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Motive zum deutschen Strafgesetzbuch«: über denVer- rath von Geschäftsgeheimnissen nichts enthalten. Prak tische Erfahrungen erfordern aber, daß auch in dieser Beziehung Wandel geschaffen werde, wenn man die Geschäftswelt vor dem gemeinen Verrath ihrer Ange stellten schützen wolle. Wenn man erwäge, daß durch den Berrath eines Geschäftsgeheimnisses die Existenz ganzer Fabriken in Frage gestellt werden könne, dann werde man zur Bejahung der vorliegenden Frage ge langen müssen. Er ersuche dem Satze zuzustimmen: „Der Juristentag erklärt: Die Ergänzung des Straf- Gesetzbuches, daß der Berrath von Geschäfts- und Fabrikgehcimnissen als Vergehen strafbar sei, ist rath- sam. Wie bereits mitgctheilt, wurde der Antrag mit dem Zusatz „wenn sich derselbe als Untreue charak- tcrisirt", angenommen. — Mit einer an Einstimmig keit grenzenden Majorität hat nunmehr auch das Plenum des Juristentages den von dem Geh. Justiz- Rath Prof. vr. Brunner gestellten Antrag: Es em pfiehlt sich, in das bürgerliche Gesetzbuch für den Fall der freiwilligen Uebereignung einer Sache, die dem Micthcr oder Pächter bereits vorher überlassen war, den Grundsatz: „Kauf bricht nicht Miethe" aufzu nehmen', angenommen. — Zahlreiche Ausweisungen stehen demnächst ans dem Gebiet Hamburg-Altona bevor. Im Juli er. wurde vor dem Landgericht in Altona ein Monstrcprozeß gegen 28 Sozialisten geführt und diese thcilwcisc zu Gcsängnißstrafen von 14 Tagen bis 6 Monaten vcrurthcilt. Da ein großer Theil der Ver- urtheiltcn in nächster Zeit die Strafen abgcbüßt hat, werden gegenwärtig bereits Vorbereitungen getroffen, die HaupträdelSführcr bei ihrer Freilassung sofort anSzuweisen. — Oesterreich-Ungarn. Die „Presse" schreibt anläßlich des Besuchs des Erzherzogs Albrecht am Berliner Hofe: Wie Graf Walversee im Vor jahre aus persönlicher Anschauung die Leistungsfähig keit der österreichischen Truppen kennen lernte, werde nunmehr Erzherzog Albrecht den Truppen des ver bündeten Reiches näher treten. Die Konsequenz die ser militärischen Wechselbeziehungen müsse nothwend- igcrwcise die fortschreitende gleichartige Ausgestaltung der Wehrverhältnisse beider Staaten sein. — Schweiz. Die Frage der militärischen Reorganisation wird in der Schweiz im Zu sammenhänge mit der allgemeinen politischen Lage in der letzten Zeit wieder intensiv erörtert. Der Berner „Bund" urtheilt in dieser Beziehung, es sei leider nur zu wahrscheinlich, daß die Schweiz im nächsten großen Kriege auf die Eventualität einer aktiven Wahrung ihrer Neutralität gefaßt sein muß. Sie müsse im Stande sein, jeden Versuch der Ver letzung ihrer Neutralität mit starker Hand abwciscn zu können, solle sie sich nicht zum Kriegsschauplätze fremder Armeen gemacht sehen. — Zürich, 14. September. Die gegenwärtige Rhcinüberschwcmmung ist die größte, die seit Mcnschcngcdenken vorgekommcn ist. Von Koblach- Meiningcn bis zum Bodensee ist die ganze weite fruchtbare Rhcincbcnc zur ungeheuren Wasscrwüstc geworden; fünf Stunden lang und anderthalb Stun den breit. ES ist ein unsäglich trauriges, grausiges Bild. Das ganze Besitzthum der dortigen Bevölkerung ist vernichtet, der Schaden unermeßlich. In Lustenau sind von 900 Häusern nur 32 wasserfrei. Viele Häuser stehen bis zum Dach unter Wasser. Der schweizer Rhcinuferdamm hat Stand gehalten. Nirgends ist ein Durchbruch vorgekommcn, der eine Katastrophe zur Folge haben könnte. Der Rheindurchstich ist österreichischcrseits endlich energisch in die Hand ge nommen. