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Albert und des Prinzen Georg, also deren Großneffe. Augenblicklich weilt der italienische Kronprinz in München; es heißt, er werde sich alsbald mit der Prinzessin Clementine von Belgien verloben. Diese ist die dritte Tochter des Königs Leopold; ihre ältere Schwester, die dem Kronprinzen von Oesterreich ver mählte Erzherzogin Stephanie weilt augenblicklich in München. Der eventuelle italienische Bräutigam ist 1869, die belgische Braut 1872 geboren. — Ihre Majestät die Königin Carola feierte am 5. August, ihren Geburtstag und beginnt an dem selben ihr 55. Lebensjahr. Sie begeht ihn im fernen Norden, wo sie an der Seite ihres hohen Gemahls seit Wochen weilt; allein, das ganze Sachscnvolk ist im Geiste bei ihr, der wahrhaften Landesmutter, und sendet die wärmsten Segenswünsche für ihr Wohler gehen, die in Freud und Leid zu dem Sachsenvolke gestanden hat und als edle, unermüdliche Wohlthäterin und Samariterin den Herzen Aller theuer ist. Möge sie neugestärkt zu der Stätte zurückkehren, wo ein dankbares Volk sie freudig begrüßen wird und wo sie, von Allen angebetet, prunklos und in aller Stille Werke des Friedens und der Liebe übt. Gott lasse der hohen Frau ihren Geburtstag noch recht oft er leben und schenke ihr noch viele glückliche Tage. — Dresden. Am vergangenen Freitag Nachm. ist ein auf der Friedrichstraße wohnhafter Lackirer festgenommen worden, weil er versucht hat, sein jüngstes, etwa 8 Jahre altes Kind zu vergiften. Er hat demselben in Abwesenheit seiner Ehefrau eine Quantität Natronlauge cingeflößt, wodurch Mund und Rachen höhle stark verbrannt sind. Der das Kind behandelnde Arzt hat sogleich erkannt, daß mit demselben ein Ver brechen beabsichtigt gewesen sein müsse, und hat des halb Anzeige an die Königl. Staatsanwaltschaft er stattet. Der unnatürliche Vater soll bereits zuge- standcn haben, daß cs seine Absicht gewesen sei, das Kind zu tödtcn. Ob das letztere am Leben bleiben wird, läßt sich zur Zeit noch nicht sagen. — Zwi ckau. Während von vielen Seiten Stift ungen für den Statucnfond unserer Marienkirche er folgen, hat ein hochgeschätzter Bürger unserer Stadt, bereits für eine nöthigc innere Ausschmückung des herrlichen Baudenkmales sorgend, eine Summe von 3500 M. znr Beschaffung eines gemalten Fensters bestimmt. Der Kirchcnvorstand hat hocherfreut diese ansehnliche Stiftung angenommen und init der An fertigung der Zeichnungen für das Fenster den rühm lichst bekannten Historienmaler Anton Dietrich in Dresden,, mit der Ausführung der Glasmalerei den Glasmaler Urban in Dresden beauftragt. In dem großen Fenster hinter dem Altäre wird das „himm lische Jerusalem" dargestellt werden: Christus sitzt auf dem Throne, umschwebt von Engeln, umgeben von Männern des alten nnd neuen Bundes, Lichtstrahlen sendend auf die ihn anbetende Gemeinde. Diese wird vertreten durch die Hauptgcstalten in der Geschichte, Fürsten, Theologen, Künstler, Männer der Wissenschaft. So werden, wie wir hören, Karl der Große, Otto der Große, Gustav Adolf, Kaiser Wilhelm I. nicht fehlen; Ambrosius, Chrysostomos, Athanasius bringen die ältere Entwickelung der christlichen Kirche zum Ausdruck; von den Vorreformatoren sind Huß, Sa- vonarola, Petrus Waldus, Joh. Taulcr gewählt; daß Luther, Mclanchthon, Calvin, Zwingli nicht fehlen, ist selbstverständlich. Der Kunst wird ihr Recht durch Paul Gerhard, Sebastian Bach, Schnorr von Carols- feld, der Wissenschaft durch Kepler und Lcibnitz. Nickt minder werden die verschieoenen christlichen Liebes werke in der Auswahl vou Persönlichkeiten, welche diese pflegten, berücksichtigt, z. B. Ziegcnbalg, einer der ersten Missionare in