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Hagesgeschichte. — Deutschland. Kaiser Wilhelm hat, während er bei Bergen vor Anker lag, vom König OSkar von Schweden, der in Christiania zur Lösung der norwegischen MinistcrkrisiS weilte, ein sehr herz liche« BegrüßungStclegramm erhalten. Der Kaiser antwortete mit einem Telegramm, in welchem er nicht genug die nordische Natur und die freundliche Zuvor kommenheit der Bevölkerung rühmend hervorheben konnte. ES verlautet, daß der Kaiser Bodö, eine kleine Stadt am Vestfjord dicht unter der südlichsten Spitze der Lofoden, besuchen werde, wo in diesen Ta gen eine Fischerei-Ausstellung eröffnet wird, welche des Kaisers Interesse wachgerufen hat. — DaS Komitee für die Errichtung eines Kaiser- Wilhelm-DenkmalS in Metz hat dieser Tage von feiten des Ministers des königl. Hauses die Be nachrichtigung erhalten, daß der Kaiser bestimmt in der zweiten Hälfte des August in Metz eintreffen und der Grundsteinlegung für das Denkmal seines Großvaters beiwohnen werde. — Die Ausrüstung mit Lanzen wird jetzt auch auf die leichte Kavallerie in Preußen, die Husaren- und Dragoner - Regimenter, ausgedehnt. Ueberall treffen bei diesen Truppentheilen Ulanen- Unteroffiziere ein, welche für jene Waffe als In strukteure dienen. Es ist allerdings noch nicht end gültig bestimmt, ob die Bewaffnung der leichten Ka vallerie mit Lanzen beibehalten werden wird. Man will vorerst bei den Manöver» sehen, wie diese Aus rüstung sich bewährt. — Ein „kritischer " Tag war der 17. Juli im Jahre 1870. An diesem Tage schickte Napoleon III. die französische Kriegserklärung nach Berlin. Der damalige Kronprinz und Feldmarschall „unser Fritz" war einer der Ersten, welche die Kriegserklärung zu Gesicht bekamen. Er brachte die Nachricht sichtlich begeistert nach seinem Palais, wo die Kronprinzessin, wohl ahnend, was die Schritte ihres Gemahls so hörbar beschleunigte, ihn mit bangen Blicken empfing. Der Kronprinz lächelte und achtete der Bangigkeit kaum, er wandte sich zu seiner Umgebung und rief derselben zu: „Nun meine Herren: packen, satteln, schleifen lassen; es geht los! — Am 29. Juli schon knatterten die Gewehre der Vorposten bei Saarbrücken. — Frankreich. Das französische Natio nalfest (14. Juli) hat sich in Paris programm mäßig abgespielt. Die Truppenschau wurde durch ein paar heftige Regengüsse gestört, sonst war es nur der Patriotenchef Deroulvde, der wiederum mit der Po lizei in Händel kam, dabei hin- und hergerissen und gestoßen wurde, bis es seinen Anhängern gelang, ihn den Händen der Polizei zu entreißen und in Sicher heit zu bringen. Ueber die Einzelheiten des Festes wird der „B. Ztg." berichtet: Das Nationalfest war durch Regenwetter sehr beeinträchtigt. Die Aus schmückung der Straßen init Fahnen und Masten, die Beleuchtung, die Tänze unter freiem Himmel, fast die ganze Nacht hindurch, unterschieden sich in nichts von den Vorjahren. Wie immer fand Vor mittags der Vorbeimarsch der Schülerbataillone vor den Stadträthen statt, diesmal bei strömendem Regen, der die Gesundheit der Kinder geschädigt haben dürste. An der Truppenschau in Longchamps, die um 3 Uhr vor sich ging, nahmen 32,000 Mann theil. Ein Re giment der Territorial-Armee und die farbigen Kolo- nialtruppcn erregten besondere Aufmerksamkeit. Beim Wasserfall des Boulogner Wäldchens waren Truppen ausgestellt, welche boulangistische Kundgebungen nach Art der vorjährigen zu verhindern hatten. Auf dem Konkordienplatze zogen von 7 bis 11 Uhr Vormittags Vereine aller Art, die Zöglinge der Polytechnischen Schule, die Elsaß-Lothringer, die Turner u. s. w. an der Bildsäule der Stadt Straßburg vorbei und leg ten Fahnen und Kränze nieder. Gegen 10 Uhr er schien Döroulöde mit Gefolge und wollte eine