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Vergangenheit und dieser Unterschrift war nicht zu entfliehen. Der Feind ihres Friedens war znrückgekehrt, das Geld, daß sie geopfert, um sein Schweigen zu erkaufe», war schon verschwendet, oder er machte dies wenigstens zum Vorwande, um zurückkommen zu können, sie zu peinigen. Ach, das that er ja nur zu gern! Er hatte sich schon so oft au ihren Dualen geweidet und heute Abend, heute Abend sollte er auf'ö Neue trinm- phiren. Sie warf seine» Brief in die lodernden Flammen und es kam ihr vor, als ob dieselben lachten, indem sie ihn verzehrte», lachten, als ob auch sie ihrer spotteten, und sich fragten, ob sie, weil sie die arm selige Macht besaß, die Botschaft zu zerstören, sich auch weigern könnte, derselben zu gedenken und ihr zu gehorchen. Mechanisch sah sie aus ihre Uhr, ein reizendes Spielzeug, daß sie an ihrer Seite lrng, ebenfalls ein Geschenk ihres sie aubetenden Gatten. Es fehlte nur noch eine halbe Stunde bis zur Diner-Zeit, die Familie konnte jeden Augenblick ins Zimmer treten und ihr selbst die Gelegenheit nehmen, nachzudeukeu. Um acht Uhr also mußte sie die Wärme und den Schutz ihres häuslichen Herdes fliehe», um sich fort- zustehlen, hinaus in die Kälte und Finsterniß. „Ich kann nicht gehen, ich kann nicht gehen!" stöhnte sic laut. Und ihr Gesicht in den Händen verbergend, schwankte sie wie trunken vor Furcht und Leidenschaft und Elend. Doch endlich stand sie auf, trat vor den Spiegel, strich sich das Haar von den Schläfen zurück und zwang ihre Augen und ihre Rippen, ihrem Spiegel bilde zuzulächcln. Doch es war ein sehr blasses und eingefallenes Gesicht, das den Blicken ihres Gatten begegnete, als er einen Moment später das Zimmer betrat, von Mary gefolgt, die sich liebevoll ans den Arm ihres Vormundes lehnte. (Fortsetzung folgt.) Drei welke Blätter. Eine Sedan-Erinnerung an Kaiser Friedrich v. Eugen Rahden. Wie sich um die Helden des Mittelalters und deö Alterthums ein Sagenkreis webt, aus dem die Cha raktergestalt des Helden oft klarer und schärfer sich abhebt, als aus den historisch beglaubigten Thatsachen, so sind es die von den Helden unserer Neuzeit im Bolkesmnnde lebenden kleinen Charakterzüge und mil der hohen Politik nichts gemein habenden kleinen Ge schichten, jene kleinen Erzählungen, die sich gleich den alten Sagen oft genug eine sich von der einfachen Thatsachc entfernende Ausschmückung gefallen lassen müssen, die uns unsere Helden menschlich näher bringen, die uns ihre Charakter - Eigentümlichkeiten enthüllen. Kurz nur war die Regierungszeit Kaiser Friedrichs und einen klaren Einblick in sein politisches Denken und Fühlen werden wir, trenn überhaupt jemals, zu nächst nicht erhalten. Um so lieber beschäftigt sich daher die Volksseele mit jenen an sich nicht weltbe- dentendcn Thatsachen, ans denen jedoch sich die Cha rakterzüge des vielgeliebten Mannes zusannm «stellen lassen, aus denen hervorgeht, daß Kaiser Friedrich als ein Freund des Volkes mitten im Volke gestanden hak. Die folgenden kleinen Erinnerungen, dem Verfasser von geschätzter Seite niitgetheilt, dürften vielleicht den zahlreichen Verehrern des verblichenen Monarchen nicht uninteressant sein. * * * Es war im Jahre 1865 im Frühjahr, als die siegreichen preußischen Truppen aus dem mecrum- schlungencn Schleswig-Holstein in die Heimath zogen, ruhmgekrönt, den Lorbeer nm die siegreichen Waffen. Allüberall zog man den in ihre Garnisonen einrück enden Regimentern jubelnd entgegen, überall grüßten sie die Ehrenpforten und Laubgcwindc und vor Allem die freudiges Willkommen kündenden Mienen der Tausende, die den Heimkchrcnden einen so glänzenden Empfang bereiteten. Auch