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Amts- und Anzeigeblatt für den Erscheint e e Abonnement LcM des Amtsgerichts Libenßock L--S- serttonSpreis: die kleiusp. ten, sowie bei allen Reichs- Aeil. 10Pf und dessen Amgekung. P-stansalten Verantwortlicher Redakteur: E. Hannebohn in Eibenstock. ' — SK. Zayrganq, M 33. Sonnabend, den 16. März 188S. Die Patriotenliga vor Gericht. In Frankreich spielt sich gegenwärtig ein Drama ab, das in mehrfacher Beziehung sehr lehrreich ist. Die Regierung ist gegen die Patriotenliga auf Grund eines alten, im Jahre 1848 erlassenen Dekrets gegen die „geheimen Verbindungen" vorgegangen, und die Macht steht dabei auf ihrer Seite, wenn auch nicht das Recht. Bisher ist cs unter der Republik keinem Minister eingefallen, von der alten, längst außer Ge brauch gesetzten Bestimmung Gebrauch zu machen. Hätte dies einer unter den unzähligen Ministern, welche der Republik bisher gedient haben, gethan, so würde sich bei den Republikanern ein Sturm der Entrüstung erhoben haben und das be treffende Dekret wäre außer Kraft gesetzt worden. Jetzt aber sicht die republikanische Mehrheit der Kammern sehr wohl ein, daß sie die alte Scharteke von Dekret, das aus der „reaktionären" Zeit stammt, sehr gut gebrauchen kann. Die Patriotenliga war den französischen Gewalt habern über den Kopf gewachsen. Sic bildete eine Republik iu der Republik, uud da die Regierung das auf die Dauer nicht dulden konnte, die Führer der Liga aber ihre ehrgeizigen Ansprüche unbefriedigt sahen, so wandten sie sich dem Manne zu, der gegen wärtig in Frankreich alle Unzufriedenen um sich sam melt: Boulanger. Hat die Liga wirklich eine Viertel million Mitglieder, so ergiebt sich daraus, wie großes Gewicht Bvulanger darauf legen mußte, sich dieselben dienstbar zu machen; die Regierung aber hatte nun erst rechten Grund, gegen die immer ungeberdiger werdende Verbindung einzuschreiten. Die Gesetze der Republik bieten dazu keine Handhabe, denn der Grund ton der republikanischen Staatsverfassung ist die Frei heit, und in erster Linie gehört dazu das freie Vereins- und Versammlungsrecht. Da mußte denn jenes Dekret aushelfen, und cs wird ja auch seine Schuldigkeit thun. Der Name der Liga ist eine grenzenlose An maßung; es wäre um Frankreich wahrhaftig sehr übel bestellt, wenn es nicht mehr als 250,000 „Patrioten" zählte. Nun sind aber weite Volkskrcise jenseit der Vogesen der Meinung, daß man ein guter Patriot sein könne, ohne der Patriotenliga anzugehörcn und andcrntheils, daß nicht alle Mitglieder jener Liga gute Patrioten sind. In anderen Ländern soll man dies bezüglich ähnliche Erfahrungen gemacht haben! Das Aushängeschild, der angenommene Name, deckt keines wegs immer die in Wirklichkeit vertretene Sache. Die Führer der Patriotcnliga und die übrigen Boulangisten thun wenigstens so, als ob die über sie hereinaebrochenc Verfolgung ihrer Sache keinen Scha den thuc. Eine Erklärung, welche die Führer der Liga veröffentlichen, nennt das gerichtliche Einschreiten gegen die Verbindung eine „Verzweiflungsthat, welche das Ende des gegenwärtigen parlamentarischen Regi ments bezeichne". Aber aus dem innersten Herzen kommt diese Sprache gewiß nicht. Die Revanche politik früherer Regierungen in Frankreich hat die Geister gerufen, und das jetzige Regime scheint endlich die Zauberformel gefunden zu haben, um sie wieder los zu werden; diese Formel heißt: Energie. Daß der letzteren die Gesetzmäßigkeit mangelt, schadet nirgends weniger als in Frankreich, woselbst seit hundert Jahren das oberste Gesetz der sich periodisch einstellende politische Stimmungswechsel ist. Staatsstreiche und Revolutionen machen sich in Frankreich seit einem Jahrhundert die Herrschaft streitig, so daß sich feste politische Rechtsbegriffe gar nicht bilden können. Der Erfolg bezeichnet die Grund linien des Rechts, und wenn die Regierung mit ihrem Vorgehen gegen die Liga den gewünschten Erfolg hat, so hat sie im Sinne des gebräuchlichen franzö sischen Staatsrechtes recht und würde die