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Amts- und Anzeigeblatt für den Erscheint « Abonnement -ZLSZ SM des Amtsgerichts LümM» LE-L sertionspreis: die kleinsp. ten, sowie bei allen Reichs- Z il° 10 Pf und dessen Umgebung. Postanstal en M 118. Verantwortlicher Redacteur: E. Hannebohn in Eibenstock. 35. Aahrgan«. Sonnabend, den 6. Oktober 1888. Kaiser Wilhelm in Wien. Nach seinem von Begeisterung der süddeutschen Stämme getragenen Besuch an den Höfen von Stutt gart, in der Mainau und in München ist Kaiser Wilhelm am Mittwoch in Wien eingetroffcu. Der hohen Stellung des Monarchen entsprechend war der Empfang überall ein prunkvoller, aber darüber hinaus war er ciu überaus sympathischer, und dies galt der Person des jungen Herrschers, welcher in sich die Einigkeit und die dadurch bedingte Stärke des ge summten deutschen Vaterlandes verkörpert. Der Besuch in Wien hat unleugbar eine« großen politischen Zweck. Nicht etwa, daß neue Abmachungen zwischen den beiden benachbarten und befreundeten Großmächten getroffen zu werden brauchten; das seit länger als einem Jahrzehnt bestehende deutsch-öster reichische Bündniß hat noch seine alte Kraft und der Hingang der beiden Kaiser Wilhelm I. und Fried rich III. hat daran nichts geändert. Deutschland und Oesterreich sind in ihren politischen Interessen auf einander angewiesen, und diese gegenseitige Hilfs- nothwcndigkeit anerkannt und ihr auch nach außen hin Anerkennung verschafft zu haben, ist eines der hauptsächlichsten diplomatischen Verdienste des Reichs kanzlers nach der Aufrichtung des Deutschen Reiches. Der Freundschaft seines österreich-ungarischen und seines italienischen Verbündeten gewiß, hat Kaiser Wilhelm bald nach seiner Thronbesteigung zuerst dem Czaren eiuen Besuch gemacht. In den unseren Erd- theil bewegenden Fragen, besonders in der bulgar ischen, hat dieser Besuch keine Aenderung gebracht; immer mehr und mehr erkennt man, daß dies auch gar nicht der Zweck der Kaiserfahrt nach Petersburg war. Dieser Zweck kann vielmehr nur darin erblickt werden, das persönlich freundschaftliche Berhältniß, welches zwischen dem Czaren und den beiden ersten deutschen Kaisern bestand, auch auf den jetzigen deut schen Kaiser zu übertragen, und dieser Zweck wurde erreicht. Der Czar weiß die Bevorzugung wohl zu schätzen, die darin lag, daß ihm der deutsche Kaiser zuerst und den ersten Besuch machte. Kaiser Wilhelm handelte darin genau nach den Intentionen seines Großvaters, der ihm noch in der Todesstunde die Aufrechterhaltung guter Beziehungen zum Czaren empfahl. Und nun ist der junge Monarch in Wien, beim Kaiser Franz Joseph, der sich seit einer langen Reihe von Jahren alljährlich bei dem greisen Kaiser Wilhelm, wenn derselbe Stärkung in der Gebirgsluft und den Wassern von Gastein suchte, einfand, mit ihm freund nachbarliche Grüße austauschte und der deutsch-öster reichischen politischen Freundschaft auch persönlichen Ausdruck gab. Verschwunden ist in Oesterreich seit langem aller Groll, der sich noch aus der Zeit vom- 1866 hcrschrieb. Oesterreich ist auf sich selbst gestellt worden und hat seine Zukunft nach einer anderen Richtung hin, als cs diejenige ist, welche die deutschen Interessen störend beeinflussen mußte. Offen und ehrlich, mit aller Herzlichkeit umfingen sich die beiden Kaiser und tauschten damit im Geiste den Gruß ihrer Völker aus. Es ist dies eine Zusammenkunft von Mächtigen dieser Erde, bei welcher nicht gegen dritte konspirirt wird, sondern in Wirklichkeit kon- spirirt zu gunsten des Friedens. Aufrechterhaltung der bestehendeit Machtverhältnisfe und Grenzen — Aufrechterhaltung des die Volkswohlfahrt begründen den und fördernden Friedens — das ist die Devise des Friedensbundes, der Deutschland, Oesterreich- Ungarn und Italien umschließt. Bündnisse, die auf den möglichen Kriegsfall be rechnet sind, erfüllen nur dann ihren Zweck, wenn alle Vertragschließenden überzeugt sein können, daß der andere Part im Nothfalle auch ganz und voll seinen Verpflichtungen nachkommt. Also nicht darin liegt der