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trachten, daß unsere Stadt und Umgegend von schweren Elementarereignissen, wie solche Sachsen in den letzten Wochen wiederholt betroffen haben, bisher verschont geblieben ist. — Schönheide. Am vergangenen Montag wurde im Oberdorf ein sechsjähriger Knabe auf der Straße von zwei in sehr schnellem Tempo hinter ihm hersahrendcn leeren Lastwagen überrascht. Erschreckt wollte der Kleine zur Seite springen, strauchelte aber und kam zum Falle. Beide Wagen fuhren nun dem Kinde über die Oberschenkel, wobei dieselben alle beide gebrochen worden sind. Auch ein Fuß ist sehr schwer verletzt. Darüber, ob den betreffenden Fuhrleuten eine Schuld an dem Unfälle zugeschrieben werden kann, wird jedenfalls eine Untersuchung angestellt werden. — Dresden. Die Vorbereitungen zum Wet tinerfeste setzen alle Hände in Bewegung und bringen den verschiedensten Gewerbetreibenden Be schäftigung und Verdienst, so daß sie für andere Ar beiten kaum noch Zeit finden. Man sollte cs mitunter gar nicht glauben, was für eigenthümliche Arbeit da zu schaffen ist. Ein Artikel z. B., nach dem jetzt auf einmal starke Nachfrage ist, sind — Pferdeschweifc. Der große Aufzug der Meißner Ritterschaft, welcher die Besitzergreifung der Markgrafschast Meißen durch die Wettiner darstellt, wird sich durch besondere ge schichtliche Treue auszeichnen. Die Rosse der Ritter und Knappen trugen vor 8 Jahrhunderten den Schweif so, wie ihn die Natur hat wachsen lassen, also nicht coupirt. Da nun aber die zur Verfügung stehenden Pferde nicht sämmtlich diesen natürlichen Schmuck aufweisen, so muß für Ersatz gesorgt, d. h. an die Schwanzrüben künstliche Schweife geflochten werden. — Leipzig, 4. Juni. Vergangene 'lischt wur den ein 12 Jahre altes und ein 5 Jahre altes Mäd chen im hiesigen Waisenhause untergebracht, die am Nachmittag des gestrigen Tages in einer Trink halle von ihrer Mutter eingesetzt und nicht wieder abgeholt worden sind. Was die bis jetzt unermittelt gebliebene Mutter hierzu bewogen hat, ist nicht be kannt geworden. — Buchholz. Am Sonnabend Abends gegen 9 Uhr brach in dem dritten Stockwerke der in der Karlsbaderstraße gelegenen Apotheke auf noch un aufgeklärte Weise Feuer aus, welches sich mit rasen der Schnelligkeit über den ganzen Dachstuhl verbrei tete, so daß derselbe in wenigen Minuten über und über in Flammen stand. Der Brand fand in den auf dem Boden lagernden Drogen- und Apothekcr- waaren reiche Nahrung, sodaß es nur dem raschen und thatkräftigen Eingreifen der Feuerwehren und der herrschende» Windstille zu danken war, daß der Brand aus seinen Ausbruchsherd beschränkt werden konnte. Der Dachstuhl, das dritte Stockwerk, sowie ein Theil des zweiten sind gänzlich ausgebrannt, doch haben auch die übrigen Räume durch das Wasser stark gelitten, sodaß sich eine theilweise Abtragung des Ge bäudes nöthig machen dürfte. Der Schaden ist ein beträchtlicher. Zum Glück hatten sämmtliche Bewoh ner des Grundstücks versichert. — Vor einigen Tagen wurden aus der Expedi tion einer Schulkasse in Schwarzenberg und zwar aus dem verschlossenen Schreibtisch, 2800 Mark in Staatspapieren und 60 Mark in drei Zwanzigmark stücken, sowie eine Lebensversicherungspolice, auf 1500 Mark lautend, gestohlen. Der Dieb wurde noch am selbigen Tage in der Person eines in genannter Ex pedition beschäftigten 16 Jahre alten Schreibers aus Waschleithe, sowie der angebliche Mitwisser, ein 14 Jahre alter Bursche aus Beierfeld, von der Gendar merie ermittelt und an das dortige Königl. Amtsge richt eingeliefert. Die gestohlenen Werthpapiere wur den auf dem sogenannten Todtenstein und die Lebens versicherungspolice in einer Mauer am Rittmeistersteg versteckt