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— Bezüglich des Tagebuchs Kaiser Fried richs ist die „Nordd. Allgem. Ztg." zu der Erklärung ermächtigt worden, daß die Veröffentlichung ohne Vor wissen Kaiser Wilhelm II. erfolgt sei. Der Text des angeblichen Tagebuchs enthalte so starke chronologische und thatsächliche Jrrthümer, daß die Echtheit bezwei felt werden muß. — Auch Fürst Bismarck hat nach einer Meldung des Wölfischen Bureaus auf Anfragen erklärt, daß er das Tagebuch für apokryph halte. Die „Post" weist ferner aus der von der „Deutschen Rundschau" gegebenen redaktionellen Einleitung nach, daß auch die Kaiserin Friedrich der Veröffentlichung sernstche. — Wer die Gewohnheiten des Fürsten Bis marck kennt, wird kaum darüber im Zweifel sein, daß der Reichskanzler mit der publizirten Erklärung zu der Veröffentlichung der „angeblich" vom Kaiser Friedrich herrührenden Tagebuchaufzeichnungcn das letzte Wort noch nicht gesprochen hat. Vielmehr ist cs nicht unwahrscheinlich, daß der Reichskanzler nun mehr vom Kaiser die Genehmigung erbittet, diejenigen Aktenstücke veröffentlichen zu dürfen, welche sich auf die Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches beziehen, um an der Hand derselben den Nachweis für die „starken chronologischen und tatsächlichen Jrrthümer" der „angeblichen" kronprinzlichcn Aufzeichnungen zu führen. — Die „Neue Freie Presse" findet, wie der „Post" aus Wien telegraphirt wird, daß weder vom Stand punkt des geeinigten Deutschlands, noch von dem jenigen des Verdienstes, welches den an dem Einig ungswerk betheiligten Feldherren und Staatsmännern zukommt, das Zeugniß des veröffentlichten Tagebuches des hochsclige» Kaisers Friedrich zu fürchten wäre. Die staatsmännischen Eigenschaften des Reichskanzlers zumal seien vielleicht niemals glänz ender beleuchtet worden, als durch diese Aufzeich nungen, welche wiederholt die ruhige Besonnenheit BiSmarck's im Kampfe mit dem jugendlichen Stürmen und Drängen des Kronprinzen erscheinen lassen, nicht zum Nachtheilc des Reichskanzlers, zu dessen größten Vorzügen es gehört, daß er auch durch den höchsten Erfolg sich niemals hat berauschen oder zu einer Un besonnenheit hinreißen lassen. — Frankreich. Gelegentlich der Enthüllung des Denkmals des Kapitän Vogel, welcher im Jahre 1870 bei der Verthcidignng der Citadelle von Amiens fiel, hielt Goblet auf dem dortigen Kirchhof am Denkmal eine bemerkenswerthe Rede. Er sagte u. A., daß lediglich die inneren Zwiespalte cs seien, welche die Schwäche Frankreichs ausmachc» und cs verhindern, den Rang wieder zurllckzucrobern, welcher ihm gebühre. „Wenn wir uns ernsthaft um die Fahne des Vaterlandes und um die Regierung schaaren, welche uns zn schützen vermag, so wird Frankreich von 'Neuem groß und mächtig in der Welt sein, ohne zu de» Waffe» Zuflucht nehmen zu müssen." Goblet schloß seine Rede: „Wir sind nicht gekommen, um hier Worte des Hasses und der Rache auszusprechen, sondern nur pietätvoll eines Helden des Vaterlandes zu gedenken und blicken mit fester Zuversicht in die Zukunft." — Der Tod des Marschall Bazaine hat von neuem den Haß gegen den Kapitulanten von Metz zum Ausbruch gebracht. Alle Blätter fluchen ihm ins Grab nach und sprechen die Hoffnung aus, daß kein Franzose seinem Begräbniß beiwohnen werde. — Belgien. Zur Erhöhung der Wehr kraft werden in Belgien gegenwärtig ernsthafte Maß nahmen getroffen. Das Land besitzt zur Wahrung der nationalen Unabhängigkeit und zur Integrität seines Territoriums, wie zur Aufrechterhaltung der Ordnung die Bürgerwehr, die Oarcie eiviczuo. Sie besteht in allen Städten, die mehr als 10,000 Einwohner zählen oder befestigt sind, ihr gehören alle Bürger von 21 bis 50 Jahre», die nach Feststellung der Gemeinderäthe