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»8- rn, n- ickter »LI- statt reuz IMM- . Fest- Ium. lN. Oezbr.: ung mngs- reiches »uck. -leit, !lthem- i Halse ährten ulzx illliss, th-r- nsonst. le bei- n. Leitage M Nr. 147 des „Amts- und Aiyeigeblattes". Eibenstock, den 13. Dezember 1888. Die Pflegekinder des Commerzienraths. Novell« von Carl Hartmann-Plön. (21. Forlletzunq.) „Der Herr Graf," erwiderte er, „soll übermorgen dreimalhunderttausend Mark an die Graf Bentheim- schen Erben anSzahlen, er ist aber nicht im Besitze dieser Summe und trotz aller Mühe ist es ihm nicht gelungen, dieselbe irgendwo aufzutreiben. Leider sind leine Verhältnisse der Art, daß, wenn er das Geld am fünfundzwanzigsten Oktober nicht zur Stelle hat, über sein Hab nnd Gut der Konkurs verhängt wird. Nun habe ich dem Herrn Grafen diese Summe ge wissermaßen als Geschenk angeboten und als Gegen dienst verlangt, daß seine Tochter, die Komtesse Isabella, den Antrag meines Neffen annähme und sich mit ihm verlobe. Dieser Antrag ist vor zwei Tagen gestellt, aber bis zu diesem Augenblicke ist noch keine Antwort erfolgt. Es ist noch keine Stunde verflossen, da habe ich an dieser selben Stelle den Herrn Grafen gebeten, er möge doch der Komtesse Isabella seine bedrängte Lage schildern und ich sprach die Ueberzeugung aus, daß sie dann sofort um den Vater zu retten, ihre Einwilligung geben würde. Doch der Herr Graf hat mir rundweg erklärt, daß er eher zu Grunde gehen würde, als durch Mittheilung seines Unglücks seine Tochter zu einem Schritte bestimmen, den sie vielleicht später bereuen würde, nur das eine wolle er versprechen, sie zu veranlassen, noch heute ihre Entscheidung zu treffen. Liebe seine Tochter den Herrn Willhöft, dann habe er als Vater nichts einzuwenden und solle ihm der junge Mann, den er Hochschätze, als Schwiegersohn willkommen sein. Mein Neffe aber liebt die Gräfin Waldsee, fuhr er fort, und er würde sehr unglücklich werden, wenn sie nicht seine Gemahlin würde und ich wiederum liebe meinen Neffen so sehr, daß ich alles versuchen möchte, um für ihn ein günstiges Resultat zu erzielen. Daher möchte ich Ihnen, gnädige Gräfin, zu bedenken geben, daß es doch auch für Sie nicht angenehm sein würde, wem« Ihr Herr Bruder, ein so hoch angesehener Graf, gezwungen sein müßte, sich insolvent zu erklären, was doch immerhin in den Augen seiner Standesgenossen ihm einen Theil seines Ruhmes und Ansehens nehmen würde und möchte die Bitte daran schließen, daß Sie der Gräfin Wald see die Verhältnisse klar legten und ihr vorstellten, wie dieselbe durch ein einziges Wort im Stande sei, ihren Vater vor dem Verderben zu bewahren. Das aber erkläre auch ich rund heraus, wird dies eine Wort nicht gesprochen und mein Neffe mit seinem Anträge zurückgewiesen, so bin ich nicht in der Lage, auch nur einen Thaler herzugeben." Die Gräfin Scheck hatte sehr rasch gesprochen, sie hielt jetzt einen Augenblick inne, um Athem zu schöpfen. Die grauen Wangen hatten sich dabei mit einer eigenthllmlichen Röthe überzogen und auf ihrer zusammengezogenen Stirn und in ihren blitzenden Augen lag ein ungeheurer Zorn. „Ich war," setzte sie ihren Bericht fort, „als der Commerzienrath nun schwieg, anfangs so vollständig sprachlos, daß ich keinen Ton über die Lippen zu bringen vermochte, aber es währte nicht lange, da fand meine Entrüstung die nöthigen Worte: „Das sollen Sie auch nicht, rief ich ihm zu, auch nicht einen einzigen Thaler sollen Sie hergeben! Wir danken für