aufgefunden. — Ueber die sächsischen Elsterperlen schreibt das „L. T.": Der Mittelpunkt der sächsischen Per lenfischern war seit Jahrhunderten die Stadt Oels- nitz im Vogtlande. So reichhaltige Bänke wie hier gab es nirgends, weder in den andern Theilen Sachsens, noch sonst in Deutschland. Früher konnte Jedermann Muscheln suchen; erst 162l wurde der Perlenmuschel fang Eigenthum des Landeshcrrn. Kurfürst Johann Georg stellte in diesem Jahre Moritz Schmirler, dessen Eltern sich bereits mit dem Muschelfange beschäftigt hatten, mit einem Jahrcsgehalte von 30 Gulden als kurfürstlichen Perlenfischer an. Eine Verordnung von 1701 setzte auf die Entwendung von Perlen Leibes- und Lebensstrafe. Noch in neue rer Zeit wurden drei Bürger in OelSnitz, Nachkom men Schmirlers, als vereidete königliche Perlenfischer vom Rentamte mit 140 Thalern Gehalt, Holz und Getreide besoldet, wofür sie alle gefundenen Perlen an die königliche Behörde abliefern mußten. Die Schmirlersche Familie versieht dieses Amt noch heutigen TageS. Die Schmirler waren wegen ihrer Kenntnisse in der Perlenfischerei so berühmt, daß im Jahre 1740 Einer derselben nach Dänemark zur Untersuchung de» Perlenwesen« berufen wurde. Als die Perlen noch theurer waren, schätzte man die größten Elster perlen auf 60 Thaler das Stück. Jetzt hat die Perlenfischerei in der Elster nicht mehr ihre alte Bedeutung. Man sagt uns, daß die Abfallwässer der weit hinauf am Elsterufer und den Nebenbächen entstandenen Fabriken auf die Perlenmuscheln ebenso wie auf die Forellen von nachtheiligem Einfluß ge wesen sind. Ein neuer Wolkenbruch hat da» schon am 14. Mai d. I. durch Ueberschwemm- ungen so schwer geprüfte Vogtland in die be- trübendste Lage versetzt, und zwar betrifft es diesmal da« Dreieck Neumark, Greiz, Reichenbach. Die bereit» vorliegenden, wahrhaft erschütternden Darstellungen verzeichnen wir wie folgt: Reichenbach, 4. Juni. Ein fürchterliches Unwetter hat unsere Stadt und ihre Umgebung be troffen. Gegen 2 Uhr Nachmittags umzog sich gestern der Himmel mit finsteren Wetterwolken, die sich zu immer größeren Haufen verdichteten. Grelle Blitze zuckten am Himmel und dumpfer Donner rollte. Drei Gewitter thürmten sich auf, die volle 2 Stunden über unserer Stadt standen und sich in einer Weise entluden, wie wir eS seit vielen Jahren nicht erlebten. Blitz auf Blitz und Schlag auf Schlag folgten, die bei theilweiscr Windstille niederstürzenden Wasser massen machten einen förmlich unheimlichen Eindruck. In kurzer Zeit überlief das Wasser die Bahnhofstraße in voller Breite und ergoß sich in 2 Armen mit rasenden Schnelligkeit den Roßplatz hinab, hob daselbst die erst im vorigen Jahre hergestellten Schnittgcrinne vollständig aus, trieb die Steine den Berg hinab und wusch Vr Meter tiefe Löcher aus. Die steigen den Wassermassen zerstörten das Treppengäßchen völlig, nahmen einen Theil von der Gebhardt'schen Garten ecke mit hinweg und ergossen sich dann nach der tiefer gelegenen Burgstraße, woselbst sie förmliche Berge von Schlamm und Schutt ansetzten. Das neue Fabrikgebäude der Herren Gebrüder Schreiterer stand ca. 2 Meter im Wasser und das selbe ergoß sich durch die Fenster in die inneren Räume. Das große Garnlager und das Kesselhaus standen völlig unter Wasser. Die vor dem Gebäude aufgeführte Brücke war unterwaschen. Die schmutzig gelben Fluthen, die einem förmlichen See glichen, brachten Trümmer von Schuppen, Fässer, Brücken, Bäume und todte Thiere mit. Von dem Bäcker Oelschlegel'schen Grundstück waren die Wassermassen in Stromes Breite herabgestürzt und hatten die ganze Burgstraße mit Erde bedeckt. An der alten Brandstätte zwischen dem Kaufmann Herrn Knabe und der Gerbergasse wüthete die Wassermasse