Rede halten. Polizeikommissar Clement eröffnete ihm, dies sei verboten. Deroulede rief darauf: „Es lebe der General!" Clement gebot ihm, zu schweigen. Derou- lede rief: „Ich werde doch einen General hochleben lassen dürfen. Sie wissen ja gar nicht, welchen Ge neral ich meine." Clement erklärte ihn für verhaftet. Da stürzten sich Deroulede's Begleiter auf Clement, einen Greis, mißhandelten ihn mit Fausthiebcn und Fußtritten und entrissen ihm seinen Gefangenen, der Abends auf einem boulangistische» Festmahle den Vorsitz führte. In der Rue Royale erstürmte und verwüstete Abends die Straßenmenge die Geschäfts räume des italienischen Zuckerbäckers Jmova unter feindseligen Rufen gegen die Italiener, angeblich weil Jmoda seinen Laden nicht mit französischen Fahnen geschmückt hatte. — Ein erfreulicheres Bild bot die Begrüßung, welche dem Präsidenten Carnot zu Theil wurde. Sowohl bei der Truppenschau in LongchampS, wie bei der Hin- und Rückfahrt wurde derselbe mit Hochrufen auf die Republik und auf die Truppen empfangen. Bei dem überwiegenden Theil der in den Straßen versammelten Volksmenge scheinen überhaupt die Veranstaltungen der Boulangisten keinen Anklang gefunden zu haben. So waren z. B. an den Fenstern des BüreauS der Patriotenliga auf dem Börsenplätze Transparente angebracht, welche den General Boulanger zu Pferde darstellten in schwarzem Anzuge mit dem Großkreuz der Ehrenlegion; von der vorüberziehcnden Volksmenge wurden aber die Trans parente vielfach mit Zischen, Pfeifen lind höhnischen Rufen begrüßt. In den Departements ist der National feiertag nach den vorliegenden Meldungen gleichfalls mit Begeisterung begangen worden. — Paris. Wie das „Journal des DebatS" erfährt, findet der Staatsgerichtshof in seiner Anklage gegen Boulanger den General des Hochverrats, des KomplotS und der Veruntreuung von 243,000 FrcS. Staatsgelder schuldig. Graf Dil len und Rochefort seien an den ersten zwei Vergehen mitschuldig und diese Anklagen würben vor dem Staats gerichtshofe verhandelt werden. Außerdem überläßt es die Anklagekammer dem Generalprokurator, Bou langer vor dem kompetenten Gerichte wegen anderer Fälle von Unterschlagung und Bestechung zu belangen. Die Anklagekammer habe somit die letzteren Vergehen von Hochverrat und Komplot getrennt und den ge wöhnlichen Gerichten überlassen und nur die Haupt unterschlagung, als mit dem Komplot in Verbindung stehend, vor den Staatsgcrichtshof gezogen. Locale und sächsische Nachrichten. — Schönheide. Falb, der den 12. Juli und die angrenzenden Tage als kritische bezeichnet hatte, hat wieder einmal recht behalten. Von zahlreichen Orten wird berichtet, daß das Wetter an diesen Ta gen bedeutenden Schaden verursacht habe. Auch bei uns haben diese Tage verschiedene, wenn auch nur geringfügige Spuren zerstörender Thätigkeit hinter lassen. So hat es in der vorigen Woche mehrmals geschloßt; aber es waren jedenfalls nur die „letzten Ausläufer", die bei uns auftrafen u. nennenswerthen Schaden nicht verursachten. Am Freitag gegen Abend schlug der Blitz in ein im „Heinzwinkel" gelegenes Wohnhaus, worauf sich alsbald das Gerücht verbrei tete, es seien 2 Kühe erschlagen worden; in Wirklich keit war aber der Hausbesitzer mit seiner Familie mit dem bloßen Schrecken davongekommen. Am ver gangenen Dienstag sind die häufigen Regengüsse mehr mals von so heftigem Sturme begleitet gewesen, daß im Oberdorfe mehrere Straßenbäume mitten entzwei gebrochen worden sind. — Von den hiesigen Jagd pächtern wurde in der Nacht vom Montag zum Dienstag der erste Hirsch in diesem Jahre geschossen. — Dresden. Se. Majestät der König wird sich Donnerstag früh 8 Uhr 37 Min. in Begleitung des Königl. Generaladjutanten v. Carlowitz nach Kassel und alsdann nach Koburg