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in welcher sich die Petersburger Regierungskreise eine Zeit lang wiegen zu dürfen glaubten, gründlich zer stört ist und daß die Furcht vor den Anschlägen der Nihilisten wieder neu belebt ist. Locale und sSchstsche Nachrichten. — Eibenstock, 6. Mai. Gestern Abend hat in dem Comptoir eines hiesigen Stickereigeschäfts ein Einbruchsdiebstahl stattgefunden und wurden die Beträge der kleinen Kasse dabei entwendet, nach dem der hölzerne Schrank und Kästen desselben vor her mittelst Werkzeug auseinander gesprengt worden waren. Wahrscheinlich hatte man cs auf größere Beträge abgesehen, die sich allerdings in sicherem Gewahrsam befanden. Ueber den oder die Thäter ist etwas Näheres noch nicht bekannt, denn als man durch ein ungewohntes Geräusch auf den Vorfall aufmerksam wckrdc, war in den offenstehenden Locali- täten, welche vorher verschlossen gewesen, Niemand mehr aufzufinden. — Schönheide. Ist ein Auerhahn an und für sich schon eine seltene Erscheinung, so ist doch gewiß der Fall noch viel seltener, daß man diesen Bogel einmal außerhalb des Waldes antrifft. Für alle Jagdfreunde dürfte daher die Mittheilung von Interesse sein, daß von einem hiesigen Jäger kürzlich ein Auerhahn auf offenem Felde erlegt worden ist. — Der Mai hat sich diesmal nicht nur dem Namen nach, sondern in seiner liebenswürdigsten Gestalt bei uns eingefnnden und lockt nun Groß und Klein hinaus, sich an ihm zu erfreuen. Als ein sehr angenehmes Ziel für einen kurzen Ausflug kann man das in der Mitte von Eibenstock, Carlsfcld und Schönheide gelegene „Wiesenhaus" empfehlen. Dasselbe ist von hier aus in wenig mehr als einer Stunde zu erreichen und bietet neben schönem Aufenthalte stets ein vorzügliches Glas „Böhmisch" und für Hungrige auch immer etwas Entsprechendes zu essen. Sehr wesentlich em pfiehlt sich das Wiesenhaus aber durch äußerst solide Preise. — Dresden. Der Aufenthalt Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm bei dem Wettinerfeste in Dresden wird 3 Tage dauern. Es ist noch nicht bestimmt, ob Se. Majestät der Kaiser dabei von seiner erlauchten Gemahlin begleitet sein wird. Die Ankunft Sr. Majestät des Kaisers ist auf Montag den 17. Juni festgesetzt, denn an diesem Tage finden die Beglückwünschungen unseres Königspaares zu dem Jubelfeste statt. Als der Vornehmste der Be glückwünschenden erscheint Se. Majestät der deutsche Kaiser. Am Abende des Montags besucht der Kaiser die Gala-Oper, am Dienstag wohnt er der Enthüll ung des'König-Johanndenkmalcs und der Truppen schau bei, am Abende auch der wiederholten Auf führung des Rciterfestes, welches das Offizierskorps des sächsischen Heeres zu Ehren des Königshauses veranstaltet und dessen erste Aufführung vor dem Könige am Sonntag, dem 16. Juni, stattgefunden haben wird. Am Mittwoch, 19. Juni, wohnt der Kaiser dem Huldigungszuge des Landes, am Abende dem von der Stadt gegebenen römischen Feuerwerke bei. — Dresden. Se. Maj. der König trifft, wie bereits erwähnt, Ende der nächsten Woche zu einem längeren Kuraufenthalt in Bad Ems ein, um dort- sclbst in dem unweit des rechten Lahnufers im Parke gelegenen schloßartigen fiskalischen Gebäude „Zu den vier Thürmen", woselbst seinerzeit stets Kaiser Alexan der II. von Rußland und zuletzt die kronprinzliche Familie (Kaiser Friedrich III.) abgestiegen war, Wohn ung zu nehme». Die Kurverwaltung hat besonderen Fleiß daranf verwendet, die zahlreichen anmnthigen Waldpromenaden, welche der König mit besonderer Vorliebe schon früher aufzusuchen pflegte, wieder in schönster Weise herzustellen. Aus Rücksicht auf die frühzeitige Anwesenheit des hohen Gastes werden auch die Saison-Festlichkeiten in diesem Jahre früher be ginnen, zumal sich bei dem gegenwärtig herrschenden herrlichen Frühlingswetter der