Schwerpunkt, daß durch den kurz auseinander folgenden doppelten Regierungswechsel in Berlin an dem Bestand des FriedcnSvertrages nichts geändert wird, sondern wesentlich darin, daß Oesterreich-UngarnS Herrscher und Volk überzeugt sein können, auch Kaiser Wilhelm II. werde, wie sein Großvater, unter welchem der Vcrtragsschluß erfolgte, im Ernstfälle die volle Geltung des Vertrages anerkennen. Kaiser Wilhelm II. hat sich den Ruf der Mäßig ung, aber auch den der Energie und Entschlossenheit zu verschaffen gewußt. Viele Leute glaubten, daß der Tod Kaiser Wilhelms I. und Friedrichs III. das Signal für das Ausbrcchcn eines neuen Krieges bilden würde. Aber ganz das Gegentheil ist eiuge- trcten. Niemals seit siebzehn Jahren hingen die Segel der Feinde Deutschlands so schlaff herab, wie in diesem Momente. Die Reise Kaiser Wilhelms nach Petersburg hat offenbar eine beruhigende Wirk ung auf die Politik Rußlands geübt, eine Wirkung, die auf keinerlei politischem Zugeständniß beruht, also nur durch die Persönlichkeit des jungen Kaisers her- vorgcrufen sein konnte. Die Ocsterreicher aber braucht der kühne Sinn des jungen Kaisers nicht besorgt zu machen. Kaiser Wilhelm ist nicht der Mann, welcher seine Alliirten in der Stunde der Gefahr im Stich läßt, wohl aber scheint er vom Schicksal berufen zu sein, die großen Zwecke der Friedens-Liga der Erfüll ung entgegenzuführcn. Tagesgerichte. — Deutschland. Eine neue Eisenbahn vorlage soll nach der „B. B.-Ztg." dem nächsten Reichstag vorgelegt werden, in welcher im strategischen Interesse die Legung zweiter Geleise gefordert werde. Insbesondere scheine das Augenmerk darauf gerichtet, nach und nach alle bedeutenderen Flußllbergänge mit zwei Geleisen zu versehe». — Gerüchtweise wird gemeldet, daß die Verwand ten Geffken's gegen diesen das Entmündigungsver fahren wegen Geistesgestörtheit beantragen sollen. Geffken war bereits früher in einer Heilanstalt ge wesen, und in seiner Familie kamen mehrere Fälle von Geistesstörung vor, doch hat ein solcher Schritt der Angehörigen wenig Aussicht auf Erfolg, zumal im Oktoberheft der „Deutschen Rundschau" gleich zeitig mit dem Tagebuch ein Aufsatz aus Geffken's Feder über „das englische Oberhaus" erschien, welcher von den «»geschwächten geistigen Kräften Geffken's Zeugniß ablegt. — Wie vor einigen Jahren höhere Offiziere aller Waffengattungen nach der Türkei beurlaubt wurde», um die Armee dieses Staates »ach preußischem Muster zu organisiren, so ist jetzt an die zuständigen Militär behörden seitens der hohen Pforte ein ähnliches An suchen gerichtet worden. Es soll nämlich aus unserem Heere eine Anzahl von Unteroffizieren der Türkei zur Verfügung gestellt werden, welche als Exerziermeistcr und Instrukteure dahin wirken sollen, auch in der türkischen Armee preußische Disziplin und Strammheit einzuführen. Die deutsche Regier ung ist bereitwillig auf den Wunsch eingegangen. — München, 4. Oktober. Das „Militärver ordnungsblatt" enthält die von dem Prinzregenten genehmigte Einführung des neuen Exerzierregle ments für die Infanterie der bayrischen Armee mit der Anordnung, daß bis zum 15. Oktober 1890 die Berichte der Generalkommandos und des General stabschefs über die mit dem neuen Reglement gemach ten Erfahrungen bei dem Kriegsministerium einzu reichen sind. — Oesterreich. Wien, 3. Oktober. Von mächtigen Blästen und von den Giebeln der Häuser wehen heute Wimpel in den deutschen und österreich ischen -Reichsfarben ihre Grüße dem cinfahrcndcn Kaiser des Deutschen Reiches, Sr. Maj. Kaiser Wilhelm II., entgegen. Die mit festlicher Zier be kleideten Paläste und Häuser besagen, daß Wien einen Feiertag begeht und innerhalb dieser von Fahnen und Blumen gebildeten Umrahmung stand vom früh esten Morgen an eine vieltausendköpfige Menge, heiter angeregt und erwartungsvoll, und bot ein lebensvolles, farbenprächtiges Bild. Zu früher Stunde schon war dieses lebendige Spalier gebildet, in erster Reihe von Ehrenabtheilungcn verschiedener Waffengattungen der Wiener Garnison. Der reichgeschmücktc Wcstbahnhof war für das