Volltext Seite (XML)
neuen Felddienstordnung und die „Normalorganisation der verschiedenen Einheiten" in den Vorschriften über die Kriegsgliederung gestrichen haben. Sie sind der Ansicht, daß im Kriege Alles von den jeweiligen Ver hältnissen abhängt, daß die Form den Geist tödtet, daß ein Führer, der die Initiative seiner Untergebenen fesselt, Menschen, von deren geistigen Fähigkeiten n. Verantwort ungsfreudigkeit das Höchste zu erwarten war, zu trägen Maschinen umwandelt. Hinsichtlich der Feuerverwcnd- ung stellt das neue deutsche Reglement als Grundsatz auf, daß die Feuerüberlegenheit im Jnsanteriegefecht den Erfolg erringt und daß die Hauptthätigkcit der In fanterie heute im Schützengefecht zu suchen.ist. Das Feuern in geschlossener Ordnung wird nur noch als Ausnahme betrachtet. — Rußland. Auf dem Diner zum An denken an die Belagerung Sebasto- pols, welches wie alljährlich vergangenen Sonn abend in Petersburg stattfand, waren die Großfürsten Nikolai und Michael Nikolajewitsch anwesend. General Welitschkowski hielt eine Rede, in welcher er u. A. Folgendes sagte: 35 Jahre seien seit dem Krimkriege verflossen und der Westen habe bereits Zeit gehabt, verschiedene Triumvirate und Tripelallianzen auf höchst dünner Unterlage hervorzubringen, als hätte er das ewige russische Triumvirat „Gott, Czar und Volk" vergessen, das stets sei und sein werde das Symbol des Heldcnthums „nd per Ehre, sowie eine Stütze des Friedens; keine Tripelallianzen und Triumvirate würden Gottes Sache überwinden. Locale «nd sächsische Nachrichten. — Schönheiderhammer. Am 1. April d. Js. wrrd Hierselbst eine Postagentur eröffnet werden. — Dresden. Wie aus Leipzig gemeldet wird, trifft Se. Maj. der König bestimmt Donnerstag Abend daselbst ein und wird noch an diesem Abend das Gewandhaus - Concert besuchen. Den Besuch der Fahrrad-Ausstellung hat Se. Majestät für Sonntag Abend in Aussicht gestellt. Die Rückreise nach Dresden wird, wie schon gesagt wurde, am Montag Abend erfolgen. — Dresden, 25. Februar. Jetzt, wo Sachsens Volk an der Schwelle des 800jährigen Jubel festes des Hauses Wettin und der damit verknüpften Enthüllung des Reiterstandbildes König Johanns steht, dürften einige Mittheilungen über die Entstehung des Fonds für das den Manen des un vergeßlichen Monarchen gewidmete Denkmal am Platze sein. Den ersten Beitrag des sächsischen Volkes zu den Kosten des Werkes Professor Schillings, der lick namentlich als Schöpfer des Niederwalddenkmals für immer einen Namen in der deutschen Kunstgeschichte gesichert hat, bildete der Ertrag eines großen patriot ischen Concertcs am II. Dezember 1880 — ca. 300 Mark — zu welchem der wackere Sängerchor des MilitärvercinS I mit seinem langjährigen Licdermeister, Betriebssekrctär Schwarze, die Initiative ergriff. Zu dem Concert war von dem bald darauf verstorbenen dramaturgischen Leiter des königl. Hoftheaters, Hof rath I>r. Papst, ein zündender Prolog verfaßt worden. Seitdem wuchs der von einem Landeskomitee ver waltete Denkmalsfond riesig schnell und bezifferte sich bereits im März 1882 auf über 100,000 Mk. An der Sammlung betheitigten sich in rühmlichem Wett eifer neben dem gesammtcn sächsischen Volke auch die ganzen Militärvereine unseres engeren Vaterlandes. Die Frage, ob dem edlen Fürsten ein Denkmal zu errichten sei, war zwar seit deni am 29. Oktober 1873 erfolgten Tode des Königs Johann in allen Schichten des sächsische» Volke« nicht unerörtert ge blieben, doch trat man dieser Ehrenpflicht wohl infolge der andauernden ungünstigen Erwerbs- und Geschäfts verhältnisse erst im Jahre 1880 näher. Allerdings hatte der seinerzeitige Minister des königl. Hauses, Exz. v. Falkenstein, den Ertrag seines bei Gelegenheit der silbernen Hochzeitsfeier Ihrer Majestäten des Königs Albert und der