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gegangen wird. Der letzte nnd der wichtigste Ab schnitt der Reise Kaiser Wilhelms ist jedenfalls der Aufenthalt in Rom, der wichtigste nicht wegen der unmittelbar politischen Ergebnisse, die davon zu er warten sind, sondern weil derselbe unzweifelhaft mächtig beitragen wird zu der Förderung der geistigen Ver bindung zwischen dem deutschen und dem italienischen Volke. Auch ist in Rom, wie von dort gemeldet wird, zwischen Ihren Majestäten dem Kaiser Wilhelm, dem König Humbert, dem Grafen Herbert Bismarck und Crispi der Besuch des Königs Humbert in Berlin besprochen worden. Der Kaiser soll zu Crispi beim Abschiede gesagt haben: Auf baldiges Wiedersehen in Berlin. — England. Ein mächtiger Rächer ist den Professoren Gerhardt und v. Bergmann erstanden in der „Times". Die Ehrenrettung der deutschen Aerzte, die das Weltblatt am 16. auf ungefähr acht Spalten durchführt, gehört zu seinen schönsten Leist ungen, nicht allein wegen der dieser Aufgabe inne wohnenden Gerechtigkeit, sondern auch wegen der maßvollen philosophischen und doch so eindringlichen und überzeugenden Form, in welcher es diese Rettung einkleidet. Sie fährt wie ein Blitzstrahl in den heitern Himmel Mackenzies, indem sie zum ersten Male den Wortlaut des amtlichen Berichts der deut schen Aerzte dem Mackenzieschen Buche gegenüberstellt und sich auf das Urtheil des englischen Lesers über Recht und Unrecht beruft. Sic beginnt mit einer Widerlegung der Charakteristik Gerhardt'«, von Berg- mann's und Tobold'S, wie sie Mackenzie auffaßte. Dabei führt sie besonders aus und weist cs scharf nach, daß die Beschuldigungen, welche Mackenzie auf die deutschen Aerzte häufte, gänzlich hinfällig seien, und bemerkt, daß Mackenzie sich des Rechtes begeben habe, sich über die Wegnahme seines Buches in Deutschland zu beklagen, da er doch selbst wirksame Maßregeln ergriffen, um den Umlauf des deutschen amtlichen Berichtes in England zu verhindern. Jeden falls würde es den deutschfreisinnigen Parteigängern Mackenzie's fortan unmöglich sein, den Mann, den sie einst in den Himmel gehoben, noch zu vertheid- igen, da man ihn jetzt in seinem eigenen Vaterlande fallen läßt. — Die „Times" spricht die Hoffnung aus, daß der deutsche Kaiser im nächsten Jahr das Geburts land seiner Mutter besuchen werde; jeder Zeit, wenn er komme, werde der Herrscher der großen Nation, welche Englands natürlicher Verbündeter und Verwandter sei, sicherlich auf ein herzliches Willkommen beim englischen Volke rechnen können. — Eine Madrider Depesche der „Jndependance belge" kündigt für Anfang 1889 den Besuch Kaiser Wilhelms an den Höfen Spaniens und Por tugals an. — Frankreich. Die „Nat.-Ztg." meldet aus Paris vom 20. Octbr.: Heute erschienen Karrikatur- blätter, namentlich „La Grelot", die bezüglich des Aufenthaltes des deutschen Kaisers in Rom Karrika- turen von so nnfläthigcr Gemeinheit enthalten, daß die Toleranz der Behörden, welche die öffentliche Ausstellung solcher Jnfamieen nicht verhindert, schwer begreiflich ist. Sächsische Nachrichten. — Dresden. Nach einem von dem König!. LandcSmedicinal-Collegium dem König!. Ministerium des Innern erstatteten Gutachten können durch die Hypnotisirung für die diesem Vorgänge unter worfenen Personen in verschiedenen Richtungen Nach theile und Gefahren, insbesondere auch erhebliche Ge- snndheitsschädignngen erwachsen. Ergangener Ver ordnung des König!. Ministeriums zufolge sind daher die Veranstaltungen öffentlich hypnotischer Vorstell ungen verboten. — Leipzig, 20. Oktober. Am gestrigen Abend fand im großen Saale der „Centralhalle" Hierselbst die 75jährigc Gedenkfeier der Schlacht