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in den O st s e e p r o v i n z e n aufgehoben wird, die Genehmigung des Czaren erhalten. Der Gesetzent wurf soll gleichzeitig mit der Einführung der neuen Gerichtsordnung in den Ostseeprovinzen in Kraft treten. — Die »Köln. Zig." erfährt aus Paris aus ganz zuverlässiger Quelle, daß vor etwa 10 Tagen dem russischen Kriegsminister Wannowski in Vichy ein Schriftstück des Czaren zugegangen sei, dessen Inhalt so überaus wichtig gewesen wäre, daß dasselbe nicht durch die Post oder einen Feldjäger befördert werden konnte, eS sei daher ein Verwandter Wannowski's, ein Offizier der russischen Garde, be sonders beauftragt worden, das Schriftstück nach Vichy zu befördern. Locale und sächsische Nachrichten. — Schönheide. Am vergangenen Sonntag wurde in Neuheide das diesjährige VerbandS- Feuerwehrfest des Verbandes „Rasch zur Hilfe" abgc- halten. Zu diesem Verbände gehören folgende Feuer wehren: Schönheide, Flcmming'sche Fabrikfeuerwehr zu Schönheide, Hüttenfeucrwehr zu Scbönheiderhammer, Neuheide, Eibenstock, Wernesgrlln, Stützengrün, Rothen kirchen, Bärenwalde, Saupersdorf, Hundshübel, Wilde- nau, Obercrinitz, Rützengrün. Von diesen Feuerwehren hatten sich gegen 2 Uhr Nachmittags alle bis auf einige ziemlich entfernt wohnende, die durch das herrschende ungünstige Wetter abgehalten sein mochten, eingefunden. Nach Begrüßung der anSwärtigen Feuer wehren durch den Kommandanten der Feuerwehr zu Neuheide, Herrn Schmidt, fand punkt 2 Uhr der Festzug durch den mit Flaggen, Ehrenpforten, Guir- landen und Kränzen schön geschmückten Ort statt. Von '/,3—3 Uhr wurden Exercier- und Schulübungen auSgeführt, die sowohl von strammer Disciplin als auch von Fleiß und Eifer der Mannschaften Zeugniß ablegten. Nach Beendigung dieser Uebungen wurde ein Sturmangriff auf ein als Brandobjekt bezeichnetes Haus veranstaltet. Zwei Minuten nach dem Vor fahren der Spritze konnte schon Wasser auf das Haus abgegeben werden. Steigerübungen, Rettungsversuche u. A. wurden schnell und mit Sicherheit ausgeführt. Leider war hierbei der dem Schlauche der Feuerspritze entströmende Wasserstrahl nicht der einzig thätige — auch der Himmel hatte seine Schleußen geöffnet und begoß Feuerwehrleute und Zuschauer in gleich er giebiger Weise, was zwar nicht dazu beitrug, die Festesstimmung zu erhöhen, aber auch den unver weichlichten Feuerwehrleuten den Humor nicht zu rauben vermochte; denn bei dem nach den Uebungen abgehaltenen Balle hatten alle das unfreiwillig ge nossene Bad völlig vergessen und werden sicher lange Zeit des Festes als eines wohlgelungenen gedenken. — Dresden, 13. Juli. Als eines der un glücklichen Opfer, welche die Eisenbahnkata- strophe bei Röhrmoos gefordert, wurde hier vorgestern auf dem inneren Neustädter Friedhöfe der Oberforstmeister Beyreuther aus Eibenstock beerdigt. Unter der zahlreichen Trauerversammlung befanden sich viele höhere Forstbeamte, die von weit und breit herbeigeeilt waren, dem so jäh aus dem Leben geschiedenen Kollegen und Freunde die letzte -Ehre zu erweisen. Als Vertreter des Königl. Finanz ministeriums hatte sich Herr Geheimrath Heymann eingcfunden, der dem Verstorbenen beredte Worte des Dankes und der Anerkennung nachrief im Hinblick auf die hervorragende Tüchtigkeit, die ihm allseitig nachzurühmen gewesen. In der an ihm hochgeschätzten Weise sprach Herr Pastor Dr. Sülze erhebende Worte der Anerkennung, des Trostes und der Hoffnung für die Hinterbliebenen. Im Auftrage der Loge zu den ehernen Säulen legte Herr Buchdruckereibesitzer Leh mann, ein Jugendfreund des Verstorbenen, einen Palmenzweig nieder, indem er dem Heimgegangenen den Dank der Brüder aussprach für langjährige maurerische Wirksamkeit, für seine brüderliche Treue und Pflichterfüllung. — Dresden. Die hiesige Fabrik von Seidel u. Naumann war vor einigen Monaten beauftragt worden, 40 stammhafte und