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ausging und man begründeten Verdacht hegte, daß er Terrainstudicn betreibe, erhielt er am II. Oktober den Ausweisungsbefehl. — Am württembergischen KönigShofe scheinen sich ungewöhnliche Ereignisse vorzubereiten. Die „Münch. N. N." besprechen m einem Leitartikel, der außerordentliches Aufsehen macht, die Zustände am Hofe zu Stuttgart. Drei Amerikaner, so heißt es in dem Münchener Blatte, beherrschen den Mo narchen vollkommen, sie haben mit spiritistischem und anderem tranSsccndentalen Spuk sein Gemüth ver düstert und führen ein verschwenderisches Leben auf Kosten der Hosschatulle. Der verderbliche Einfluß der Günstlinge des Monarchen, die schon geraume Zeit wirthschaften, sei derartig, daß die Aehnlichkeit mit den bayrischen Zuständen vor der tragischen Kata strophe von 1886 eine geradezu unheimlich frappante sei. — Oesterreich. Die Tschechen scheinen ihr lange und beharrlich «»gestrebtes Ziel erreichen zu sollen, nämlich daß sich der Kaiser Franz Joseph in Prag mit der böhmischen Wenzelskronc krönen lasse. Die Wiener „Extrapost" weiß zu melden, der Oberhofmeister habe bereits Weisung erhalten, die Akten über die letzte böhmische Königskrönung vorzu legen. Dieselbe fand am 7. September 1836 statt. — Rußland. Das wiederholt aufgetaucbtc Ge rücht, Czar Alexander werde Kaiser Wilhelm noch in diesem Jahre einen Gegenbesuch machen, erhält eine Bestätigung durch eine Petersburger Korre spondenz der „Kreuz-Ztg." welche berichtet: „Ich kann Ihnen nunmehr den Besuch Kaiser Alexanders in Berlin für Mitte November als ziemlich sicher in Aussicht stellen. Der Kaiser wünscht unter allen Um ständen dem am 1b. 'November zu feiernden 2bjährigen Regicrungsjubiläum des Königs von Dänemark bci- zuwohnen, und die Reise nach Kopenhagen wird zu dieser Jahreszeit schwerlich noch zur See angetreten werden können. Es kommt hinzu, daß man sich an Allerhöchster Stelle der Pflicht des Gegenbesuches in Berlin, der doch über kurz oder lang stattfiuden muß, natürlich bewußt ist, und daß man daher die bei der Kopenhagener Reise nothwcndige Berührung von Berlin zu dem beregten Besuche benutzen will. Die Kaiserreisc wird raher in hiesigen vertrauten Kreisen bereits lebhaft ventilirt, wenngleich die ganz Intimen sich noch völlig unwissend stellen. Doch hat dies nichts zu bedeuten, da die allernächste Umgebung der Allerhöchsten Herrschaften in Folge der hiesigen eigen- thümlichen Ueberwachungszustände die offizielle Mit theilung über Allerhöchste Reisen oft erst wenige Tage, ja Stunden vor dem Aufbruch selbst erhält." — In den letzten Tagen war wieder viel die Rede von russischen T r u p p e n v er s ch i e b - ungc » nach dem Westen, sogar das „Wiener Frem denblatt" glaubte diesen Vorgang aufs Reue beachten zu müssen. Die „Post" macht jedoch aufmerksam, daß diese Verschiebungen bereits im Frühjahr von Petersburg aus angekündigt wurden. Daß die rus sische Politik in diesem Augenblick sich mit den un mittelbaren Vorbereitungen einer kriegerischen Aktion nach dem Westen beschäftigen sollte, erscheine durch die europäische Gesammtlage völlig ausgeschlossen. Seit dem Besuch des deutschen Kaisers in Petersburg seien die Beziehungen mit dem russischen Hofe und mit der russischen Regierung fortdauernd gute und freundschaftliche geblieben. Man werde daher auch iin größeren Publikum gut thun, sich zur Zeit aller Besorgnisse zu erwehren, bei denen man nicht weiß, von wem und zu wessen Borthcil sie ausgestreut werden. — Die Niederlande bereiten sich zur festlichen Begehung eines nationalen Gedenktages vor, nämlich der 75. Wiederkehr des Tages, an welchem sie, den 17. November 1813, das Joch der französischen Gewaltherrschaft abschllttelten und ihre politische