Ostindien, August Hermann Franke, der Stifter des Waisenhauses in Halle, Wichcrn, der Gründer der inneren Mission u. a. Ohne Zweifel erlangt unsere Marienkirche durch die hochherzige Spende eines unserer Mitbürger einen neuen bedeutsamen Schmuck. Ihm, dessen Namen jetzt noch nicht genannt werden soll, sei auch an dieser Stelle der herzlichste Dank ausgesprochen. — Ein lange gesuchter gefährlicher Gauner ist endlich in Reichenbach ergriffen worden. Derselbe ist etwa sechs Mal ini Gendarmericblatt als Unbe kannter gesucht, hat sich aber durch falsche Namens- zulcgung bisher dnrchzuschwindeln gewußt. Zuletzt hatte sich der Gauner in Crimmitschau eingemiethet. Dort nannte er sich Sarno und stahl seinem Wohnungs genossen eine Anzahl Kleidungsstücke, eine Uhr rc. nnd verschwand. Er hatte die Sachen, bis auf einige Stücke, die er in Werdau versetzt haben will, bei seiner Verhaftung noch bei sich. Der Schwindler führte in seinen Taschen allerlei Papiere und dürfte der Schlosser Osc. Rud. Neumann aus Heinewaldc bei Zittau sein. — Aus dem Erzgebirge. Fast täglich regnet es oder thaut es sehr stark und seit Mittwoch Abend regnet cs fast ununterbrochen. Die Wege sind auf geweicht und schmutzig lind für Fußgänger fast un- passirbar. Das Getreide, welches zu den besten Ernte hoffnungen berechtigte, liegt stark und ist stellenweise wie aufgemangelt. Von dem Heu liegt noch immer ein recht bedeutender Thcil draußen und muß bei solchem Wetter vollends verderben. Die Kartoffeln werden in Folge der anhaltenden Nässe zwar groß, aber wässerig und wenig mehlhaltig. Die GebirgS- und Waldbächc sind stark angeschwollen und die Flöha überschwemmt streckenweise die ohnehin niedrigen und wasserreichen Wiesen. Die in diesem Jahre reichlich vorhandenen Waldbcercn können nicht cingesammelt werden, da es in den Wäldern kalt und feucht ist. Das Erntcwettcr für die in der Ebene bereits be gonnene und für die hier in einigen Wochen beginnende Ernte ist trostlos. DaS bereits daselbst gemähte in Puppen stehende Getreide muß auswachsen, wenn nicht bald günstigere Witterung eintritt und der Himmel ein heiteres Antlitz zeigt. Die Temperatur ist hier rauh und unfreundlich, sodaß die zahlreichen Sommer frischler die Zimmer hüten und am liebsten einheizen möchten. — lieber das Hochwasser in der Lausitz und den benachbarten schlesischen und böhmischen Strichen liegen äußerst schlimme Nachrichten vor. Leider haben zahlreiche Menschen in dem Wasser ihren Tod ge funden So ertrank in Langenöls ein Mitglied der freiwilligen Feuerwehr, der Sattlermeister Pietsch, in Habendorf ein junger Mann, in Swarow, Plav und Diefenbach sind gleichfalls mehrere Menschen verun glückt, in Kuzdorf sind drei Kinder und in Lauban ein junger Mühlcnhelfer ertrunken. In Lauban ist der Bahnhof überschwemmt. Die Geleise sind sämmtlick mcterticf untcrwühlt, viele Maschinen und eine Anzahl Waggons find' umgestürzt. Tausende Centner von Steinkohlen sind wcggcspült. Sämmt- liche Bahnhofsgebäude stehen unter Wasser. Der Schaden ist ungeheuer; man sagt, er beziffert sich auf Millionen, da die ganze Gebirgsstrecke von der Ueber- schwemmung heimgcsucht sein dürfte. Atif lange Zeit dürfte der Bahnkörper kaum befahrbar sein. Auch die unteren Stadttheile sind an vielen Stellen unter Wasser gesetzt. Der Queis hat die ganze Ostscite der Stadt und das anliegende Berthelsdorf über schwemmt, viele Menschen konnten nur mit Mühe ihr Leben retten. Keller und tiefer liegende Wohn ungen stehen sämmtlich unter Wasser. Bei Zittau ist die zwischen dem Ansageposten und der Poritscher Straße gelegene massive Neißbrücke für jeden Ver kehr gesperrt. Die Neißeniederungen von Grottau und