Ihr Geld, durch das Ihre bürgerliche Eitelkeit sich in eine vornehme gräfliche Familie ein- zuschleichcu hoffte. Glauben Sie, daß Ihr erworbener Mammon unsere einzige und letzte Zuflucht sei? O, da irren Sie sich! Wenn mein Bruder so zartfühlend war, den einzig richtigen Weg nicht zu beschreiten, um statt dessen sich an Personen zu wenden, die nicht seines Ranges sind, so werde ich diesen Weg betteten und ich gebe Ihnen die Versicherung, bis übermorgen ist die Sache geordnet! Meinen Sie etwa, daß, wenn ein Graf Waldsee in eine augenblickliche Geldver legenheit geräth, nicht Freunde von Geburt genug vorhanden sind, ihm hilfreiche Hand zu leisten? Ja, es hat mir ein solcher Freund und naher Verwandter schon in Bezug auf meinen Bruder direkt eine solche Offerte gemacht! Und Ihrem Herrn Neffen können Sie nur sagen, daß ich, die Gräfin Scheck, geborene Gräfin Waldsee, es, gelinde ausgedrückt, für eine Un verschämtheit ansähe, seine Augen zu einer Gräfin Waldsee-Dorenberg zu erheben! „Nach diesen Worten drehte ich mich kurz herum und schritt mit hoch erhobenem Haupte davon, hatte aber noch zuvor die Genugthuung, zu sehen, wie dieser eitle Patton durch die Wucht meiner Worte förmlich zusammenzuckte. „Und nun," fuhr sie fort, „reise ich sogleich nach Hohenfels; der Vetter hat mich in der That am Tage vor unserer Abreise gefragt, ob die Schuldenmasse, die der Vater für Adelbert hat bezahlen müssen, wirklich, wie er gehört, eine so erhebliche gewesen sei und als ich ihm die Frage bejahte, sagte er mir, falls der Papa dadurch in irgend eine Geldverlegenheit gerathen wäre, so möge er sich nur getrost zuerst an ihn wenden." „Ach, Tante," sagte Isabella, „warum haben Sie dies dem Papa damals nicht gleich mitgetheilt. Sie hätten ihm manche kummervolle Stunde erspart und etwas Entsetzliches verhütet." „Wie konnte ich ahnen, daß wirklich Sorgen ihn drückten, ich habe seine Verhältnisse stets für sehr wohlgeordnet gehalten. Es ist gottlob jetzt noch nicht zu spät — bis morgen Abend kann ich zurück sein, entweder mit dem Gclde, oder einer Anweisung, oder einem Wechsel —" „ES ist dennoch zu spät!" rief Isabella verzweifelt aus. „Ach, wenn Sie wüßten, was unterdeß ge schehen!" „Was ist denn geschehen? Du erschreckst mich! Um GotteSwillen, sprich!" „Ich war vorhin in der Laube und habe das Ge spräch zwischen dem Vater und dem Commerzienrathe wider Willen belauscht. Tante! Aus einer Aeußer- >mg des Vaters entnahm ich, daß er die Schmach nicht überleben würde, da bin ich ihm zuvorgekommen, bin in sein Zimmer gegangen, habe ihm gesagt, daß ich Willhöft liebe und habe ihn gebeten, ihm zu schreiben, daß ich seinen Antrag annähme." „Unglückliche, was hast Du gethan!" „Jetzt bin ich verlobt — der Würfel ist gefallen, vor wenig Augenblicken hat der Papa den Brief an Willhöft abgeschickt." „O, sage, daß Du scherzest, oder mich trifft der Schlag! Den Brief abgeschickt? Verlobt mit einem Plebejer, verwandt mit einer Krämerfamilie? Es ist nicht möglich!" „Und unglücklich, Tante, für mein ganzes Leben!" Einen Augenblick schwieg die Gräfin Scheck, dann sagte sie: „Aber, mein Gott, warum errege» wir uns nur gar so sehr? Die Verlobung wird selbstverständ lich sofort wieder aufgehoben." „Aufgehoben? Kann sie denn aufgehoben werden?" „Warum nicht?" „Ich gab mein Wort und ein Wort kann nicht gebrochen werden." „Es kommt darauf an, unter welchen Verhältnissen es gegeben wurde. Dir ist es unter dem entsetzlich sten moralischen Zwange