sich selbst einkleiden können, an, und jährlich finden 8 Hebungen statt. Locale und sächsische Nachrichten. — Schönheide, 25. Septbr. Se. Majestät der König haben allergnädigst geruht, Herrn Kauf mann Hans Albin Mahnung in Schönheide in Anerkennung seiner langjährigen und treuen Dienst leistung in dem Geschäfte der Firma Adam Oschatz sel. Sohn und der ersprießlichen Thätigkeit in öffent lichen Aemter» das Ritterkreuz des AlbrechtS- ordeuS 2. Klasse zu verleihen. Dasselbe wurde am 24. d. M. im Sitzungssaale des hiesigen Rath hauses von Herrn Amtshauptmann Obcrregierungs- rath Freiherrn von Wirsing im Beisein des Ge- meindcvorstandes, der drei Gcmeiudeältesten, des Orts pfarrers sowie der Inhaber der genannten Firma feierlichst überreicht. — Am 22. ds. Mts. ist, wie die „Auerb. Ztg." schreibt, der Waldarbeiter Karl Heinrich Gerisch in Rautenkranz von seinem Arbeitsorte (Abtb. 23 des dasigen Forstreviers) nicht wieder zurückgckehrt. Die über den Verbleib desselben bis jetzt angestellten Erörterungen waren erfolglos. G. soll an dem ge dachten Tage Abends 6 Uhr noch auf dem Schön- hcider Bahnhofe gesehen worden sein. Der Genannte ist 62 Jahre alt, kleiner Statur, bartlos, sehr schwer hörig, bekleidet mit gestrickter blauer Jacke, melirter Stoffwcste, blauer Lcinwandschürzc, brauner Hose, trägt blau und gelbzedrucktcs Halstuch und eine alte Soldatenmütze. Im BctretungSfalle wird nm umgeh ende Benachrichtigung des Gemeindevorstandes gebeten. — Dresden. Se. Maj. König Albert trifft in Wien am 4. Oktober ein; am 5. findet beim Kaiser Franz Joseph zu Ehren des deutschen Kaisers und des Königs von Sachsen eine große Galatafel statt. Abends erfolgt die Abreise der drei Majestäten zur Hochwildjagd nach Steiermark. — Dresden. Als am Donnerstag ein vier zehnjähriger Knabe in der Güterbahnhofstraße an einem Stangengerüste, auf welchem Maurer arbeiteten, vorüberging, wurde ihm Kalk in das rechte Auge gespritzt. Hierdurch ist bei dem Knaben eine Ver brennung der Hornhaut eingctretcn, die zur Erblindung des verletzten Auges führen wird. Gegen die Manrer, denen mindestens eine große Unvorsichtigkeit zur Last fällt, ist die Untersuchung eingelcitct worden. — Leipzig. Gelegentlich der vor einiger Zeit hier abgehaltencn sogenannten Ringkämpfe war eS zu Ausschreitungen und Ucbcrtreibungen aller Art gekommen, sodaß jeder Vernünftige erstaunt sein mußte über den Anthcil, den das Publikum an diesen Kraftmessungen nahm. Um nun allein Unfug, der mit letzteren verbunden gewesen ist, zu steuern, hat der Rath der Stadt Leipzig die „Ringkämpfe" verboten. — Plauen. Unvorsichtiges Gebühren mit einer blinden Patrone fürs Magazingewehr hat einem zwölfjährigen Knaben aus Thcuma großen Schaden gebracht. Der Knabe stellte die von ihm auf einem Manövcrfeldc gefundene Patrone auf die Erde und schlug ans dieselbe mit einem Hammer. Es hatte dies zur Folge, daß die die Pulvcrladung umgebende Hülse explodirte und den Knaben an den Händen mehr oder weniger schwer verletzte. Es wurden vom Zeigefinger der linken Hand das Fleisch mitsammt dem Nagel bis über das erste Glied hinauf glatt abgeschält, so daß der Finger um l'/, Glied hat ge kürzt werden müssen (ob es dabei bleibt, ist noch nicht zu behaupten), der Daumen dieser Hand arg zerrissen, desgleichen auch die beiden letzten Finger der rechten Hand nicht unerheblich beschädigt. — In einem Vororte von Zwickau sind kürz lich sämmtlichc 200 Mitglieder eines Konsum vereins, der zn Anfang d. I. neue Actien aus gegeben und dabei versäumt hatte, den Anforderungen des Stcmpelsteuergesetzes nachzukommen mit je 25 M. Geldstrafe belegt worden. lieber den Vereinsvorstand wurde außerdem eine Strafe in Höhe von 2000 Mk. verhängt. Das Berschen kostet also den