in der im Westen Preußens gelegenen Pro- vinzial-Hauptstadt Ai. war man mit den Vorbereit ungen zum würdigen Empfange der Truppen beschäftigt. Diese Vorbereitungen wurden jedoch in dein Augen blicke besonders geschäftige und umfassende, als die Nachricht kam, daß der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm selbst in M. erscheinen und an der Spitze der Truppen seinen Einzug halten werde. War doch der bereits damals als überaus liebenswürdig und leutselig bekannte Kronprinz der Chef eines in M. garnisonirendcn Infanterie-Regimentes und er wollte es sich nicht nehmen lassen, sein Regiment, wie er es zum Siege geführt, auch in die Heimath zu geleiten. Ungezählte Menschenmasscn säumten die Straßen, durch welche die Truppen kommen mußten, aber am Neuplatz, der sich vor dem Königlichen Schloß hin zieht, stauten sich die Tausende am meisten ; dort näm lich sollte Halt gemacht und von da der Abmarsch in die Kaserne angetreten werden. Es war bereits Mittag, als die aus der Ferne ertönende Musik und die die Lust erschütternden Jubelrufe der Menge den auf dem Neuplatz Harrenden das Herrannahen der Erwarteten anzeigten. Immer wieder sich erneuernde Hurrahö und Hochs begleiteten die unter den Klängen der Regimentsmusik auf dem Platze nunmehr auf- marschirenden und Aufstellung nehmenden Tncppen. Seinem Jnfanterie-Regimente voran ritt der Kron prinz, eine jener ritterlich schönen Heldengestalten, wie sie im Volkslied«? verherrlicht werden, wie sie jedoch in der Wirklichkeit zu den Seltenheiten gehören. Un endlicher Jubel tönte auch ihm entgegen von den loyalen Einwohnern der Stadt und der hohe Herr ward nicht müde, immer und immer wieder nach allen Seiten hin für den freundlichen Empfang zn danken. Endlich war die Ausstellung beendet und die Musik schwieg. Vor der Front der lange» Truppenreihe, die mit der Infanterie begann und mit der Artillerie ab schloß, hielt der preußische Kronprinz. In kurzen markigen Worten sprach er zu den Truppen Worte der Anerkennung und voll patriotischen Geistes und die Hochrufe, die danach folgten, bewiese», wie sehr der hohe Herr zum Volke und aus der Bolkes-Secle herausgesproche» hatte. Die Einzugs-Feierlichkeit war hiermit nun eigent lich beendet; die kleine Szene, die nun aber folgte, wird allen nnvergeßlich geblieben sein, die damals das Glück hatten, sie beobachten zu dürfen. Auf einen kur; gegebenen Befehl deö Kronprinzen traten die sämmtlichen Fahnenträger vor die Front der Truppen, während der Kronprinz sich vom Pferde schwang und seinem Beispiele der ihn umgebende glänzende Stab folgte. Der hohe Herr und sein Gefolge schritten nun die Front ab und vor jeder der Fahnen machte der preußische Thronfolger Halt. Eine jede der Fahnen und Standarten, die den Truppen in den Schlachten vorangezogen und von denen keine nudurchlöchert von Kugeln war, wärend gar manche an ihrem Fahnen stocke nur noch einige Fetzen des Fahnentuches anf- wics, (rüg auf ihrer Spitze eine» frischen Lorbeer kranz, vor den Thoren der Stadt von den den Truppen Entgegengezogenen auf der Fahnenspitze befestigt. Auf einen Wink des Kronprinzen neigten sich die Fahnen vor demselben und aus jedem Lorbeerkranze brach der junge Held, von einer Fahne zur andern schreitend, ein Blatt und alle Blätter barg er in seinem Taschen buche, das er in die Oeffnung zwischen die Knöpfe seiner Uniform steckte. Dann trat er zurück und ver beugte sich tief nach allen Seiten hin, wo die Truppen standen. Und nun brach ein Jubelsturm los, wie ihn die alte Hauptstadt kaum jemals vorher, noch nachher erlebt hat. -t- * Es war am 2. September 1870. Die große Schlacht war geschlagen, die den Erbfeind niederge- worfcn und den