begeben. Der Aufenthalt daselbst wird acht Tage dauern. — Zwickau. Am Sonntag Vormittag 11 Uhr fand hier im Gasthof „zum Paradies" unter Ueber- wachung des Bürgermeisters Urban und des Polizei sekretärs Sachse eine von etwa 900 Bergarbeitern besuchte öffentliche Bergarbeiterversammlung statt. Zum Vorsitzenden wurde Bergarbeiter Zimmer mann aus Niederplanitz gewählt. Der erste Punkt der Tagesordnung betraf das getrennte Gedinge. Eine der Arbeiterforderungen gelegentlich des letzten Bergarbeiterausstandes des hiesigen Reviers betraf die Beseitigung des getrennten Gedinges, weil dadurch eine Ausbeutung der Arbeiter insofern herbeigeführt werde, als eine Abtheilung Arbeiter nach ihren Leist ungen die andere zu überbieten suche, hierdurch aber auch die Unfallgefahr eine erhöhte werde. Bei dem damaligen Ausstande wurden jedoch nur die Haupt forderungen: 10 Proz. Lohnzuschlag, zehnstündige Schichtzeit, Beseitigung der Ueberschichten, 50 Proz. Zuschlag für letztere, endgiltig geregelt, die kleineren Forderungen, wie die Beseitigung des getrennten Gedinges, der freien Vereinbarung zwischen Werks besitzern und Arbeitern überlassen. Vielfach haben die Arbeiter das getrennte Gedinge gefordert, es ist dasselbe aber nur auf einem hiesigen Werke noch be stehend. Nach einer heftigen Aussprache, wobei die Nachtheile des getrennten Gedinges in obengedachter Weise hervorgehoben worden, wurde einstimmig be schlossen, auf Beseitigling des getrennten Gedinges auf allen kiesigen Werken hinzuarbeiten. Punkt 2 der Tagesordnung lautete: Wie schützt sich der Berg arbeiter vor direkten und indirekten Maß regelungen? Es wurden in dieser Beziehung eine große Anzahl vermeintlicher Maßregelungen angeführt, die indeß meist unerwiesen blieben. Es wurde jedoch eine viergliederige Kommission niedergesetzt, welche alle derartige Beschwerdepunkte sammeln und an kom petenter Stelle behufs Abhülfe vorbringen solle. Ge legentlich der weiteren Verhandlungen kam zur Sprache, daß verschiedentlich Arbeiter sich freiwillig zur zwölf-, bezw. vierzehnstündigen Schicht erboten, auch Werke an Stelle der zehnstündigen Schicht die zwölfstündige Schicht wieder eingeführt oder einzuführen in Aus sicht gestellt hätten. Auch die Errichtung eines Berg- arbeitcrfachvereinS zum Zwecke einer ständigen Orga nisation gegenüber den Werksbesitzern wurde angeregt; letztere Frage fand aber wenig Zustimmung, da be reits der seit 13 Jahren hier bestehende „Verband sächsischer Berg- und Hüttenarbeiter" die Rechte der Arbeiter vertrete. Nach I Uhr fand Schluß der ziem lich erregten Versammlung statt. — Plauen i. V. Für das in unserer Stadt abzuhaltende 12. Mitteldeutsche BundeS- schießen, welches nächsten.Sonntag, den 21. d. seinen Anfang nehmen wird, wird nicht nur auf dem Festplatze, sondern auch anderwärts, namentlich in den Werkstätten der mit der Ausführung der be treffenden Arbeiten betrauten Handwerker, eine rührige Thätigkeit entwickelt. Den Glanzpunkt des Ganzen dürfte der historische Festzug bilden, der aus 9 Gruppen bestehen wird. Eine Sondergruppe wird noch der Plauen'sche Jndustriewagen bilden, gestellt vom Rentner Georg Schmidt unter Beihülfe des Professors Hofmann. Der Zug wird Sonntag, 21. Juli, Vormittags II Uhr, auf der Kaiserstraße ge bildet werden und sodann die Carolastraße, die Bahn hof-, Förster-, Schloß-, Hravschinstraße, den Postplatz, die Bahn- und Herrenstraße, den Altmarkt, die Neun dorfer-, die Bioritz-, Garten- und Straßbergerstraße berühren, sodann den oberen und unteren Steinweg hinabgehen nnd über den Neustadtplatz nach der Reichenbacherstraße und dem Festplatz gelangen. — Schneeberg. Nach einer dem Gesammt- vorstande des Erzgebirgsvereins zugegangenen Mit theilung hat das Kgl. Finanzministerium