Fremdenverkehr rasch heben dürste. — Das große Dresdner Vogelschießen wird dieses Jahr in der Woche vom 28. Juli bis 4. August abgehaltcn werden. — In Sachsen rüsten sich die Schützenbrüder für ihre diesjährigen Feste, wie es scheint ganz besonders. In der „Schützen- und Wehrzeitung" wird die Ein ladung der Schützen von Plauen im Vogtlande bekannt gemacht zum zwölften mitteldeutschen Bundes schießen, welches dort vom 21. bis 26. Juli abgehalten werden soll. — In Chemnitz wird aber vom 26. bis 28. Mai ein Fest- und Preisschießen stattfinden zur Feier des 800jährigcn Regierungs-Jubiläums des Hauses Wettin. — Kirchberg. Mehrere rohe Burschen aus hiesiger Stadt haben auf der Schneeberg-Kirchberger Straße ihre sie begleitenden Hunde mehrfach an Leute gehetzt und somit sich groben Unfuges schuldig gemacht. Da diese Angelegenheit bereits der Behörde zur An zeige gebracht worden ist, sehen diese Gesetzesübertreter ihrer wohlverdienten Strafe entgegen. — Eine Schreckenskunde durcheilte Freitag früh das Dorf Dornreichenbach bei Wurzen. Man fand den dortigen Gastwirth Fleischer ermordet auf. Die Fleischer'sche Gastwirthschaft wurde gern von Handwerksburschen zur Ucbernachtung gewählt und so war auch am Donnerstag noch spät Abend ein solcher zugereist und hatte da übernachtet. Früh war der Handwerksbursche weg unv den Wirth Flei scher fand man in der Stube liegend ermordet vor. Rach der That muß auch noch Raub und Diebstahl ausgeführt worden sein, denn das zugängige Geld aus der Tasche und dem Kasten in der Gaststube war verschwunden. Der That dringend verdächtig ist eben dieser Handwerksburschc, dessen Signalement noch nicht genau feststeht. ES soll ein langer, kräftiger Mensch sein. Schritte zu seiner Habhaftwerdung sind ungesäumt von den Sicherheitsorganen gethan. Der ermordete Fleischer ist ein Mann in den 4t)er Jahren, still und ruhig rind lebte in glücklichen Ver hältnissen. Hierzu wird noch Folgendes mitgetheilt: Mitten im Dorfe befindet sich die Fleischer'sche Gastwirth- schaft, die gern von reisenden Handwerksburschen be sucht wird und für welche in der Oberstube 4 Betten aufgeschlagen stehen. Der Wirth Fleischer schlief allein in der an die Gaststube grenzenden Kammer. Am Donnerstag Nackt in der 10. Stunde ist noch ein Fremder zugereist gekommen, hat an's Fenster geklopft und Einlaß begehrt. Fleischer, der sich be reits schlafen gelegt hatte, ist aufgestanden unv hat sich nach längerem Zureden bewegen lassen, den Fremden noch einzulassen und zu beherbergen. Den Wortwechsel haben Nachbarn gehört. Erst hat der Fremde nur einen Schnaps begehrt. Alsdann ist derselbe jedenfalls in der Schlafstube im Oberstock gewesen und hat da eine Zeit lang genächtigt, denn ein Bett darin ist benützt worden. Später in der Nacht, nachdem er den Wirth schlafen gewähnt, ist er wieder in die Gaststube heruntergestiegen, um zu stehlen. Ueber das hierbei verursachte Geräusch ist jedenfalls der Wirth Fleischer erwacht und ist im Hemd in die Gaststube getreten. Run muß sich der Fremde sofort auf den Wirth gestürzt, ihn nieder geworfen und die schwere Blutthat verübt haben. Darauf hat er geraubt, was er an Geld finden konnte, denn auch ein in der Schlafstube stehender Schrank, in welchem Fleischer sein Geld verwahrte, ist erbrochen und das Geld geraubt. Darauf muß der Mörder die Flucht in der Richtung auf Wurzen ergriffen haben, eine verdächtige Mannsperson ist Nachts 1 Uhr in Körlitz, einem Dorfe zwischen Dorn reichenbach und Wurzen, und nach 2 Uhr früh in Wurzen gesehen worden. Diese Person soll in Wurzen nach dem Wege nach Leipzig gefragt haben. Früh halb 5 Uhr fand die Wirthschafterin des Gastwirths Fleischer diesen in seinem Blute schwimmend mit durchschnittenem Halse, nur mit dem Hemd bekleidet, in der Wohnstube auf. — Zur Erinnerung an die