Grundstein zu Deutschlands Einheit gelegt hatte. Mit großen blutigen Opfern war der lheure Sieg erfochten worden, weithin dehnte sich das Gefilde, auf dem die Verwundeten schmerzlich stöhnten und die den Ehrentod fürs Vaterland Gefallenen den Todcsschlaf schliefen. Wenn Jemand die großen Ver luste, die auch die Sieger erlitten, zu ermessen, wenn Jemand die blutigen Opfer, die an diesem Tage vom deutschen Volke gebracht worden, zn würdigen ver standen, so gewiß jener Mann, der auf seinem Pferde über das Schlachtfeld hinritt, die kurze Thonpfcife im Munde, aus der er nachdenklich die Dampfwolken emporblies. Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen, der Sieger von Sedan, er gönnte sich in der kühlen Abendluft diese Erholung nach des Tages Strapazen; denn auch ihm, der selbst im Schlachtgetünnncl seine kurze Pfeife mit Gleichmnth rauchte, war sic in der Aufregung des heutigen Tages entglitten. Wohl rauschte des Todes Fittig über die weiten Gefilde, wohl stahl sich manche Thränc in des tapfer» Kriegers Auge um den gefallenen Kameraden, aber wenn die Schrecken des Todes auch die Freude der Lebenden über den gewaltigen Sieg zu dämpfe» ver mochte, so doch nicht gänzlich zn unterdrücken. Mit von Pulverdampf geschwärzter Fahne, die von mancher Kugel durchlöchert, zog ein Regiment daher mit kling endem Spiele und immerhin noch strammem Schritt. Bayern waren cs, bayrische Infanterie, deren Reihen vom Feinde zwar arg genug mitgenommen worden, die jedoch ihren guten Muth nicht verloren hatten. Ein dreifaches kräftiges Hurrah schallte dem Heer führer entgegen, den die Truppen erkannt hatten. Leutselig dankte der hohe Herr und auf einen Wink von ihm »lachten die Truppen Halt. Auf den Gc- wchrläufcn und an den Helmen hatten die Uebcrleb- cnden des Regiments Zweige vom heiligen deutschen Eichbaum befestigt, die sie in ihrer Siegcsfrcudc von einer einsam gelegenen Eiche, dem Schlachtscldc nahe, gebrochen hatten. Wie Rührung war eS über den Kronprinzen gekommen, als er die Blätter des heim ischen deutschen Baumes erkannte. Er deutete auf diese hin und indem er in der nnr ihm cigen- thümlichen liebenswürdigen Weise die Tapferkeit der süddeutschen Truppen lobend hervorhob, sprach er seine Freude darüber aus, daß es den Leuten gelungen war, sich auch in dieser an Eichen armen Gegend mit den heiligen Zweigen des deutschen Baumes zu schmücken. Im nächsten Augenblicke schon waren die Eichenzwcige von ihren Trägern hcrabgenommcn und von kunstfertiger Hand zum Kranze gewunden, der dem Kronprinzen von dem Major überreicht ward. Als dieser aber, überwältigt von der Weihe der ganz eigenthllmlichcn Stunde, zwar in militärischer Kürze, aber voll überströmenden Gefühles die glänzende Heer- sührung des Kronprinzen pries, da winkte dieser mit der Hand und, nach oben deutend, sagte er langsam: Nicht hier, dort oben thront der Lenker der Schlachten. Es war so einfach und so wenig salbungsvoll gesagt, daß man wohl sühlte, wie der, der es sagte, von seiner Wahrheit durchdrungen war. Und in diesen: Momente da ertönte es weithin über das ganze Schlachtfeld, da kam es aus der tiefinnersten Bnist der Hundert tausende deutscher Krieger: Nun danket alle Gott. Das war die weihevolle, unvergeßliche Stunde des Tages von Sedan, die Stunde der Wiedergeburt des neuen deutschen Reiches. * * * Und es war am 2. September 1887. Fern von der Residenz des deutschen Kaisers weilte der deutsche Kronprinz. Diesmal konnte er den "Nationalgedenktag nicht im Kreise der Wafsengcnosscn feiern; denn von Englands Fluren, wo er vergeblich Heilung gegen das tückische Leiden gesucht, eilte er nach dem Süden, nach dem sonnigen Italien. Ueber das schöne