Selbstständigkeit zurückcrobcrten. In allen größeren Städten sind die bezüglichen Vorbereitungen schon im vollen Gange. Sächsische Nachrichten. — Dresden. Bei der Königlichen AltcrS- rcntenbank zu Dresden (Landhaus, König-Johann- straße) sind im vergangenen Vierteljahr 1524 Renten anwartschaften in einem Jahresbetrage von 85,402 Mk. erworben worden. Waren es hauptsächlich Alters renten, welche gekauft wurde», so ist doch auch den Zcitrenten Zuspruch zu Theil geworden. In der That ist für viele Lagen des Lebens die Erwerbung von nur auf einige Jahre laufenden Renten geradezu «in Bedürfniß. Abgesehen von der Zeit, in welcher die Kinder die Schule besuchen, und wo schon mancher Vater über hohe Kosten des Unterrichts und der Schulbücher klagt, denke man an die Jahre, wo viele Familien ihre Töchter in Pensionate und höhere Schulen, ihre Söhne auf Universitäten und Akademien schicken und letztere überdies noch auf eigne Kosten militärisch ausbilden lassen. In allen derartigen Fällen, wo größere Ausgaben auf wenige Jahre an die Familie hcrantreten, kann die Altersrcntenbank durch Auszahlung von Zeitrcnten das Beschaffen der Kosten sehr erleichtern. Zur Erwerbung von Zeit renten müssen die Einlagen mit Verzicht geschehen; die Renten selbst sind aber von hohem Betrage. Auf eine z. B. im ersten Kindcsalter gemachte ein malige Einlage von 100 Mk. zahlt die Altersrenten bank nach vollendetem 18. Jahre des Versicherten eine einmalige Jahresrcntc von 254 Mk. 19 Pf., oder 3 Jahre hindurch eine jährliche Rente von 88 Mk. 31 Pf. aus. — Leipzig. In Bezug auf den proMirten Festschmuck zu Ehre« der Anwesenheit des Kai sers und Königs Albert am Tage der Grund steinlegung zum ReichSgerichtSgebäudc verlautet: Dio Ausschmückung der Straßen wird derart erfolgen, daß vom Dresdner Bahnhof längs der ganzen Bahn hofstraße bis zum Grimmaischen Stcinwege, sodann aber vom PeterSthore bis zur Einfahrt des Fest- platzeS, also in allen Straßen der äußeren Stadt, welche Kaiser Wilhelm II. und König Albert auf ihrer Fahrt berühren, zu beiden Seiten des Weges große Flaggenmasten aufgestellt werden, welche unter sich durch Gnirlandenschmuck verbunden sind. In den von beiden Herrschern berührten Straßen der inner» Stadt werden sämmtliche Häuser gleichmäßig dccorirt. Auf dem Marktplatz werden gleichfalls Flaggenmasten ringsum aufgestellt, und durch ganz besondere Aus schmückung soll sich das Rathhaus auszeichnen. Ehren pforte», bestehend in Obelisken, welche zu beiden Seiten der Straßen ihren Platz finden, und die durch Guirlande» zu einer Pforte -verbunden werden, sollen aufgestellt werden am Dresdner Bahnhof, in der Bahnhofstraße lan der Einmündung der Schützen straße), api Grimmaischen Steinwege, am PeterSthore, an der Kleinen Burggassc und an der Carolabrücke. Auf dem Augnstusplatze, am Eingänge zur Grimma ischen Straße, wird dagegen ein großer Triumphbogen errichtet. — Chemnitz. Ein erschütternder NnglückSfall, der sich am Sonntag hier zugctragen, erregt weithin in den Kreisen unserer Bürgerschaft die lebhafteste nnd aufrichtigste Thcilnahme. Einer der geacbtetsten Aerzte unserer Stadt, Herr vr. mod. Eduard Weicker, fand durch denselben leider einen jähen Tod. Nm die Mittagsstunde von einem Krankenbesuch aus der Ostvorstadt zurückkehrend, nahte er eben mit seinem Gefährt dem den Gablcnzbacb nnd die Straße über brückenden Eisenbahnviadukt, als das Pferd plötzlich scheute und den Wagen nach der steilen Ufcrmauer des Baches drängte. Herr 0r. Weicker sprang, um sich zu retten, aus dem Wagen und unglücklicherweise in den Bach. Wagen und Pferd stürzten nach und verletzten ihn so schwer an Kopf und Brust, daß er, von hülfreichen Händen in ein nahes Haus gebracht, ohne wieder zum Bewußtsein gekommen zu