Hundert jahrfeier der großen Revolution „würdig" begehen. Hagesgeschichle. — Deutschland. Se. Maj. der Kaiser hat sich wiederholt darüber Vortrag halten lassen, welche Vorkehrungen getroffen sind, um den durch Hoch wasser bedrohten Gegenden des Landes im Falle der Gefahr Schutz und Hülfe zu bieten. Jngleicben mußte dem Monarchen auch berichtet werden, wie weil die Meliorationen und Wasserbauten der im vorigen Jahre so schwer heimgesuchten Niederungen an der Elbe, Warthe, Oder und am Weichsel strome gediehen sind. Bei diesen Informationen legte der Landesherr auch sein großes Interesse für diejenigen in letzter Zeit erschienenen Fach schriften an den Tag, welche gute Vorschläge zur Ver minderung der alljährlich wiederkehrenden WasserS- nöthe bieten. Den Commandeuren der in den etwa iger Ueberschwemmung ausgesetzten Gegenden garni- sonirenden Truppentheileu ist Wachsamkeit und Hilfs bereitschaft für den Fall der Gefahr ganz besonders aufgegeben worden; vornehmlich gilt dies von den Pionnierkommandos. 'Richt minder beschäftigte sich Se. Maj. der Kaiser mit der Fürsorge um Nahr- uiigsmitkellieferung und wohnliche Unterbringung der durch etwaiges elementares Unglück um Hab und Gut Kommenden. — Potsdam. Zu der Verhaftung des Feld webels Hauck in Potsdam verlautet, daß derselbe sich eine Urkundenfälschung habe zu schulden kommen lassen. Mit Ausarbeitung der Führungsliste der zum Avancement vorgeschlagenen Unteroffiziere re. betraut, habe er sich verleiten lassen, gegen ein Geldgeschenk in dem Nationale eines Unteroffiziers den Vermerk einer von demselben abgebüßten Strafe wegzulassen, die jedoch dem Kaiser bei seiner genauen Kenntniß der Potsdamer Mititärverhältnisse noch erinnerlich war. Die Verhaftung soll daher auf direkte Veran lassung des Kaisers erfolgt sein. — Mainz. Seit einiger Zeit wird unserer Festung eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, in dem auf höhere Anweisung eine äußerst strenge Uebcrwachung unserer gesammten fortifikatori- schen Anlagen angeordnet worden ist. Nicht allein die äußere Umwallung der Festung, sondern sämmt- liche Wege, welche nach einzelnen fortifikatorischen Anlagen führen, werden von einer aus zwei Mann bestehenden und mit geladenen Karabinern versehenen Husarenpatrouille den ganzen Tag über abgeritte», außerdem werden die Festungswerke selbst nicht mehr wie seither üblich durch einen sogenannten Stall- patrouilleur begangen, sondern zwei Infanteristen, welche scharfe Patronen bei sich führen, haben für die Folge die Kontrolc in den Festungswerken selbst aus- zuführcn. Alle verdächtig erscheinenden Personen, welche sich in der Nähe der Festungswerke umher treiben, ohne sich genügend legitimiren zu können, werden von der Patrouille verhaftet und der be treffenden Behörde zugeführt. Diese Maßregeln sollen durch Vorgänge begründet sein, welche die Sicherheit unserer Festung erheischen. — Frankreich. Zur boulangistischen Gefahr gesellt sich in Frankreich nun auch noch die sozialist ische in Folge der S t r i k e be w e g u n g im Nord- Departement. Dieselbe nimmt immer größere Aus dehnung an. Elf Spinnereien mit 16,000 Arbeitern feiern. Man muß jeden Augenblick auf den Ausbruch von Arbeiterunruhen gefaßt sein. Der Präfekt reiste in aller Eile nach Armentieres ab, wohin auch ein Bataillon des 43. Infanterieregiments als Verstärk ung abging. Locale und sächstsche Nachrichten. — Eibenstock, 1b. März. Noch einmal hat der Winter einen mehr als energischen Anlauf genommen, denn seit gestern haben wir bei hohen Kältegraden unter heftigem Wind einen so starken Schneefall, daß der Schnceflug zwei Mal am heutigen Tage Bahn fahren mußte. Ein so grimmiger Lenzmonat wie der heurige, ist seit dem Jahre 1864 nicht wie der da gewesen. — Eibenstock. Der „Bogtl.