Bayern land führte ihn sein Weg und der ritterliche Prinz regent ermangelte nicht, den königlichen Freund zn begrüßen. Wohl gab es damals, als der deutsche Kronprinz nach Toblach ging, nur einige wenige scharfblickende, eiugeweihtc Männer, die die wahre Natur des bösartigen Leidens erkannten; "Niemand aber kann eö sagen, ob nicht damals bereits der Kronprinz selbst die tödtliche Krankheit erkannt hat und das mehr oder minder rasche Ende voraussah. Groß und großdenkend, wie dieser edle deutsche Mann es war, als er noch in voller Kraft des Lebens stand, war er auch in seiner Lcidenszeit. Deshalb kam auch kein Wort der Klage über seine Lippen und deshalb blieb sich auch seine Leutseligkeit und Liebenswürdig keit, seine Freude und Dankbarkeit für ihm erwiesene, auch kleine Aufmerksamkeiten, stets gleich, auch in seiner Schmerzenszeit. "Nnr verhältnißmäßig wenige Personen hatten sich ans dem Bahnhof der bayerischen Residenz cinge- fundcn, den der Zug zu passireu hatte, iu welchem der deutsche Kronprinz nach dem Süden eilte; denn nicht viel Genaues war über die ReisediSpositioueu iu die Oeffcutlichkeit gedrungen. Die Wißbegierde eines kleinen MauneS, des Sohnes eines höheren Beamten in der Residenz war es gewesen, die damals bereits die Veranlassung zur Auskundschaftung der Liebliugsblume des deutschen Kronprinzen gegeben. Auf Umwegen hatte man es erfahren, was der kleine Sextaner wissen wollte, der sich sehr richtig sagte, daß wie Kaiser Wilhelm besonder« die Kornblume liebte, auch sein erlauchter Sohn eine besondere Lieblings blume haben dürfte. Man hatte es eben noch recht zeitig genug erfahren und so kam es denn, daß auf dein Bahnhof unter dem übrigen Publikum etwa ein Dutzend Kinder, Verwandte u. Bekannte jenes höheren Beamten, standen und ein jedes ein kleines, duftendes Veilchenbouquet in der Hand hielt. Die kleinen Sträußchen waren aus den Treibhäusern gekommen, da es am September im -Freien keine Veilchen mehr gab und die Kinder hatten ihre Spargroschen gerne geopfert, um „unseren Fritz" eine Freude zu bereiten. Immer und immer wieder dankte der deutsche Kronprinz für die Huldigungen, die ihm das Publikum darbrachte, da erspähte sein scharfer Blick die Kinder gruppe. Ein paar Augenblicke später trat ein Hof beamter aus dem Salonwagen, näherte sich den Kin dern und nach einigen Minuten waren diese im Wagen und legten glückstrahlend ihre Vcilchensträußchen vor dem deutschen Kronprinzen nieder. Waren die meisten der Kinder zwar zu verschüchtert und von der ungewohnten Situation zu sehr beklommen, als daß sie ordentlich Rede und Antwort stehen konnten, so spielte der kleine Sextaner nm so besser die Rolle des „Sprechers". Man sah cs dem hohen Herrn wohl an, wie herzerfreuend der Anblick der glückstrahlenden Kinder für ihn war nnd als er nun den kleinen Sextaner ans den Arm nahm und ihn küßte, da kannte der Jubel der den Bahnhofsperron erfüllenden Menschen keine Grenzen. Und als sich dann endlich der Zug wieder in Bewegung setzte, da ward manch' Auge thräncnfeucht nnd manche Lippe murmelte einen Segenswunsch für des edlen Mannes Gesundheit auf Italiens lachenden Fluren. * * * Es hat nicht sollen sein — dahingeschwunden wie ein Meteor ist Kaiser Friedrich nach kurzer Negier- ungszcit. Vertrocknet sind die Lorbeerblätter, die seine Hand von den Kränzen der siegreichen Fahnen gepflückt, vergilbt die Eichenzweigc, die ihm die Hände der Sieger auf dem Schlachtfeld«: von Sedan ge wunden, verwelkt die Veilchen, die ihm das liebende Kindesgemüth gespendet. Aber geblieben ist uns die liebende Erinnerung an Kaiser Friedrich, das treue Gedenken des deutschen Volkes. Druck und Berlag von E. Hannebohn in Eibenstock.