sein, schon nach 10 Minuten dort verstarb. Herr vr. Weicker war ein Kind unserer Stadt, ein Sohn des seiner Zeit sehr beliebten und allgemein geschätzten lang jährige» Geistlichen an der alten St. Johanniökirche, Uax. Weicker. — Chemnitz. In einer Wohnung an der Schillerstraße fiel vor einigen Tagen Abends, während eine junge Dame an einer Nähmaschine nähte, die ans der Maschine stehende Petroleumlampe um, der Näherin auf den Schoß und explodirte. Hier durch gericthen deren Kleider in Brand. Beim Lö schen des Feuers hat sich die junge Dame derartige Brandwunden au den Händen und Armen zngezogen, daß sie sofort ärztliche Hülfe in Anspruch nehmen mußte. Durch das Feuer wurden außerdem noch ein Stück der Dielung und eine Zimmerthür beschädigt. — Franken berg. In den letzten Tagen hat der hiesige Rath zwei Verordnungen erlassen, welche einestheils die Aufstellung von Verkaufsauto maten und anderntheils die Veranstaltung von öffent lichen hypnotischen Vorstellungen verbieten und des halb ein weiteres Interesse haben. Das Verbot der öffentlichen hypnotischen Vorstellungen stützt sich auf eine erhaltene Verordnung und weist auf ein von dem königl. LandeSmcdizinalcollegium dem königl. Ministe rium des Innern erstattetes Gutachten hin, nach wel chem durch die Hypnotisirung für die diesem Vorgänge unterworfenen Personen in verschiedenen Richtungen Nachtheile und Gefahren, insbesondere auch erhebliche Gesuudheitsschädigungen erwachsen können. Betreffs der Verkaufsautomaten geht man sehr richtig davon aus, daß diese Art des Verkaufes eine arge sittliche Gefährdung der Jugend im Gefolge hat, indem die selbe ohne Kontrolc einer andern Person sich Näsch ereien rc. viel leichter verschaffen können, als in einem anständigen Verkaufsgcschäfte und zu der darin lie genden Lockung zum Vernaschen der Sparpfennige und des Arbeitslohnes, ja zum Diebstahle verleitet. Die bereits aufgestellten Verkaufsautomaten müssen wieder entfernt werden. Man kann nur wünschen, daß fick diesem energischen Vorgehen recht viele Ge meinden anschließen möchten. — In Eutritzsch geht man den Automaten inhabern dadurch zu Leibe, daß man sie zur Ein kommensteuer hcranzieht. Eine Reklamation der Ge brüder Stollwerck in Köln, welche die Heranziehung genannter Firma wegen der Aufstellung von Choko- ladenautomaten zur Einkommensteuer betraf, wurde vom Eutritzscher Gemeinderath mit großer Mehrheit zurückgewiesen. — Meuselwitz. In hiesiger Stadt hat sich dieser Tage gewissermaßen eine Auflösung des Stadtgemeinderathcs vollzogen, indem der vom Bürgermeister eingcbrachte Antrag, an das herzogliche Ministerium ein Gesuch zu richten behufs Anordnung einer 'Neuwahl sämmtlicher Stadtverordneten, im Stadtgemeinderathe mit 5 gegen 3 Stimmen ange nommen worden ist. Zur Charakterisirung der hier herrschenden Zustände sei nur erwähnt, daß zur vor letzten Sitzung deS Stadtgemeinderaths nur 4 — schreibe „vier" — Stadtverordnete erschienen, obwohl alle die Einladung zur Sitzung mittelst Rundschrei ben« erhalten hatten. Die Pflegekinder des Commerzienraths. Novelle von Carl Hartmann-Plön. (7. Fortsetzung.) Heinrich, dessen Gedanken nur allzu oft anderswo weilten und der dem allgemeinen Gespräche nur mit halbem Ohre zuhörtc, war auch in diesem Augenblicke mit seinen Gedanken nicht hier, sondern weit von diesem Orte entfernt. Er wanderte in einem herrlich angelegten Parke, neben ihm schritt eine schöne Dame, der Mond schien fast taghell durch die Wipfel der Bäume auf den Kiesweg. Das Gespräch hatte sich ans ernste Dinge gerichtet. Da wurde der Weg steiler und immer steiler. Er bot der Dame seinen Arm an und sie nahm ihn. Und als er nun in so unmittelbarer Nähe neben ihr einherschritt, den Druck ihres Armes fühlte, als ihre Schulter die