bei Leipzig statt. Dieselbe war so zahlreich besucht, daß buchstäblich kein Apfel zur Erde konnte und zahlreiche Ankömmlinge mangels Platzes gezwungen waren, wieder umzukehrcn. Orchestcrvorträgc leiteten die Feier ein, worauf Oberbürgermeister Or. Georgi eine kurze, aber inhaltreichc Ansprache hielt, in welcher er zunächst des Geburtstages Sr. Maj. des Kaisers Friedrich in wehmutherfüllten Worten gedachte, und dann auf die Errichtung des Denkmals der Völkerschlacht bei Leipzig hinwies. Diese Angelegenheit soll nunmehr kräftigst gefördert werden und ist dazu bereits seitens zahl reicher Städte Deutschlands und Oesterreichs eine Unterstützung des Unternehmens zugesagt worden. Zn mächtigster patriotischer Begeisterung entflammte Professor Ui. Maurcnbrecher die Herzen aller An wesenden in seiner Festrede, indem er in schwung vollen Worten auf die großen geschichtlichen Vorgänge, deren Schauplatz Leipzig zu Beginn dieses Jahr hunderts war, hinwies und den Werdegang des Deutschen Reiches kennzeichnete. Unermeßlicher Jubel folgte seinen Worten und nur zu schnell hatte die große Feier, welche derjenigen beim 90. Geburtstage Sr. Maj. des Kaisers Wilhelm I. glich, ihr Ende erreicht. Eine weitere Correspondenz aus Leipzig unterm 19. d. besagt: Heute vor 75 Jahren vollzog sich der Schlußact des großen DramaS, welches für alle Zeiten in der Weltgeschichte unter dem Namen der Leipziger Völkerschlacht eingezeichnet ist. Aus Leipzig flüchtete der Franzosenkaiser 'Napoleon I. mit seinem geschlagenen, in wilder Auflösung begriffenen Heere und die Truppen der verbündeten Armeen, unter Führung der drei Monarchen, nahmen von der Stadt, die nun endlich von der bedrückenden Fremd herrschaft befreit war, Besitz. Die eigentliche Er innerung an die gewaltigen Kämpfe jener Tage ist denn auch in unserer Stadt stets am 19. Oktober begangen worden, und so wird cs auch heute, am 75. Gedenktag der Völkerschlacht, der Fall sein. Der heutige Tag ruft insbesondere auch die Erinnerung an die großartige Feier wach, deren Schauplatz vor 25 Jahren unsere Stadt war. Dieselbe bot an jenem Tage ein Bild dar, welches denen, die so glücklich waren, cs schauen zu können, unauslöschlich vor den Augen stehen wird. Namentlich der große Festzug nach der Anhöhe bei Stötteritz, wo der Grundstein zu dem Denkmale gelegt wurde, war ein eben so glänzendes, als zu tiefer patriotischer Rührung ver anlassendes Schauspiel, welches obendrein von einem Festwetter begünstigt wurde, wie es in unserer Zeit im Spätherbst nur selten angetroffen wird. Von denjenigen, die damals den Mittelpunkt der Feier bildeten, den als Ehrengäste der Stadt geladenen Veteranen und Mitkämpfern der Befreiungsschlacht, sind inzwischen fast Alle zur großen Armee abgegangen. Auch die beiden hervorragenden Bürger der Stadt, welche damals kraft ihrer markigen Bcredtsamkeit wahrhaft zündende, in alle deutschen Gaue hinaus dringende begeisterte Ansprachen hielten, die Herren Bürgermeister I)r. Koch und Stadtverordneten-Bor- steher Or. Joseph, haben längst die Augen ge schlossen, aber die Empfindungen der deutschen Volks seele, denen sie damals Ausdruck gaben, stellen sich als ein heiliges Vcrmächtniß dar, welches vom leben den und den kommenden Geschlechtern der deutschen Nation in Ehren gehalten werden wird. Mit pro phetischem Auge sah namentlich Leipzigs Bürgermeister die neue Zeit heranziehcn und cs dürftc, da nun endlich die Frage der Herstellung des Denkmals zur Erinnerung an die Leipziger Völkerschlacht in Erfolg verheißende Bahnen gelenkt ist, für Blanche von Interesse sein, zu lesen, wie die Wünsche des Bürger meisters Or. Koch lauteten, mit denen er seine Rede