Königin Carola herauSge- gcbenen Prachtwerkes „König Johann von Sachsen" dem in Rede stehenden Zweck gewidmet, doch konnte von dieser hohen, unserem Königshause nahestehenden Seite etwas Weiteres in dieser Angelegenheit wohl nicht gut gethan werden. — Anna berg, 25. Febr. Der hiesige Verein gegen Hausbettelei hat unlängst einen eingehen den Bericht über seine Thätigkcit im vergangenen 9. Geschäftsjahr erstattet und geht daraus hervor, wie segensreich derselbe namentlich für arme wandernde Handwerksleute gewirkt hat. In der mit der Be- zirksnaturalverpflegstation in Verbindung stehenden Herberge wurden 4069 Reisende ausgenommen. Von denselben wurden 239'/, m Brennholz gespalten, von anderen wurden die Wirthschaftsarbeite» besorgt, an 147 Reisende der verschiedensten Handwerke wurde dauernde Arbeit bei Werkmeistern hier und auswärts nachgewiesen. Sehr fleißig wurde zumal im Sommer und Herbst der Mittagstisch in der Herberge von Bauarbeitern — nicht selten über 40 — benutzt, ünd ist deshalb die Errichtung einer Volksküche in« Auge gefaßt worden. Um möglichst vielen wan dernden Arbeitern den Uebergang zum geordneten Leben zu ermöglichen und Arbeitgebern mehr Arbeiter auf die Dauer zu erhalten, sind namentlich größere Räume für Unterbringung von Logisgästen nöthig. und sind Verhandlungen darüber im Gange. Im Laufe des vergangenen Sommers beehrte auch Se. Exz. Staatsminister von Nostitz-Wallwitz unsere Her berge mit seinen Besuch und nahm beifällig von den getroffenen Einrichtungen Kenntniß. Wir aber können den Grundsätzen nur volle Zustimmung geben, wie sie treffend in den gereimten Zeilen in der Fremden-, stube der Herberge angebracht sind: „Willkommen jeden Wandersmann, der friedlich spricht um Herberg an! Hier wird jed' guter Gast geehrt, gleich ob er für sein Geld cinkehrt, gleich ob er uns für Speis' und Rast zerspaltet Tann- und Fichtenast. Bei uns im erzgebirg'schen Land ist Arbeit Zier für jeden Stand — drum gilt die Arbeit hier wie Geld! Will kommen der, dem das gefällt!" — Schwarzenberg, 25 Febr. Sicherem Ver nehmen »ach ist vi. meck. Kalkoff in Annaberg als Nachfolger des Bezirksarztes vr. Hesse gewählt worden. — Aue, 24. Februar. Heute Mittag kurz nach 1 Uhr brach in den unteren Räumen des früher Unger'schen jetzt Herrn Lange gehörigen Fabrikgrund stückes in Auerhammer Feuer au«. Die im selbigen Hause mitwohnende Familie Becher mußte, um ihr Leben zu retten, sammt Kindern drei Stock hoch aus dem Fenster springen, die Frau konnte sich nicht wieder erheben und mußte vom Platze getragen werden, hoffentlich hat sie keine schweren Verletzungen davon getragen. Die Feuerwehren waren schnell am Platze und blieb das Feuer auf seinen Heerd beschränkt, die inneren Räumlichkeiten sind allerdings sämmtlich aus gebrannt, auch wurde das Grundstück durch die vielen hineingeworfcnen Wassermassen gänzlich durchweicht. (Eingesandt.) Eibenstock. Nachdem der Stadtrath Diejenigen, welche sich an einer Fernsprechanlagc betheiligen wollen, ersucht hat, dies zu melden und nachdem auch die Redaction dieses Blattes das Zustandekommen dieser neuen Verkehrsanlage warm empfohlen hat, wäre es gewiß das Zweckmäßigste, wenn öffentlich bekannt gegeben würde, wieviel die Bctheiligung an einer Fernsprechanlage mit den vogtländischen Städten kostet. Ein Jeder könnte alsdann sich entschließen, ob er sich die in Rede stehende Ausgabe machen will oder nicht. Ein deutscher Bolksdichter. Von Arthur Achleitner. Wenn eines lebenden Schriftstellers Werke „ge sammelt" zu einer Zeit bereits erscheinen, in welcher der Autor noch im Zenith der schöpferischen Tätig keit steht, und diese Werke von den Alpen bis zum Belt gerne und freudig gelesen werden, dann darf man gewiß sagen, cs ist ein solcher Schriftsteller ein Deutscher