Vereinsmit gliedern in Summa nicht weniger als 7000 Mk. — Die als des Mordes an dem l)r. mecl. Schi eck aus Döbeln verdächtig verhafteten Schäfer Kuhn aus Tartsch und Schöpf haben im Verhör bis her angegeben, der Fremde sei in der That einige Stunden bei ihnen auf der Alpe gewesen, habe sich bei ihnen ein Gewehr ausgeliehcn, um am dortigen See auf Enten zu jagen, und habe später, nachdem er das Gewehr wieder zurückgebracht hatte, seine Reise fortgesetzt. Nach einigen Tagen hätten sie ihn todt gefunden; die Leiche habe mit beiden Händen den Bädecker vor den Mund gehalten, aus dem bereits die Würmer hervorgekrochen seien. — Das jetzige „Honneur" der Schildwachen vor Offizieren wird nach Einführung des neuen Reglements nicht mehr erwiesen werden, da der Griff „Anfassen" völlig in Wegfall kommt. Die Posten stehen fortan vor Offizieren vom Hauptmann abwärts mit „Gewehr übe?' still, während sic vor Stabsoffizieren nach wie vor präsentircn. Auf den Wachen selbst wird ebenfalls mit „Gewehr über" rangirt und dies Honneur auch geschlossenen, unter Führung von Offizieren vorbeimarschirendcn Ab- thcilungen erwiesen werden. Im klebrigen bleiben die militärischen Ehrenbezeigungen unverändert. — Jeder zur Entlassung kommende Sol dat muß vor der Entlassung über Anmeldung von Versorgungs-Ansprüchen belehrt und cvent. daraufhin ärztlich untersucht werden. Trotzdem aber hat der selbe das Recht, innerhalb sechs Monaten, vom Tage der Entlassung »»gerechnet, auf Grund einer während der aktiven Dienstzeit (Hebungen inbegriffen) erlitte nen Dienstbeschädigung bei dem Bezirks-Feldwebel etwaige Versorgungsansprüche anznmelden. Der Be- zirksfcldwebel hat über den erhobenen Anspruch in jedem Falle ein Protokoll aufzunchmen. Etwaige Beweisstücke sind mit zur Stelle zu bringen. Alle späteren Gesuche um Gewährung von Jnvaliden-Be- nefizien sind, als verspätet angebracht, grundsätzlich abzuweiscn. — Am 1. Oktober tritt das Gesetz über den Bleigehalt in Geschirren und Flüssigkeits maßen in Kraft. Die Hauptparagraphcn lauten: 8 l. Eß-, Trink- und Kochgeschirre dürfen nicht 1) ganz oder theilweise aus Blei oder einer in 100 Ge- wichtStheilen mehr als 10 Gewichtstheile Blei ent haltenden Metalllegirung hcrgestellt, 2) an der In nenseite mit einer in 100 GewichtStheilen mehr al« einen GewichtStheil Blei enthaltenden Metalllcgir- ung verzinnt, oder mit einer in 100 GewichtStheilen mehr al« 10 Gewichtstheile Blei enthaltenden Me talllegirung gelöthet, 3) mit Email oder Glasur ver sehen sein, welche bei halbstündigem Kochen mit einem in 100 Gewichtstheile« 4 Gewichtstheile Essigsäure enthaltenden Essig Blei an den letzteren abgeben. Auf Geschirre und Flüssigkeitsmaße aus bleifreiem Britania-Metall findet die Vorschrift in Ziffer 2 be treffs des LotheS nicht Anwendung. Zur Herstell ung von Druckvorrichtungen zum Ausschank von Bier, sowie von Siphons für kohlensäurehaltige Ge tränke und von Metalltheilen für Kindersaugflaschen dürfen nur Metalllegirungen verwendet werten, welche in 100 GewichtStheilen nicht mehr als einen GewichtStheil Blei enthalten. 8 2. Zur Herstellung von Mundstücken für Saugflaschen, Saugringen und Warzenhlltchen darf blei- oder zinkhaltiger Kautschuk nicht verwendet sein. Zur Herstellung von Trink bechern und Spielwaaren, mit Ausnahme der massiven Bälle, darf bleihaltiger Kautschuk nicht verwendet sein. Zu Leitungen für Bier, Wein oder Essig dürfen bleihaltige Kautschukschläuche nicht verwendet werden. 