ausklingen ließ. Der Festredner sagte: Der erste Hammerschlag gilt dem Erwachen des deutsche» Volkes in seinem nationalen Bewußt sein; gilt allen Denen, welche dafür gekämpft, ge litten, geblutet haben! Der zweite Schlag gilt dem treuen Ansharren in der begonnenen Arbeit für die großen Endziele der deutschen Nation! Der dritte Schlag gilt dem endlichen Sieg des deutschen Volkes im Ringen nach nationaler Macht und Größe, Einheit und Freiheit des heiß geliebten deutschen Vaterlandes! Was in diesen Worten als das heiße Streben nnd die Sehnsucht deutscher Männer hingestellt wor den, es ist auf das herrlichste in Erfüllung gegangen, und heute am 75. Gedenktag der Leipziger Völker schlacht kann sich jeder Deutsche mit Stolz und Freude als Angehöriger seines deutschen Vaterlandes fühlen. Hoffentlich wird nun aber auch bald das Denkmal, dessen Grundstein am 19. Oktober 1863 gelegt wurde, als ein äußeres Mahnzeichen an die Hcldcnthaten unserer Vorfahren sich erheben und da mit eine Pflicht eingelöst werden, zu welcher sich in jener feierlichen Stunde die berufenen Vertreter des deutschen Bürgerthums bekannt haben. — Werdau. Freitag früh gegen 7 Uhr wurden die Bewohner der oberen Bismarckstraße durch eine gewaltige Detonation erschreckt. Als Grund derselben stellte sich heraus, daß ein dasiger Bewohner, welcher harmlos eine mit Wasser gefüllte kupferne Wärmflasche, jedoch ohne daß der auf derselben be findliche Schraubcnverschluß abgenommen worden war, in den unteren Raum des Ofens gestellt hatte, dabei nickt ahnend, daß die naturgemäß sich entwickelnden Dämpfe eine Explosion herbeiführen könnten. Die Explosion war so gewaltig, daß sie nicht nur die Wärmflasche total zertrümmerte, sondern auch der Ofen in sich einstürzte und die Eisentheile zersprangen. Auch die Möbels sind durch das umhcrgespritzte Wasser und die Rußtheile beschädigt worden. Be dauerlicher Weise liegt die Ehefrau des Betroffenen im dicht an die Wohnstube anstoßenden Schlafzimmer schwer krank darnieder, so daß sich jetzt noch nicht genau sagen läßt, ob die Folgen dieses Schreckes nicht noch eine Verschlimmerung der Krankheit ver anlassen werden. Trotz durch derartiges Gebahren wiederholt vorgekommener Unglücksfälle mangelt eS immer noch an der Vorsicht des Publikums, beim Anwärmcn von zu verschließenden Wärmflaschen in jedem Falle den Verschluß abzunehmen, daß die ent stehenden Dämpfe ungehindert entströmen können. — In Auerbach legte, wie die „Dr. Nachr." schreiben, Bürgermeister Eule auS Gesundheitsrück sichten sein Amt nieder. — Markneukirchen. Am vorigen Donnerstag erfolgte aus Anlaß deS gegen den verhafteten früheren Todtenbettmeister und die Heimbürgin entstandenen Verdachtes auf hiesigem Friedhöfe das Oeffnen einiger Gräber, sowie einer Gruft. Da sich hierbei jedoch nichts herauSstellte, was benannte Personen hätte be lasten können, so wurden dieselben wieder auS ihrer Haft entlassen. — Niederschlema, 18. Oktober. In dieser Woche wurde von frechen Dieben der Stall deS Bahn wärter- Brückner erbrochen und aus demselben eine Ziege gestohlen. Die Diebe haben unweit des That- orteS dicht an der Mulde das Thier geschlachtet. Die Pflegekinder des Commerzienraths. Novelle von Carl Hartmann-Plön. <S. Fortsetzung.) Heinrich erstaunte zwar über diesen ungewohnten Empfang, er that aber nichts, um ihn herzlicher zu gestalten, es war ihm ganz lieb, er wußte selbst nicht warum, daß er in diesem Angenblicke nicht nöthig hatte, zärtlicher zu sein. „Das Vergnügen wirst Du nicht lange genießen, Käthe," erwiderte er, „denn ich ziehe nachher sogleich die Uniform aus. Aber mit Dir," fuhr er fort, „ist irgend eine Veränderung vorgegangen, ich