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock. Der Rath der Stadt Dres den hat auch der hiesigen Stadtgcmeinde ein Exem plar jenes Prachtwerkcs übersendet, welches nachfolg enden Titel trägt: „Chronik des Sächsischen Königs hauses und seiner Residenz vom 18. Juni 1853 bis zum 18. Juni 1878, Ihren Königlichen Majestäten Albert und Carola von Sachsen zum silbernen Ehejubiläum in Ehrfurcht gewidmet von der königlichen Haupt- und Residenzstadt Dresdens — Eibenstock. Am 1. October d. Js. mit dem Beginne des WnztcrfahrplaneS wird insofern eine Verbesserung des Fahrplanes der Linie Chemnitz- Adorf cintreten, als von diesem Tage ab der von Adorf nach Chemnitz fahrende Personenzug Nr. 345 — 8 Uhr 3 Min. Vorm. aus Adorf — direkten An schluß an den von Chemnitz nach Dresden verkehren den Zug Nr. 47 erhält, und zwar dergestalt, daß der erstere Zug, welcher nach dem jetzigen Fahrplan 1 Uhr 47 Min. Nachm. in Chemnitz eintrifft, vom 1. Octo ber d. IS. ab bereits 1 Uhr 23 Min. Nachm. daselbst ankommcn wird, während die Abfahrtszeit des ZugcS dir. 47 in Chemnitz auf 1 Uhr 30 Min. Nachm. ver schoben worden ist. — Schönheide. Im Saale des „ GambrinuS" hielt der „Männergesangverein" am vergangenen Sonntag ein Conccrt ab. Dasselbe war sehr reich besucht und bot sicher allen Anwesenden einen genuß reichen Abend. Die Gesänge wurden gut vorgctragcn und zeigten von dem Fleiß des Vereins und seines Dirigenten, des Herrn Kantor Barth. Chorstückc wechselten mit Quartetten und Solovorträgen — zwei der letzteren unter Zithcrbegleitung — ab. Was die Wahl der einzelnen Stücke betrifft, so würde sich der Verein sicher ganz besonderen Dank von Seiten des Publikums verdient haben, wenn derselbe statt der nur gebotenen schwierigen, ernsten Sachen wenig stens einiges Heiteres, Launiges mit zu Gehör ge bracht hätte. Der größte Theil des Publikums weiß in der Regel die sogenannte „klassische" Musik nicht zu würdigen, und dürfte der oben ausgesprochene Wunsch daher wohl freundlicher Beachtung begegnen. — Neustädte!. Die ungefähr 13 Jahre alte Tochter des Fabriktischlers Baumgärtcl aus Schnee berg ertränkte sich, wie der „Vgtl. Anz." schreibt, am Freitag Abend im hiesigen Pochwcrksteiche. Wie gemeldet wird, soll das Kind durch eine sehr strenge Behandlung seitens ihrer Stiefmutter und durch Furcht vor einer zu erwartenden Strafe zu diesem bcklagcnswerthen Schritte veranlaßt worden sein. — Gegenwärtig beginnt man in Leipzig mit den Vorarbeiten zum Baue der Markthallen. Die Bogcl'sche Reitbahn ist bereits vollständig abge brochen und am 1. October wird das innerhalb der Reitbahn befindliche große Miethshaus, dessen Be wohner bis zu diesem Termine geräumt haben müssen, ebenfalls nicdergerisscn werden. Nach und nach folgen sodann die übrigen Gebäude des angckauftcn Kom plexes, so daß der Bauplatz für die neuen Markt hallen in Bälde frcigelegt werden wird. — Plauen. In den Nachmittags-, bez. Abend stunden des 13. Scptbr. war sozusagen ganz Plauen auf den Beinen, um das Biwak der 64. Infanterie- Brigade (unmittelbar vor Reinsdorf) anzusehen. Das kriegerische Schauspiel, welches sich dort bot, war in der That ein selten-schöneS: hier wurden die Vorbe reitungen zum Nachtlager getroffen, dort Wachtfeuer angezündet, Soldaten fange» und erheiterten sich durch mancherlei Kurzweil gegenseitig, die Musikka pellen spielten bis zum Eintritt der Dunkelheit. All mählich ward cs ruhiger im Biwak, nur der ein förmige Posten- und Patrouillendienst und die lodern den Wachtfeuer deuteten noch auf die hier ungewöhn lichen kriegerischen Hebungen. — Die Signatur unserer Zeit ist — Eile. Auch die Handwerksburschcn haben keine Zeit mehr. Rasch wird gewandert, wie das der Handwcrksbursche zeigte, der am Freitag auf einem Zweirad Meißen passirtc. Das „Felleisen" mit aufgeschnallten Stiefelbürsten, sowie