehalt an Salz reizt die Hautnerven, regt dadurch den Blutlaus lebhaft an und erhöht die Wärmeproduktion des Körpers. Wir empfinden daher die verhältnißmäßig niedrige Temperatur des See wassers (selten über 1b") nicht unangenehm. Wem ein Wannenbad von 2ü" li zu kühl vorkommt, der braucht nur einige Hände voll Kochsalz ins Wasser zu schütten, nm sofort den Reiz desselben als schein bare Temperaturerhöhung des Wassers zu empfinden. Die Wirkung des Salzgehalts wird verstärkt durch Tausende von Sandkörnchen, welche jede Welle an unfern Körper wirft, die Anregung des Bades ver größert durch den Stoß der Wellen, dem wir einen gewissen, oft recht kräftigen Widerstand entgegensetzen müssen, um uns auf den Füßen oder über Wasser zu halten. Im weiteren ist es die staubfreie, erfrischende Luft, welche den Aufenthalt an der See zu einem so vortheilhaftcn macht. Wer nach längerem Aufenthalte im geschlossenen Zimmer das Fenster öffnet, wird wahrnehmen, wie die eindringende frische Luft die Lungen zu tieferen Athemzügen anregt, wie unwill kürlich und unabsichtlich die Athmung ausgiebiger er folgt als vorher. In ähnlicher Weise regt die reine staubfreie Seeluft die Athemthätigkeit an; ihr Salz gehalt übt außerdem einen gelinden Reiz auf die Schleimhäute der Athmungsorgane aus und verstärkt so den Stoffwechsel vornehmlich auch in diesen Par tien». — Endlich aber ist es die Großartigkeit der Natur, welche erfrischend auf die ermatteten Nerven, erhebend auf den niedergedrückten Geist wirkt. Man empfindet cs als eine Erlösung, für einige Zeit her- ausgerisscn zu sein aus dein Ruß und Schmutz der Stadt, aus dem Joch der Alltäglichkeit, aus den tau send kleinen Sorgen, die das Leben mit sich bringt. Wer dächte an sich, wenn er an der Düne steht und auf das unendliche Meer hinausblickt! Je höher seine Wogen, desto mehr glättet sich die Brandung im Innern. „Wirf' ab, Herz, was dich kränket, und was dir bange macht" — das ist der Refrain des Liedes, welches das Meer endlos singt. Wer könnte sich seiner gesundmachenden Wirkung entziehen! Was früher über die Flußbäder gesagt wurde, gilt in vollem Umfange auch für die Seebäder. Bor allem sichere man sich die günstige Wirkung der Luft und des Sonnenlichts auf den gebadeten Körper und versäume nicht, während des Badens fleißig mit See wasser zu gurgeln, das Wasser durch die Nase aus zustoßen und Mundbäder in der schon beschriebenen Weise zu nehmen. Doch erscheint die Warnung am Platze, das Baden in der See nicht zu übertreiben. Bekanntlich behaupten die Küstenbewohner, daß zu einer „Kur" mindestens 30 Bäder gehören. Eine kräftige, gesunde Person wird bei längerem Aufenthalte mit Vortheil über diese Zahl hinausgehen dürfen. Kränkliche, Schwächliche, besonders aber Nervöse soll ten jedoch nnr bei schönem ruhigen Wetter bade»» und lieber en» Bad zu wenig, als eins zu viel nehmen. ES ist nicht selten, daß sich Uebertreibung durch Ver stärkung des Leidens (erhöhte Nervosität, Schlaflosig keit) rächt, und daß der Betreffende elender zurück kehrt, als er hingcgangen ist. Der Umstand, daß Seebäder schwächlichen Perso nen, besonders auch Kindern, vortrefflich bekommen, führt vielfach dazu, zu Hause laue Bäder (25—26") mit einem Zusatze von Seesalz (oder Kreuznacher Mutterlauge rc.) anzuwenden. Zweifellos wird auch dadurch eine günstige Wirkung erreicht werden können, aber nicht deshalb, weil das Seesalz eine spezifische, gegen gewisse Krankheiten gerichtete Wirkung auszu üben vermag, sondern weil die lauen Bäder die Haut zu erhöhter Thätigkeit und dadurch den Stoffwechsel anregen. Versäumt man während solcher „Kur" nicht, die übrigen Faktoren in Wirksamkeit treten zu lassen, welche den Stoffwechsel günstig beeinflussen (reine Luft bei Tag und Nacht — Bewegung — zweckmäßige Nahrung), so wird dieselbe eine dem Seebade ähnliche Wirkung hervorzubringen vermögen. Druck und Verlag von L. Hannrbohn in Lidrnstock.