weiß nur nicht, worin sie besteht. Ich glaube, Du bist größer geworden." „Findest Du?" sagte sie in demselben seltsamen, etwas schroff klingenden Tone und fügte sogleich hinzu: „Mir kommt es so vor, als wenn Du — kleiner ge worden wärest." „Gott bewahre!" rief der Commcrzienrath, „was sollte er wohl! Heinrich ist mir noch nie so lang und schlank erschienen, wie in diesem bunten Rocke!" „Diese bunten Lappen, mit allem, was daran hängt, machen jeden kleiner," versetzte sie so bestimmt, als wäre es eine unumstößliche Thatsachc. „Da bist Du aber im Jrrthum," entgegnete der Commcrzienrath. „Aber, Katharinchen, was ist nur mit Dir? Ist Dir irgenv etwas Unangenehmes widerfahren? Du machst ein Gesicht — Himmel, Du kommst gewiß aus der Küche, das Ragout ist doch nicht verbrannt?" Tante Sophie sprach dies und wollte sogleich zur Thür hinauseilen. „Ich war nicht in der Küche, sondern auf meinem Zimmer," sagte Katharina. Das junge Mädchen fühlte selbst, daß ihr Wesen auffällig erscheinen mußte. Waren vorhin durch einen plötzlichen Gedanken festbegründete Hoffnungen auf eine glänzende Zukunft in ihr wankend geworden, so durfte 'Niemand ahnen, daß sie solche je gehegt. Sie änderte daher ihr Benehmen und rief, indem sie da bei laut und ungezwungen wie sonst lachte: „Nein, nein, Heinrich, in dieser Maskerade flößt Du mir zu großen Rcspeckt ein, daß ich fast verlegen werde: ich niag überhaupt keine Uniformen und es ist mir gerade, als wenn nicht Du, sondern ein Anderer in der Dei nen steckte." Sie reichte ihm noch einmal die Hand und, einen Knix machend, fuhr sie fort: „Aber ich will versuchen, den Respekt und die Ehrfurcht zu überwinden." Die Magd wurde in der Thür, die zum Neben zimmer führte, sichtbar und sagte: „Wenn es den Herrschaften gefällig ist, das Essen ist fertig." Man setzte sich gleich darauf zu Tische und der durch Tante Sophie eingeführte humoristische Ton belebte bald in alter Weise die Unterhaltung. Katha- > rina war fast ausgelassen, lachte viel und veranlaßte Heinrich durch immer neue Fragen zunächst von den Manöver» und dann von seinem Aufenthalte in Ham burg so viel wie möglich zu erzählen. Daß er wäh rend seiner Einberufungszeit größtentheils auf dem Gute deS Grafen Hohenfels einquartiert gewesen sei, erwähnte er zwar, schilderte auch das vornehme Leben daselbst und berichtete von einigen glänzenden Festen, die der Graf den Offizieren gegeben, berührte aber mit keinem Worte, daß letzterer mit dem Grafen Waldsee sehr nahe verwandt und daß dessen Tochter und dessen Schwester, die Gräfin Scheck, dort zum Besuche gewesen waren und er dieselben kennen ge lernt habe. Nachdem die Austern verzehrt und Tante Sophie und Katharina hinausgegangen waren, um das Cnten- ragout anzurichten, sagte Heinrich: „Hast Du Dich erkundigt, Onkel, ob die Villa der Generalin v. Rauscher noch zu kaufen ist?" „Damit ist es nichts — ich ging sogleich nach Empfang Deines Briefes zu der Exzellenz, aber sie sagte mir, sie habe den Plan, nach Berlin überzu siedeln, wieder aufgegeben und wolle in dieser Stadt bleiben. Aber weißt Du, welche andere Villa zu haben ist? Die Villa des verdufteten sogenannten Eisenbahnkönigs, des großen Schwindelmeiers, der, als die Gründerzeit vorüber war, einen so entsetzlichen Konkurs machte! Die Villa stand auf den Namen der Frau geschrieben und konnte ihr nicht genommen werden. Jetzt will die Wittwe dieselbe verkaufen und fordert zweimalhunderttausend Mark." „DaS ist ja ein ungeheurer Preis." „Ich finde ihn nicht zu hoch, eS ist ja gar keine Villa, cs ist ein komplettes Schloß und dieser große Garten dabei! Die Villa des Grafen Waldsee macht sich daneben klein und winzig."