Jubelfeier des sächs. Regentenhauses hat die Delegirtenversammlung des sächs. „Erzgebirgsvereins" beschlossen, eine Tafel an der höchsten Wohnstätte im Lande, dem neuen Fichtelberghause, anbringen zu lassen. — Nachdem die Bogelwelt auf Baum und Strauch wieder lebendig geworden ist, sei darauf auf merksam gemackt, ckaß das Tödten und Einkäufen von Blaukehlchen, Rothkehlchen, Nachtigall, Grasmücke, Rothschwanz, Steinschmätzer, Bachstelze, Pieper, Zaun könig, Pirol, Goldhähnchen, Meise, Ammer, Finke, Hänfling, Zeisig, Stieglitz, Baumläufer, Kleiden, Wiede hopf, Lerche, Tagschlaf, Staar, Fliegenschnäpper, Kukuk, Specht, Wendehals, Bussard (Mäusefalle) und Eule, mit Ausschluß des Uhu, untersagt ist. Zuwiderhand lungen ziehen Geldstrafe von 3 —30 Mk. oder Haft strafe nach sich. Die genannten Vögel dürfen auch nicht feilgeboteu werden. Tages - Gedenkblätter fürs Wettiner Jubeljahr 1889. 7. 1123. Landgraf Ludwig der Springer, der Erbauer der Wartburg, gestorben. 1849. Das Thurmhaus am Zwinger und das Postgebäude werden im Straßentampfe in Dresden von den Truppen gestürmt. 8. 1813. Prinz Eugen mit Gefolge meldet die bevorstehende Ankunft Napoleons in Dresden an. 9. 1398. Urkunde Markgraf Wilhelm des Einäugigen betr. die Gleichstellung der Bürger von Werdau mit denen von Zwickau. 1595. Herzog Johann Friedrich der Mittlere starb als 67- jähriger Greis nach 28jähriger Gefangenschaft im Kerker zu Wiener Neustadt. 1760. Gras Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, der Stifter der Herrnhuter Gemeinde, gestorben. 1792. Vermählung des Prinzen Maximilian mit Karoline von Parma, die Großeltern des regierenden Königs Albert. 1865. Friedrich von Schiller zu Weimar gestorben. 1849. Versuch der sogenannten provisorischen sächsischen Regierung, sich mit ihren Freischärlern in Freiberg sestzusetzen, wobei letztere die Privatquartiere der abwesenden Offiziere und Soldaten plünderten und ausraubten. — Proklamation des Königs Friedrich August II. an das sächsische Volk. 1861. Eröffnung des Zoologischen Gartens in Dresden. I». 1547. Ueber Kurfürst Johann Friedrich dem Großmüthigen wird das Todesurtheil ausgesprochen. 1631. Blutige Zerstörung Magdeburgs durch die Mann schaften des kaiserl. Feldmarschalls Grafen Tscherklas von Tilly. 11. 1409. 5000 Studenten wandern von Prag aus, von denen 2000 unter Joh. Hofmann, Otto v. Münsterberg und Henning Bolderhagen sich nach Meißen wenden und die Errichtung einer Universität in der Stadt „Lipzk" erbitten, welchem Ersuchen '/, Jahr später durch Friedrich den Streitbaren entsprochen wurde. 1813. Gefecht bei Bischofswerda zwischen dem französischen General Macdonald und dem russischen Feldherrn Miloradowitsch. Die Stadt brennt Tags darauf total nieder und wird von den Franzosen geplündert. 1858. Einweihung der obererzgebirgischen Eisenbahn in Schwarzenberg. 1859. Vermählung des Prinzen Georg von Sachsen mit Prinzeß Marie Anna, Infantin von Portugal und Algarbien zu Lissabon. 1878. Mordversuch des später enthaupteten Klempnerge- gesellcn Hödel, genannt Lehmann aus Leipzig gegen den deutschen Kaiser unter den Linden in Berlin. 12. 1670. August der Starke geboren. 1767. Die Dauphine von Frankreich, Maria Josepha eine Enkelin August des Starken und Mutter Louis XVI. gestorben zu Versailles. 1813. Friedrich August der Gerechte trifft von Prag kom mend in Dresden ein, wo ihm Napoleon einen glän zende» Empfang bereitet. 1829. Die Königin Maria Josepha von Spanien, eine Schwester des späteren Königs Johann von Sachsen, gestorben zu Aranjuez. 1847. Prinz Ernst, ein Bruder des heutigen Königs Albert, gestorben zu Weesenstein. 13. 1566. Herzog Johann Friedrich der Mittlere, wird wegen seiner Begünstigung des geächteten Grumbach selbst in die Reichsacht erklärt und Kurfürst August mit deren Vollziehung beauftragt. 