einem Hammer als Zunftzeichcn seines Schmiede handwerks war hinten am Reitrade befestigt. Eine derartige Wanderschaft ist gewiß angenehmer als zn Fuß. — Ein schwerer Schlag droht der Gegend von Altenberg. Der dortige Erz bau wurde haupt sächlich deshalb aufrecht erhalten, weil das seltene „Wolframcrz" aufgcfunden wurde. Jetzt wird über Hamburg das sogenannte „Scheelit" aus Amsterdam eingeführt. Dasselbe hat einen hohen Gehalt an Wolframerz und kann billiger verkauft werden, als unser erzgebirgischcs Wolframit. Da die sächsischen Erzzcchen ohnehin nur einen sehr mäßigen oder gar keinen Nutzen geben, eine billigere Gewinnung des Wolframerzes aber kaum möglich ist, so ist leider an- zunehmcn, daß der Bergbau in der Altenberger Ge gend beschränkt werden muß. — Ein plötzlicher Tod konnte am Montag Nach mittag über ein junges Ehepaar kommen. Herr Lehrer Schcllhorn in Schmöln bei Wurzen wollte mit seiner Frau im Kahne nach Dchnitz übersetzen, wobei aber beim Aussteigcn an dem steilen Ufer infolge Abbrcchcns eines Zweiges die Frau Schcllhorn rück lings in die hier gegen 3 Meter tiefe Mulde stürzte und vor den Augen ihres Mannes im Wasser ver schwand. In vollständiger Kleidung stürzte dieser sofort ihr nach und brachte sie einige Sekunden über Wasser. Beide versanken aber wiederholt, da die Frau ihren rettenden Mann fest umklammert hielt. Erst nachdem sich dieser unter dem Wasser wieder frei gemacht hatte und nun von hinten zufasscn konnte, war eö ihm möglich geworden, wieder aufzu tauchen und mit Aufwand der letzten Kräfte das Ufer zu erreichen und sich und seine Frau zu retten. — Im Dorfe Gcißlich bei Großenhain be findet sich ein Knabe in einem seltsamen Krank heit s zustande. Der Knabe bellt und beißt nach den ihn umgebenden Personen, erkennt seine Ange hörigen nicht und befindet sich in einem hohen Grade von Erregung. Jede Simulation ist ausgeschlossen. Der Kranke wird ärztlich behandelt. Der Knabe hat vor ca. 14 Tagen mit einem kleinen Hunde auf der Dorfstraßc gespielt, als ein im Dorfe als sehr bissig bekannter großer Hund im gestreckten Lauf auf ihn zukam und den kleinen Hund mit einem Biß tödtete. Währenddem ist cS dem Knaben gelungen, einen nahe stehenden Baum zu erreichen und noch rechtzeitig eine solche Höhe zu erklimmen, daß ihn der bissige Hund, welcher am Baume nach dem Knaben cmporgesprungen ist, nicht mehr hat erreichen können. Nach ärztlichem Ausspruch ist der Schreck die ausschließliche Veran lassung zu den geschilderten Krankheitserscheinungen. — Beim Beginn der Jagdsaison dürfte folgende Entscheidung interessiren: Da« Aufsuchen von Wild auf fremdem Jagdrevier, um es auf dem angrenzenden Jagdrevier Jagenden — welche daselbst zur Jagd berechtigt find — zuzutreiben, ist nach einem neuerlichen rcichsgerichtlichen Urtheil als Jagdver gehen zu bestrafen, selbst wenn ein Einverständniß zwischen den Aufsuchenden und den Jagenden nicht estgestellt wird. — Mehrfach sind schon Bedenken dagegen erhoben worden, daß Schulkinder, namentlich Mädchen, mit übermäßig durch Bücher belasteten Mappen, Taschen re. zur Schule gehen müssen. Für die Entwickelung des Knochengerüstes ist dieser Uebclstand von besonderer Bedeutung. Der Statt halter von Elsaß-Lothringen, welcher bekanntlich der Schulgesundheitspflege seine Aufmerksamkeit widmet, ist der Erste, welcher amtlich gegen die bezeichnete Un sitte vergeht. Er hat jetzt in einer Verfügung auf die aus ihr erwachsenden gesundheitlichen Nachthcilc aufmerksam gemacht und die Aufsichtshcamten ange wiesen, in geeigneten Fällen thatkräftig einzuschrciten. Reichsgraf Jockel. Eine Erzählung aus der Revolutionszeit von August Becker. <24. Fortsetzung.) „Was