leichtgehende Dreiräder anzufertigen, welche für den Dienst der sächsischen Straßenmeister bestimmt waren und jetzt vom Königl. Ministerium diesen Beamten zur Benutzung übergeben worden sind. ES war vorauSzusehen, daß die Fortschritte der deutschen Fabrikanten im Fahrrad- Bau die Verwendung dieses vortrefflichen Fortbeweg- ungSmittelS in der fiskalischen Beamtenwelt zur Folge haben würden, zumal bei solchen, deren Beruf die Begehung weiterer Strecken erforderlich macht. Sicher wird man mit dieser Art Stahlroßreiterei unifor- mirter Beamten beim Distanzritt gute Erfahrungen machen, da dieselben beim Fahren die Unebenheiten der Chaussee am besten bemerken können. — Leipzig. Bei dem entsetzlichen Eisenbahn unglück bei Röhrmoos ist bekanntlich auch der Post direktor Röntsch aus Eibenstock mit seiner Gattin getödtet worden. Dieses traurige Verhängniß hat namentlich auch in den Kreisen der hiesigen Post beamten die schmerzlichste Theilnahme bervorgerufen, da der verstorbene Kollege lange Jahre früher hier in amtlicher Thätigkeit war. Der Dahingeschiedene war ein Sohn des im vorigen Jahre mit Tod abge gangenen ObcrpostmeisterS a. D. Röntsch, welcher lange Zeit die Stellung des Vorstehers des hiesigen Postamtes am AugustuSplatz bekleidete. Von hier wurde der dainaligc Postsekretär Röntsch nach Chem nitz versetzt und später, nachdem er inzwischen zum Oberpostsekretär aufgerückt war, als Postdirektor nach Eibenstock. Drei Brüder überleben den Verstorbenen, die Herren Rechtsanwalt vi. Röntsch, Oberpostdirek tionssekretär Röntsch, beide in Leipzig, und Pfarrer Röntsch in Nossen. — Zwickau. In den hiesigen Bergarbeiter kreisen ist noch keine gehörige Ruhe eingetreten. Viele Bergarbeiter sind mit den erst selbst ange strebten Errungenschaften nicht zufrieden.. Sie würden lieber wieder 12 Stunden arbeiten und mehr ver dienen. Die Einführung des getrennten Gedinges stellt gute und schwächere Arbeiter ungleich. Viele glauben sich gemaßregelt oder befürchten Maßregel ungen. Sie möchten lieber als unkündbare Arbeiter gelten. Kurz, es sind so viele Punkte zur Unzu friedenheit vorhanden, daß für letzten Sonntag eine öffentliche Bergarbeiterversammlung für hier in Aus sicht genommen und als Tagesordnung bestimmt wor den war: Beseitigung des getrennten Gedinges, Stellungnahme gegen direkte und indirekte Maßregel ungen seitens der Werksbesitzer rc. — Hohenstein. Unsere Stadt erfreut sich einer im Jahre 1888 fertig gestellten Wasser leitung, auf welche man solches Vertrauen setzte, daß die alten Brunnen verschwinden mußten und vorher geschätzte Wasserläufe als werthlos behandelt wurden. Welche Enttäuschung! Seit 30. Juni streikt die Leitung für die Oberstadt, anfangs täglich auf Stunden, dann einmal 36 Stunden und seit d. Juli ohne Stbarmcn. Früh 2 Uhr schon tauchen mit Eimern versehene Gestalten auf, um einem oder dem anderen entlegenen Ort das köstliche Naß zu holen. Von 4 Uhr früh ab geschehen förmliche Wallfahrten. Die Bewohner des von dem Wassermangel hart be troffenen Stadttheils sind nun sehr gespannt, ob mit kleinlichen oder durchgreifenden Mitteln diesem so vorzeitigen Nothstand abgeholfen werden soll. — Der von l)r. Falb als kritisch bezeichnete 12. Juli (Freitag) brachte über verschiedene Ortschaften Sachsens schwere Gewitter, begleitet von Hagel schlag, mit sich. So hat sich in Crimmitschau und Umgebung nach vorheriger außerordentlich großer Schwüle, ein Hagelwetter entladen, wie es seit einer langen Reihe von Jahren nicht beobachtet worden ist. Nach Verlauf des etwa V, Stunde währenden Un wetters bot sich dem Auge ein schauriger Anblick dar. Alle nach der Wetterseite gelegenen Häuserfronten zeigten ausnahmslos eingeschlagene Fensterscheiben. Am Rathhaus allein beträgt die Zahl der zerschlage nen Scheiben 217. Eine Anzahl Fabriken mußte den Betrieb sofort cinstellcn, weil alle Fenster einge schlagen und die Glassplitter