Volksdichter, wenn auch der Rahmen seiner Erzählungen und Novellen, Gedichte und Ro mane nur ein kleines Gebiet unserer süddeutschen, von den Bergen umsäumten Heimath umfaßt. Im Hornung dieses Jahres vollendet Maximi lian Schmidt das 26. Jahr seiner schriftstellerischen Thätigkcit. An seinem silbernen Jnbeltage (25. Fe bruar 1888) hat die deutsche Schriftstellerwelt, die deutsche Presse, das deutsche Volk innigen Antheil ge nommen. Eine fröhliche festliche Zeit war es, als des Dichters sinnige Hausfrau init der schlanken Tanne Zweigen den Arbeitstisch umrahmte und das trauliche Heim mit des Waldes Grün schmückte und aus aller Welt die Glückwünsche einliefen auf ein frohes Weitcrschaffen nck multos annos. Just ein Jahr ist ins Land gegangen, als ich wie der die Klingel zog und cintrat in die anheimelnde Behausung Maximilian Schmidts. Still und vor nehm ist'S in dieser Gegend des wachsenden Münchens. Hierher brandet das großstädtische Gewoge nicht mehr, die Räder laufen hier auf Gummi, die Fußgeher hasten nicht, die Bewohner dieser Gegend führen ein beschau lich Leben. Die sorgsame Hausfrau wacht über den behag lichen Poetenwinkel und verschönert des Dichters Erdenwallen; ihre herzgewinnende Liebenswürdigkeit vergißt der nicht, der je dies Haus betreten und die Gattin Schmidts kennen gelernt hat. Vor einem mächtigen Schreibtisch finden wir den Dichter. Jung schnee liegt auf dem vollen Haar, durch den buschigen Bart ziehen Silberfäden, aber auf den dichtbeschatte ten Lippen liegt das gewinnende Lächeln jugendfrischer Fröhlichkeit. Vor einem halben Jahrhundert hat Nie mand geahnt, daß der „kleine Maxi" einer der belieb testen Volksdichter werden und einst berufen sein werde, Land und Leute seiner bayrischen Heimath poetisch zu verherrlichen. Auch wie er als junger Leutnant durch München« Straßen stolzirte, glaubte es Keiner, was heute der kleinste Lateiner weiß. Aber schon regte der junge Aar die Flügel, der junge Offi zier führte die Klinge wie die Feder gut, im engen Freundeskreise wurde gejubelt über die gemüthvoll- herzlichen Schilderungen, innigempfundenen Gedichte und köstlichen Humoresken. Bei festlichen Gelegen heiten waren es Kinder der Schmivtschen Muse, die im Kadettenhause, dessen Jnspeklionsoffizier Maximi lian Schmidt war, mit größtem Erfolg zur Aufführ ung gebracht wurden. Dadurch ward König Max ans das strebende Ta lent aufmerksam, der den jugendlichen Autor zu ernstem Schaffen ermunterte. Rasch erschienen größere Ar beiten, so „DaS Fräulein von Lichtenegg", „Der la teinische Bauer" und „Die Christkindelsingerin", welch' letzteres Werk durch GemüthStiefe und treffende Cha rakterzeichnung außerordentlichen Erfolg erzielte. Dann hemmten aber die Kriegsjahre 1866 und 1870 wei teres Schaffe», je eine Arbeit ging 1867 und 1868 aus Schmidts Feder hervor. Der Militärverdienst orden auf de« Dichters Brust besagt jedoch, daß er draußen im Schlachtfeld einen ganzen Mann gestellt und tapfer gefochten hat für'S heißgeliebte Vaterland. Mitte der 70cr Jahre beginnt die eigentliche lite rarische Blüthczeit des als Hauptmann ins Privat leben getretenen Dichters und einige Jahre darauf finden wir Maximilian Schmidt populär weit über die blau-weißen Pfähle hinaus, die Werthschätzung seiner Werke stetig steigend. Jedes Jahr brachte neue Schöpfungen, ost zwei und mehr prächtige Erzählungen, ja im Jahre 1882 deren wohlgezählte sechs, die „Knap- penlisl", den „Hergottsmantel", „Die Schwanenjung- fran", „Meister Martin", „'s Ausfragstüberl" und „Der Georgithalcr". Bis zum Jahre 1888 sind nicht weniger als 18 große Volkserzählungen aus Schmidts Feder geflossen, Arbeiten voll köstlicher Frische, Herz lichkeit und Natürlichkeit. Schmidts Erzählungen spie len an der bayrisch-tyrolischen Grenze, im Berchtes gadener