8 3. Geschirre und Gefäße zur Verfertigung von Getränken und Fruchtsäften dürfen in denjenigen Theilen, welche bei dem bestimmungsgemäßen oder vorauszusehenden Gebrauche mit dem Inhalte in un mittelbare Berührung kommen, nicht den Vorschriften des 8 I zuwider hergestellt sein. Konservenbüchsen müssen auf der Innenseite den Bedingungen des 8 I entsprechend hergestellt sein. Zur Aufbewahrung von Getränken dürfen Gefäße nicht verwendet werden, in welchen sich Rückstände von bleihaltigem Schrot be finden. Zur Packung von Schnupf- und Kautabak, sowie von Käse dürfen Metallfolicn nicht verwendet sein, welche in 100 GewichtStheilen mehr als einen GewichtStheil Blei enthalten. Die übrigen Para graphen enthalten die Strafbestimmungen. Der Steuermann und der Teufel. Eine Schiffergeschichte. Es war um ein Uhr nach Biitternacht. Die Steuerbordswache auf der deutschen Corvette „Mi nerva" saß schon seit einer Stunde zusammengedrängt neben dem Schornstein, der trotz seines ansehnlichen Durchmessers nur geringen Schutz gegen den scharfen 'Nachtwind, aber gar keine erwünschte Wärme bot, da das Schiff eben nicht unter Dampf lief. Nur wenige Matrosen gingen hastigen Schritts zwischen Back- und Großmast auf und ab, da sie diese Körperbewegung dem ohnehin stark gestörten AnSruhen ihrer Kameraden verzogen. Endlich wurden auch diese des Umhergehens müde und setzten sich auf einen Reservemast nieder in der Absicht, ein wenig zu plaudern, oder, wie es in der Seemanussprache heißt, „eine Trosse zu spinnen". Zufällig Ware» hierzu auch die richtigen Burschen zusammengckommen, Hans Paulsen konnte stunden lang erzählen ohne ein Ende zu finden, und Peter Mast — nun ja, von dem, was er berichtete, konnte man nur die kleinere Hälfte glauben. Er log freilich allein, um Andere zu unterhalten, der brave Peter Mast, oder er log eigentlich nicht, sondern tractirte seine Zuhörer nur mit den höchst seltsamen Ereignissen, die er erlebt hatte. Heute 'Nacht schien er aber, so dringend seine Kameraden ihm deshalb auch zusetzten, gar keine Lust dazu zu haben. „Erzähle Du doch auch wieder einmal!" wendete er sich an HanS Paulsen. „Ich weiß nichts Neues mehr," lautete die Ant wort. „Uebrigcns wünschte ich nur, die Wache wäre vorbei und der Kerl dort hörte endlich auf zu pfeifen." „Warum denn?" „Weil der Teufel kommt, wenn man bei stürm ischem Wetter Pfeift." Peter Mast lächelte verächtlich. „O, das läßt er schon bleiben, seit ich ihn ein mal tüchtig heimgeschickt habe." „Du?" „Jawohl, das heißt, nicht ich, sondern der Steuer mann auf dem Amerikaner, mit dem ich vor acht Jahren das Cap Horn passirte." „Kürzlich sagtest Du vor fünf Jahren." „Dann hab ich mich versprochen — es ist gute acht Jahre her. Also vor acht Jahren verheuerte ich mich in Boston an Bord einer amerikanischen Bark. 'Nach sehr schneller Fahrt liefen wir in Montevideo an, wo Häute und Ochsenhörner eingenommen wur den, die »ach Valparaiso geschafft werden sollten. Unser erster Steuermann war ein Mecklenburger, ein Kapitalkerl, der seine Sache verstand wie kein Anderer. Er fuhr mit voller Leinwand läng« der amerikanischen Küste hin bis hinunter zum Cap Horn, gerade nach der Stelle, auf der wir uns jetzt befin den. Da schlug der Wind um und wir bekamen eine richtige höllische Brise aus Südwest. Diese wurde so schwer, daß sieben alte Weiber keinen Besenstiel in die Luft hinaushalten konnten. Wir kreuzten schon drei bis vier Wochen vor- und rückwärts, der Kapitän wurde fuchsfeuerwild vor Ungeduld, doch das half Alles nichts. Wäre er nicht so nahe an Land ge gangen, so hätte er wenigstens Räumte (d. i. freies Wasser zum Mannövriren) genug gehabt; er hatte sich aber einmal in den Kopf gesetzt, ganz dicht am äußersten Vorgebirge vorüber zu steuern, und eines schönen Tage- saßen wir da plötzlich mitten in den Klippen. Land vor uns, Land hinter uns, eine tolle Brandung ringsum, und nirgends so viel freies Fahr wasser, daß wir aus dem Hcxenkeffel hätten hcrauS- kommcn können. Dicht über unfern Köpfen kreisten