abgerungen, wobei das Mit leid mit des Vaters schlimmer Lage den Kupplerdienst übernommen — da bindet es nicht, kann es nicht binden." „Ein Wort bindet immer und auch mich bindet es! Aber reisen Sie nach Hohenfels, erwirken Sie vom Vetter die Summe, die der Papa zu zahle» hat, so brauchen der Commerzienrath und sein Reffe sich derselben nicht zu entäußern und ich werde nicht von dem furchtbaren Gefühle zu Boden gedrückt, daß mein geliebter Papa durch sie gerettet ist und daß man mich wie eine Waare für dreimalhunderttausend Mark gekauft hat. Ich werde dann mein Haupt freier er heben und meine Zukunft in ganz anderer Weise ein richten können." „Du denkst doch nicht im Ernste daran. Dich mit diesem Menschen zu vermählen? „Muß ich nicht? Nichts kann mich von meinem Worte entbinden, als wenn er freiwillig zurücktritt!" „Ach," dachte die alte Gräfin, „so wollen wir ihn schon dazu veranlassen, es zu thun, das werde ich allein besorgen und wenn ich ein ganzes Jnttiguen- spiel einleiten müßte! Ich werde das arme Mädchen retten. Sie denkt zu strenge über solche Dinge und eher würde sie direkt ins Verderben rennen, als daß sie sich von einer solchen Auffassung zurückbringen ließe! — Die Tante wird Dir helfen und Du wirst ihr später danken für diesen Dienst!" Sie erhob sich und sagte laut: „So will ich denn für die Reise die nöthigen Vorbereitungen treffen!" „Noch eins, Tante," sagte Isabella. „Sie müssen mir das Versprechen geben, dem Vater nicht zu ver- rathen, daß ich um seine Verlegenheiten gewußt, daß ich sein Gespräch mit dem Commerzienrath gehört. Er soll unv muß überzeugt bleiben, daß ich Willhöft aus Liebe und aus freiem Antriebe die Hand reiche." „Aber, ich sehe doch nicht ein, liebes Kind —" „Ich verlange von Ihnen, Tante, daß Sie hier über schweigen, verlange es um des Vaters Ruhe willen, der tief unglücklich werden würde, wenn er die Wahrheit erführe." „Nun, wenn Du es so entschieden forderst, werde ich ihm sicher nichts verrathcn." „Kann ich mich fest darauf verlassen?" „Ich halte stets, was ich versprochen." Zu sich selbst sprach die alte Gräfin: „Es ist ja im Grunde ganz gleichgültig, sobald die lächerliche Verlobung nur erst wieder aufgehoben ist, ob der Bruder es nachttäglich erfährt oder nicht." „Kann ich Ihnen," fragte Isabella, „bei den Vor bereitungen zur Reise etwas helfen?" „ES sind nur wenige nöthig," erwiderte die Gräfin, „ich komme ja schon morgen Abend zurück, dies Wenige kann meine Jungfer sehr leicht besorgen. Deinem Papa werde ich sagen, daß ich meiner Freundin, der Baronin v. Brandes auf Helmholz, einen Kranken besuch machen wolle und erst Morgen zurückzukehren gedächte. Das Gut liegt zwei Meilen von hier an der Bahn, die nach Hohenfels führt. Ich komme noch zurück, um Dir Adieu zu sagen." Die alte Gräfin verließ das Zimmer, eine Stunde später hatte sie bereits die Stadt verlassen. IX. Die Gräfin Scheck hatte ganz recht gesehen, der Commerzienrath Brauer war durch die Wucht ihrer Worte förmlich zusammengesunken. Bei jedem neuen Keulenschlage hatten sich seine Kniee immer mehr und mehr gebogen, so daß er zusammensinkend zu sehends kleiner geworden war. Sein Hut, den er, als er die Gräfin angerufen, abgezogen und wie ein Lakai in der Hand behalten hatte, war ihm zur Erde gefallen — er hatte es in der Bestürzung gar nicht bemerkt. Mit offenem Munde sah er der Frau nach, die ihn soeben in so entsetzlicher Weise abgekanzelt und erst, als diese hinter dem Gesträuch verschwunden war, fand er den