in die Maschinen ge schleudert worden sind. Bäume sind zahlreich ent wurzelt. Welche Gewalt der Hagel hatte, geht daraus hervor, daß die Eisstücke mitunter einen Durchmesser von 40 Millim. hatten. Stellenweise lagen sie fuß hoch in festen Eisklumpen. Die Straßen der Stadt zeigten sich mit Dachziegeln, Baumästen und Glas scherben gleichsam besäet. Durch die Gewalt des herrschenden Sturmes wurde auch das Steigergerüst der freiwilligen Feuerwehr niedergerissen. — Ein hoffnungsvoller 19jähriger Jüngling, der außer den 25,000 Mark, die ihm sein Vater zum einjährigfreiwilligen Dienst bei den Gardereitern in Dresden verwilligt hatte, noch 140,000 Mark ge borgtes Geld verbraucht hatte, stand kürzlich wegen Wechselfälschung vor dem Landgericht in Berlin, weil er zwei Wechsel über je 25,000 M. mit der gefälschten Unterschrift seines Vaters ausgegeben hatte. Im letzten Augenblicke traf aber noch sein Vater ein und rettete seinen Sohn durch die Aussage, daß er mit Ausstellung jener Wechsel cinverstandsn gewesen sei, vor der Strafe. Der junge Mensch ist der Sohn eines Rentiers und hat dermaleinst 800,000 Mark Erbtheil zu erwarten. An Bekleidungsgeger.ständen hatte er als Soldat für 5000 Mark verbraucht. Die Sache wird erklärlich durch den Umstand, daß der junge Mann in die Hände von wucherischen Juden geratben war. — Wie alle Naturerzcugnisse in diesem Jahre früher hervorgebracht werden und reifen, so geschieht dies auch mit den Schwämmen. Schon jetzt kommen in den Wäldern Steinpilze und andere eßbare Schwämme vor. Wir wollen nur darauf Hinweisen, daß die Sammler dieser köstlichen, wohlschmeckenden und ge sunden Waldeskost auch auf 'Nachwuchs Bedacht neh men mögen, indem sie die Schwämme nicht aus dem Erdreich herauSreißen, auch nicht abschneiden, wodurch den Würmern Gelegenheit geboten wird, sich in dem zurückbleibenden Ueberrest einzunisten, sondern daß sie den Pilz aus der Erde herauSdrehen. Hier durch bleiben die feinen Würzelchen, durch welche sich der Pilz fortpflanzt, unbeschädigt im Boden. Tages - Gedenkblätter fürs Wettiner I«betj«Hr^889.^ 18. ISIS. Disputation zwischen Luther und Eck in der Pleißen- burg zu Leipzig. 1784. Neubegründung der Kreuzkirche in Dresden durch den Prinz-Regenten Xaver. 1798. Herzog Karl von Kurland gestorben. Sein Grab mal steht in der Klosterkirche von Marienstern. 1807. König Friedrich August der Gerecht« empfängt den Kaiser Napoleon in Bautzen. 1870. Kronprinz Albert erläßt die Ordre zur Mobilmach ung des XII. Armeekorps. 17. 1S05. Luther tritt zu Erfurt ins Augustinerkloster ein. 1807. Kaiser Napoleon I. kommt zum ersten Male nach Dresden, wo große Festlichkeiten stattftnden und vom König am 20. Juli der Orden der Rautenkrone ge lüstet wurde, dessen erster Ritter Napoleon wurde. 1871. Grundsteinlegung zum Alberttheater zu Dresden. 18. 1724. Marie Antonie Walpurgis, die nachmalige Kurfürstin von Sachsen und Mutter der Könige Friedrich Au gust I. u. Anton, wird als Tochter Kaiser Karl Vll. geboren ; sie starb am 23. April 1780 zu Dresden. 1807. Bekanntmachung, daß der König von Sachfen das neugebildcte Herzogthum Warschau erhalten hatte, ein verhängnißvolles Geschenk Napoleons, das dem Lande Sachsen später die größere Hälfte kostete. 1865. Bestätigung der Statuten der sächsischen Bank zu Dresden durch König Johann. 19. 1702. Treffen bei Klißow, das die Sachsen unter Schulen ¬ burg gegen Karl XII. von Schweden verlieren; letz terer nimmt infolge dessen Krakau in Besitz. 1760. Beginn des von Friedrich dem Großen befohlenen Bombardements von Dresden während der von, 13. bis 30. Juli dauernden Belagerung dieser Stadt. Während der mehrtägigen Beschießung sanken Kirche und Paläste, sowie 400 Häuser in Schutt und Asche, der Wohlstand Tausender wurde für immer begra ben und der angerichtete Schaden betrug mehrere Millionen. 1838. Eröffnung der Eisenbahnstrecke Dresden-Weiutraube. 