1604. Begräbniß des Gefchwisterpaares Johann und Be nigna Biener in der ausgebrannten Annenkirche zu Annaberg. Die Genannten fanden ihren Tod bei der großen Feuersbrunst am 27. April, welche die ganze Stadt bis aus 7 Häuser zerstörte. Die Ge schwister bewohnten ein Haus am Markte. Der Bruder war wahnsinnig und lag, wie dies damals Brauch war, an der Kette. Die Schwester wollte mit ihm fliehen, als der ganze Markt in Flammen stand, fand aber den Kettenschlüssel nicht und da sie ihren unglücklichen Bruder nicht verlassen wollte, kam sie mit ihm um. Beim Auffinden der Leichen hielten sich beide festumschlungen, so wurden sie auch ins Grab gelegt, das man noch heute sehen kann. 1779. Friede zu Tesche», wodurch Sachsens Ansprüche auf die bayrische Erbsolge mit 6 Millionen Gulden ge tilgt werden, die Friedrich August zum Nutzen des Landes verwendete. 1884. Prinz Friedrich August trifft in Begleitung des Ma jors Edler von der Planitz in Straßburg i. E. ein, um für zwei Semester dem Studium an dortiger Kaiser Wilhelm-Universität sich zu widmen. In Feindesland. Ernste und heitere Auszeichnungen. Von Th. Schmidt. (3. Fortsetzung.) „Wir können uns inan gleich nach Wasser umsehen und uns abwaschen," meinte Knülle, „sonst jiebt un sere Infanterie noch Feuer auf uns, in der Meinung, dat wir Turkos sind." Knülle hatte nicht ganz Unrecht — wir sahen mit unfern pulvergeschwärzten Gesichtern und Händen eher Söhnen der Hölle ähnlich, als deutschen Artil leristen. Der Tod hatte reiche Ernte unter den Kameraden gehalten, und selbst dem unverwüstlichen Knülle trat eine Thräne ins Auge, als er vergeblich nach einem Freunde in der Batterie fragte, der mit ihm früher beim dritten Corps zusammen gedient hatte. Aber was nützen Klagen und Thrünen — Soldatenloos! Heute dir, morgen mir. Aus der Ferne hört man den wunderbar ergreifenden „Abendsegen" blasen und dazwischen in grellen Disharinonieen die Schmerzens rufe und Wehlaute der verwundeten und sterbenden Kameraden. Welche Gefühle die Mannesbrnst an solchem Abend durchwogen und erschüttern — wer vermag sie zu schildern! Ich lehnte mich zu Tode erschöpft an mein Ge schütz und ließ die wechselvollen Bilder des heutigen, so überaus blutigen Tages an meinem geistigen Auge vorüberziehen. Ich mochte so wohl eine halbe Stunde starr und halb schlafend gestanden haben, als Knülle, der Unermüdliche, Ninnnerrastende aus dem bleichen Scheine des Wachtfeuers auf mich zueilte und mir einen Gegenstand zeigte! es war eine Flasche Wein, die er offenbar irgendwo aufgestöbert hatte. „Hier habe ick wat for Ihnen," rief er vergnügt. „Knülle, wo haben Sie die Flasche Wein her! Doch nicht etwa aus dem Hause dort, auf dem die Johanuiterfahne weht?" fragte ich ernst. „Nee, nee, Gott soll mir bewahren! Die armen Jungens dort drin haben ihn eher nöthig als wir. Lieber verdurste ick als det ick denen enen Droppen weghole. Wissen S', ick habe mir dahinten so'n Bis- ken in die Jebüsche jedrückt, da liegen die Franzosen wie jemäht! Na, dachte ick den kann 't doch nischt mehr nützen und revidirte ihre Tornister. Da fand ick denn diese scheene Flasche Wein und — rathen S' mal wat noch?„ „Ein Stück Brod, nicht wahr?" antwortete ich erfreut. „Fehljeschossen — en Stück Speck! Ick weeß, Sie können nicht jut requirircn, deshalb habe ick Ihnen det mitjebracht. Da nehmen S'. Sie sehen aus, wie Ener, der acht Dage in't Lazareth bei vier ter Form mit Regenwasser jelegen hat." Ich dankte gerührt dem treuen Kameraden und griff mit wahrer Begierde nach dem Dargebotenen. ES war das erste, was ich seit drei Tagen, außer steinhartem SchiffSzwicback meinem knurrenden Ma gen zuführte. Die Annahme, daß am nächsten Tage die Ent scheidungsschlacht geschlagen werden würde, erwies sich als irrige. Die ganze circa 150,000 Mann