furcht bar und zeigte uns ein Bild größter Zerstörung. Der Verkehr war längere Zeit auf der Straße unter brochen, da dieselbe während einer geraumen Zeit meterhoch unter Wasser stand. Die ganzen am Platze befindlichen Häuser stan den im Innern fast meterhoch unter Wasser. Bei einzelnen Häusern bemerkten wir, daß das Wasser in die Hinteren Räumlichkeiten eindrang und sich durch die Fenster des Vorderhauses nach außen hin eine Bahn suchte. Im Keßler'schen Hause in der Altstadt nahm das Wasser in den Parterrewohnungen und Werkstätten der Herren Gebr. Liebold und Schuh macher Messinger sämmtlicheS HauS-, WirthschaftS- und Arbeitsgeräth, die Vorräthe an fertigen Maaren und Nutzhölzern, Kleider u. s. w. mit hinweg, sodaß diese fast nur das nackte Leben retteten. Auch ein größerer Dampfkessel wurde aus seinem Lager gehoben und in's Freie geschwemmt. Ein Bild gräßlichster Verwüstung zeigte die obere und untere Karolinenstraße. Da« Pflaster ist zum größten Theil entfernt, die Fußplatten sind gehoben und aufeinander gethürmt worden. Eine größere Anzahl schwerer Granitplatten ward bei dieser Ver schiebung zerbrochen. Der Kanal war in der Haupt sache blos gelegt lind an verschiedenen Stellen auch die Deckplatten entfernt. Die noch an ihrem Platze befindlichen Fußplatten sind unterminirt und schweben mit nur wenig Halt in der Luft. Die Gräben, die sich die Wassermassen zu beiden Seiten der Straße gegraben, sind znetcrtief, und oft ist nur ein schmaler Streifen des Weges noch passirbar. Auf Wochen hinaus wird ein Fährverkehr in dieser Straße un möglich sein, da das ganze Pflaster mit fortgerissen worden ist. Obgleich die hier befindlichen Häuser ein ziemlich hohes Parterre haben, ist das Wasser dennoch eingedrungen. In der unteren Dunkelgasse waren die Verwüstungen nicht minder schrecklich. Meterhoch wälzte sich das Wasser durch die Straße, drang in alle Gemächer ein und richtete vielfachen Schaden durch Verschlämmung an. Der in den Zimmern entstandene Scblammgeruch dürfte auf die Gesundheit einen sehr nachtheiligen Einfluß auSüben. ES ist geradezu unmöglich, alle die Verwüstungen anzuführen, welche das Wasser angerichtet hat. Die Zahl der beschädigten Gebäude ist eine große; auch sind mehrere Menschenleben dabei zu Grunde ge gangen. Die aus Greiz eingetroffenen Nachrichten lauten nicht minder traurig, als die aus Reichenbach. Der in Reichenbach und Umgegend niederge gangene Wolkenbruch hat auch dem Bahnkörper zwischen Brunn und Greiz schwere Beschädigungen zugefügt. An der einen Stelle ist der Damm über 50 in meist durchgerissen, an einer anderen Stelle ist eine Unterführung zerstört, so daß die Reisenden an dieser Stelle, zwischen Brunn und Mohlsdorf, umsteigen müssen. Der Güterverkehr muß bis ans Weiteres über Umwegsrouten geleitet werden. Am Dienstag Abend 6 Uhr ging über Reichen bach abermals ein furchtbares Gewitter nieder. Was tagsüber nothdürftig hergestellt war, wurde durch das Unwetter wieder eingeriffen. DaS Unglück ist furcht bar. In der Carolinenstraße, welche schon TagS vorher aufgerissen worden war, lief das Wasser in Strömen und verwüstete auf'S 'Neue den unteren Stadttheil in welchem mehrere Fabriken vollkommen zerstört wurden, Häuser ganz und theilweise eingc- türzt sind. Der Schaden ist unermeßlich. Infolge des abermaligen Gewitters ist die Eisenbahnlinie Zwickau-Mosel unterwaschen und deshalb der Verkehr unterbrochen; die Passagiere müssen in Zwickau auS- teigen und können erst morgen über Gößnitz weiter befördert werden. Auf der ganzen Linie, links und rechts, ist großes Wasser. Aus schweren Tagen. Eine Erzählung aus der Zeit Napoleons I. von Rudolf Lösten. 