große Publikum abgeschlossen und nur für den Hof, dessen Gefolge, die Staatswllrdenträger und alle anderen zum persönlichen Empfange des deutschen Kaisers bestimmten Persönlichkeiten reservirt. Als der kaiserliche Sonderzug gegen 9 Uhr Borm. iin Wcstbahnhofe anlangte, eilte Kaiser Franz Josef sofort auf de» Hofioage» zu, auf dessen Tritt schon Kaiser Wilhelm stand. Mit besonderer Lebhaftigkeit umarmten und küßten sich die kaiserlichen Freunde; daun küßte der deutsche Kaiser auch de» österreich ischen Kronprinzen (mit dem er bekanntlich seit Jah ren persönlich eng befreundet ist) und die Erzherzöge Ludwig und Albrecht. Die gemeinschaftliche Fahrt nach der Hofburg erfolgte unter stürmischem Jubel der Bevölkerung. — Die Wiener Zeitungen begrüßen den kaiserlichen Gast in der sympathischsten Weise. Die „Nene Freie Presse" sagt: „Rückhaltslos ist in Oesterreich-Ungarn die Befriedigung, daß Kaiser Wil- helm'ö Enkel für die ungeschmälerte Fortdauer der deutsch-österreichischen Beziehungen Zeugniß ablegt, indem er, noch nicht volle vier Monate im Besitze der Krone, deni Kaiser Franz Josef in dessen Haupt stadt seinen Besuch abstattet. Die „Presse" erklärt: „Die Sympathien, welche Kaiser Wilhelm bewillkomm nen, entsprechen der Aufrichtigkeit der Gesinnungen, welche der erlauchte Gast nach Wien mitbringt." Die „Deutsche Zeitung" schreibt: „Wie schwer auch die Bcdrängniß der Gegenwart auf uus laste?, aus den Verstimmungen unserer inneren Kämpfe heraus jubeln wir dem erlauchten Gaste des Kaisers Franz Josef entgegen, und dieser Jubel ist zugleich ein Zoll huldigenden Dankes für unseren Monarchen, dessen geschichtliches Verdienst es ist, die Freundschaftshand, die Deutschland ihm dargeboten, warmherzig ergriffen zu haben und in unwandelbarer Treue festzuhalten." Alle ungarischen Blätter begrüßen den Besuch Sr. Maj. des Kaisers Wilhelm als eine» Beweis der Kontinuität und Neubckräftigung des deutsch-öster reichischen Bündnisses. Der „Pester Lloyd" betont, der Besuch des Kaisers Wilhelm, des Trägers des großen Vermächtnisses seiner großen Vorgänger, deute die neue Sanktionirung dieses Bundes an; die un garische 'Nation schließe sich ans vollem Herzen den Kundgebungen der Verehrung und Sympathie an, welche dem jugendlichen Herrscher als Friedensfürsten und Verbündeten überall dargebracht werden. „Uns beseelt, so schreibt das Blatt weiter, „die Ueberzcug- ung, das Deutsche Reich und Oesterreich-Ungarn wer den in Tagen der Prüfung einig und unzertrennlich sein in der Vcrtheidigung gegen jede Gefahr". — Frankreich. Wie sich die Veröffentlichung des Tagebuchs Kaiser Friedrichs in der französischen Presse widerspiegelt, zeigt folgende Acußer- ung der „Rep. fr.": „Betrachten wir die Angelegen heit vom Standpunkte der deutschen und namentlich der preußischen Staatsmänner, so kann man unmög lich Herrn v. Bismarck unrecht geben, nicht wenn er die Echtheit der Aufzeichnungen bestreitet, sondern wenn er aus unwiderlegbaren Gründen urtheilt, die verfrühte Veröffentlichung des indiskreten Tagebuchs des seligen Kaisers sei ganz und gar unpassend. Man versichert, die Kaiserin Viktoria wehre sich heftig gegen den Verdacht, als könnte sie die Hand zu dieser Ver öffentlichung geboten haben. Wir wollen dies gern glauben. Abgesehen davon, daß die Gestalt ihres Mannes nicht wächst in diesen Aufzeichnungen, welche mehr an die Schreibcwuth der koburgischen Fürsten, als an die rauhe Art der Hohenzollern erinnern, könnte sich doch die Wittwe und Mutter eines deut schen Kaisers unmöglich Glück wünschen zu der mehr als ungewohnten, in einem gemeinen Buchhandel- Interesse vorgenommcnen Bekanntmachung wahrer Staatsgeheimnisse." Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 5. October. In der heute statt gehabten Sitzung des hiesigen Kirchenvorstandes wurde der Pfarrvikar Herr Friedrich Hugo Fischer aus Mittelsaida einstimmig zum hiesigen DiaconuS gewählt. — Zwickau, 4. Oktober. Vorgestern traf der neugcwählte DiaconuS Schultze auö Eibenstock hier ein. In seiner Amtswohnung erwarteten ihn die Mit-