Ländchen bis in den an Böhmen grenzenden Bayrischen Wald, den erschlossen zu haben mit farben prächtigen Naturschilderungcn ein Verdienst des Dich ters ist. Dabei führt der populäre Verfasser aucb in fremde Länder, die Leser begleiten den kernigen Gebirgler auf seiner Wanderung bis tief hinein in die sonnverbrannte Pußta des korngesegneten Alföld oder die Söhne der fröhlichen Jachenau auf dem Zuge nach Hellas („Die Jachenauer in Griechenland" 1888 Leipzig, Liebeskind). Wo immer eine Geschichte Schmidts spielt, gleich viel ob im bayrischen Hochland oder auf Niederbayerns, der engeren Heimath des Dichters Fluren, überall ist die Schilderung von Land und Leuten überaus präguaut uuv charakteristisch, gemüthvoll und getreu, sodaß die Bewohner der geschilderten Landestheile selbst die größte Freude darüber haben und ihren „Fcderzeichner" ehren, wo sie seiner habhaft werden können. Man muß nur mit dem Volksdichter hinein gewandert sein in die Thäler unseres Hochlandes und cs gesehen haben, wie man Maximilian Schmidt em pfängt in den bayrischen Bergen, die Mädels knixend und treuherzig rufend: „Grüaß Gott guä' Herr", die Buam jauchzend und das federngeschmückte Hütel in die Luft werfend. Nimmt dann der Dichter einen besonders markigen Burschen heraus, der ein pracht volles Modell für eine neue Schilderung bildet, dann kann man schon erleben, daß so ein Gebirgler aus Respekt vor dem Hofrath (eine Auszeichnung noch vom König Ludwig II.) sich zuerst iu die Hand spuckt, diese sorgsam abreib! und dann erst in die Rechte des Dichters cinscblägt, daß die Knochen krachen —. Abends im Honorationenstübchen wird eS dann immer fidel. Der Ortsvorsteher holt die tanzkundige Jugend zusammen und bei Zitherklang wird geschuhplattelt, daß der Boden dröhnt. Ein kräftiger Dank für den willkommenen Besuch, keine Aehnlichkeit mit der kühlen städtischen Noblesse. Maximilian Schmidt schildert keine Salontirolcr, sondern die Menschen wie sie sind und leben, nicht wie der hyperempfindsame Stadter sich gewöhnlich Alm und Sennerin in falscher Idealität vorzustellen pflegt. Der Bauern wahre Denk- und Ausdrucks weise zu erforsche» ist eine mühsame Arbeit, die nicht Jedem, der glaubt, den betreffenden Dialekt zu be herrschen, gelingt. Es sagt dies auch Freiherr von Mensi, unser scharf beobachtender Kritiker in dem Satze: „Wir haben Bauernnovellisten und Volksstück drechsler, die die komplizirtesten sittlichen Konflikte, wie sie in der raffinirtesten Potenz das Pariser Boulevard drama aufweist, in ihre Bauerngeschichtcn hineinge- heimnißt haben und uns dann weiß machen wollen, das seien unsere Bauern." Auch die Dialektklippe weiß Maximilian Schmidt zu umgehen, das ist außerordentlich schwierig, weil der Autor nicht blo« altbayrische Leser, sondern seit den letzten Jahren überall, wo Deutsche wohnen, Freunde hat, denen ein streng gehaltener Dialekt un überwindliche Schwierigkeiten in der Lektüre bieten würde. Schmidt schreibt einen gemilderten Dialekt und trotz der für Oberländer deutlich merkbaren „Ver dünnung" dialekt-orthographisch richtig, so daß die Worte fast stets wie echt klingen. Betrachtet man die zahlreichen Werke Schmidt'« (sie füllen bald einen Bücherschrank allein), so muß man über die rasche und flüssige Produktion staunen. Dreißig und mehr Druckbogen schreibt er in einem Monat, d. h. nur an den Vormittagen, denn nach Tisch pflegt der geniale Schriftsteller der Ruhe und auf tägliche Spaziergänge hält er sehr viel. Den Rest seiner Zeit verschlingt die Korrespondenz mit Verlegern und Redaktionen, die Lektüre der TageS- literatur «nd die Pflichtarbeiten der Borstandschaft de« Bezirksvereins München de- Deutschen Schrift- stellerverbandeS. Wie einst Frau Cosima Richard Wagners Bleistiftpartituren in unendlicher Mühe mit