Hartau aus, bei Zittau vorbei bis Hirschfclde und Türchau bilden einen stundenlangen See. Die Grottauer Chaussee ist überfluthet, die Brücke am Poritscher Damm weggerissen. Aus Rieda wird ge meldet, daß daselbst das Hockwasser den höchsten Wasserstand von 1858 noch um 25 Centimeter über schritten hat. Reichsqraf Jockel. Eine Erzählung aus der Revolutionszeit von August Becker. (14. Fortsetzung.) So weit war die Täuschung gelungen. Der Müller von Spelzheim hatte keinerlei Verdacht ge schöpft. Um ferner allen Argwohn zu vermeiden, gab die alte Bärbel zu, daß die Gräfin neben ihrer eignen Kammer schlafe, statt im Staatsbctt der schönen Oberstube. Wir es weiter gehen solle, das stand in Gottes Hand. Schweres war über sie verhängt, Schweres wohl noch Vorbehalten. Die Ocllampc auSlösckcnd, legte sie sich nieder in das Bett der schlichten Kammer, wie die nächste beste Bälierin. Sic wachte lange. Sic dachte daran, wie es ihr in dem prunkenden Boudoir ihres Scklos- ses nie eingefallen, daß sie je flüchtig und heimathlos um ein Lager auf grober Leinwand froh sein werde. Hätte nicht das Geklapper der Mühle sie fortwährend daran erinnert, wo sie sich befand, würde das Geheul der Kettenhunde cS gcthan haben. Endlick beruhigten sich auch diese, während der Wind zu pfeifen und der Regen an das Fenster zu schlagen begann. Unter Thränen und mit Gebet schlummerte sie endlich ein. Unterdessen saß der Müller noch nachdenklich und zuweilen pfiffig vor sich hinlächelnd, bei seinem Schop- pcnglas und erwartete die Rückkunft der alten Bärbel, da noch Verschiedenes für morgen zu besprechen war. „Die Base von Wallalben," wandte er sich dann in seiner unvermittelten Weise plötzlich mit schlauer Miene an die Alte, „ist auch nicht gerade Euretwegen daher gekommen, Bas Bärbel." „Weswegen denn?" erkundigte sich Bärbel im Innersten erschreckt. „Man denkt sein Theil." „Heiliger Gott!" seufzte die Alte innerlich, fragte dann aber anscheinend arglos, was er meine. „Mir scheint, sie hat Langeweile in ihrem Witt- wcnstand," versetzte er — „und will sich einmal die Spelsemcr Mühle und den Mann darin anschauen." „Laß Dir nichts cinfallcn, Jockel!" sagte die Alte, und sie mußte bei allem Elend — wie sie später er zählte — noch lachen. Allein rasch kam ihr die Be sinnung, daß es vielleickt zweckdienlicher wäre, ihn bei dem Glauben zu lassen. „Na, wer kann wissen," fuhr sie fort. „Sie ist nur älter, als Du." „Aber noch eine gar saubere, feine Person. Wißt Ihr nicht, wie s daheim mit ihr steht, ob Vermögen da ist?" „Da« glaub' ich schon. Aber wie viel?" sagte die alte Bärbel die Achseln zuckend. „DaS wäre herauszubringen," meinte der Müller. „Man kann ja einstweilen zusehen, wie sie sich noch macht im Hauswesen. Sie bleibt ja über die Feiertage bei uns." Die Stube verlassend, schlug die alte Bärbel drau ßen die Hände über dem grauen Scheitel zusammen. — Auch das noch! — Dann begab sie sich kopfschüt telnd in die Küche, wo so kurz vor Pfingsten noch tief in die 'Nacht hinein gearbeitet wurde, und auch wegen Besuchs noch verschiedene Anordnungen zu treffen waren. Als sie später einen Blick in den Hof warf, um nachzusehen, ob da« Wetter anhalte, und warum die Kettenhunde wieder so fürchterlich rasten, bemerkte sie in der Dunkelheit des Hofes die weiße Gestalt eines Mannes, der aus der Thüre des unaufhörlich lärmen den Mühlenwerks gekommen zu sein schien, — wohl einer der Knechte oder Mühlknappen. Doch schien es ihr verdächtig, daß er sich dem Hofthore näherte. Unbemerkt folgte sie ihm, wobei ihr auffiel — die Nacht war finster und der Wind sauste in den Pap peln jenseits der Mauer, — daß man von außen stark an das Thor pochte und lebhaft