will der Racker? Er Millionenhund! Hab' Acht, Du Schotentöffel, Du Mehlklotz, ich lasse Dich überlegen und nach Noten hauen!" schrie der Polterer mit rothem Gesicht, als wolle ihn der Schlag treffen. Es war der Oberst selbst. Der Müller war nicht sehr erbaut von dieser Ladung gemeiner Schimpfwort», mit welchen man ihn ablohncn wollte. „Der ein Held? Das will ein Held sein?" sagte er. Dann gegen den Fluchenden gewandt. „Das wäre der Dank? Ich allein hab' ihr durchgeholfen, Herr Oberst, sonst säße sie jetzt dort, wo ihr auch Eure Husarcnsäbel nicht helfen könnten." „Verdammt wahr!" äußerte jetzt, nach augenblick lichem Besinnen, der seltsame Mann, über den auch in der preußischen Armee selbst die widersprechendsten Urtheile verlauteten. „Meiner Treu! Und was will Er denn?" „Meiner Braut das Kleiderbündcl geben und Ab schied nehmen." „Seiner Braut? Das ist wohl die Andere!" dachte der Oberst überlaut uud ging in's Haus zu rück, um gleich darauf mit der Gräfin nebst Begleit ung wieder heraus zu kommen. Sofort eilte Maria Anna auf den Müller zu, ihm mit einem innigen Blick des Dankes die Hand zu reichen, während er das Bündel der Frenz übergab. „Euch, mein theurer Freund," sprach die Gräfin bewegt, „dank' ich meine Rettung, — meine Freiheit, mein Leben. Vergelten kann ich es jetzt nicht, wie ich es wünsche, aber vergessen werde ich es nimmer mehr. Grüßet mir die treue Bärbel und" — die -Stimme versagte ihr säst — „alle meine Bekannten an der Blies, die mir, der Heimathlosen, Verstoßenen, ein liebevolles Andenken bewahren." „Das will ich," antwortete auch der Müller tief ergriffen. „Und nun, bis wir uns glücklicher Wieder sehen, lebe wohl, Marianne!, mein Schatz! Und zum Abschied einen Schmatz!" Damit hatte er sie auch schon mit kräftigem Arm umfaßt und ihr, trotz allen Widerstrebens einen knall enden Kuß versetzt. Erst stutzten die Offiziere. Als jedoch ihr Führer, während die Gräfin vor Verlegenheit nicht wußte, wohin sie sehen sollte, fürchterlich aufzulachcn begann, nahmen sie alle den Zwischenfall mit Heiterkeit aus. „Hohoho!" schrie der Oberst, als wollte er an einem Lachkrampf ersticken. „Der Daniela! weiß jetzt noch nicht — Jottvoll! — daß sic ein Reichsstand, die erlauchte Reichsgräfin von der Lehen ist!" „Na," meinte der Müller gleichmüthig, „der Um stand ist mir nicht unbekannt. Aber deswegen hcirath' ich sie doch!" Und damit kehrte er sich zu seinen Rothschimmeln um, denen er die Mähne streichelte, während die Frauen in's Haus flüchteten und der tapfere Führer der preußischen Vorhut sich bog und den Bauch hob vor Lachen. „Das ist — uff Ehre — das Erjötzlichste!" schrie er, als er wieder zu Athcm kam. „Jebt dem wackeren Kerl Paß und Jeleit durch die Postenkette, daß ich es jenehmige, wenn man ihm nichts in den Weg legt. Wir kommen bald nach," setzte er hinzu, dem Müller gutmllthig auf die Schulter klopfend, „auf Wieder sehen im Bliesthal!" Und damit begab er sich in's Pfarrhaus, wohin sich die Damen bereits zurückgezogen hatten, um ihre ländlichen Kleider abzulegcn und sich den Umständen gemäß, soweit sie versehen waren, wieder umzukleiden. Für sie war die Gefahr überstanden. Bon den preuß ischen Vorposten aus konnten sie noch an demselben Abend nach Kaiserslautern gebracht werden und an dern Tags nach der abenteuerlichen Flucht durch die Vorpostenlinien der feindlichen Armeen die Reise über den Rhein nach Mannheim fortsetzen, wo sie Gelegen heit und Mittel fanden, die bereits früher geflüchte ten Verwandten der Gräfin aufzusuchen. Diese war in Sicherheit, und dem Müller von Spelzheim blieb, nachdem seine Aufgabe erfüllt war, soweit nur noch übrig mit den ihm übergebenen bäuer-