seinige be rührte, da drang eine heiße Blutwelle bis in sein Herz und zum ersten Male ward es ihm zur unumstößlichen Gewißheit, daß das Interesse, welches er schon vom ersten Augenblicke an für sie empfunden, wirkliche, wahre Liebe sei. Er hatte während dieser Gedanken folge daher auch nichts von dem Zwiegespräch zwischen dem Onkel und Katharina verstanden. Er wurde aus seinen Träumereien erst wieder zurückgerufen, als die Tante ihm die Schüssel präscntirte und sagte: „Du mußt noch etwas essen, Heinrich, und meinem Gerichte Ehre anthun. Jck> habe die Enten selbst gemästet, gestern haben wir sie schon geschlachtet; daß Du in diesen Tagen kommen würdest und wahrschein lich mit dem Eilzuge, wußten wir ja, daher haben wir alles vorbereitet, damit Dein Lieblingsgericht dann auch rasch hergerichtet werden konnte." „Es schmeckt auch prächtig, Tante," erwiderte Heinrich, „und damit Du siehst, daß ich meinen Ap petit noch nicht verloren, nehme ich noch eine Portion." Heinrichs Appetit war in der That nicht groß, aber er aß mit Absicht etwas mehr, um nicht Fragen hcrvorzurufen, die er nicht beantworten mochte. Als das Frühstück zu Ende war, gingen Heinrich und der Commerzienrath in des Ersteren Zimmer, um dort eine Cigarre zu rauchen. „Ei, sieh einmal," rief der Commerzienrath aus, „Deine Thür ist bekränzt, das hat natürlich Katha rina gethan, ich sah sie vorhin im Garten die Blumen schneiden. Das scheint mir doch auf ein ganz beson deres Interesse für Dich hinzukeutcn." „Ein besonderes Interesse dürfte cS immerhin sein, nur müßte das wunderliche Ding in der Brust, das man Herz nennt, keine Rolle dabei spielen. Ick glaube auch nicht, daß Katharina je selbst auf den Gedanken gekommen sein sollte, meine Frau werden zu wollen." „Das liegt denn doch nahe genug, zumal da die Tante das "Necken nicht lassen kann und schon mehr mals gesagt hat: Sobald Du nur erst hier die Haus frau bist, dann reise ich zu meinen Kindern zurück. Auch weiß Katharina, daß es der Wunsch meiner Frau war, daß Ihr beiden ein Paar würdet. Also auf den Gedanken wird sie schon gekommen sein und Nein würde sie auch nicht sagen." „Aber .ob sie mich liebt, liebt wie ein Weib den Mann lieben muß, das ist doch sehr zweifelhaft. Die wirkliche Liebe ist stets eine Verrätherin an sich selbst: ein flüchtiges Wort, eine Bewegung, ein Erröthen entschleiert das liebliche Geheimniß und vor allen Dingen ist cs ein Blick, der es enthüllt." „Ein Blick? So ein Blick, der einem etwas heiß macht und einem durch die Augen in die Seele hinab fährt?" „So ähnlich, Onkel. Aber Käthe ist von jeher dieselbe geblieben, sie ist als erwachsenes Mädchen nicht anders, wie sie als Kind war. Sie ist mir freundschaftlich gesinnt, gewiß, aber noch nie habe ich das leiseste Zeichen bemerkt, daß sie mehr für mich fühle, als Freundschaft und das ist mir lieb, sehr lieb, so wird ihr Herz nicht brechen, wenn ich mich mit einer Anderen verlobe." „Ich habe Dir eine Kiste feiner Cigarren auf den Tisch gestellt, zünden wir uns eine davon an und dann, mein Junge, befriedige endlich meine Neugierde, meine Geduld ist erschöpft und ich ruhe nun nicht eher, als bis Du mir den Namen derjenigen genannt hast, mit der Du Dich möglicherweise verloben wirst." „Gleich, Onkel, — erst die Cigarre." Nachdem beide sich eine Cigarre angezündet und sich darauf auf das bequeme Kanapee niedergelassen, sagte Heinrich: „Von Verlobung ist vorläufig noch nicht die Rede. Ich bin weit entfernt zu glauben, daß ich bereits einen Eindruck gemacht hätte, der im Stande wäre, eingewurzelte Vorurtheile sogleich über den Haufen zu werfen, aber darin täusche ich mich doch wohl nicht, daß ich ein Interesse geweckt habe, welches, wenn eS genährt und gepflegt wird, zu einer wirklichen Liebe