Einlaß begehrte. In der Sorge um die Sicherheit der Gräfin, wagte sie sich weiter vor. In dem Manne innen am Thor erkannte sie den Müller. Was hatte er mit denen draußen zu verhandeln? Oder horchte er nur? O Gott! hatte er dennoch Argwohn geschöpft, wollte er in seinem Aristokraten haß den znrückgekchrtcn Häschern die flüchtige Gräfin ausliefcrn? „Hollah! Aufgemacht!" polterten jetzt die draußen, indem sie fluchend mit den Gewehrkolben gegen die Thorbohlen stießen. „Den Teufel auch!" brauste jetzt der Müller aus. „WaS für ein Lärm in der 'Nacht!" „Ah, man kommt!" sprach eine rauhe Stimme von außen. „Tout cka suite! Das Thor auf!" „Oho! Wenn ich aber nicht will?" „So wird es eingeschlagen." „Untersteht Euch! Potz Donnerwetter! Ihr kämt mir recht!" „Ein Feind der Freiheit!" hallte cs von außen. „Er haßt die Republik! Ein wüthigcr Aristokrat!" „Ich?" fiel der Müller ein. „Geht doch!" „So mach' auf, Bürger! Die Gräfin ist uns auf dem Transport entwischt." „Und da sucht Ihr sie beim Spelscmer Müller? Haha! Bei uns zu Land flüchtet man sich zu seinen Freunden, nicht zu seinen Feinden. Zudem liegt mein Besuch, die Bas Ammerie von Wallalben, schon im siebenten Traum. Eure Gendarmenfäustc sollen ihr nicht zu nahe kommen. Nehmt Euch in Acht, ihr Männer! Laßt die Aristokratie nicht entwischen, gute Bürger aber in Ruh'. Und damit Basta!" Indem er sich entfernen wollte, ließ sich eine an dere Stimme beschwichtigend von außen vernehmen. „So mach' doch auf, Jockel, und komm' mit zu -einem Schoppen." „Heute nicht. Morgen!" Und ohne sich weiter um die draußen zu kümmern, die nach kurzer Bcrathung sich fluchend entfernten, kehrte er ins Haus zurück, bald auch, da es wieder zu tröpfeln begann, die alte Bärbel. Ein Stein war ihr vom Herzen gefallen. Beruhigt legte sie sich nieder. Beim Klatschen des Regens und WindeSpfcifcn schlief sie endlich ein. Und Stille waltete über dem Hause; auch die Hunde rührten sich nicht mehr. Nur innen am Getriebe regten sich noch die mehlweißcn Knappen, und das Mühlenwerk brauste und klapperte die Nacht hindurch bis zum Morgen. — Irgend Jemand hat gesagt: das Schrecklichste sei das Aufwachen eines lebenslänglich Vernrthcilten nack der ersten 'Nacht im Kerker. Auch Gräfin Maria Anna empfand ihre Lage schwer, als sie die Augen aufschlug und sich nicht im Schlafgcmach ihres Schlos ses, sondern in einer Kammer der Mühle zu Spelz heim fand. Das Zittern und Schlittern des Bodens, der feine, alles durchdringende Mchlstanb, der sich wie Reif auf ihr Gemüth legte, rief ihr die Erinner ung an die Ereignisse des gestrigen Tages rasch zu rück. Und nun regnete cs und von den Dachtraufen ergoß sich einförmiges Plätschern in den Rasenstreif draußen. Einigen Trost brachte Bärbel init ihrem Bericht über den nächtlichen Vorgang am Thor. Die nächste Gefahr war also glücklich vorüber. Nun aber, wohin sich wenden? Bis zu den Vorposten der Preußen auf der Sickinger Höhe, am Karlsberg nnd im Holz land, war noch eine gute Strecke vom Feind besetzten Landes — fünf oder sechs Stunden. Nun konnten die Husaren des Obersten Szekelh allerdings von da in einem Ritt über Blieskastel den Feind vor sich her gegen die Saar jagen; ob aber heute, morgen schon, wer wußte es? Jedenfalls erschien cs rath- sam, den Vormarsch der Preußen abzuwarten an sicherm Ort; und das war ja die Mühle von Spelz heim — wenn die Häscher nicht wiederkamen und daS Inkognito nicht durchschaut wurde. Der Regen hielt die Leute im Hause. Nur einige wenige Bauern fuhren im Hofe an, um trotz de« Wetters Getreide abzuladen und Mehl für die Pfingst- feiertage zu holen. Innen nahm das Putzen und Scheuern, das Braten und Backen seinen Fortgang,