stockenden Athem wieder. „O Gott!" war alles, was er zu sagen vermochte. Er bückte sich, ergriff den am Boden liegenden Hut und setzte ihn auf das Haupt. Darauf machte er Kehrt und ging nun mit langsamen, kurzen Schritten in den Park hinein. „Nun ist alles aus!" murmelte er vor sich hin. „O, ich Thor, mich an diese Adresse zu wenden. Ver kehrteres hätte ich nicht thun können! Sie wußte offenbar von nichts, denn sonst wäre sie ja schon längst dahin geeilt, wo sie behauptete, das Geld be kommen zu können. Nun habe ich ihr erst die Augen geöffnet und nun schlägt sie Lärm und revoltirt das ganze Haus und wird schon den Bruder und die Nichte zu überreden wissen und ihnen jeden Gedanken an eine Heirath mit einem Bürgerlichen heraus schwatzen. Dieses stolze Weib, mit welchem Hoch- muthe sah sie aus mich nieder, als wenn ich ein ordinärer Proletarier wäre und nicht der Commer zienrath Brauer! Ja, nun ist alles aus! Wie schön war die Sache im Gange und wie hoffnungsreich ließ sie sich an. Jeden Abend war er da und Vater und Tochter waren gleich freundlich und zuvorkom mend gegen ihn! Ach, der arme Heinrich, wie sehr hat er sie geliebt uud wie unglücllich wird er jetzt werden!" Er war, allmählig immer lauter mit sich selbst redend, bis an den Fluß gelangt, in dessen Nähe ein chinesischer Pavillon stand. Mechanisch, fast ohne sich dessen recht bewußt zu werden, öffnete er die Thür des Pavillons und ließ sich in demselben auf eine niedrige gepolsterte Bank wie erschöpft nieder. „Der arme Heinrich," stieß er noch einmal hervor, „was soll jetzt mit ihm werden? Nun wird es viel leicht doch so kommen, daß die Katharina seine Frau wird! Es ist merkwürdig — früher, als meine Frau und ich und auch die Tante es als eine abgemachte Sache betrachteten, daß die beiden dermaleinst ein Paar werden würden, da war mir der Gedanke durch aus angenehm und wenn ich mir jetzt denke, es könnte so »verven — ist es mir doch gerade, als wenn mich so eine Art eifersüchtigen Gefühls beschliche. Bon dem Augenblicke an, wo Heinrich mir sagte, daß er die Katharina nicht liebe, daß er eine andere liebe und wo ich da sah, daß das Mädchen sich auch aus ihm nichts machte und infolge seines veränderten Wesens nur in seiner Gegenwart einen Trotzkopf aufstcckte, während sie seit einigen Tagen, wenn sie mit mir allein ist, von Liebenswürdigkeit überfließt, mich umarmt und küßt, was sie sonst nur an meinem Geburtstage und am Sylvesterabende gethan — von dem Augenblicke an betrachte ich sie mit ganz anderen Augen. Wenn sie die Arme um meinen Nacken schlingt, wenn ich ihre frischen Lippen auf meinen Wangen fühle, da überläuft es mich warm vom Kopfe bis zu den Zehen und eigenthümliche Wünsche steigen in mir auf. Und warum auch nicht? Bin ich nicht noch in meinen besten Jahren? Hat sie mir nicht sogar sehr viel Schönes über mein gutes Aussehen gesagt und ganz deutlich es ausgesprochen, daß ihr die etwas älteren Männer lieber sind, als die jungen? Hätte Heinrich sich mit der Gräfin vermählt, wer weiß, zu welchem Entschlüsse ich noch gekommen wäre! Doch nein, nein — ich hätte es dennoch nicht gethan, es wäre eine zu große Verwirrung in alle Verhält nisse gekommen! Und bekommt er die Aristokratin nicht, so mag er die Katharina nehmen, ich werde dann meine kleine Herzensanwandlung männiglich bcmeistcrn. Die beiden werden sich schon wieder ver stehen lernen, wie sic es früher gethan. Wäre ich jünger, ließe ich sie mir von keinein rauben. (Fortsetzung folgt.)