-Erzgcb. Industrie- Verein" beabsichtigt, nachdem das erste Vereinsjahr vorüber ist und ein klarer Ueberblick über die Ver hältnisse des Verein«, Zahl der Mitglieder in den einzelnen Industriestädten, Einkünfte u. A. m. möglich geworden, nunmehr in solchen Städten, die eine An zahl von mindestens 1b Mitgliedern aufzuweiscn haben, jährlich regelmäßig zwei Wanderaus stellungen abzuhalten. I» unserer Stadt findet laut Bekanntmachung die erste diesjährige Aus stellung vom 10. bis 25. d. M. im Rathhaussaale statt und wird wieder zahlreiche Neuheiten auf dem Gebiete der Textil-Industrie bieten. Selbstverständ lich ist cs nicht möglich, zwei Mal des Jahres mit völlig neuen Ausstellungsgegenständen zu erscheinen, doch kann die Zahl der Neuanschaffungen immerhin eine beträchtliche sein, da der Direktion der kunstge werblichen Fachzeichenschule aus den Mitteln des Staates und Stadtrathes zu Plauen, wie des In dustrie-Vereines jährlich 5000 Mark zu Einkäufen zur Verfügung stehen. Nach Verstaatlichung der An stalt und durch vermehrte Einkünfte des Industrie- Vereines dürfte diese Summe zukünftig bedeutend erhöht werden, sodaß bei 'Neuanschaffungen die Be dürfnisse der verschiedenen Branchen der vogtl.- erzgeb. Industrie ausreichende Berücksichtigung finden können. Die Ausstellung wird sich voraussichtlich eben so zahlreichen Besuches wie die erste zu erfreuen haben und dem Vereine neue Freunde erwerben. — Dresden. Dieses Jahr vollenden sich drei Jahrhunderte, seit eine der schönsten und interessan testen Zierden Dresdens, die große Elbbastion, früher „Jungfernbastei" genannt, welche jetzt die „Brühl' sche Terrasse" heißt, erbaut wurde. Sie kostete, weil ein starker Rost in die Elbe ge schlagen werden mußte, die für die damalige Zeit ungeheure Summe von 98,000 Gülden. Am 18. August 1b89 wurde der Grundstein gelegt und in demselben eine Gedächtnißschrift nebst einer silbernen Medaille im Gewicht von zwei Lothen verwahrt. Die Erbauer waren Hans Claus Rußwurm, Hauptmann der Festung Dresden, und Paul Buchner, Zeugmeister und Baumeister. Wo jetzt das Belvedere steht, ließ Kurfürst Johann Georg 1617 ein prachtvolles Lust- Hans errichten, das am 22. September 1747 die Explosion eines darunter in der Kasematte befindlichen Pulverlaboratorium zerstörte. Kurfürst August schenkte den verödeten Platz seinem Premierminister Grafen Moritz Brühl, der den sogenannte» Brühl'schen Garten anlegtc und ei» neues kostbares Lusthauö erbaute, das sammt seinen Kunstschätze» 1759 von den Preußen zerstört wurde. Erst im zweite» Jahrzehnt unseres Jahrhunderts wurden die Ruinen diese« Lusthauses abgetragen und aus der Stelle eine Wirtschaft angelegt, aus welcher das jetzige Belvedere hervorgegangen ist. — Leipzig. Hier ist die Errichtung öffent licher Wärm st üben geplant, während die Trink hallen, in denen wärmende Getränke zu den denkbar niedrigsten verhältnißmäßigen Preisen verabreicht wer den, schon seit einer Reihe von Jahren bestehen. Im Winter 1884 — 85 wurden nahezu 40,000 Tassen ver schiedener warmer Getränke (Kaffee, Thee, Chocolade) in den vier Hallen, (die übrigens im Sommer zum Verschont von Mineralwässern dienen), verschänkt, im Winter 1887—1888 stieg der Verbrauch auf 83,406 Tassen — ein Beweis für die Nützlichkeit des Unter nehmens. — Die Handels- und Gewerbekammer Plauen hat im October vorigen Jahres an die Königliche Generaldirection der Sächsischen Staatseisenbahnen das Gesuch gerichtet, daß n. entweder dem Eilgüter zuge 1083 bis Crimmitschau Personenwagen beige geben oder k. auf Tagesbillets Werdau-Reichenbach die Rückfahrt über Zwickau mit den Zügen 55 oder 1121 und 297 gestattet oder c. überhaupt für die Tour Werdau-Reichenbach-Zwickau ein Umwegebillet eingeführt werde. Auf dieses Gesuch hat nun die Königliche Generaldirection mit Genehmigung des König!. Finanzministeriums beschlossen, dem Wunsche nach einer Einrichtung, welche die Benutzung der Abendverbindung von Reichenbach nach Zwickau mit Zug Nr. 1121 zu Reisen nach Werdau und darüber hinauSgelegenen Stationen erleichtert, durch Ausgabe von Umwegskarten an die Inhaber von einfachen und Rückfahrkarten für die Strecke Neumark-Werdau (zu den abweichend niedrig bemessenen Preisen von 60, 50 und 30 Pfennig für I., II. und III. Clafse) zu