2. Fortsetzung. «Nachdruck »erbottn.I Wollen sehen! Ich würd's ihr gönnen, wenn sie einen so braven Mann wie den Michael bekäme. Aber was soll er mit einen solchen Schwiegervater und Schwager machen? Doch still, da kommt der Friederle mit dem Michael!" Zwei Männer nahten. Der ältere war ein langer, hagerer Mann, den Dreispitz auf dem Kopf, im langen blauen Bauernrock der Gegend und gelben Lederhosen bis zum Kufe, wo sie über den weißen Strümpfen geschnürt waren. Das bartlose Gesicht zeigte magere, durchfurchte, scharf markirte Züge, die einen tiefen Ernst ausdrückten; im Blick der blauen Augen lag freundliches Wohlwollen. Der junge war ebenso groß, erschien aber durch jugendlich blühende Kraftfülle breiter ; kindlich blickten noch die Hellen Augen aus dem vollen, rothwangigcn Gesicht. Der ältere reichte sogleich dem Lammwirth und der Lammwirthin die Hand. „Hält die Besserung an?" fragte er mit herz licher Theilnahme. „Der Arzt sagt, er sei jetzt aus der Gefahr", er- erwiderte der Posthalter, „aber kommt nur herein und seht nach ihm, eS wird ihn freuen. Zu viel mit ihm reden dürft Ihr nicht. Schön, Michele", sagte er zu dem jungen, „daß Du auch wieder mit Deinem Vater kommst." Sie gingen mit einander vorüber an der Wirths- stube, wo im Herrenstüble schon eine Abendgesell schaft beisammen war, in die Krankenstube. Recht bleich, abgcmagert und schwach lag der noch vor Kurzem so kräftige Jüngling in seinem Bette. Aber ein Blitz der Freude leuchtete aus seinen Augen, als er die Eintretenden sah. „Nun, Gott sei Lob und Dank!" sagte der ältere Bauer langsam und mit Nachdruck, indem er ihm die Hand gab. „Aber gelt, Samuel, die schwere Zeit ist auch nicht umsonst gewesen?" Samuel sah den Sprechenden freundlich an und nickte. Der Posthaltcr drehte sein Lederkäppchen zwi schen den Händen und ging rasch in der niederen Stube auf und ab. „Wie geht's Samuel?" fragte dann Michael, der Sohn des alten Friederle. „Besser, aber langsam", flüsterte der Genesende und ein leichter Husten folgte. „Kommt jetzt nur heraus", sagte der Posthalter. „Ohne Widerrede!" fuhr er fort, als der Friederle Einwendungen machte. „Ich weiß ja schon lang, daß Du in kein Wirthshaus gehst, aber jetzt im Winter hab ich nirgends geheizt als in der Krankenstube und in der Wirthsstube. Wie, was? wir sind Gevatter leute und Du mußt noch einen Schoppen mit mir trinken!" Die Posthaltcrin blieb bei Samuel. Der Bauer Friedrich Koch, im selben Städtchen wohnhaft, aber weit draußen am anderen Ende, war mit Schalter weitläufig verwandt und war Samuels Pathe, wie der Posthalter Pathe des jungen Michele war. Samuel aber und Michael waren in gleichem Alter. Die ernste und strenge Richtung Kochs war Ursache, daß der Verkehr zwischen den Häusern kein so häufiger war, obgleich sich die Hausväter gegen seitig achteten ; auch sah Friederle darin, daß Samuels Eltern den Sohn in eine Lateinschule geschickt, ihm französischen Unterricht hatten geben lassen und ihm noch immer gestatteten, allerlei zu seiner weiteren Ausbildung zu lesen, ein unruhiges Hochflicgen welt lichen Sinnes, da ja doch Samuel keinen andern Beruf ergreifen sollte, als den seines Vaters. Michael war ein braver Bursch, dem Vater gehorsam, auch in den Einschränkungen, über die sein Alter oft ein wenig hinaus begehrte. Nun saßen sie miteinander in der großen Wirths stube am Familientisch des Lammwirths, der einen guten alten Wein ausgetragen hatte, davon Friederle mäßig kostete. „Ja, da« sind schwere Zeiten", sagte er bedächtig, „überall Krieg und Kriegsgeschrci, Noth und Armuth und ein Volk fällt über das andere und ein König über den andern und bei alledem wird'S doch nicht besser mit den Leuten. Seit dem letzten Oktober, wo unsere Soldaten in's Oesterreichische marschirt