1870. Der französische Gesandte Le Sourd übergtebt in Berlin die Kriegserklärung Louis Napoleons lll. — Erlaß des Königs Wilhelm, betr. die Wieder- auflebung des eisernen Kreuzes. 20.1539. Beginn der von Herzog Heinrich dem Frommen un geordneten Kirchenvisitation. 1760. Abends 8 Uhr steckten preuß. Feldjäger u. Mann schaften der Freipartei mit Fackeln und Pechkränzcn die Annenschule zu Dresden in Brand, welcher Schule und Kirche, sowie 88 Häuser der Wilsdruffer Vor stadt in Asche legte. 1883. Prinz Friedrich August leistet im Kasernenhofe des Leibgrenadier-Regiments den Fahneneid: das erste Mal, daß letzterer von einem Mitglied der sächsischen Königssamilie geschworen wird, wie ihn die preußisch- sächsische Militär-Convention vorschreibt. 21. 1843. Maria Anna, Infantin von Portugal, die nachmalige Gemahlin des Prinzen Georg und Stammmutter von Jung-Wettin zu Lissabon geboren. 1877. Das neue in Stettin vom Stapel laufende Panzer schiff der kaiserlichen deutschen Marine erhält den Namen „Sachsen". 1885. Ende des VI. deutschen Turnfestes in Dresden, das am 19. begonnen hatte. 22. 1634. Dankfest in Sachsen wegen des dem 30jähr. Kriege ein Ende machenden westfälischen Friedens. 1834. Furchtbarer Wolkenbruch in Plauen i. V. ; 32 Häuser zerstört, 44 beschädigt, 26 Menschen kamen ums Leben. 1866. Reitergefecht bei Szenitz, in welchem sächs. Reiter Preußische Ulanen werfen. 1871. Kaiser Wilhelm weist für die im Kriege gegen Frank reich erbeuteten Fahnen und Kanonen Douceurgelder an. 40 Dukaten pro Fahne und 60 pro Geschütz, das XII. Armeekorps erhält 730 Dukaten. Aus schweren Tagen. Eine Erzählung aus der Zeit Napoleons l. von Rudolf Lossen. 13. Fortsetzung. (Nachdruck verdat«».. Bei diesen Erzählungen durchzuckte den jungen Schalter mit cinein Male ein seltsamer Gedanke. Und während er denselben überlegte, sah er den För ster, (den früheren Stammgast des Kaisers, nun aber auch Besucher der Post), zum Lamm heranreiten. „Das kommt wie von Gott geschickt!" sagte Samuel für sich; „was der Förster dazu sagt, soll mir als Entscheidung gelten!" Er eilte hinaus. Der Förster stieg ab, sein Pferd wurde in den Stall geführt und bald sah man ihn und Samuel in eifriges Gespräch vertieft. * * * Die große Jagd, welche man am selben Tag, da der Posthalter verhaftet wurde, erwartet hatte, war noch einmal um einen Tag abbestellt worden nnd fand dann auch wirklich am folgenden Tage statt. Von weit her lief das Volk zusammen, um etwas von dem schönen Schauspiel zu erhaschen und in einer kurzen Zerstreuung den schweren Druck der Zeiten zu vergessen. Die Schaaren der Jäger nnd Jagdbediensteten zu Pferd und zu Fuß in ihren kleid samen Uniformen, die schönen Jagdhunde, die Auf fahrt des Königs in dem von prächtigen Pferden gezogenen Galawagen, das goldstrotzcnde Gefolge, — das alles wurde thcils mit stummem Staunen, theils mit lautem „Ah!" angestarrt. Und als nun das aufregende Schauspiel begann, waren viele so glücklich, die herrlichen Hirsche u. Rehe zu schauen, die in dichten Rudeln dahinstürmten durch das Grün, gescheucht von Treibern und Hunden und weithin rollte das Ge wehrfeuer der Jagenden und vorwärts drang die Jagd und die Jagdhornsignale schmetterten; hier brach ein stolzer Hirsch hervor und suchte das Feld zu ge winnen, floh aber erschrocken vor der schreienden Zu schauermenge wieder in'S Dickicht; dort gab'S eine wilde Flucht vor einem Keiler, der indeß ohne Schaden anzurichten, seinen Weg verfolgte. Feldjäger in ihren schwarzen Kürassen, den grünen Uniformfräcken und den weißen Hosen in den Kanonenstiefeln, auf dem Kopf den gvldverzierten Raupenhelm mit der grünen Feder, ritten ab und zu und trieben die Menge zurück, wo sie die Jagd zu stören schien. Der ganze weite, sonst so stille Forst war von einem wilden, die Sinne berauschenden, lärmenden Leben durchzogen, da« man chen Zuschauer mit begeisternder Gewalt ergriff.