dem Erzge birgsvereine noch einen weiteren Beitrag von 500 Mk. zur Vollendung des Baues des Unterkunftshauses auf dem Fichtelberge und zur inneren Einricht ung desselben gewährt. Die 'Nachricht wird nicht ver fehlen, unter den Mitgliedern des Erzgebirgsvereins lebhafte Freude hervorzurufcn. Die Weihe und Er öffnung des Fichtelberg Hauses findet, wie schon er wähnt, nächsten Sonntag, 21. Juli, statt. — Bei dem Gewitter am Sonnabend Nachmittag ist in der Nähe des Lattermann'schen Sägewerks bei Falken st ein eine Windhose aufgetreten. Dieselbe hat in einer Länge von ungefähr hundert Metern Fichten bis zu 35 Centimeter unterer Stärke ent wurzelt und gebrochen. Das Bild der Zerstörung zeigt von einer furchtbaren Gewalt des Orkans. (Mngesan-t.) Eibenstock. Wie weit der Enthusiasmus für den Radfahrcrsport manchmal gehen kann, be weist uns folgende Episode. Eine in Sports- und Radfahrerkreisen weitbekannte Persönlichkeit, Herr Schurih aus Dresden, Meisterschaftsfahrer von Deutschland, Sachsen rc. bereist mit seinem Dreirad die hiesige Gegend und trifft in Schönheiderhammer mit einigen SportSgcnossen von hier zusammen, um mit diesen dann gemeinschaftlich die Tour nach Eiben stock zu machen. Jedenfalls muß nun die Anwesenheit dieses überall freudig begrüßten Mannes bekannt geworden sein, denn als die Radfahrer auf dem Wege nach Eiben stock kurz vor dem Rockenstein einen hiesigen, von einem Sommervergnügen zurückkehrenden Verein über holen müssen, fühlt sich unser Schuritz plötzlich von seinem Dreirade gehoben, mit den höflichsten Aus drücken begrüßt, und man bemüht sich, ihm mit um gekehrtem Regenschirm Kühlung wie nach angestrengter Fahrt zuzufächeln, was indeß seine Begleiter zu ver hindern wußten, denn der Zärtlichkeitsaustauschungen hätten können zu viele werden und dies hätte jeden falls die Ankunft in Eibenstock verzögern können. Herr Schuritz aber wird den höflichen und an ständigen Empfang dieser Herren gewiß nicht vergessen tind einen schönen Eindruck von dem Bildungsgrade mancher Kleinstädter mit nach Dresden nehmen. Aus schweren Tagen. Eine Erzählung aus der Zeit Napoleons I. von Rudolf Lossen. 14. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Vogels Züge verzerrten sich vor Staunen und Haß. „Was?" kreischte er, „der Schalter wieder frei? Steht denn der mit dem — im Bund? Und der König, sagst Du?" Nanettle hatte sich schon früher betrübt, als sie die große Schadenfreude und das Triumphircn ihres Vaters bei der -Nachricht von Schalters Verhaftung sah. Doch verrieth weder er noch Richard etwas von der Ursache derselben und 'Nanettle war so geachtet bei den Leuten und wurde so sehr von ihnen bemit leidet, daß ihr Niemand sagen mochte, welchen schmäh lichen Antheil ihr Vater und Bruder an der Ver haftung gehabt. „Aber Vater", begann sie nun zu widersprechen, „wir wollen uns ja freuen, daß die Frau Posthalter ihren Mann wieder hat; das war ja ein schrecklicher Jammer für die arme Frau." „So? Und wie er's mir gemacht hat, an das soll ich nicht denken? Er hat mich aus dem Stadt rath hinauskabalirt, er hat mir die Gäste wegintri- guirt, er hat die Gläubiger gegen mich gehetzt, er hat mich in den Gant gejagt, er —" „Vater, Du wirst ja ganz athemlos. Schone Dich doch! O Vater, an alledem ist ja nicht der Posthaltcr schuldig, sondern nur — nur wir selbst —" „Was schwätzest Du, Mädle? Steckt Dir immer noch der Samuel im Kopf, meinst immer noch, der komme und wolle Dich heirathen? Ha, ha, hieher in's Dachstüble, nicht war, nobles Dämchen?" Nanettle erblaßte und preßte die Lippen heftig auf einander, um eine entrüstete Antwort zu unter drücken. Sie ging schweigend in die Stube hinaus. Da klopfte es, — sie rief „Herein!" und auf der Schwelle stand — Samuel Schalter.